Ein nicht genannter Schreiber äußert sich zur Funktion der Landtage. Der Autor betont zunächst, dass die Landtage das höchste Organ der Selbstverwaltung darstellen. Er geht dann auf die Zusammensetzung und das Wahlrecht für diese ein. Dabei betont er, dass das Wahlrecht auf einen gewissen Personenkreis beschränkt werden sollte, dabei hebt er vor allem die Rolle des Adels, der Grundbesitzer und der Geistlichkeit hervor. Äußerst wichtig sei es auch, die mittleren Stände zu beteiligen. Er geht dann auch auf die Einteilung von Wahlkreisen ein. Schließlich spricht er sich für die Einführung eines Kurienwahlrechts aus und erläutert seine Ansichten zu den Vorteilen dieses Modus. Abschließend entwirft der Schreiber als Beispiel eine mögliche Zusammensetzung des Landtags für Böhmen.
Als oberster Grundsatz muß feststehen, daß der Landtag die Krönung
des staatsrechtlichen Aufbaues des Landes bildet, das höchste Organ für Selbstverwaltung ist. Daraus folgt, daß er aus den Trägern des Selfgovernements heraus wachsen muß und
daß andererseits auch sein Wirkungskreis wesentlich in der Sphäre des Selfgovernements gesucht werden soll. Die
Träger des Selfgovernements sind nun aber die Gemeindevorsteher und
Gemeindeausschüsse, die städtischen Magistrate, die eigenberechtigten
Gutsbesitzer. Diesen Autoritäten müssen jedoch – bei der unvollkommen
ausgeprägten socialen Gliederung unserer Zeit –, um die gesammten socialen
Elemente des Landes zu umfassen, die geistlichen Würdenträger, dann die
Vertreter der gewerblichen Genossenschaften höherer Ordnung (und das sollten die
Gewerbekammern werden) angereiht werden.
Die aktive Wahlberechtigung muß streng auf den Kreis jener
Autoritäten beschränkt und die Wahlaktion in die organischen
Zusammenfassungen selbst verlegt werden. Die passive
Wahlberechtigung muß im Allgemeinen ebenfalls auf denselben Kreis
beschränkt bleiben. Da es aber eine sehr wichtige Auffassung ist, daß die
unentbehrliche Lebensbedingung jedes wahren Selfgovernements in der Betheiligung
der höheren und mittleren Stände an der Selbstverwaltung liegt (was Gneist in seinem Buch über die englische
Communalverfassung sehr gut entwickelt 3
und was zusammenfällt mit der auf S. 35 meiner Brochure ausgesprochenen
Bedingung), so erscheint es mir als eine gesunde Anpassung dieses Grundsatzes
auf unsere Verhältnisse, daß man das passive Wahlrecht der
berufenen Autoritäten auf die (ihrer Interessenstellung nach
homogenen Wahlverbände), also Landgemeinden und
Gutsbesitz, einer- und Stadtgemeinden und Gewerbsgenossenschaften anderseits
ausdehnt.4 Es hätten
diese Elemente zwar abgesondert zu wählen, um das Organische Aufsteigen und die
ständische Gliederung zu wahren, aber es könnten, um dem höchsten Organe der
Selbstverwaltung intellektuell – moralisch – und social selbstständige Elemente
zuzuführen, die Landgemeinden aus der Zahl der Gemeindeautoritäten oder der
Gutsvorstände und umgekehrt und ebenso die Stadtgemeinden aus der Mitte der
Magistrate oder der Gewerbekammern wählen, wobei selbst die Möglichkeit
vorhanden ist, den letzteren ganz hervorragende industrielle Etablissements mit
individuellem Wahlrecht anzureihen.
Die Zusammenfassung der Elemente der
drei beziehungsweise vier großen Wahlfaktoren hätte nach
Kreisen zu erfolgen. Für die Landgemeinden bilden sämtliche
Bezirksausschüsse und sonstige Bezirksautoritäten des Kreises, für die Städte
und Gewerbe die Magistrate und Gewerbekammern derselben, für den großen
Grundbesitz die eigenberechtigten Gutsherrn die Wählerschaft. Letzteren müßten
als Vertretung des eigentlich gebundenen adeligen Gutsbesitzes für das ganze
Land die Standesherrn mit Virilstimmen und die adeligen Fideicommißbesitzer mit
Curiatstimmen beigefügt werden.
