Schulrat Johann Maresch bittet Leo Thun, sein Bewerbungsgesuch um die Propstei am Vyšehrad zu befürworten. Maresch betont, dass er dabei nicht vom Wunsch nach irdischen Gütern getrieben werde, sondern nach einer materiellen Absicherung. Er erklärt auch, dass er seine Pflichten als Schulrat weiterhin erfüllen werde. Eine Ablehnung der Bewerbung könnte indes dahingehend gedeutet werden, dass Thun mit seinen bisherigen Leistungen nicht zufrieden sei. Dadurch könnte auch das mühsam erworbene Vertrauen in der böhmischen Bevölkerung gestört werden.
Euere Excellenz!
In ehrfurchtsvoller Ergebenheit erlaube ich mir meine Bewerbung um die erledigte
Probstei auf dem Vyssehrad [Vyšehrad] Eurer Excellenz zur
hohen Kenntnis zu bringen und gleichzeitig auch um die huldvolle Bevorwortung
meines Majestätgesuches zu bitten.
Es ist nicht ein Haschen nach äußeren
Ehren und auch nicht das Streben nach irdischem Gut, sondern einzig der Wunsch
meinem Berufe möglichst zu genügen, was mich veranlaßt, um jene kirchliche Würde
bittlich zu werden, welche einst meinem Vorgänger im Amte, dem Schulrath
Kindermann von
Schulstein durch kaiserliche Huld zu Theil geworden war. Und doch
dürfte, meinem ehrerbietigen Erachten nach, damals die Stellung des Schulrathes
gegenüber den Kirchenbehörden und der Bevölkerung des Landes eine weniger
schwierige gewesen sein als jetzt, wo insbesondere der hochwürdigste Episkopat
und nach ihm der niedere Klerus dem Institute der Schulräthe prinzipiell
abgeneigt erscheint. Bei Berücksichtigung dieser Umstände werden Euer Excellenz
in meinem ehrerbietigen Einschreiten gewiß keinen unlauteren Beweggrund, sondern
nur das Bestreben erkennen, der mir gewordenen hochwichtigen Aufgabe möglichst
zu genügen.
Ferner erlaube ich mir noch zu bemerken, daß bei einer
Vereinigung meines Schulamtes mit der Dignität der Probstei eine
Pflichtenkollision für mich nicht eintreten dürfte. Bei dem Abgange eines
Probsteigebäudes in Prag tritt bei dem Wohnen in der
Stadt das Hindernis der „Residenz“ für den Probst eben so wenig ein wie für
mehrere der dortigen Kollegiaten, welche gleichfalls fern von der
Kollegiatkirche zu wohnen genöthiget sind. Die wenigen Hochämter, deren
Abhaltung dem Probste obliegt, können den Schulrath in der Erfüllung seiner
Amtspflichten eben so wenig beirren als die Administration des kleinen Gutes
Schittenitz. Auch die Stellung als dritter in dem Ternavorschlage Seiner Eminenz
dürfte bei dem Umstande, als die Kandidaten nach ihrem physischen Alter gereiht
sind, mir nicht abträglich sein, während der Umstand, daß ein kränklicher Greis
zu der Verbesserung der tief herabgekommenen Pfründe wenig geeignet scheint und
die Erlangung einer höheren kirchlichen Würde seinem dermaligen Berufe wenig
nothwendig sein dürfte, gerade mir günstig ist.
Erlauben mir Euer Excellenz
schließlich auch auf die Nachtheile hinzudeuten, welche aus einer erfolglosen
Bewerbung für meine Ehre wie für meine fernere dienstliche Wirksamkeit entstehen
dürften. Wenn ich nach einer achtjährigen aufopfernden von Gott gesegneten
Wirksamkeit als Schulrath und nach so vielen mich beglückenden Beweisen des
Vertrauens der Bischöfe und der patriotischen Stadtgemeinden Böhmens, nachdem mein Einschreiten um die Vyssehrader
[Vyšehrad] Probstei bekannt ist, einem meiner
Mitkompetenten nachgesetzt werden sollte: dann würde sich in Böhmen die Ansicht geltend machen, meine bisherige
Leistung erfreue sich nicht der Zufriedenheit Euer Excellenz. Diese Meinung,
welche zu theilen auch ich in die schmerzliche Nothwendigkeit käme, würde das in
der Bevölkerung Böhmens mühsam mir erworbene
Vertrauen erschüttern, aber auch mir gleichzeitig jenen Halt rauben, welcher in
dem Glauben wurzelt, zu Euer Excellenz hohen Zufriedenheit gewirkt zu haben und
der zu neuen Thaten ermuntert und kräftiget.
Indem ich meine ehrfurchtsvolle
Bitte um Unterstützung meines unterthänigsten Einschreitens bei Seiner k.k. apostolischen Majestät um
Verleihung der Probstei auf dem Vyssehrad erneuere, habe ich die Ehre zu
geharren
Euer Excellenz
gehorsamer Diener
Johann Maresch
Priester und Schulrath
Wien, am 25. August 1858