Erzherzog Albrecht unterrichtet Leo Thun, dass sein Plan, das Generalvikariat von Tyrnau als eigenständiges Bistum zu errichten, bekannt geworden sei. Da der eigentlich geheime Vorschlag in Esztergom sehr ungünstig aufgenommen worden sei, schlägt er vor, die Angelegenheit vorerst ruhen zu lassen.
Debretzin, 5. Mai 1858
Erlauben Sie mir, lieber Herr Graf!
Ihnen im engsten Vertrauen, einen unangenehmen Vorfall mitzutheilen, dem
wahrscheinlich ein Versehen während Ihrer letzteren Abwesenheit zu Grunde liegen
dürfte. Der stets unruhige Szántoffy
kam neulich von Gran zurück und erzählte
dem Propst Haas, daß man dort wisse, daß
in Ihrem Ministerium ein nicht unterschriebener (was wahr ist) Antrag von
mir eingelangt ist, um nach dem Tode des jetzigen Primas das Tyrnauer Generalvikariat als selbstständiges Bisthum
mit dem Sitze in Preßburg abzutrennen und
als Dotation die Einkünfte des Großpropstes von Preßburg zu bestimmen und
deswegen letztere Stelle unbesetzt bleiben solle bis dahin. Daß diese Nachricht
sehr unangenehm in Gran vernommen wurde,
läßt sich denken; aber auch für die Regierung ist es nicht angenehm; denn darin
wird ein nationales Gravamen mehr ausgebeutet werden, um das Primatiat, diesen
Hort der Nationalität, abzuschwächen.
Unter diesen Umständen wird es am
besten seyn, für den Moment zu pausiren. Wird Vibér jetzt ernannt, so hält er sich schon designirt, einstens
Bischof von Preßburg zu werden, während vielleicht die Andern darin ein Aufgeben
unseres Projektes und einen Sieg ihrer kirchlich wie staatlich separatistischen
Richtung erkennen könnten.
In den ersten Tagen Juni bin ich in
Wien und bis dahin hat es jedenfalls Zeit, wo wir,
wenn es Ihnen Recht ist, die Sache weiter besprechen können.
Der hiesige
ref. Superintend. Convent scheint in seiner letzten Sitzung wieder viel Albernes
über Autonomie der Schulen, Aufgeben der Öffentlichkeit des hiesigen
Obergymnasiums, eigenen Lehrplan, von ihnen entworfen, usw. gesprochen und
beschlossen zu haben. Das Sitzungsprotocoll ist noch nicht eingereicht; sie
scheinen inzwischen Besorgnisse bekommen zu haben, daß es Schaden bringen
könnte, und so wird vielleicht das Protokoll sehr zahm und annehmbar ausfallen;
wo nicht, so wird Graf Zichy
(Vicepräsident), mit dem ich bereits darüber sprach, das Nöthige gleich
veranstalten, um jedem faktischen Vorgehen vorzubeugen.
Mit den herzlichsten Wünschen für Ihr und Ihrer Frau Gemahlin
Wohlergehen
Stets Ihr aufrichtigster
Albrecht