Samuel Andriewicz an Leo Thun
Czahor, 5. November 1859
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Regest

Samuel Andriewicz, griechisch-orthodoxer Priester, beschwert sich über die Nichtberücksichtigung seiner Person bei der Besetzung der Lehrkanzel für Pastoraltheologie an der theologischen Lehranstalt von Czernowitz. Andriewicz hatte sich der Konkursprüfung für die Stelle unterzogen und diese, nach seiner Auffassung, mit Bravour gemeistert. Allerdings soll nun von der Diözesanleitung ein junger Priester für die Stelle vorgeschlagen worden sein. Dieser, so Andriewicz, sei allerdings kein geeigneter Kandidat und sei nur auf Grund von Nepotismus und Korruption für den Posten vorgeschlagen worden. Angesichts dieser Intrigen wendet sich Andriewicz direkt an Thun, um auf diese Missstände hinzuweisen. Er bittet, dass der Minister die Sache prüfe und eine gerechte Entscheidung treffe.

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Schlagworte

Edierter Text

Euer Excellenz!

Aus Anlaß der Besetzung der Lehrkanzel für die Pastoraltheologie an der Lehranstalt zu Czernovitz [Czernowitz] geruheten Euer Excellenz mit dem hohen Erlasse vom 21. Juni [1]858 Z. 2436 in theilweiser Erledigung meines alternativen Kompetenzgesuches vom 15. März [1]857 durch das hochlöbliche k.k. Landespräsidium mich ehrfurchtsvoll Gefertigten verständigen zu lassen, daß Behufs dieser Besetzung die Abhaltung einer ordentlichen schriftlichen und mündlichen Concursprüfung angeordnet worden ist.
Dieser mir demuthsvoll Gefertigten geschenkten hohen Aufmerksamkeit folgend unterzog ich mich der am 31. März laufenden Jahres abgehaltenen Konkursprüfung und auf Grund derselben wagte ich mit meinem gehorsamsten Gesuche vom 1. April laufenden Jahres um die gnädige Verleihung dieser Lehrkanzel zu bitten.
Ich bin mir bewußt, alle drei Konkursfragen vollständig beantwortet und die mir hochgeneigtest geschenkte hohe Aufmerksamkeit Euer Excellenz gerechtfertiget zu haben, auch bin ich überzeugt, daß der Diözesanklerus, wie sich die ansehnlichsten Organe desselben in einer Sitzung der kirchlichen Berathungkommission ausgesprochen haben, eine fruchtbringende Versehung dieser Lehrkanzel von mir erwartet; ebenso rechne ich darauf, daß der theologische Lehrkörper, geleitet vom Rechtsgefühle und vom Interesse für die Lehranstalt, sich über mein Concurselaborat und über die mündliche Prüfung besonders günstig ausgesprochen haben dürfte; endlich wage ich auch auf meine 17jährigen allgemein belobten seelsorgerlichen Dienste und auf die vielen literarischen Leistungen insbesondere auf jene im Predigtwesen, worüber die Belobungen der hohen Behörden meinem gehorsamsten Gesuche beiliegen, zu berufen.
Während daher hierlands allgemein geglaubt wurde, daß meine Willfährigkeit zur Übernahme dieses Postens auch von der hochwürdigen Diözesanleitung nur beifällig aufgenommen werden wird, soll gegen alle Erwartung der junge Priester Basil Mitrofanowicz, welcher für diese Lehrstelle auch ehedem fruchtlos beantragt worden war, abermahls anempfohlen worden sein, eine Thatsache, die der Diözesanklerus mit Entrüstung vernahm, da hiedurch ein wiederholtes Beispiel vorliegt, daß die Geschicke desselben und die Interessen der Diözese dem Eigenwillen preisgegeben werden.
Warum gerade Mitrofanowicz, ein junger Priester, dem der Umfang der seelsorgerlichen Kenntnisse mangelt, der außer den Schulzeugnissen gar keine andern Belege zu seiner Anempfehlung aufzuweisen vermag, und nach der Kritik des Lehrkörpers auch mit seinem Konkurselaborate durchgefallen sein soll, für einen Lehrposten wie jener der Patoraltheologie von der hochwürdigen Diözesanleitung in Antrag gebracht worden ist, wage ich gehorsamst Gefertigter in der Kürze zu enthüllen.
