Gesuch des griechisch-orthodoxen Episkopats der Serben und Ruthenen an Kaiser Franz Joseph für den Bau einer Kirche in Wien
Wien, 4. Oktober 1853
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Regest

Der griechisch-orthodoxe Episkopat der Serben und Ruthenen bittet um die Erlaubnis, in Wien zwei griechisch-orthodoxe Kirchen bauen zu dürfen. Der Episkopat bringt diese Bitte vor, weil es derzeit weder für Serben und Ruthenen noch für andere orthodoxe Slawen in Wien die Möglichkeit gäbe, einen Gottesdienst zu besuchen. Die Bischöfe bedauern außerdem, dass diese Konfession beim Bau der Votivkirche ausgeschlossen wurde. Auch sie möchten jedoch mit einem Kirchenbau die Dankbarkeit für die Rettung des Kaisers zum Ausdruck bringen. Die Bischöfe begründen die Bitte zudem damit, dass es in der Hauptstadt des Reichs für alle Konfessionen und Nationalitäten eine Kirche geben sollte. Auch würde allein schon die große Anzahl von Serben, Ruthenen und Rumänen, die für ihre Geschäfte nach Wien reisen, einen Kirchenbau rechtfertigen. Die Bischöfe glauben auch, dass der Bau die Bindung dieser Nationalitäten und Konfessionen an den Kaiser stärken würde.

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Euere Majestät, Allergnädigster Kaiser und Herr!

Als eine verruchte Hand den Todesstreich auf das theuerste Leben Euerer Majestät führte und der Herr der Heerscharen den Mordstahl abstumpfte, gab es keinen treuen Unterthan, der nicht in den Tempel des Herrn eilte und dem Allmächtigen das inbrünstigste Opfer für die Rettung des geheiligten Hauptes nicht darbrachte. Das ganze weite Oesterreich erklang damals von heiligen Hymnen und dem Lobe des Ewigen, welches aus der Brust der dankbaren Völker zu seinem Throne emporstieg. Der nächste am Throne, der geliebte Bruder Euerer Majestät , gab das Zeichen und rief die treuen Völker zur Verewigung dieses Dankes gegen den Allvater auf. Der Ruf des geliebten Prinzen verhallte nicht in der Wüste, sondern fand ein lautes würdiges Echo, wodurch in der Haupt- und Residenzstadt des Reiches ein großartiges Monument, ein Tempel des Herrn zum ewigen Danke für die wunderbare Rettung Euerer Majestät aufgeführt werden soll.
Wie wir meinen, wird diese Votivkirche dem römisch-katholischen Gottesdienste gewidmet sein, woran aber alle anderstgläubigen Unterthanen Euerer Majestät keinen Antheil nehmen können. Wir glauben jedoch, daß alle Nazionen und Religionsparteien ein dergleiches Monument der ewigen Dankbarkeit zu besitzen wünschten. Man wird aber mit wenig Mühe einsehen, daß sich diese Wünsche in einem und demselben Tempel nicht vereinigen lassen. Auch ist für mehrere dieser Nazionen und Religionsparteien nicht die absolute Nothwendigkeit vorhanden; indem sie doch in der Haupt- und Residenzstadt ihre Tempel besitzen, wo sie Gott anbethen und ihre Dankgebethe für die wunderbare Rettung Euerer Majestät ihm darbringen können. Nur die Serben, Ruthenen und andere Slaven wie auch die Romanen der orientalisch-orthodoxen Kirche sind es, die in der Haupt- und Residenzstadt Wien ihre Kirchen nicht haben; daher sowohl den Gottesdienst als auch alle anderen Tröstungen der Religion in ihrer Sprache Jahr ein, Jahr aus entbehren müssen.
Jetzt bei dem traurigsten Anlasse des von Seiner kaiserlichen Hoheit, dem Herrn Erzherzoge gemachten Gelübdes zur Erbauung eines ewige Dankbarkeit beurkundenden Monuments hat der lange vorher schon in unseren und unserer Glaubensgenossen Herzen gehegte und in der Nothwendigkeit tief begründete Wunsch, in der Hauptstadt Oesterreichs eine Kirche für den slavischen und eine für den romanischen Gottesdienst zu besitzen, neue und mächtige Nahrung gefunden, so zwar, daß wir nicht umhin können, ihn dem väterlichen Herzen Euerer Majestät zu offenbaren und anheim zu stellen. Auch wir wünschen vom ganzen Herzen Gott dem Allmächtigen geweihete Tempel in der Hauptstadt zu haben, wo wir von Geschlecht zu Geschlecht für die wunderbare Rettung unseres allergnädigsten Kaisers ihm unseren ewigen Dank darbringen und für Seine fernere Beschirmung und lange Erhaltung täglich zu ihm flehen können.
