János Simor, Professor für Kirchenrecht an der Universität Wien, berichtet dem Minister von seiner Reise nach Rom und den Vorgängen im Vatikan. Bei seiner Ankunft in Rom waren bereits zahlreiche Bischöfe aus ganz Europa in Rom anwesend. Er nennt einige der anwesenden Bischöfe und ihre Anliegen. Er betont, dass besonders zwei Themen die Bischöfe und Kardinäle bewegten: die Frage des Dogmas der unbefleckten Empfängnis sowie das österreichische Konkordat. Ausführlich geht Simor auf die Verhandlungen für das Konkordat ein: In Rom sei es ein offenes Geheimnis, dass Kardinal Rauscher wegen dieser Verhandlungen in Rom sei. Rauscher wurde vom Papst bereits privat empfangen. Simor selbst hat mit Kardinal Antonelli über das Konkordat gesprochen und jener habe auf mehrere Schwierigkeiten hingewiesen, die dem Konkordat entgegenstünden: Ein Hindernis sei der Wunsch des Kaisers, das Konkordat für die ganze Monarchie abzuschließen, wodurch die ungarische Kirche eine Reihe von Sonderrechten verlöre. Außerdem nannte der Kardinal die Forderungen Österreichs in der Frage der Ehegesetze als Hindernis für einen erfolgreichen Abschluss. Dieses Gespräch bestätigte seine Auffassung, dass man in Rom vielfach unrichtige Auffassungen über die wahren Verhältnisse in Österreich habe. So seien etwa die jüngsten Reformen des Schulwesens gar nicht bekannt. Er kritisiert daher die österreichischen Gesandten in Rom, und meint, diese würden ihren Aufgaben nicht genügend nachkommen. Schließlich erwähnt Simor, dass der Heilige Stuhl die Berufung von Protestanten an österreichische Universitäten heftig kritisiert habe. Der Fall von Heinrich Ahrens sorge in Rom für große Missstimmung. Der Papst persönlich habe sich in dieser Sache beim Bischof von Verona und beim Erzbischof von Wien beschwert. Außerdem sei zu erwarten, dass die Lehre von Anton Günther als Irrlehre verurteilt werde. Simor berichtet zuletzt, dass die Visitation der Nationalkirche Santa Maria dell'Anima auf unbestimmte Zeit verschoben worden sei.
Unter der Signatur A3 XXI D296 sind weitere sieben Briefe und Berichte
Simors abgelegt:
János Simor an Leo Thun. Rom, 14. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 17. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 1. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 7. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 12. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 15. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 23. Dezember 1854.
Euere Excellenz!
Mein sehnlichster Wunsch war seit jeher das alte ehrwürdige
Rom, den Sitz des Oberhauptes der Kirche, an welcher
ich mit vollem Herzen hänge, von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Dieser Wunsch
wurde durch die hohe Gnade Euerer Excellenz am 31. des verflossenen Monates
erfüllt, an welchem Tage ich wohlbehalten in Rom ankam.
Ich reiste über Laibach, Triest,
Venedig, Padua,
Ferrara, Bologna,
Florenz, Siena und
Viterbo, und zwar von Padua an immer in der
Gesellschaft des Kardinalfürstprimas von
Ungarn. Die Sache kam so: Von der päpstlichen Regierung wurde
über diejenigen, welche auf ihrer Reise nach Rom die Stadt
Venedig berührten, ich weiß nicht aus welchem Grunde,
eine sechstägige Contumaz verhängt, von dieser Maßregel habe ich bis
Rovigo nichts gehört. Erst als ich von hier weiter
reisen wollte, wurde ich auf jene Verordnung durch das übrigens sehr höfliche
Polizeicommissariat mit der Bemerkung aufmerksam gemacht, es dürfe meinen Paß
nach Rom nicht visiren, und es sei vorzuziehen die mir
unausbleibliche herrschende Contumaz lieber in Rovigo als
irgendwo an der Gränze auszustehen. Auf die Gefahr hin an der Gränze angehalten
zu werden, visirte man endlich meinen Paß, und ich setzte die Reise fort. An dem
Po zum Übergange in die päpstlichen Staaten angelangt wurden wir mit der Drohung
der Contumaz empfangen, falls wir von oder über Venedig gereist sind. Da ich
keine Lust hatte in einer kleinen und schmutzigen italienischen Stadt durch 6
Tage zu verweilen, so hielt ich es für zweckmäßig, meinen Paß gar nicht
vorzuzeigen und einfach zu erklären, ich mache die Reise mit dem Kardinal, von
welchem die verpönte Stadt Venedig nicht berührt wurde.