Wenn ich noch hinzufüge, daß zur Vertretung
der Geistlichkeit die Bischöfe mit Viril- und die landtagsberechtigten Stifter
und geistlichen Genossenschaften mit Curiatstimmen zu berufen und diesen der
Rektor der Universität und da und dort vielleicht die Superintendenten
beizufügen wären, so habe ich wohl alle Elemente zusammengefasst, aus welchen in
jeder Provinz – Ungarn, Tirol und
Italien ausgenommen – der Landtag zu bilden sein wird.
Die eigentliche detaillirte Construction hängt für jedes Land von den positiven
Zahlenverhältnissen ab, die mir nicht zu Gebote stehen: sie ist aber noch mehr
von der Vorfrage bedingt, ob man die Vertreter aller Stände in Eine Versammlung
oder in getrennte Curien berufen will. Ich neige mich entschieden und von Tag zu Tag entschiedener der
letzteren Ansicht zu. Nur durch diese Trennung ist man der mißlichen
Nothwendigkeit überhoben, ängstlich die Stimmenzahl der einzelnen Faktoren
abzuwägen, um ein gewisses Gleichgewicht zu erzielen. Das Resultat einer solchen
Abwägung ist immer höchst ungewiß. Das Gewollte und Gemachte tritt dabei so in
den Vordergrund, daß darin von Anbeginn der Angelpunkt der Strebnisse der
Bewegungsparthei liegen und in der Ausdehnung der Zahl gewisser Stimmen das
Mittel liegen wird, den Landtag zu demokratisiren – und wie man auch die Stimmen
abwägen mag – in Einer Versammlung wird immer das Übergewicht
nach links sich neigen. Bei Einer Versammlung kömmt auch das
zu bedenken, daß nothwendigerweise die Zahl der Vertreter der einzelnen Stände
eine wesentlich beschränkte sein muß, um nicht ganz unlenkbare Massen zusammen
zu bringen. In einem großen Lande wie Böhmen
würde dadurch die Theilnahme an dem Landtag für die einzelnen Stände und Gruppen
nahezu illusorisch. Wenn aus jedem Kreis z. B. zwei Gutsbesitzer im Landtag
sitzen – und mehr könnten bei Einer Versammlung kaum berufen werden –, so muß
das wohl als eine äußerst dürftige Vertretung des grundbesitzenden Adels
angesehen werden. Diese unnatürlichen Begränzungen und künstlichen Proportionen
fallen weg, sobald getrennte Curien sind, wo die Stimmenzahl in der einzelnen
Curie nicht von Belang für die andere Curie ist. Auch ist sehr zu bedenken, daß
– bei gewählten Vertretern des großen Grundbesitzes – selbst inmitten dieser
Gruppe, welche doch eigentlich der conservative Kern des Landtags sein soll,
eine anticonservative Minorität unbedingt vorhanden sein wird. Diese wird über
getrennte Curien paralysirt – bei Einer Versammlung verstärkt
sie die Gegner –, daß bei getrennten Curien – und zwar namentlich bei zwei
Curien – die bäuerlichen Vertreter den städtischen Vertretern Preis gegeben und
der moralische Einfluß aufgehoben wird, den die Vertreter des großen
Grundbesitzes auf jene üben könnten, ist meiner Ansicht nach ein Scheingrund,
dieser Einfluß eine Chimäre: und wenn er wirklich bestände, so könnte derselbe
durch gemeinschaftliche Berathung – wenigstens in
bestimmten Angelegenheiten – immerhin gewahrt werden. Jedenfalls muß aber dafür
gesorgt werden, daß in getreuem Anschluß an die natürlichen Verhältnisse dem
kleinen ländlichen Besitz gegenüber dem städtischen Elemente eine überwiegende
Vertretung zugewiesen und ihm andererseits durch Ausdehnung des passiven
Wahlrechts auf den Wahlverband der Gutsbesitzer die Möglichkeit geboten wird,
Männer in den Landtag zu schicken, welche an Intelligenz und Selbstständigkeit
den städtischen Vertretern überlegen sind. Und wenn jener Einfluß, der oben
erwähnt wurde, wirklich besteht oder sich entwickelt, so wird er sich viel
sicherer in der Sphäre der Bezirke und Kreise geltend machen und die Wahl
conservativer Vertreter der Landgemeinden zur Folge haben.