Diese dankbare und fromme Gesinnung der slavischen und romanischen zur orientalisch-orthodoxen Kirche sich bekennenden Nazionen muß immerwährend genährt und sorgfältig in der Kirche gepflegt werden, und wir hegen die volle Zuversicht zu unseren Glaubensgenossen, daß sie bei diesem außerordentlichen Anlasse sich auch zu außerordentlichen Opfern für die Aufbauung erwähnter Tempel Gottes bereit finden werden.
Erlauben allergnädigst Euere Majestät, daß wir die Gründe, welche die Erbauung solcher Gottestempel in dieser Haupt- und Residenzstadt, und wir möchten sagen in dieser Weltstadt, höchst nothwendig erscheinen lassen, entwickeln und herzählen dürfen.
1. Die Religion ist der stärkste Grundpfeiler des Staates. Wir glauben, daß dieser Satz eine apodictische Wahrheit, ein Axiom ist, worüber kein Wort zu verlieren wäre, und welchen die ganze Weltgeschichte für sich hat. Die neueste Geschichtsepoche insbesondere hat ihn in das hellste Licht gesetzt. Auch wird niemand bestreiten können, daß der freie öffentliche Gottesdienst den Haupttheil der Religion ausmacht und sie eigentlich in dem Herzen des Menschen nährt und befestigt. Denn das menschliche Gemüth wird für die erhabenen Wahrheiten der Religion und der göttlichen evangelischen Lehre nirgends und nimmer so gestimmt und empfänglich gemacht, wie in dem Tempel des Herrn, nachdem es durch die Absingung der herzergreifenden Psalmen und Hymnen, durch andächtige Verrichtung des heiligen Meßopfers erweicht und zerknirscht worden ist. Nicht minder wahr ist es, daß die Menschen, welche die Religion aus was immer für einer Ursache nicht üben, das ist: nicht dem Gottesdienste nach dem Gebothe Gottes beiwohnen, nicht die von der Religion verordnete gemeinschaftliche Andacht verrichten, nicht den Religionsunterricht empfangen, nicht die Pflichten gegen Gott, gegen ihren Nächsten, gegen ihre Obrigkeit und gegen sich selbst kennen lernen, nicht von Zeit zu Zeit ihre Seele und ihr Herz durch die heiligen Sakramente der Buße und Abendmahls reinigen und stärken, daß diese Menschen nach und nach verwildern, um ihrer Sinnlichkeit folgend ihren Leidenschaften gewöhnlich die Zügel schießen und dem Laster jeder Art zu ihrem Herzen Thür und Thor öffnen. Welche verderbliche Folgen für die Familien, für die bürgerliche Gesellschaft, für den Staat und für die Individuen selbst aus dieser Lebensweise entspringen, lehrt uns die Geschichte, lehrt uns die täglich traurige Erfahrung.
Um dem Übel der Irreligiosität Schranken zu setzen, haben gute und ihr Volk liebende Landesfürsten sich zur heiligen Pflicht gemacht, nicht nur für den materiellen Theil der Religion, nämlich für die Erbauung der Gotteshäuser, Schulen und Seminarien, für den angemessenen Unterhalt der Priester und Lehrer der Religion und anderer nützlichen Wissenschaften zu sorgen, sondern auch den geistigen Theil derselben durch gute Gesetze, durch Überwachung der Lehranstalten und öffentlichen Sitten, durch Ermunterung und Belohnung der guten und fleißigen Religionslehrer, endlich durch eigenes und ihrer Familien gottseliges erhabenes Beispiel die Religiosität des Volkes zu heben und zu befördern. Was und wo immer Großes und Erhabenes an Kirchen und religiösen Anstalten dem menschlichen Auge begegnet, das alles rührt meistens von dem frommen Sinne der gottesfürchtigen Landesfürsten.
