Schulrat Johann Maresch äußert sich zur Aufgabe der Schulräte und nennt einige geeignete Personen für den Posten eines Schulrates. Während er für Tirol, die Steiermark und Mähren durchaus geeignete Männer anführen kann, fällt es ihm für Böhmen wesentlich schwerer. Zwar gäbe es dort hervorragende Priester für dieses Amt, viele von diesen würden jedoch eine tschechisch-nationale Bildungspolitik bevorzugen und nicht zur Förderung einer österreichischen Gesinnung beitragen wollen. Die Herausbildung einer gesamtösterreichischen Einstellung unter den Schülern ist für Maresch jedoch das probateste Mittel, um die Zukunft Österreichs zu sichern. Maresch betont außerdem, dass er sich für den Unterricht in böhmischer und deutscher Sprache gleichermaßen eingesetzt habe. Außerdem zeigt er sich überzeugt davon, dass die deutsche Sprache sowie die katholische Religion das verbindende Element zwischen den einzelnen Nationalitäten sein könne. Schließlich nennt Maresch doch noch einen Kandidaten für den Schulratsposten für Böhmen: Dr. Czermak. Dieser ist ein alter Schulfreund von Maresch und er kann daher für ihn bürgen. Czermak beherrscht beide Landessprachen und ist ein "gemäßigter Slave".
Hochwürdiger,
Verehrter Herr Sektionsrath!
Endlich gewinne ich einen freien Vormittag, den ich außer der Vorbereitung auf
die Schlußrede zur feierlichen Entlassung der hierortigen Lehramtszöglinge auch
zu einem Schreiben an Euer Hochwürden benütze.
Außer der höchst erfreulichen
Nachricht über den Fortbestand der Schulräthe in Verbindung mit einer zur
erfolgreichen Wirksamkeit unerläßlich nothwendigen Stellung als Referenten bei
den Statthaltereien enthielt Ihr liebes Schreiben zugleich den Auftrag zur
Bezeichnung einiger geeigneter Männer für Schulrathsstellen. An hiezu tüchtigen
Männern fehlt es nicht, obgleich auch diese nicht allzuhäufig angetroffen
werden. Ein Schuldirektor Sommer in
Leitmeritz dürfte für Tirol und ein Reichel in
Eger für die Steiermark vollkommen brauchbar sein und Canonicus Renner[?] in Nikolsburg in Mähren [Mikulov], das er genau kennt, ersprießliche Dienste leisten.
Die drei Genannten würden durch die Ausdauer und Energie in ihren Bestrebungen,
ihre Besonnenheit und Umsicht beim Handeln und durch ihr beispielvolles
Priesterleben die Sache der Menschheit, des Staates und der Kirche in Oesterreich wesentlich fördern und das Vertrauen so wie die Wahl
unseres gütigen und edlen Herrn
Ministers rechtfertigen.
Schwieriger erscheint die Bezeichnung
einer Persönlichkeit für den Schulrathsposten in Böhmen.
Wohl gibt es hier treffliche Priester, allein sie sind mehr oder weniger
befangen in Erörterung der Sprachenfrage, huldigen ausschließend slavischen
Tendenzen und dürften der Erzeugung einer allgemeinen, österreichischen
Gesinnung nachtheilig entgegen wirken. Wie schade ist es z.B., daß Dechant Winařický bis jetzt
von seinen slavischen Utopien noch nicht geheilt ist. Erst vor wenigen Wochen
tadelte er mir gegenüber die hierortige Lehrerbildungsanstalt, und doch leistet
dieselbe so befriedigendes im Aufsatz und der Behandlung der Lehrbücher in böhmischer Sprache und selbst beim mündlichen Vortrag vor den
Schülern, daß ich und der Scholastikus, ein gemäßigter Slave, vollkommen
befriedigt waren. Diese Herrn übersehen ganz und gar das Bedürfnis Oesterreichs, ja mir kommt es vor, als wollten sie durch die
verhinderte Aneignung der deutschen Sprache es unmöglich machen, daß eine
Verschmelzung der Interessen unter den Bewohnern statt finde, und als strebten
sie darnach, eine Reihe Unzufriedener zu erzeugen, welche dereinst eine
böhmische Technik und böhmische Fakultäten an der Universität erstreben würden.
Anstatt, daß diese Herren mit dem großen Fénelon sprächen: „Ich liebe mein Vaterland
mehr als meinen Vaterort; aber ich liebe die Menschheit mehr als mein Vaterland“
– haben sie nur Sinn für Eines, für Čechien.