Die der deutschen Sprache unkundige Polizeibehörde begnügte sich mit dieser
Erklärung und ließ mich die Gränze anstandlos passiren, nur konnte sie sich
lange Zeit mit dem Primatialhußaren auf dem Bock nicht zu rechtfinden, und es
kostete uns viel Mühe derselben begreiflich zu machen, die Hußaren wären keine
Soldaten, sondern lediglich hußarenmäßig gekleidete Diener des Kardinals. Um
consequent zu bleiben und mich keiner Unannehmlichkeit auszusetzen durfte ich
meinen Paß nicht mehr gebrauchen, aber auch mich vom Primas nicht trennen,
dessen Kardinalswürde übrigens mehr als hinreichend war, um mich vor jeder
Behelligung und vor jeder Nachfrage um einen Paß zu schützen. In
Rom angekommen blieb ich noch einige Tage beim
Kardinal, der mich durchaus bei sich behalten wollte, und ich hatte große Mühe
gehabt, um mich von ihm endlich los zu machen.
Aus allen Weltgegenden sind
hier Bischöfe angekommen, namentlich aus Nordamerika, aus
Großbritannien, Portugal,
Spanien, Frankreich,
Belgien, Holland, aus der
Schweiz, aus Deutschland. Aus Österreich sind dermalen hier die Erzbischöfe von Wien, Prag, Gran und Mailand
und die Bischöfe von Verona,
Brescia und Lodi. Die meisten sind aus
Frankreich erschienen, die französischen Bischöfe wollten
überhaupt ohne Ausnahme nach Rom kommen und beschweren
sich darüber, daß aus dem allerchristlichsten Lande so wenige Bischöfe
eingeladen worden sind. Der französische Episcopat hätte die Abhaltung eines
wirklichen allgemeinen Conciliums gewünscht. Der Papst habe allen Bischöfen die
Wohnung und die Verpflegung in den päpstlichen Pallästen angeboten, die meisten
haben das Anerbieten angenommen. Die Erzbischöfe
von Gran, Wien und
München sowie der Bischof von Breslau wohnen im Palazzo
Quirinale, der Kardinal
Schwartzenberg und Wieseman in dem Palazzo „Consalvo“; die französischen Bischöfe
meistens in ihren hierortigen Instituten; der Bischof Riccabona hat die glänzende Wohnung in einem päpstlichen
Hause ausgeschlagen und wohnt im deutschen Hause neben der Kirche dell’Anima; und der Erzbischof von Mailand bei einem
lombardischen Signore. Der Kardinal
Scitovszky wird am 16. dieses in dem eigens deshalb abzuhaltenden
öffentlichen Consistorium den Kardinalshut und den Titel „Sanctae Crucis in
Hierosolyma“ erhalten, was mit sehr großer Feierlichkeit geschehen, aber ihm
auch einen bedeutenden Kostenaufwand verursachen wird. Er wurde von dem
Heiligen Vater bereits zweimal in
Privataudienz empfangen. Nach der Ankunft der Kardinäle von Toledo und Lissabon, welche am 20.
dieses erfolgen wird, wird abermals ein öffentliches Consistorium abgehalten,
und in diesem wird die Präconisation des Erzbischofs von Alba-Julia und der Bischöfe von Lugos und Szamosujvar erfolgen.