Alle Nazionen und alle Confessionen des weiten Reiches Euerer Majestät erfreuen sich ihrer Gottestempel in der Haupt- und Residenzstadt Oesterreichs; die deutschen sowohl römisch-katholischer als beider protestantischer Religion, die Slaven, die unirten Ruthenen, die Italiener, die orientalisch-orthodoxen Griechen, ja selbst die Juden haben da ihre Tempel, wo sie das höchste Wesen anbethen, wo sie die Lehre und den Trost der Religion suchen und empfangen. Nur die Serben und Ruthenen so wie die Romanen, Söhne der orientalisch-orthodoxen Kirche, haben keine Kirche, keinen Priester, mithin keinen Gottesdienst, keinen Religionsunterricht, keine Beichte, keine Communion, gar keinen Religionstrost, gar keine religiöse Freude, leben in der Residenzstadt fortan seit Jahrhunderten unchristlich und sterben eben so unchristlich.
2. Zu jeder Zeit hat es in der österreichischen Monarchie mehrere Millionen Seelen Serben, Ruthenen und Romanen unserer Kirche, treuer Unterthanen Euerer Majestät, gegeben; zu jeder Zeit haben sich Familien dieser Nazionen und dieser Kirche entweder des Handels, der Gewerbe oder der Künste wegen in Wien für immer niedergelassen oder aber längere Aufenthalte daselbst genommen; zu jeder Zeit hat es Beamten- und Offiziersfamilien, viele einzelne Beamte und Offiziere, viele Studenten und Kinder in den verschiedenen Erziehungsanstalten, viele Gesellen und Lehrjungen bei den Handlungshäusern und Zünften, ja nicht selten ganze Battaillone Soldaten dieser Nazionen und dieser Religion in Wien und in seiner Nähe gegeben. Seit jeher sind so viele Reisende jeden Standes nach Wien gekommen, um entweder ihre Geschäfte da zu machen oder an den Stufen des allerhöchsten Thrones Gnade oder Gerechtigkeit zu suchen oder ihre Dankbarkeit für die erhaltenen Wohlthaten dort niederzulegen. Wie gerne hätte sich früher ein Jeder in das Gotteshaus begeben und dort den Segen des Allmächtigen für sein Vorhaben erfleht, auf daß dasselbe mit einem guten Ende gekrönt werde!! Jetzt, wo die Einheit der Monarchie ausgesprochen und fest begründet ist, wo Wien die einzige Hauptstadt der Monarchie geworden ist, wo alle Schranken zwischen ihm und den andern Provinzen gefallen sind, wo die Communicationen so ungemein erleichtert sind und vom Tage zu Tage noch mehr erleichtert werden, wird das Zuströmen unserer Glaubensgenossen nach Wien verdoppelt, verdreifacht und vervierfacht. Jetzt schon sieht man nicht nur Kaufleute aus den kleinen Provinzialstädten, sondern auch kleine Krämer aus den entferntesten Grenzdörfern mittelst der Dampfkraft nach Wien eilen und aus der ersten Hand in dessen Fabriquen Einkäufe für ihre Waarenlager machen. So ziehen die Handwerker mit Übergehung ihrer Provinzialzünfte unmittelbar nach Wien, um sich hier gleichsam auf der besten Hochschule zu tüchtigen und vollkommenen Meistern ihres Handwerks auszubilden.
Alle diese in Wien wohnenden, in Wien kürzere oder längere Zeit weilenden Beamte, Soldaten, Handelsleute, Künstler, Meister, Studenten, Gesellen, Lehrlinge, Reisende entbehren in der Hauptstadt den Gottesdienst, die christliche Lehre, den Trost und die Erbauung ihrer Religion. Die Nazionalitäten, welche dieses Contigent nach der Hauptstadt liefern, sind die Serben, die Ruthenen und die Romanen. Nach den Kronländern sind es die Provinzen: Bocche di Cattaro oder österreichisch Albanien, Dalmazien, Istrien, Triest, Venedig, Croazien, Slavonien, Serbisch-Banater Wojwodschaft mit der ganzen Militärgrenze, Ungarn, Siebenbürgen und Bukovina; mithin der ganze Süden und Osten der Monarchie.
