Johann Maresch an Leo Thun
Wien, 25. August 1858
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Regest

Schulrat Johann Maresch bittet Leo Thun, sein Bewerbungsgesuch um die Propstei am Vyšehrad zu befürworten. Maresch betont, dass er dabei nicht vom Wunsch nach irdischen Gütern getrieben werde, sondern nach einer materiellen Absicherung. Er erklärt auch, dass er seine Pflichten als Schulrat weiterhin erfüllen werde. Eine Ablehnung der Bewerbung könnte indes dahingehend gedeutet werden, dass Thun mit seinen bisherigen Leistungen nicht zufrieden sei. Dadurch könnte auch das mühsam erworbene Vertrauen in der böhmischen Bevölkerung gestört werden.

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Schlagworte

Edierter Text

Euere Excellenz!

In ehrfurchtsvoller Ergebenheit erlaube ich mir meine Bewerbung um die erledigte Probstei auf dem Vyssehrad [Vyšehrad] Eurer Excellenz zur hohen Kenntnis zu bringen und gleichzeitig auch um die huldvolle Bevorwortung meines Majestätgesuches zu bitten.
Es ist nicht ein Haschen nach äußeren Ehren und auch nicht das Streben nach irdischem Gut, sondern einzig der Wunsch meinem Berufe möglichst zu genügen, was mich veranlaßt, um jene kirchliche Würde bittlich zu werden, welche einst meinem Vorgänger im Amte, dem Schulrath Kindermann von Schulstein durch kaiserliche Huld zu Theil geworden war. Und doch dürfte, meinem ehrerbietigen Erachten nach, damals die Stellung des Schulrathes gegenüber den Kirchenbehörden und der Bevölkerung des Landes eine weniger schwierige gewesen sein als jetzt, wo insbesondere der hochwürdigste Episkopat und nach ihm der niedere Klerus dem Institute der Schulräthe prinzipiell abgeneigt erscheint. Bei Berücksichtigung dieser Umstände werden Euer Excellenz in meinem ehrerbietigen Einschreiten gewiß keinen unlauteren Beweggrund, sondern nur das Bestreben erkennen, der mir gewordenen hochwichtigen Aufgabe möglichst zu genügen.
Ferner erlaube ich mir noch zu bemerken, daß bei einer Vereinigung meines Schulamtes mit der Dignität der Probstei eine Pflichtenkollision für mich nicht eintreten dürfte. Bei dem Abgange eines Probsteigebäudes in Prag tritt bei dem Wohnen in der Stadt das Hindernis der „Residenz“ für den Probst eben so wenig ein wie für mehrere der dortigen Kollegiaten, welche gleichfalls fern von der Kollegiatkirche zu wohnen genöthiget sind. Die wenigen Hochämter, deren Abhaltung dem Probste obliegt, können den Schulrath in der Erfüllung seiner Amtspflichten eben so wenig beirren als die Administration des kleinen Gutes Schittenitz. Auch die Stellung als dritter in dem Ternavorschlage Seiner Eminenz dürfte bei dem Umstande, als die Kandidaten nach ihrem physischen Alter gereiht sind, mir nicht abträglich sein, während der Umstand, daß ein kränklicher Greis zu der Verbesserung der tief herabgekommenen Pfründe wenig geeignet scheint und die Erlangung einer höheren kirchlichen Würde seinem dermaligen Berufe wenig nothwendig sein dürfte, gerade mir günstig ist.
Erlauben mir Euer Excellenz schließlich auch auf die Nachtheile hinzudeuten, welche aus einer erfolglosen Bewerbung für meine Ehre wie für meine fernere dienstliche Wirksamkeit entstehen dürften. Wenn ich nach einer achtjährigen aufopfernden von Gott gesegneten Wirksamkeit als Schulrath und nach so vielen mich beglückenden Beweisen des Vertrauens der Bischöfe und der patriotischen Stadtgemeinden Böhmens, nachdem mein Einschreiten um die Vyssehrader [Vyšehrad] Probstei bekannt ist, einem meiner Mitkompetenten nachgesetzt werden sollte: dann würde sich in Böhmen die Ansicht geltend machen, meine bisherige Leistung erfreue sich nicht der Zufriedenheit Euer Excellenz. Diese Meinung, welche zu theilen auch ich in die schmerzliche Nothwendigkeit käme, würde das in der Bevölkerung Böhmens mühsam mir erworbene Vertrauen erschüttern, aber auch mir gleichzeitig jenen Halt rauben, welcher in dem Glauben wurzelt, zu Euer Excellenz hohen Zufriedenheit gewirkt zu haben und der zu neuen Thaten ermuntert und kräftiget.
Indem ich meine ehrfurchtsvolle Bitte um Unterstützung meines unterthänigsten Einschreitens bei Seiner k.k. apostolischen Majestät um Verleihung der Probstei auf dem Vyssehrad erneuere, habe ich die Ehre zu geharren

Euer Excellenz

gehorsamer Diener
Johann Maresch
Priester und Schulrath

Wien, am 25. August 1858