Samuel Andriewicz, griechisch-orthodoxer Priester, beschwert sich über die Nichtberücksichtigung seiner Person bei der Besetzung der Lehrkanzel für Pastoraltheologie an der theologischen Lehranstalt von Czernowitz. Andriewicz hatte sich der Konkursprüfung für die Stelle unterzogen und diese, nach seiner Auffassung, mit Bravour gemeistert. Allerdings soll nun von der Diözesanleitung ein junger Priester für die Stelle vorgeschlagen worden sein. Dieser, so Andriewicz, sei allerdings kein geeigneter Kandidat und sei nur auf Grund von Nepotismus und Korruption für den Posten vorgeschlagen worden. Angesichts dieser Intrigen wendet sich Andriewicz direkt an Thun, um auf diese Missstände hinzuweisen. Er bittet, dass der Minister die Sache prüfe und eine gerechte Entscheidung treffe.
Euer Excellenz!
Aus Anlaß der Besetzung der Lehrkanzel für die Pastoraltheologie an der
Lehranstalt zu Czernovitz [Czernowitz] geruheten Euer
Excellenz mit dem hohen Erlasse vom 21. Juni [1]858 Z. 2436 in theilweiser
Erledigung meines alternativen Kompetenzgesuches vom 15. März [1]857 durch das
hochlöbliche k.k. Landespräsidium mich ehrfurchtsvoll Gefertigten verständigen
zu lassen, daß Behufs dieser Besetzung die Abhaltung einer ordentlichen
schriftlichen und mündlichen Concursprüfung angeordnet worden ist.
Dieser
mir demuthsvoll Gefertigten geschenkten hohen Aufmerksamkeit folgend unterzog
ich mich der am 31. März laufenden Jahres abgehaltenen Konkursprüfung und auf
Grund derselben wagte ich mit meinem gehorsamsten Gesuche vom 1. April laufenden
Jahres um die gnädige Verleihung dieser Lehrkanzel zu bitten.
Ich bin mir
bewußt, alle drei Konkursfragen vollständig beantwortet und die mir
hochgeneigtest geschenkte hohe Aufmerksamkeit Euer Excellenz gerechtfertiget zu
haben, auch bin ich überzeugt, daß der Diözesanklerus, wie sich die
ansehnlichsten Organe desselben in einer Sitzung der kirchlichen
Berathungkommission ausgesprochen haben, eine fruchtbringende Versehung dieser
Lehrkanzel von mir erwartet; ebenso rechne ich darauf, daß der theologische
Lehrkörper, geleitet vom Rechtsgefühle und vom Interesse für die Lehranstalt,
sich über mein Concurselaborat und über die mündliche Prüfung besonders günstig
ausgesprochen haben dürfte; endlich wage ich auch auf meine 17jährigen allgemein
belobten seelsorgerlichen Dienste und auf die vielen literarischen Leistungen
insbesondere auf jene im Predigtwesen, worüber die Belobungen der hohen Behörden
meinem gehorsamsten Gesuche beiliegen, zu berufen.
Während daher hierlands
allgemein geglaubt wurde, daß meine Willfährigkeit zur Übernahme dieses Postens
auch von der hochwürdigen Diözesanleitung nur beifällig aufgenommen werden wird,
soll gegen alle Erwartung der junge Priester Basil Mitrofanowicz, welcher für diese Lehrstelle auch ehedem
fruchtlos beantragt worden war, abermahls anempfohlen worden sein, eine
Thatsache, die der Diözesanklerus mit Entrüstung vernahm, da hiedurch ein
wiederholtes Beispiel vorliegt, daß die Geschicke desselben und die Interessen
der Diözese dem Eigenwillen preisgegeben werden.
Warum gerade Mitrofanowicz, ein junger Priester, dem
der Umfang der seelsorgerlichen Kenntnisse mangelt, der außer den
Schulzeugnissen gar keine andern Belege zu seiner Anempfehlung aufzuweisen
vermag, und nach der Kritik des Lehrkörpers auch mit seinem Konkurselaborate
durchgefallen sein soll, für einen Lehrposten wie jener der Patoraltheologie von
der hochwürdigen Diözesanleitung in Antrag gebracht worden ist, wage ich
gehorsamst Gefertigter in der Kürze zu enthüllen.