3. Aber nicht allein die Unterthanen Euerer Majestät sind es, welche den Gottesdienst in der slavischen und romanischen Sprache in der Residenzstadt ob Mangel der eigenen Kirchen entbehren müssen. Es sind so viele andere diesen Nazionen verwandte Völkerschaften, welche ihre Leute nach der österreichischen Hauptstadt in Handels- und vielfältigen andern Geschäften schicken; so die Serben aus dem Fürstenthume Serbien und aus der noch unter der exclusiven türkischen Bothmäßigkeit seufzenden altserbischen Gebiethstheilen bis tief nach Macedonien, Tessalien und Epyrus hin, jene aus Montenegro, Hercegovina, Türkisch-Croazien und Bosnien, so die Bulgaren, so die Macedo-Romanen aus der großen Halbinsel zwischen den adriatischen, jonischen, ägäischen Meeren, dem Bosphorus, der Donau und der Save, so die Romanen in den Donaufürstenthümern Moldau und Walachei und in Besarabien. Alle diese Völkerschaften, die an 9 bis 10 Millionen Seelen zählen sind mit ihrem Handel vorzüglich an Oesterreich, an dessen Hauptstadt und ihre Fabriquen angewiesen, alle treiben einen lebhaften Handel mit Oesterreich und vorsonderlich mit seiner Hauptstadt. Dieses beweisen am besten die täglichen Wiener Fremdenlisten, die Register unserer Mautämter und vorsonderlich der lebhafte Verkehr auf unserer Hauptwasserstraße der Donau, weithin bis nach Galatz und Constantinopel.
Die Kirche ist für diese Nazionen, deren Gottesdienst, und wir möchten sagen, deren Religion durch vier volle Jahrhunderte unter dem schweren türkischen Joche ganz verkümmert ist, der stärkste Magnet, welcher sie aus allen Gegenden der Welt dorthin zieht, wo der Gottesdienst frei ist und mit Würde, Anstand und Frömmigkeit verrichtet und das Wort Gottes mit dem apostolischen Eifer gepredigt wird. Wir sind des festen Glaubens, daß, wären in der Hauptstadt Oesterreichs Kirchen für den slavischen und romanischen Gottesdienst vorhanden, sich viele Menschen dieser Nazionen mit ihren Capitalien hier häuslich niederlassen würden, daß mithin der Handel mit dem Orient einen viel bedeutenderen Aufschwung im Kurzen erreichen möchte.
4. Wir sind in der Staatspolitik nicht bewandert, auch wollen wir uns nicht anmaßen, weder in die Rathschlüsse des Cabinets Euerer Majestät, noch in jene der göttlichen Vorsehung über diese Völker dringen zu wollen, glauben jedoch, daß es der österreichischen Monarchie aus mehreren Gründen daran liegen müsse, diese mit eigenen Unterthanen dem Blute und dem Glauben nach nächstverwandte Völkerschaften auf jede mögliche Weise in eigenes Interesse zu ziehen und an Oesterreich fest zu knüpfen. So weit unsere Erfahrung und Bekanntschaft mit diesen unseren nächsten Nachbarn, Bluts- und Religionsverwandten reicht, können wir Euerer Majestät versichern, daß nichts so sehr geeignet ist, jene Völker an sich zu fesseln, wie die Achtung ihrer Religion und Nazionalität, mithin die freie Ausübung ihrer Religion und der nazionale Unterricht ihrer Jugend. Vierhundert Jahre und mehr entbehren sie diese Güter. Wer sie ihnen wieder giebt, dem huldigen sie vom ganzen Herzen!!