Mitrofanowicz ist der Schwiegersohn des durch die Hervorrufung der im Jahr 1848 unter der Geistlichkeit statt gefundenen Ereignisse bekannten Theologieprofessors und Consistorialassessors Johan Kalinczuk, der nach dem Urtheile der hierländigen öffentlichen Meinung seine Stellung im Konsistorium dazu benützt, um seinen Angehörigen die möglichsten Vortheile zuzuwenden.
Nachdem Mitrofanowicz nach Beendigung der theologischen Studien sich mit der Tochter des Kalinczuk verlobt hatte, wurde er nach Wien abgesendet, um sich für die in Erledigung gekommene Lehrkanzel der Pastoraltheologie auszubilden, eine Concession, die zweien anderen weit fähigeren seiner Kollegen nicht zugestanden worden ist.
Da während der Anwesenheit des Mitrofanowicz in Wien der Konkurs zur Besetzung dieser Lehrkanzel von dem hohen Landespräsidium unverhofft ausgeschrieben worden war, setzte sich Mitrofanowicz, da er nicht einmal die Priesterweihe hatte, in Kompetenz, kehrte zurück in die Heimath, heirathete, erhielt die Priesterweihe und wurde von der hochwürdigen Diözesanleitung als provisorischer Professor der Pastoraltheologie ernannt und eingeführt, ein Akt, der von dem hohen Landespräsidium und über die ergriffene Vorstellung auch von dem hohen Ministerium reprobirt und demnach die Bewilligung des angesprochenen ganzen Gehaltes versagt wurde.
Um den Mitrofanowicz für den Bezug des verwilligten ganzen Gehaltes zu entschädigen und seine Stellung glänzender zu stellen, wurde ihm bald darauf von der hochwürdigen Diözesanleitung neben der Lehrkanzel der Posten eines Spirituals an dem Seminarium verliehen, eine Verfügung, welche bei dem Umstande, als die Posten der Seminarvorgesetzten sistemmäßig nur an Mönchspersonen übertragen werden, von der hohen k.k. Landesregierung nicht willfahrt worden ist.
Als bald darauf von dem hohen k.k. Landespräsidium die auf die erstere Konkursausschreibung eingelangten Kompetenzgesuche der Concurrenten dem Lehrkörper der theologischen Lehranstalt zur Erstattung des Gutachtens zugemittelt worden waren und der Lehrkörper laut des diesfälligen Sitzungsprotokolls den einstimmigen Beschluß auf meine Berufung gefaßt hatte, wurde von dem hochwürdigen Vorstande diesfalls eine neuerliche Sitzung angeordnet und dabei eine Prozedur eingeleitet, welcher wegen die Mitglieder des Lehrkörpers sich der Berathung entzogen und dies zur Folge hatte, daß nur Professor Kalinczuk als Schwiegervater und Professor Nicolai Hackman als Beistand des Mitrofanowicz zu seinen Gunsten votirt haben.
Während sich nun Mitrofanowicz auf Grund eines solchen Gutachtens als Professor der Pastoraltheologie wähnte, erfloß mit dem hohen Erlasse vom 21. Juni [1]858 die hohe Verfügung Euer Excellenz zur Ausschreibung eines neuerlichen Concurses und zur Abhaltung einer ordentlichen schriftlichen und mündlichen Concursprüfung. Aus dieser hohen Anordnung mußte Kalinczuk wohl einsehen, daß seine Pläne zur glänzenden Beförderung seines Schwiegersohnes eitel sind; doch er faßte sich bald und bewirkte die Ernennung des Mitrofanowicz als Pfarradministrator zu Ober-Vicow, der größten Pfarre in der Diözese, um sich dort den hohen Orts gerügten Abgang der seelsorgerlichen Kenntnisse zu erwerben und auch ein ganz ausreichendes Einkommen zu haben.
