János Simor an Leo Thun
Rom, 17. November 1854
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Regest

János Simor berichtet Leo Thun von seinem Aufenthalt in Rom. Simor teilt dem Minister mit, dass er gemeinsam mit dem Kardinalprimas eine Audienz beim Heiligen Vater hatte: Dieser habe sich dabei lobend über den Kaiser und das Kultusministerium ausgesprochen aber gleichzeitig die Macht der österreichischen Bürokratie kritisiert. Anschließend berichtet Simor von einer Unterredung mit Kardinal Brunelli über den Stand der Konkordatsverhandlungen. Der Kardinal beteuerte dabei, dass er den Abschluss des Konkordats fördern werde. Simor selbst versicherte dem Kardinal umgekehrt, dass Österreich das beabsichtigte Konkordat stets treu einhalten werde. Zuletzt berichtet er von einigen Zusammenkünften mit Kardinal Antonelli sowie einer Preisverleihung im Collegio Romano. Das bevorstehende Namensfest der Kaiserin wird Bischof Rauscher in Anwesenheit der beiden österreichischen Kardinäle in der Kirche Santa Maria dell'Anima begehen.

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Edierter Text

Euere Excellenz!

Gestern sind zwei Consistorien abgehalten worden, ein öffentliches und gleich darauf ein geheimes, in dem ersteren erhielt der Kardinal Scitovszky den Kardinalshut (Galerum) und in dem zweiten den Ring und die Kirche S. Crucis in Jerosolyma, von welcher er den Titel führen wird. Auch sind in diesem der Erzbischof von Alba-Julia, dann die Bischöfe von Lugos, Szamosujvar und der Großpropst von Agram als Bischof in partibus präconisirt worden. Nach dem geheimen Consistorium wurde ich dem Papste von dem Kardinalprimas sehr ehrenvoll vorgestellt. Der Heilige Vater sprach sich über unsere Verhältnisse wie folgt aus: Scio Imperatorem Austriae esse optimum, habere optimas intentiones et Ecclesiae bene velle; sed Bureaucratia effectus harum intentionum saepe impedit, cui denique durum est antiquam derelinquere consuetudinem.“ Dann sprach er einige Worte über die große Verantwortlichkeit der öffentlich angestellten Beamten. Hierauf ergriff der Primas das Wort und ergoß sich weitläufig über das Lob Seiner k.k. Apostolischen Majestät und auch des Cultusministeriums. Ich zeigte Euerer Excellenz an, daß ich bereits um eine Privataudienz angesucht habe, aber der Fürst Hohenlohe ist krank, und ich muß auf die Antwort warten. Der Heilige Vater muß ein außerordentlich guter Mann sein, aus seinen Augen und aus seinem ganzen Wesen leuchtet die große Güte und Milde heraus. Hierüber ist auch bei allen Bischöfen, welche sich jetzt in Rom befinden, nur eine Stimme.
Ich habe Gelegenheit gehabt mit dem Kardinal Brunelli längere Zeit zu reden. Er wird als die beste Capacität des Heiligen Kollegium‘s gepriesen und hat in der Congregation pro extraordinariis negotiis Ecclesiae Sitz und Stimme. Hieher gehören auch die Concordatsverhandlungen. Als ich ihm wegen des so glücklichen und schnellen Abschlusses des Concordats in Spanien gratulirte, sagte er „nun sehen Sie, die Regierung will es nicht halten“, ich antwortete, „so etwas wird in Österreich nicht geschehen, das Beschlossene wird man dort heilig halten, wie überhaupt alle Tractate nirgends pünktlicher befolgt werden als bei uns.“ „Davon sei er überzeugt“, antwortete er, daher werde er von seiner Seite gewiß kein Hindernis in den Weg legen, vielmehr die Sache des Concordat‘s befördern. Das merke ich, daß der Herr Erzbischof von Wien sich bereits in Rom ein großes Ansehen und die Achtung der Prälaten erworben hat. Kardinal Antonelli behandelt mich sehr freundlich, ich kam mit ihm bereits zweimal zusammen in großen Gesellschaften, jedesmal kam er auf mich zu und sprach mit mir.
Am 15. dieses wohnte ich der großen Preisvertheilung bei, welche an ausgezeichneten Studirenden des vorigen Schuljahres im Collegium Romanum stattgefunden hat. Die Kirche war hiezu auf das festlichste eingerichtet; Leute aus allen Klassen haben sich in großer Menge eingefunden, und die Preise vertheilte im Namen des Papstes ein Kardinal. Das gedruckte Verzeichnis werde ich nach Wien mitnehmen und mehrere Vorlesungen an dem gedachten Kollegium wie auch an der „Sapienza“ besuchen. Am künftigen Sonntage werden wir in der Kirche dell’Anima den Namenstag unserer Kaiserin feierlichst begehen: da ein Kardinal in Rom außer in seiner Kirche und in den 3 Hauptbasiliken kein Hochamt haben darf, so wird das Pontificalamt von dem Herrn Erzbischofe von Wien in Anwesenheit der beiden österreichischen Kardinäle und der hier anwesenden österreichischen Bischöfe abgehalten werden.
Der hohen Gnade mich empfehlend, habe ich die Ehre mit der tiefsten Verehrung zu verharren

Rom, den 17. November 1854

Euerer Exzellenz unterthänigster Diener
J. Simor