Der Bischof von Verona, Benedikt Riccabona, kritisiert die Zehentablösung in Tirol. Er empfindet die Zehentablösung als ungerecht und ist überzeugt davon, dass sie zu einer Verarmung des Adels und der Geistlichkeit führen werde. Schon jetzt wurde durch diese ungerechte Handlung im Volk das Ansehen des Kaisers beschädigt. Nicht zuletzt führte die Ablösung auch dazu, dass viele geistliche Anstalten nicht mehr überlebensfähig seien. Riccabona empfiehlt daher, entweder die Ablösung rückgängig zu machen oder den Grundherren eine Entschädigung für den entfallenen Zehent zu verschaffen.
Die Ablösung des Zehentes war und bleibt eine revolutionäre Maßregel, wodurch der
Adel und die Geistlichkeit verarmt werden sollten.
In diesem Sinne wurde sie
wie überall, so auch in Tirol
durchgeführt.
Auch in Tirol haben die
Berechtigten einen mehr oder weniger bedeutenden Schaden erlitten. Ich glaube,
man müße annehmen, daß in Tirol im Durchschnitte
für die Berechtigten die Hälfte des Einkommens durch die Zehent-Ablösung
verloren gegangen ist.
Hierüber erhoben sich nun freilich in ganz Tirol große Klagen gegen die schreiende Ungerechtigkeit
dieser Ablösung. Weniger laut sind die Klagen im italienischen Antheile Tirols, nicht etwa weil da die Ablösung mit mehr
Gerechtigkeit vorgenommen wurde, sondern weil man da gewohnt war, den Zehent
unrichtiger als im deutschen Antheile Tirols
abzuliefern.
Durch diese Ablösung, so wie sie geschehen ist, sind nun zwei
große Nachtheile für Tirol entstanden.
Der
erste und größte Schaden ist ein moralischer. Das Tiroler
Volk, welches sonst redlich und bieder ist, hat eine große, öffentliche
Ungerechtigkeit erleben müßen, und da sie zu seinem Vortheile dient, billiget
sie das Volk und sucht sich dadurch zu entschuldigen und zu rechtfertigen, daß
es sagt: "Die Regierung, der Kaiser hat es so befohlen." Durch diese Anschauung
wird der Rechtsinn, und auch die Achtung gegen den Kaiser und dessen Regierung
beim Volke geschwächt.
Der zweite Nachtheil ist, daß sehr viele [?],
geistliche Pfründe und Wohlthätigkeits-Anstalten dadurch arm wurden, und manche
Pfründen gar nicht mehr bestehen können.
Nun könnte man die Frage
aufstellen: Wer kann und soll da abhelfen? Wie kann abgeholfen werden?
Die
Regierung hat die Ablösung angeordnet und gutgeheißen, sie ist also auch
schuldig auf irgend eine Weise die Ungerechtigkeiten, die bei der Durchführung
dieser Maßregel geschehen sind, zu desavouiren. Thut sie das nicht, schweigt sie
zu dieser öffentlichen Spoliation, so erscheint es, als billige sie das
Geschehen. Dadurch würde sie in Tirol an Ansehen viel verlieren. Eine
öffentliche Mißbilligung der Ungerechtigkeit, die bei der Ablösung geschehen
sind, ist eine Nothwendigkeit.
Schwieriger ist die Beantwortung der zweiten
Frage:
Dem Schaden, den die Berechtigten durch die Zehent-Ablösung erlitten
haben, kann bloß abgeholfen werden, entweder:
a) durch die Annullierung des
Ablösungs-Operates und durch die Neubelebung der Zehent-Pflichtigkeit.
b.
oder dadurch, daß man aus anderen Quellen den Berechtigten einen Schadenersatz
zukommen läßt.
Das erste Mittel scheint mir nicht mehr anwendbar, denn es
würde große Unzufriedenheit unter dem Volke hervorrufen.
Es bleibt also blos
das zweite Mittel übrig.
Wien am 9. Mai 1854
Benedikt von Riccabona. Bischof von Verona