Als Pfarradministrator zu Ober Vicow, wo Mitrofanowicz durch 6 Monathe fungirt, hat sich derselbe der Konkursprüfung unterzogen, und da er von dem hochwürdigen Vorstande des Lehrkörpers für die zu besetzende Lehrkanzel anempfohlen wurde, so triumphirt er nun über die Niederlage, die sein Schwiegervater, der gegenwärtig die Lehrkanzel supplirt und in den Sachen des Schwiegersohnes Referent gewesen ist, mir zugefügt hätte, harrend mit Zuversicht auf die Erlangung dieses Postens, um den er bis nun zu fruchtlos gerungen hat.
Bei solchen Bewandnissen und namentlich bei der Hervorhebung eines jungen Priesters, der kaum 6 Monathe in der Seelsorge dient und außer den Schulzeugnissen gar keine Belege für sein Wissen und Verdienste aufzuweisen vermag, vor mir ehrfurchtsvoll Gefertigten, der ich laut der meinem Kompetenzgesuche anruhenden 26 Stück Beilagen durch 17 Jahre sowohl belobte seelsorgerliche als auch andere besondere Leistungen gethan und so viele literarische im Drucke erschienene Arbeiten geliefert habe, muß es den Klerus der Diözese nur mit bitterem Schmerze erfüllen und zu dem entmuthigenden Schluße veranlassen, daß ein anderer Priester, zwischen dem und einem Schoßkinde der Diözesanleitung der Abstand nicht so groß wäre wie zwischen mir und dem Mitkonkurrenten Mitrofanowicz, auf eine Beförderung gar nicht rechnen darf.
Umsoweniger kann ich mich ehrfurchtsvoll Gefertigter dabei gleichgültig befinden, da ich nur unverschuldeter Weise die Zielscheibe derjenigen geworden bin, die auch diese zu besetzende Lehrkanzel für sich auszubeuten sich bestreben. Ein Kalinczuk, der um die Kritik des Lehrkörpers zu paralisiren eine Präsidialkritik zu ersinnen wußte, und ein Mitrofanowicz, der an einem Sonntage des Monaths Oktober [1]858 dem k.k. Statthaltereisekretär Herrn Josefowicz ein Pack Banknoten im Amte anzubiethen sich unterfieng und für diese Verwegenheit nach einer verdienten Ermahnung zur Thür sich entfernen mußte, werden nichts unterlassen, um mich zu verwunden und alles aufbiethen, um ihre Absichten zu erreichen.
Angesichts der verfolgerischen Angriffe stehe ich wehrlos da und kann ihnen andere Waffen nicht entgegensetzen, als nur den anerkannten Gehalt meiner Kenntnisse, die ich nebst den literarischen Leistungen durch das Konkurselaborat dargethan habe, dann meinen reinen Wandel und meine Thätigkeit für das Beste der Allgemeinheit, wie es aus den meinem Gesuche beiliegenden Belobungen ersichtlich ist, endlich die Stimme des Diözesanklerus, die mich als vollkommen fähig und würdig für die Lehrkanzel der Pastoraltheologie bezeichnet.
Doch, da man sich bemühet, über alle diese Thatsachen den Schatten zu werfen und über mich den Stab zu brechen, so wage ich nun unter den mächtigen Schutz der Huld und Gnade Euer Excellenz zu fliehen und fußfälligst zu bitten: Euer Excellenz geruhen diesem Besetzungsakte und insbesondere meinem Gesuche und dem Concurselaborate die hohe Aufmerksamkeit zu schenken und je nach dem hohen Ermessen zu veranlassen, damit die Concurselaborate mit Überdeckung der auf denselben ersichtlichen Namensfertigungen der Concurrenten an zwei Universitäten des Reiches und bei dem hochwürdigsten Metropoliten und Patriarchen in Carlovitz [Karlowitz] ebenfalls geprüft werden möchten.
Auf diesem Wege würden Euer Excellenz die hohe Überzeugung gewinnen, daß ich der mir in dem hohen Erlaße vom 21. Juni [1]858 hochgeneigtest geschenkten hohen Aufmerksamkeit, welche bei der hochwürdigen Diözesanleitung, da sie dem Concurrenten Mitrofanowicz augenfällig in vollen Maßen hold ist, Mißmuth erweckt zu haben scheint, mich würdig bewiesen und für den Lehrposten der Pastoraltheologie, auf dem ich alle meine Kräfte zur Hebung der Seelsorge und zur Förderung des allgemeinen Besten anwenden würde, geeignet bin.

Samuel Andriewicz
Pfarrer

Czahor im Kronlande Buccovina [Bukowina], am 5. November 1859