Zwei Gegenstände
beschäftigen die hiesige hohe geistliche Welt. Die „Immaculata“ und das
österreichische „Concordat“. Was die erste Angelegenheit anbelangt, so ist
dieselbe der Hauptsache nach als abgethan anzusehen, d. h. es unterliegt keinem
Zweifel, daß die dogmatische Entscheidung über die unbefleckte Empfängnis der
heiligen Jungfrau Gottesgebärerin erfolgen werde. Der Papst ließ nemlich noch im Jahre 1849 alle Bischöfe der
katholischen Christenheit zur Äußerung über die „Immaculata“ und über die Frage,
ob es an der Zeit sei, hinsichtlich derselben eine Entscheidung ergehen zu
lassen, auffordern. Von 540 Bischöfen haben sich 500 unbedingt für die
unbefleckte Empfängnis und für die dogmatische Entscheidung derselben
ausgesprochen; 36 glauben gleichfalls die „Immaculata Conceptio B.M.V.“, ob aber
über dieselbe auch ein förmlicher dogmatischer Ausspruch des apostolischen
Stuhles erfolgen solle, dieses stellen sie dem Ermessen des Papstes anheim. Nur vier Bischöfe vertraten die
gegentheilige Meinung und sind daher auch nicht für die Entscheidung des
Papstes, oben an steht der vehemente Erzbischof
von Paris zum großen Ärgernis der übrigen französischen Bischöfe,
von welchen die Immaculata Conceptio auf das Entschiedenste vertheidigt und auf
den dogmatischen Ausspruch des apostolischen Stuhles gedrungen wird. Die Seele
dieses Episcopates ist der hier anwesende und in großem Ansehen stehende
gelehrte Kardinal von Reims. Der Papst
ließ die sämmtlichen 540 Äußerungen nebst anderen Erörterungen über diese Frage
in Druck legen. Das Werk besteht aus 9 Bänden, jeder der hier anwesenden
Bischöfe erhielt dann zu seiner Belehrung und Orientirung ein Exemplar mit der
Weisung, davon keinen anderen Gebrauch zu machen. Über dies ließ der Papst die erwähnte Angelegenheit in 3 verschiedenen
Congegrationen durch 3 Jahre erörtern und berathen, die 1. bestand aus 25
Kardinälen unter dem Vorsitze des Heiligen Vaters selbst, die 2. aus lauter
gelehrten Theologen und einigen Prälaten. Die 3. endlich aus den gelehrtesten 2
Prälaten und 2 Theologen. Alle diese Congregationen haben ihre Arbeiten bereits
beendigt und das Resultat dem Papste vorgelegt. Die 3. Congregation hat unter
anderem die Aufgabe gehabt, die Entscheidungsbulle zu entwerfen. Bei dieser
Sachlage handelt es sich nunmehr lediglich um die Form, in welcher der
dogmatische Ausspruch erfolgen soll, und hierüber werden die anwesenden Bischöfe
sich zu berathen haben. Diese Berathungen werden vor 16. dieses nicht anfangen,
bis 8. December aber jedenfalls beendigt sein. An diesem Tage erfolgt dann die
feierliche Publication des Beschlossenen durch den Papst selbst in der St.
Peterskirche.
Was den anderen für uns wichtigen Gegenstand anbelangt, so ist
es hier allgemein bekannt, daß der Herr Wiener
Erzbischof vorzüglich wegen Förderung des Concordates nach
Rom gekommen ist. Der Papst selbst hat es mehreren Bischöfen, und unter anderem, auch
dem Primas gesagt. Der Heilige Vater
spricht überhaupt sehr häufig über diese Angelegenheit. Daß der Herr Erzbischof von Rauscher bereits vom
Papste empfangen wurde, und seine Audienz über eine Stunde gedauert habe, dürfte
Euerer Excellenz schon bekannt sein. Ich finde es nicht politisch, jedermann zu
sagen, der Erzbischof sei wegen Verhandlungen über das Concordat nach
Rom gekommen. Ich war noch nicht beim dem Heiligen
Vater, hoffe aber in einigen Tagen zu der angesuchten Audienz zugelassen zu
werden. Leider mußte ich mich diesfalls an den Fürst Hohenlohe wenden,
den ich sonst gar nicht gesehen hätte. Beim Kardinal Antonelli habe ich schon eine Audienz gehabt. Das
Gespräch wurde von ihm selbst auf die österreichischen Verhältnisse und auf das
Concordat hingeleitet. Er sagte, das letztere habe große Schwierigkeiten 1.)
weil die Regierung Forderung stellt, welche sich mit den Satzungen des
Tridentinischen Conciliums nicht vereinbaren lassen, und 2.) weil die Regierung
das Concordat für die ganze Monarchie abschließen will, die Nothwendigkeit aber
eines Concordates für manche Theile der Monarchie „faventibus ipsis Episcopis“
nicht vorhanden, vielmehr zu befürchten sei, daß jene Theile z. B.