Mitrofanowicz ist der Schwiegersohn des
durch die Hervorrufung der im Jahr 1848 unter der Geistlichkeit statt gefundenen
Ereignisse bekannten Theologieprofessors und Consistorialassessors Johan Kalinczuk, der nach dem Urtheile der
hierländigen öffentlichen Meinung seine Stellung im Konsistorium dazu benützt,
um seinen Angehörigen die möglichsten Vortheile zuzuwenden.
Nachdem
Mitrofanowicz nach Beendigung
der theologischen Studien sich mit der Tochter des Kalinczuk verlobt hatte, wurde er nach
Wien abgesendet, um sich für die in Erledigung
gekommene Lehrkanzel der Pastoraltheologie auszubilden, eine Concession, die
zweien anderen weit fähigeren seiner Kollegen nicht zugestanden worden
ist.
Da während der Anwesenheit des Mitrofanowicz in Wien der Konkurs zur
Besetzung dieser Lehrkanzel von dem hohen Landespräsidium unverhofft
ausgeschrieben worden war, setzte sich Mitrofanowicz, da er nicht einmal die Priesterweihe hatte, in
Kompetenz, kehrte zurück in die Heimath, heirathete, erhielt die Priesterweihe
und wurde von der hochwürdigen Diözesanleitung als provisorischer Professor der
Pastoraltheologie ernannt und eingeführt, ein Akt, der von dem hohen
Landespräsidium und über die ergriffene Vorstellung auch von dem hohen Ministerium
reprobirt und demnach die Bewilligung des angesprochenen ganzen Gehaltes versagt
wurde.
Um den Mitrofanowicz
für den Bezug des verwilligten ganzen Gehaltes zu entschädigen und seine
Stellung glänzender zu stellen, wurde ihm bald darauf von der hochwürdigen
Diözesanleitung neben der Lehrkanzel der Posten eines Spirituals an dem
Seminarium verliehen, eine Verfügung, welche bei dem Umstande, als die Posten
der Seminarvorgesetzten sistemmäßig nur an Mönchspersonen übertragen werden, von
der hohen k.k. Landesregierung nicht willfahrt worden ist.
Als bald darauf
von dem hohen k.k. Landespräsidium die auf die erstere Konkursausschreibung
eingelangten Kompetenzgesuche der Concurrenten dem Lehrkörper der theologischen
Lehranstalt zur Erstattung des Gutachtens zugemittelt worden waren und der
Lehrkörper laut des diesfälligen Sitzungsprotokolls den einstimmigen Beschluß
auf meine Berufung gefaßt hatte, wurde von dem hochwürdigen Vorstande diesfalls
eine neuerliche Sitzung angeordnet und dabei eine Prozedur eingeleitet, welcher
wegen die Mitglieder des Lehrkörpers sich der Berathung entzogen und dies zur
Folge hatte, daß nur Professor Kalinczuk als Schwiegervater und Professor Nicolai Hackman als Beistand des Mitrofanowicz zu seinen Gunsten votirt
haben.
Während sich nun Mitrofanowicz auf Grund eines solchen Gutachtens als Professor
der Pastoraltheologie wähnte, erfloß mit dem hohen Erlasse vom 21. Juni [1]858
die hohe Verfügung Euer Excellenz zur Ausschreibung eines neuerlichen Concurses
und zur Abhaltung einer ordentlichen schriftlichen und mündlichen
Concursprüfung. Aus dieser hohen Anordnung mußte Kalinczuk wohl einsehen, daß seine Pläne
zur glänzenden Beförderung seines Schwiegersohnes eitel sind; doch er faßte sich
bald und bewirkte die Ernennung des Mitrofanowicz als Pfarradministrator zu
Ober-Vicow, der größten Pfarre in der Diözese, um
sich dort den hohen Orts gerügten Abgang der seelsorgerlichen Kenntnisse zu
erwerben und auch ein ganz ausreichendes Einkommen zu haben.
Als
Pfarradministrator zu Ober Vicow, wo Mitrofanowicz durch 6 Monathe fungirt,
hat sich derselbe der Konkursprüfung unterzogen, und da er von dem hochwürdigen
Vorstande des Lehrkörpers für die zu besetzende Lehrkanzel anempfohlen wurde, so
triumphirt er nun über die Niederlage, die sein Schwiegervater, der gegenwärtig
die Lehrkanzel supplirt und in den Sachen des Schwiegersohnes Referent gewesen
ist, mir zugefügt hätte, harrend mit Zuversicht auf die Erlangung dieses
Postens, um den er bis nun zu fruchtlos gerungen hat.