Ich bin weit
davon entfernt, den Slaven den Unterricht und die Ausbildung in der
Muttersprache zu verkümmern. Im Gegentheile, ich dringe darauf, daß etwas
rechtes darin geschehe. An den deutschen Realschulen lernen die Burschen recht
wacker böhmisch, singen selbst ein böhmisches Lied, ich habe überall für die
Anstellung von Naturalböhmen als Lehrer der böhmischen Sprache gesorgt, werde
aber im Gegentheile auch für die Anstellung Deutscher als Lehrer der deutschen
Sprache an den Realschulen in böhmischen Städten bemüht sein.
Ich sagte, daß
ich vor allem eine österreichische Gesinnung hervorzurufen suche. Ich kann mir
ohne ein derartiges sich Denken und Fühlen kein Heil für Oesterreich denken. Die Krystallisationsprocesse der Völker Europas sind meiner Ansicht nach zweifacher Art. Nationalität und
Religion heißen dieselben. Diese beiden Worte werden für das nächste
Jahrhundert, doch nein, schon nach zehn bis zwanzig Jahren der Feldruf der
Völker und der Stämme sein, welche in der bezeichneten Richtung mit einander in
geistiger Wahlverwandtschaft stehen. Nur dann, wenn die religiöse, die für Oesterreich minder gefährliche Frage die Oberhand gewinnt, wird das
Streben nach innigerer und unzertrennlicher und sofort nach dominierender
Verbindung der Slaven um die Frage: „Ist Oesterreich ein
slavischer Staat?“ mit allen ihren schlimmen Folgen in den Hintergrund treten
und der große Assimilierungsproceß der großen Völkerfamilien, deren Spitzen
wunderbarerweise in Oesterreich
zusammenstoßen, allmählich und ohne gewaltige Störung der Verhältnisse vor sich
gehen.
Dazu gehört aber, daß ein Verbindungsmittel zwischen den einzelnen
Völkern statt finde. Dieses geistige und materielle Medium ist außer der
katholischen Kirche die deutsche Sprache. Diese muß dem rothen Faden gleichen,
welcher durch das Tauwerk der [?] englischen Marine sich hinzieht und jedes
Stück als Staatseigenthum kennzeichnet.
Ist die deutsche
Sprache Eigenthum jedes nach Bildung strebenden „Oesterreichers“ geworden, dann
ist der Assimilierungsproceß der Nationalitäten vorbereitet. Der Slave möge
Slave, der Magyar Magyar bleiben, sie haben das Mittel zum gegenseitigen
Austausch ihrer Ideen. Durch die vermittelnde Sprache kennen sie einander, sind
einander physisch und psychisch näher gerückt und der Ruf „Hie Welf“ und „Hie
Ghibelline“ wird als Schlachten- und Parteiruf seine Bedeutung verloren haben.
Die unselige Zerfahrenheit, welche bisher die Bewohner des Kaiserstaates
kennzeichnete, wird aufhören, der Tyroler wird nicht ferner Tyroler, der Ungar
nicht Ungar bleiben, sie werden „Oesterreicher“ sein wollen und werden es
sein.
In dieser Richtung bin ich bisher in Böhmen thätig gewesen.
Ich bin fest überzeugt, die seit vier Jahren meiner Leitung unterstandenen
Realschullehrer und deren Schüler werden in dem benachbarten Sachsen
oder Preußen sich als
Oesterreicher bezeichnen und nicht als „Böhmen“, und in gleicher Weise werden
sich die aus den Lehrerbildungsanstalten in Budweis, Leitmeritz und der Musterhauptschule hervorgegangenen Lehrer benehmen.
Auch ein Theil derer zu Königgraz Gebildeten wird
die Parole halten.
Ich thue mir darauf etwas zu Gute, in der bezeichneten
Richtung seit dem Jahre 1842 gehandelt zu haben. Es kommt mir dermalen den
ältern böhmischen Lehrern gegenüber sehr zu statten, daß sie in Erfahrung
gebracht, ich habe seit jenem Jahre bis 1850 einen Lehrer der čzechischen
Sprache an der Leitmeritzer Hauptschule mit 200 fl CM, und zwar zur Hälfte aus
meinen eigenen Mitteln, bezahlt, um den deutschen Kindern das Erlernen des
Böhmischen zu ermöglichen, weil sie wohl einsehen, daß für das Böhmische zu zahlen ein größeres Vlastenectvo beweise als das Schreien und
Gestikulieren, das nichts kostet.
Um nun auf die Frage der Anstellung eines
zweiten Schulrathes zu kommen, glaube ich nach der weiten Ausholung nur noch
sagen zu sollen, derselbe müsse ein beider Landessprachen vollkommen mächtiger
Mann und ein gemäßigter Slave sein. Ich kenne einen vollkommen dazu geeigneten
Mann; einen, der da taugt, wie nicht ein zweiter unter meinen Bekannten.