Ungarn dadurch an Rechten und an Freiheiten nur verlieren
würden. Der Kardinal hat „faventibus Episcopis“ gesagt, daher den eigentlichen
Urheber dieser Idee, das Concordat sei für die ganze Monarchie weder nothwendig
noch vortheilhaft, verheimlicht. Ich erklärte ihm unumwunden, der Heilige Stuhl
sei über die früheren Verhältnisse Ungarns nicht
gut unterrichtet, jene Verhältnisse seien besonders für die katholische Kirche
sehr bedenklich gewesen, ich führte an 1.) die stürmischen und ärgerlichen
Landtagsdebatten über kirchliche Angelegenheiten, welche jedesmal mit der
Schwächung der katholischen Kirche und der Stärkung des Protestantismus
endigten. 2.) die hinsichtlich der Mischehen ertheilte Concession, welche eben
darum viel größer sein müßte für Ungarn als für die übrigen Theile der
Monarchie, weil sonst der Landtag und die mächtigen Protestanten nicht
zufriedengestellt gewesen wären. 3.) die kirchliche Resolution des großen Theils
des ungarischen Clerus, welche nur wegen den politischen Verhältnissen möglich
war. Ich schilderte das unkirchliche Treiben, die ärgerlichen Beschlüsse der
Clerikalcongregationen unter dem Präsidium der Bischöfe mit lebhaften Farben.
4.) Ich führte an, daß dem Unwesen der Priesterehen und dem frechen Spiele,
welches von den Weltlichen mit der Ehe unter dem Schutze der ungarischen Gesetze
getrieben wurde, nur durch die Einführung des österreichischen Gesetzbuches von
der jetzigen Regierung Einhalt gethan würde. Ich erwähnte 5.) die von der
ungarischen Regierung ausgeschriebene Nationalsynode, welche zu 2/3 aus
Weltlichen und nur zum 1/3 aus Geistlichen bestehen sollte und die Bestimmung
hatte, ein Schisma ähnlich dem Anglikanischen hervorzurufen usw. und ich
beschloß meine Rede mit der Erklärung, jene Macht, welche in
Ungarn die Revolution niedergeworfen und den dortigen
morschen Constitutionalismus aufgehoben hat, habe auch die katholische Kirche in
Ungarn gerettet, diese bedürfe auch dermalen und auch für
die Zukunft eines mächtigen Schutzes wider den Protestantismus, noch mehr aber
wider das orientalische Schisma; dieser Schutz könne nur von
Österreich und auch von diesem in vollem Maße nur dann
gewährt werden, wenn nebst der politischen Einheit auch die äußere kirchliche
besteht, der sei daher kein Freund der katholischen Kirche und suche nur sich
selbst und nicht den Vortheil der Kirche, welcher die Nothwendigkeit eines
Concordats auch hinsichtlich Ungarns bestreitet, es sei endlich ohnehin gar
nicht daran zu denken, daß der Kaiser in
einen Abschluß des Concordats ohne Ungarn oder irgend einen
Theil der Monarchie einwilligen werde. Der Kardinal hörte mich mit Geduld an und gestand, daß er von mir so
manche neuen Umstände gehört habe, er fügte aber bei „also soll das privilegium
fori auch in Ungarn aufgegeben werden“. Ich antwortete „der
ungarische Clerus erfreute sich dieses Privilegiums in der von den
Kirchensatzungen geforderten Extension seit Jahrhunderten nicht“. Zur Beweisung
aufgefordert führte ich die beschränkenden ungarischen Gesetze an, aber auch das
Beispiel des Abtes Martinovics, welcher in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts
wegen Hochverrath in Ofen geköpft wurde. Der Kardinal
staunte und sagte „Sie dürfen überzeugt sein, wir wollen daß das Concordat zu
Stande komme, aber in der Ehefrage kann der Heilige Stuhl in alle Forderungen
der Regierung nicht eingehen; ich bin überzeugt – sagte ich – daß von Sr.
Majestät jeder Gedanke ferne sei, zu verlangen, daß irgend ein katholischer
Grundsatz aufgegeben werde, im Übrigen lasse sich eine Verständigung erzielen.