Wenn man sich
also für Trennung nach Curien entscheidet, so kann man wieder eine viergliedrige
oder zweigliedrige Theilung wählen. Die erstere hätte die nähere Anlehnung an
historisch überkommene Formen für, dagegen das gegen sich, daß sie unseren
jetzigen Verhältnissen weniger entspricht, den Landtag wohl äußerst schwerfällig
macht und endlich sehr leicht ein Zahlenverhältnis von 3 zu 1 zu Ungunsten der
konservativen Interessen herstellen kann. Ich neige daher auch wieder mit Entschiedenheit zu einer Theilung in zwei Curien
hin.
Dies vorausgesetzt würde es wohl nicht schwer sein, die eigentliche
Zusammensetzung des Landtages z. B. für Böhmen zu
entwerfen, doch fehlt mir das nothwendige statistische Material. In crudo kann
ich nur skizziren allenfalls:
I. für die Curie der Gemeinden:
A. für die
Landgemeinden: die Bezirksausschüsse eines jeden Kreises (oder wenn man will:
selbst die sämmtlichen Gemeindeautoritäten desselben) wählen aus der Zahl der
(communalen und gutsherrlichen) Bezirksautoritäten (exclusive der städtischen)
je 3–4 Abgeordnete. 5
B. a. die städtische
Vertretung von Prag wählt zwei Abgeordnete,
b. die
größten Städte (allenfalls über 10.000 oder 12.000 Seelen) je Einen (ich glaube
es sind dies Reichenberg – Pilsen
– Eger – Budweis –
Kuttenberg – dann die Dörfer
Warnsdorf [Varnsdorf] und
Karolinenthal) [Karlin],
c. die kleineren
städtisch organisirten Stadtgemeinden je Einen für jeden Kreis,
d. der
Bürgermeister von Prag als solcher,
e. je ein Vertreter für jede
Handelskammer.
Bei den Wahlen ad B. stünde das passive Wahlrecht den
Mitgliedern der städtischen Vertretungen und den Handelskammern, endlich
gewissen großen Industrieunternehmen, rücksichtlich derer wohl ein sehr hoher
Census gelten müßte, zu.
II. Herrn Curie:
A. a. die 4 Bischöfe,
b.
die ehemals landtagsberechtigten Stifter und Kapitel durch eine gewisse Anzahl
von Abgeordneten,
c. der Universitätsrektor.
B. a. die Standesherrn und
Landeswürdenträger mit Virilstimmen.
b. eine angemessene Anzahl von
Abgeordneten der adeligen Fideikommißbesitzer.
c. Abgeordnete der Gutsherrn
jedes Kreises (allenfalls je 8–10).
Was den Wirkungskreis des Landtags
betrifft, so sollte – wie oben gesagt – derselbe wesentlich in der Sphäre des
Selfgovernements gesucht und ihm in dieser die möglichste Autonomie gewahrt
werden. Der aktiven Verwaltungsthätigkeit zugewandt werden die Landtage
abgelenkt werden von jenen Bahnen, auf welchen sie gefährlich werden könnten;
und in der Autonomie und Selbstständigkeit und dem daraus entspringenden
Bewußtsein der Verantwortlichkeit wird der wichtigste moralische
Bestimmungsgrund zu weiser Mäßigung liegen. 6Landesfond – Landesanstalten
sollen im weitesten Sinne und unter freiester Bewegung dem Landtag zur
Verwaltung übergeben – die Bewilligung und Verwendung von Landeszuschlägen ihm
eingeräumt, die Grundentlastungsfondsdirektion ihm zugewiesen werden.
Die
zweite wesentliche Aufgabe für den Landtag ist, in Angelegenheiten der
communalen und municipalen Verwaltung obere Instanz und Aufsichtsbehörde zu
sein. 7
Endlich hat er in Landesangelegenheiten über
Befragen der Regierung Gutachten zu erstatten und andererseits auch mittels
eigener Initiative Anträge und Bitten zu stellen.