Bei solchen
Bewandnissen und namentlich bei der Hervorhebung eines jungen Priesters, der
kaum 6 Monathe in der Seelsorge dient und außer den Schulzeugnissen gar keine
Belege für sein Wissen und Verdienste aufzuweisen vermag, vor mir ehrfurchtsvoll
Gefertigten, der ich laut der meinem Kompetenzgesuche anruhenden 26 Stück
Beilagen durch 17 Jahre sowohl belobte seelsorgerliche als auch andere besondere
Leistungen gethan und so viele literarische im Drucke erschienene Arbeiten
geliefert habe, muß es den Klerus der Diözese nur mit bitterem Schmerze erfüllen
und zu dem entmuthigenden Schluße veranlassen, daß ein anderer Priester,
zwischen dem und einem Schoßkinde der Diözesanleitung der Abstand nicht so groß
wäre wie zwischen mir und dem Mitkonkurrenten Mitrofanowicz, auf eine Beförderung gar
nicht rechnen darf.
Umsoweniger kann ich mich ehrfurchtsvoll Gefertigter
dabei gleichgültig befinden, da ich nur unverschuldeter Weise die Zielscheibe
derjenigen geworden bin, die auch diese zu besetzende Lehrkanzel für sich
auszubeuten sich bestreben. Ein Kalinczuk, der um die Kritik des Lehrkörpers zu paralisiren eine
Präsidialkritik zu ersinnen wußte, und ein Mitrofanowicz, der an einem Sonntage des Monaths Oktober [1]858
dem k.k. Statthaltereisekretär Herrn Josefowicz ein Pack Banknoten im Amte anzubiethen sich
unterfieng und für diese Verwegenheit nach einer verdienten Ermahnung zur Thür
sich entfernen mußte, werden nichts unterlassen, um mich zu verwunden und alles
aufbiethen, um ihre Absichten zu erreichen.
Angesichts der verfolgerischen
Angriffe stehe ich wehrlos da und kann ihnen andere Waffen nicht entgegensetzen,
als nur den anerkannten Gehalt meiner Kenntnisse, die ich nebst den
literarischen Leistungen durch das Konkurselaborat dargethan habe, dann meinen
reinen Wandel und meine Thätigkeit für das Beste der Allgemeinheit, wie es aus
den meinem Gesuche beiliegenden Belobungen ersichtlich ist, endlich die Stimme
des Diözesanklerus, die mich als vollkommen fähig und würdig für die Lehrkanzel
der Pastoraltheologie bezeichnet.
Doch, da man sich bemühet, über alle diese
Thatsachen den Schatten zu werfen und über mich den Stab zu brechen, so wage ich
nun unter den mächtigen Schutz der Huld und Gnade Euer Excellenz zu fliehen und
fußfälligst zu bitten: Euer Excellenz geruhen diesem Besetzungsakte und
insbesondere meinem Gesuche und dem Concurselaborate die hohe Aufmerksamkeit zu
schenken und je nach dem hohen Ermessen zu veranlassen, damit die
Concurselaborate mit Überdeckung der auf denselben ersichtlichen
Namensfertigungen der Concurrenten an zwei Universitäten des Reiches und bei dem
hochwürdigsten Metropoliten und Patriarchen
in Carlovitz [Karlowitz] ebenfalls geprüft werden
möchten.
Auf diesem Wege würden Euer Excellenz die hohe Überzeugung
gewinnen, daß ich der mir in dem hohen Erlaße vom 21. Juni [1]858 hochgeneigtest
geschenkten hohen Aufmerksamkeit, welche bei der hochwürdigen Diözesanleitung,
da sie dem Concurrenten Mitrofanowicz augenfällig in vollen Maßen hold ist, Mißmuth
erweckt zu haben scheint, mich würdig bewiesen und für den Lehrposten der
Pastoraltheologie, auf dem ich alle meine Kräfte zur Hebung der Seelsorge und
zur Förderung des allgemeinen Besten anwenden würde, geeignet bin.
Samuel Andriewicz
Pfarrer
Czahor im Kronlande Buccovina [Bukowina], am 5. November 1859