Der Kardinal, auf die mit dem Erzbischofe von Wien zu pflegenden Berathungen
hinweisend, entließ mich mit der Bemerkung, er wolle mich noch sprechen. Worauf
ich mich entfernte und ging zum Erzbischofe, um demselben den ganzen Verlauf der
Audienz zu erzählen. Der Erzbischof hat mir aufgetragen, die früheren
ungarischen kirchlichen Verhältnisse zu beschreiben und überall mit Beispielen
zu erläutern. Euere Excellenz können versichert sein, daß ich der Aufforderung
nach Kräften entsprechen werde. Ich wundere mich nur darüber, daß man in
Rom jene Verhältnisse nicht kennt, noch mehr wundere
ich mich aber über die Bonirtheit derjenigen Menschen, welche jene Zustände
verschweigen, um nur gegen das Concordat agitiren zu können. Die Berufung
protestantischer Professoren wird ebenfalls sehr oft wider den guten Willen der
Regierung geltend gemacht. Professor
Ahrens in Grätz
[Graz]ist besonders ein Stein des Anstoßes, der Papst selbst hat über diese Sache sowohl mit dem Erzbischofe von Wien als auch mit dem
Bischofe von Verona gesprochen
und dem letzteren sein Staunen darüber ausgesprochen, daß so ein durch und durch
gefährliche Lehren vortragender Lehrer noch immer auf der Lehrkanzel geduldet
werde. Es ist Euerer Excellenz wohlbekannt, daß gegen das Buch Ahrens zwei Italiener aufgetreten sind,
welche nicht unterlassen haben ihre Werke dem Heiligen
Vater vorzulegen. Wenn der Heilige
Vater mit mir über diese Sache reden wird, so werde ich mit
Aufklärungen dienen. Es ist hier nur eine Stimme darüber, daß Österreich nicht gekannt, ja verkannt, und in
kirchlicher Beziehung gar nicht vertreten sei. Der Gesandte ist, sagt man, ein
gescheidter Kopf, allein ein ens invisibile, ein in Zurückgezogenheit lebender
Herr, den man sehr selten sehen und sprechen kann. Gozze verstehe von den kirchlichen Angelegenheiten gar nichts
und erfreue sich keines Ansehens. Der Secretär Palomba aus
Civitavecchia gebürtig, sei ein Italiener und nicht
im Stande über unsere Verhältnisse Aufklärungen zu geben. Monsignore Silvestri ist nach allem, was
ich gehört und gesehen habe, eine wohl abgerundete Null, und doch könnte er
seiner kirchlichen Stellung noch sehr wichtige und gute Dienste leisten. Als die
einzigen Beschützer der hier lebenden und hieher kommenden zahlreichen deutschen
Katholiken werden gepriesen der Fürst Hohenlohe und der Buchhändler
Spitthöfer. Ganz anders sind die Franzosen in
Rom vertreten, der Botschafter hat um sich 12
Individuen, welche fortwährend um den Papst oder um die einflußreichen Prälaten
sich bewegen. Sie treten überhaupt mit Pomp auf, üben Werke der Hospitalität und
der Barmherzigkeit aus, imponiren daher den Italienern gewaltig. Die Stadt
wimmelt nicht nur von französischen Soldaten, sondern auch von den Geistlichen
dieser Nation; beinahe jedes Jahr entsteht irgend ein neues französisches
Institut, und es ist hier nur eine Stimme darüber, daß die auswertigen Missionen
ohne Frankreichs Schutz nicht bestehen könnten. Der neue Befehl des Kaisers
Napoleon, die aus
Spanien vertriebenen Jesuiten gastfreundlich aufzunehmen,
verfehlte seine gute Wirkung nicht. Es ist daher leicht begreiflich, warum der
französische Einfluß hier groß, wenn nicht allmächtig ist. Die Würde unseres
Reich‘s fordert es, daß dessen Einfluß an dem Sitze des Oberhauptes der Kirche
gehoben werde. Die Art und Weise dieses zu erlangen muß ich wohl anderen
überlassen. Jedenfalls wäre Silvestri je eher zu befördern, allein so viel ich weiß, zum
Kardinal will man ihn noch nicht machen, und es werden gewiß noch 6 Jahre
vergehen, bis man hier daran denken wird. Aber auch er selbst verlangt eine
solche Beförderung vorläufig nicht, weil er gegenwärtig so einträgliche Ämter
bekleidet, daß sein Einkommen jenes eines einfachen Kardinals beinahe 3fach
übersteigt: dann sollte der kirchliche Geschäftsführer bei der Gesandtschaft
wieder ein österreichischer Prälat sein, wie er es bis zu den Zeiten Kaiser Josef’s gewesen ist, ein solcher findet
bei den hierortigen Monsignori viel mehr Eingang als ein weltlicher. Die Zeiten,
wo die Bischöfe mit dem päpstlichen Stuhle nur mittelst der Gesandtschaft
correspondirten, haben aufgehört, und doch liegt es sehr im Interesse der
Regierung zu wissen, was hier auf das Land bezügliches vorgeht. Wie man hier
über uns unterrichtet ist, geht daraus hervor, daß die den Einfluß der Bischöfe
auf den Gymnasial- und Realunterricht und die Reorganisation der juridischen
Studien betreffenden Erlässe erst durch mich bekannt geworden sind. Euere
Excellenz würden mir verzeihen, daß ich mir erlaubt habe über Sachen, die mich
nichts angehen, Anträge zu stellen. Der Güntherianismus wird der Verdammung
nicht entgehen, obschon die immer noch hier verweilenden Verfechter dieser
stolzen philosophischen Secte Balzer und Knoodt alles aufbieten, das unverdauliche System in ein besseres
Licht zu stellen. Ich sprach mit einem Mitgliede der Congregation, welche sich
mit diesem Gegenstande beschäftigt.