Derselbe ist ein Freund der Jugend, hat für die Volksschule in Wort, Schrift und
That mit Erfolg sich wirksam bewiesen und kennt als ehemaliger Oberamtmann, [?]
Advokat und Reichstagsdeputirter und gegenwärtiger Bezirkshauptmann erster
Klasse die Bedürfnisse des Volkes wie nur wenige Schulmänner. Es ist J. A. Dr. Czermak. Bei seiner
Geschäftsgewandtheit, seinen ausgebreiteten Bekanntschaften in der Beamtenwelt,
seinem ausgezeichneten Rufe würde er zugleich bei den noch zu regelnden
Schulfragen, die da heißen: Baukonkurrenz, Patronatsrecht, Schullehrerdotationen
usw. auch im Bureau gute Dienste leisten. Zudem glaube ich mit Dr. Czermak so gut zu können, wie nicht besser
mit einem anderen Kollegen, was auch nicht zu übersehen ist. Ich bin fest
überzeugt, Euer Hochwürden können dem Herrn Minister nicht leicht einen
tüchtigeren und edleren Mann für das bezeichnete Amt empfehlen als Dr. Czermak.
Und nun zu etwas
Anderem. Hoffentlich wird es Ihnen und dem trefflichen Herrn Minister viele Freude bereiten. Euer
Hochwürden erinnern sich meiner Mittheilung, daß ich meine in den Aufsätzen über
die „Lehrernoth in Böhmen“ ausgesprochene Idee zur Gründung von Schulfonden
unablässig verfolge. In Liebenau hatte
mittlerweile der Bürgermeister, um nur meines Drängens los zu werden, einen
kleinen Schulfond aus Gemeindemitteln gegründet, trotz dessen, daß die Lehrer
der jungen Hauptschule aus den Stadtrenten bezahlt werden. Siehe, da starb ein
wohlhabender Bürger des Städtchens und überraschte den Bürgermeister durch ein
Vermächtnis von 500 fl für den „armen Schulfond in Liebenau“. Infolge dieses
Ereignisses zu neuer Thätigkeit für meinen Lieblingsgedanken angespornt, bat ich
den Bezirkshauptmann Dr. Czermak
für denselben thätig zu sein. Der brieflichen Verhandlung folgte die mündliche
Unterredung auf meiner Hinreise nach Wien, und siehe da, die Sache hat ihren
günstigen Verlauf. Vor zehn Tagen schrieb mir Dr. Czermak mit Freuden, er habe gelegenheitlich
der Anlehensfrage eilf Schulfonde mit Dotationen von 50 bis 200 fl zu Stande
gebracht und gestern erhielt ich von demselben ein neuerliches Schreiben de dato
5. August, worin er mir jubelnd die Gründung von vierzig
Gemeindeschulfonden mit den Beträgen von mindestens 50 bis 100, aber auch
manche von 120 bis 210 fl baro mit einem Gesammtkapital von 1.650 fl
anzeigt und die Versicherung hinzufügt, in seinem Distrikte werde jede Schule
ihren besonderen Schulfond mit Beendigung der Anlehensfrage erhalten haben.
Natürlich muß die Sache eine Zukunft bekommen. Darum werden nach meinem
Vorschlage in jeder Gemeinde drei Vertrauensmänner aus Gemeindegliedern mit der
Verwaltung und Vermehrung des Fondes als „allezeit Mehrer des Reiches“ betraut
werden, welche durch Sammlungen bei Hochzeiten, Taufessen, Käufen und Verkäufen,
Aufnahmen in den Gemeindeverband und dergleichen mehr die ihnen gestellte
Aufgabe zu lösen haben. Sie sehen schon, welch „nobile par fratrum“ der
Bezirkshauptmann Dr. Czermak und
Schulrath Maresch abgeben. Doch
Scherz bei Seite, der Gedanke verdient im Schulboten angeregt zu werden; ich
habe vor meinem Abgange von Prag im Auftrage Seiner Excellenz einen
desfallsigen Erlaß an sämtliche Bezirkshauptmannschaften gearbeitet. Es dürfte
gut sein, ähnliche Aufforderungen auch nach anderen Kronländern ergehen zu
lassen. Noch ist es nicht zu spät. Von den Subscriptionen der Gemeinden auf das
Anlehen kann auch nachträglich ein Theil zu Schulfonden bestimmt und verwendet
werden.
Im Pardubitzer Verwaltungsbezirke hat der thatkräftige und geliebte
Dr. Czermak bereits 375.000 fl
auf das Anlehen zusammengebracht, und noch hatte er 14 Tage zu neuer Thätigkeit
vor sich, ehe mit dem 20. dieses Monats der Schluß erfolgt.