5. Man wird vielleicht sagen, daß in Wien 2 orientalisch-orthodoxe Kirchen sich befinden und daß diese für die Bevölkerung dieser Glaubensgenossen genügen können. Hierauf müssen wir folgendes bemerken: In beiden diesen Kirchen ist der Gottesdienst in der hellenischen sowohl den Slaven als auch den Romanen unverständlichen Sprache. Beide Kirchen gehören den Nazionalgriechen, die eine den Griechen-Unterthanen Euerer Majestät, die andere den Griechen-Unterthanen des Sultans. Unser Gottesdienst ist so gestaltet, daß es sich mit keiner Instrumentalmusik verträgt, sondern daß der Priester die Gebethe und Bittgegenstände mit hoher Stimme vorträgt und die Chöre und das gesammte Volk darauf singend antwortet. Es ist also nothwendig, daß das Volk sowohl den Vortrag des Priesters als auch das, was es darauf antworten soll, genau versteht. Es muß folglich die lythurgische Sprache kennen und wissen. Daher ist es die vorzügliche Eigenschaft unserer Kirche, daß der Gottesdienst in der dem Volke eigenen Sprache verrichtet werden kann und soll; weil der Mensch nur in der ihm verständlichen Sprache zur Andacht gestimmt werden und sein Herz vor seinem Schöpfer erschließen kann. Daher so viele lythurgische Sprachen, als es Nazionen giebt, welche sich zur orientalisch-orthodoxen Kirche bekennen: für die Hellenen hellenisch, für die Syrier syrisch, für die Araber arabisch, für die Kopten koptisch, für die Armenier armenisch, für die Romanen romanisch, für die Slaven slavisch usf. Eine jede Nazion ist so sehr für den Gottesdienst in eigener Sprache eingenommen, daß sie ihn auf keine Weise sich nehmen lassen möchte. Wie viel Blut hat es gekostet, bis man den Cechen ihren slavischen Gottesdienst und den Kelch weggenommen hat! Ein Slave und ein Romane kann daher in den hiesigen hellenischen Kirchen keine Erbauung, keine Belehrung, keinen Trost und keine Freude finden, weil er diese Kirchensprache nicht versteht, weil er diesem Gottesdienste wie ein Taubstummer beiwohnt. Es ist demnach klar, daß die Slaven – Serben, Ruthenen und Bulgarn – und die Romanen in den hiesigen griechischen Kirchen die Wohlthaten der Religion nicht finden, nicht haben und nicht genießen können.
6. Was die Verdienste dieser Nazionen um den Thron, um die allerdurchlauchtigste Dynastie Euerer Majestät, um den Staat und selbst um diese Haupt- und die Residenzstadt anbelangt, darüber wollen wir kein Wort verlieren, sondern überlassen der gerechten und unparteiischen väterlichen Beurtheilung Euerer Majestät darüber allergnädigst abzusprechen. Wir treugehorsamste Oberhirten dieser Nazionen glauben fest, daß dieses allerhöchste Urtheil nur zu Gunsten unserer Glaubensgenossen ausfallen werde.
7. In unserer heiligen Kirche wird gar keine gottesdienstliche Handlung verrichtet, bei welcher nicht zugleich und zwar öfters für das Wohlsein Euerer Majestät, für den allerhöchsten Hof und die k.k. Armee von allen Anwesenden gebethet wird. Es ist kein Tag im Jahre, an welchem nicht wenigstens 3mal des Tages für Euere Majestät in allen unseren Kirchen Gebethe zum Himmel gesendet werden. Dies geschieht überall auch in den kleinsten Dörfern, wo sich unsere Christen zur Andacht vereinigen, wo sie einen Priester und ein Gotteshaus haben. In der Hauptstadt geschieht dies nur von einem kleinen Theile Euerer Unterthanen, den Griechen nämlich; weil sie einen Gottestempel haben. Den Slaven und Romanen aber ist es nicht gegeben, diese heilige Pflicht in Wien zu erfüllen; weil sie keine Kirche, keinen Vereinigungsort und keinen Priester haben.
8. Wenn wir erwägen, daß in den Staaten Euerer Majestät an sehr vielen Orten für 5–7 Familien der römisch-katholischen Religion Pfarren gegründet und Kirchen ab aerario gebaut worden sind, weil sie zu einer andern Gemeinde nicht füglich eingepfarrt werden konnten, so muß unser Herz von Wehmuth ergriffen werden, wenn wir auf die vielen Hunderte unserer Gläubigen in der Haupt- und Residenzstadt der Monarchie unseren Blick werfen, welche zur Zeit der Andacht an Sonn- und Feiertagen entweder in den Gassen der Stadt herumirren oder von einem Caffeehause zum andern ziehen und die Zeit des Gottesdienstes und der Andacht durch Zeitunglesen, Politisiren und anderes unnütze Geschwätz zu tödten suchen oder vielleicht noch viel schlimmere Dinge brüten und treiben. Die studirende und lernende Jugend besonders ist es, welcher der Abgang am Gottesdienste und Religionsunterrichte zum großen Nachtheile gereicht. Die daraus entspringenden Schäden überhaupt sind groß und zahlreich, und wir halten es für unsere heilige Pflicht Euere Majestät allerunterthänigst darauf aufmerksam zu machen.