Die hinsichtlich der dell’Anima Stiftung angeordnete
Sagra Visita „ruht einstweilen“, Prof.
Flier hat den Auftrag erhalten das Archiv durchzuforschen, damit
herausgestellt werde, wann, von wem, zu welchem Zecke die einzelnen Stiftungen
gemacht worden sind. Leider sind zu der Visita nur zwei Deutsche beigezogen
worden, nemlich der erwähnte vortreffliche Professor und der Fürst Hohenlohe, von
diesem sagt man, er sei nicht mehr so antiösterreichisch gesinnt, wie früher.
Die Ernennung seines
Bruders oder Anverwandten zum Flügeladjutant bei Sr. Majestät
soll in umgestimmt haben. Er ist übrigens wohl beim Papste, aber sonst nirgends
eine beliebte Persönlichkeit und soll nur für den Posten taugen, welchen er
einnimmt, nemlich eines dienstethuenden Kämmerers Sr. Heiligkeit. Übrigens soll
er bald Maestro di Camera werden, welchen Posten dermalen ein Graf Borromaeo bekleidet, derselbe, der in der
St. Karlskirche zu Rom ein feierliches „Te Deum“
abgehalten hat, als der [?] Marschall sich von Mailand
zurückzog, ich habe ihn schon 2mal gesehen, er hat ein polizeiwidriges Gesicht.
Ich habe den Papst bereits dreimal gesehen (a.) in der Sixtina mit der 3fachen
Krone, b.) in der St. Karlskirche, c.) bei der Ausfahrt), ich sah wie die am St.
Petersplatz exercirende französische Mannschaft, als er vorüberfuhr, auf die
Knie gefallen ist. Der Papst ist eine imposante Erscheinung und wie gemacht zur
äußeren Repräsentation der hohen Idee des Papstthums. Das Volk verhielt sich
beim Vorübergehen desselben ruhig und kniete andächtig nieder. Kein Evviva war
zu hören. Kardinal Antonelli ist
die verhassteste Persönlichkeit in Rom, er soll nicht zu
der französischen Partei gehören und mit uns gut meinen, sein Einfluß ist
allerdings groß, aber nicht hinsichtlich der kirchlichen Fragen, da er kein
gelehrter Theolog ist. Die politische Stimmung des Volkes soll sehr schlecht
sein, die Besseren sehen in den französischen Soldaten die Erhaltung der Ordnung
und wünschen nicht den Abzug derselben.
(Über die Ruinen, Museen, Kirchen
und Kunstschätze Rom’s will ich nichts schreiben, diese
sind Euerer Excellenz ohnehin wohl bekannt.) Die gelehrtesten Geistlichen in
Rom sind unfreiwillig die Jesuiten, es ist nicht
wahr, daß der Papst gegen die Gesellschaft feindselig gestimmt ist, unlängst hat
er sie besucht, und es soll keinem Zweifel unterliegen, daß bei der nächsten
Kardinalpromotion den rothen Huth ein Jesuit erhalten werde. Die Kirchen der
Jesuiten sind hier nach den großen Basiliken die glänzendsten und die
besuchtesten.
In dem von denselben geleiteten Collegio Germanico Hungarico
fand ich die größte Ordnung, die Alumnen werden in jeder Beziehung vortrefflich
erzogen und unterrichtet. Eben als ich diese Zeilen schreibe, erhalte ich vom
Fürsten
Hohenlohe eine Einladung zum Mittagessen. Auch die Kardinäle von Prag und Gran und der Bischof von Verona sind geladen.
Verzeihen mir Euere Excellenz, daß ich Hochdieselben mit solchen Kleinigkeiten
belästige, überhaupt, daß ich einen so langen Brief zu schreiben mich erkühnt
habe. Ich werde meine Beobachtungen fortsetzen und dann weitere Berichte
erstatten. Ich bitte den Allmächtigen, daß Er Euere Excellenz in der besten
Gesundheit erhalten möge und verharre in der tiefsten Verehrung
Euerer Excellenz unterthänigster Diener
Simor
Rom, den 11. November 1854