Demnächst
erhalten Euer Hochwürden meinen Bericht über die Lehrerbildungsanstalten, unter
denen die böhmische in Prag in ihren Leistungen
wie in erziehlicher Wirksamkeit den übrigen weit nachsteht. O könnte ich Ihnen
die vielen herrlichen Jünglinge vorführen, die mit reger Begeisterung in das
Leben hinaustreten. Seit 18 Jahren mit Lehrerbildung beschäftigt hatte ich doch
niemals noch so viele Freuden bei den Prüfungen wie heuer. Zwar ist die Zahl der
Geprüften gering, nur die böhmische Hauptschule hatte der Zöglinge sehr viele,
darunter viele – Spreu. Ein Theil hatte nur theilweise Prüfungen gemacht,
obgleich sie schon zwei bis drei Jahre an der Anstalt waren. Leider schätzt das
Konsistorium den Dr. Ammerling und
auch Statthaltereirath Klingler
ist für diesen seinen Mitschüler. Jenes bestimmt die Opposition gegen die
Schulräthe, diesen die Mitschülerschaft. Ach was würde aus der jungen
Schulpflanzung ohne das Unterrichtsministerium und dessen Organe, die
Schulräthe. Die wenigen Wochen seit Errichtung der Statthalterei haben mir
bereits die Zukunft vorgebildet. Wahrlich, ohne eine geordnete, ehrenhafte
Stellung wäre ich kein Jahr weiter Schulrath geblieben, sondern hätte mich um
ein Kuralbenefizium umgesehen, hätte da mir, wie ein zweiter
Cincinatus, doch
ohne dessen Zukunft, meiner Schule und Gemeinde und dem jüngeren Klerus der Umgegend
gelebt. Den ersteren hätte ich mich gemüht zu sein ein Vater, dem letzteren ein
geistiger Mittelpunkt.
Doch der edle Ban, Graf von Thun
, hat gesiegt. Es gilt, unter seinem Panier ferner wirksam zu sein. Er ist
der geistige
Radetzki, der Oesterreichs
geistige Zukunft begründet, wie dieser dessen politische Existenz in der Reihe
der Saaten Europas. Diese Existenz kann ohne dem Vorhandensein jener nicht
gedacht werden, darum ist er der größere Feldherr. Heil ihm!
Wie wohl ist
mir bei dem langen Schreiben an Sie geworden. „Die Tage von Aranjuez“, die
meines letzten Besuches in Wien, sind vorüber und
doch klingen die Erinnerungen wohlthuend in meiner Seele wieder. Ich habe in
diesen Sommermonaten viel gearbeitet, bin häufig acht Stunden täglich in den
Schulzimmern thätig gewesen und habe abends schriftliche Arbeiten ausgebessert.
Nun will ich nur noch meine Berichte arbeiten und sodann zum Studium der
Zeichnen-, Gewerb- und Handels- so wie der weiblichen Klosterschulen das
westliche Deutschland besuchen, um
Stoff zu einem pädagogischen Reiseberichte für mein Jahrbuch zu sammeln. O
kommen Sie mit bis München. Freund Becker wird gleichfalls Urlaub
erhalten und Sie begleiten? Was werden Sie in Wien machen. Erholung
thut Ihnen Noth. Jahrelang sind Sie gesessen als der Unermüdlichste unter den
Unermüdlichen, „le brave des braves“ jetzt gebietet das fünfte Gebot einen
Stillstand und mein catonisches „Ego autem censeo, Viennam esse pro tempore
derolinquendam“ ertönt als gewaltiger Mahnruf. München wird viele
Ausbeute für unsere Real- und Volksschulen bieten. O kommen Sie.
In Tabor entsteht dermalen ein großes Schulgebäude, eines der schönsten
in Oesterreich. Ich werde
demnächst etwas darüber dem Schulboten zusenden. Dagegen folgt demnächst über
Budweis ein Lamento. Mit
der hierortigen Unterrealschule will ich eine einjährige Handelsschule
verbinden. Die früher Bestandene ist in Nichts zerfallen. Alle Zahlungen sind
daher ins Stocken gerathen. Man kommt mir freundlich und freudig entgegen und
sagt mir Dank, daß ich mich der Angelegenheit annehmen will. Ich hoffe mit
Beginn des kommenden Schuljahres kann die Anstalt eröffnet werden.
Und nun
zum Schluße. Ich habe durch die Länge dieses Schreibens das Versäumte
gutzumachen mich bemüht.
In die Obhut Gottes und der Fürbitte der seligsten
Jungfrau befiehlt Sie Ihr in Achtung und Liebe ergebener Verehrer
J. Maresch
Budweis, am 11. August 1854
P.S. Ich reise über Wodnian, Pisek und Přibram nach Prag zurück, woselbst ich am 17. einzutreffen, am 20. aber nach München zu reisen gedenke.