Aus dem Vorangelassenen erhellet zur Genüge nicht allein die Nothwendigkeit, sondern auch der Nutzen für den Staat überhaupt und insbesondere für die Stadt Wien, allda zwei Kirchen, die eine für den slavischen, die andere für den romanischen Gottesdienst nach dem orientalisch-orthodoxen Ritus ehemöglichst zu erbauen.
Nun erlauben Euere Majestät, allergnädigster Kaiser!, daß wir treu gehorsamste Oberhirten der oberwähnten treuen der orientalisch-orthodoxen Kirche angehörigen Nazionen die Wünsche und allerunterthänigste Bitte im Namen vieler Millionen Unterthanen und Nichtunterthanen an den Stufen des allerhöchsten Thrones, woher die Strahlen der Milde, Gnade und Gerechtigkeit in alle Weltgegenden und auf Völker der großen österreichischen Monarchie ewig ausströmen, niederlegen dürfen. Diese heiß gehegten Wünsche – Gegenstand dieser allerunterthänigsten Bittschrift – sind:
a. In der Haupt- und Residenzstadt Wien zwei Kirchen zu haben, in deren einer der slavische, in der andern der romanische Gottesdienst nach dem orientalisch-orthodoxen Ritus verrichtet werden soll.
b. Beide diese Kirchen mögen zu Pfarrkirchen erklärt und an der einen ein slavischer, an der andern ein romanischer Pfarrer der Carlovitzer Erzdiöcese angehörig angestellt werden.
c. Bei jeder dieser Kirchen möge ein Pfarrhaus dergestalt errichtet werden, daß darin die standesmäßige Wohnung für den Pfarrer, für einen Sänger, für die respective Nazionalschule von 2 Klassen, für 2 Lehrer, für einen Kirchendiener, für einen Hausmeister, der zugleich Glöckner wäre, dann ein Saal mit andern Gemächern für die Kirchenutensilien vorhanden wäre. Diese Bauplätze sollten so geräumig sein, daß man darauf Zinswohnungen bauen könnte, deren Ertrag zum Unterhalte der Kirche und Schule dienen würde.
d. Da diese Kirchen zugleich Votivkirchen sein sollen, so wäre zu wünschen, daß sie in der Gegend der großen katholischen Votivkirche, die eine rechts, die andere links, wenn auch in größerer Entfernung erbaut werden möchten.
Unsere allterunterthänigste Bitte geht dahin, womit Euere Majestät als liebreicher Vater Seiner gewiß treuen und ganz ergebenen slavischen und romanischen Völker die allerhöchste Huld und Gnade haben möchten,
a. die obigen tiefgefühlten Wünsche allergnädigst zu sanctioniren.
b. Zum Baue dieser beiden Kirchen die erforderlichen angemessenen Bauplätze in dem Rayon der zu erweiternden Stadt allermildest anweisen zu wollen.
c. Allergnädigst zu gestatten, daß wir bei unseren Glaubensgenossen Sammlungen milder Beiträge veranstalten können.
d. Endlich unterfangen wir uns in tiefster Demuth zu hoffen, daß Euere Majestät und die allerdurchlauchtigste kaiserliche Familie sich allerhuldreichst bewogen finden werden, durch milde Spende den Reigen zu diesen Sammlungen zu eröffnen.
In Anhoffnung der baldigen allergnädigsten Entschließung erstreben wir in aller Treue, Unterwürfigkeit und tiefster Ehrfurcht

Euerer Majestät

allerunterthänigste devoteste
Patriarch, Erzbischof und Metropolit zu Carlovitz,
Joseph Rajacsich

Eugen Hackmann, Bukoviner Bischof
Procop Ivaeskovics, Araeder Bischof
Samuel Maschirevics, Temesvarer Bischof
Emilian Kengyelatz in Verschetzer Bischof
Platon Athanaczkovics, Bácser Bischof
Arsenius Sztojkovics, Ofner Bischof
Stephan Knezevic, Dalmatiner Bischof
Eugen Joannovics, Karlstaedter Bischof
Stephan Kragujevich, Pakzaczer Bischof

Wien, am 4. October 1853