Entwurf für zwei Handschreiben zur Lösung der Konflikte mit den
protestantischen Kirchen Ungarns von Leo Thun. Das erste Handschreiben
richtet sich an den Generalgouverneur von Ungarn, FZM Ludwig Benedek.
Dort wird eine Begnadigung für alle jene ausgesprochen, die dem Patent
vom 1. September 1859 zuwidergehandelt haben. Außerdem wird Benedek
aufgefordert, Gemeinden zu unterstützen und zu schützen, die das Patent
bereits durchgeführt haben bzw. noch durchführen werden.
Das zweite
Handschreiben richtet sich an den Kultusminister. Hierin spricht der
Kaiser sein Bedauern aus, dass das Patent vom 1. September 1859 in
Ungarn anhaltende Proteste und Sorgen ausgelöst habe. Der Kaiser möchte
diese Sorgen zerstreuen. Daher gewährt er, dass die Umsetzung des
Patents in jenen Gemeinden, Senioraten und Superintendenzen, die das
Patent bisher abgelehnt haben, ausgesetzt werde. Gleichzeitig erlaubt
der Kaiser die Einberufung und Abhaltung einer Generalsynode zu einer
Neuregelung bei der Einteilung der kirchlichen Verwaltungsgebiete.
Abschrift eines Entwurfs von Leo Thun, mit eigenhändigen Anmerkungen und Korrekturen Thuns.
Verweis auf A3 XXI D577.
An den Feldzeugmeister Ritter von Benedek
<Mein letzter Vorschlag, welcher jedoch gar nicht mehr in Erwägung gezogen wurde, in dem vielmehr ein Konzept des Justizministers des Grafen Nádasdy von Seiner Majestät (30. April [1]860 ?) genehmigt wurde. Thun>2
Ich habe mich in Gnaden bewogen befunden, allen denjenigen Personen in Meinem
Königreiche Ungarn, welche sich bei den aus Anlaß der
Einführung des Patents vom 1. Sept. 1859 bisher stattgefundenen bedauerlichen
Vorgängen auf eine solche Weise betheiliget haben, daß die Strafbehörden gegen
dieselben dieserwegen einzuschreiten gesetzlich verpflichtet waren, Meine volle
Verzeihung angedeihen zu lassen. Ich finde demnach denjenigen, welche bereits
rechtskräftig verurtheilt worden sind, nicht nur die gesetzlichen Folgen dieser
Verurtheilung, sondern auch die noch nicht vollstreckte Strafe gänzlich
nachzusehen und zugleich anzuordnen, daß alle wegen solcher Vorfälle bereits
anhängigen Untersuchungen eingestellt und wegen derselben keine
strafbehördlichen Amtshandlungen eingeleitet werden.
Hingegen haben Sie mit
allem Nachdrucke darüber zu wachen, daß die Beruhigung der Gemüther Meiner
Unterthanen Augsburger und helvetischen Bekenntnisses durch Verbreitung
wahrheitswidriger Gerüchte fortan nicht mehr geduldet und daß ferner allen
denjenigen, welche Mein oben erwähntes Patent und die darauf bezüglichen
Vollzugsvorschriften dankbar aufgenommen haben und darnach vorgegangen sind, so
wie denjenigen Gemeinden und Senioraten, welche noch ferner darnach vorgehen
wollen, kräftigen Schutz verliehen und wer immer es wagen sollte, sie deswegen
bedrücken oder verfolgen zu wollen, strenge bestraft werde. Zu welchem Ende Ich
ihnen unbedingte Vollmacht ertheile.
An den Cultusminister
Das Patent vom 1. September vorigen Jahres, durch welches Ich die seit langen
Jahren schwebende Verhandlung wegen Herstellung einer bestimmten Ordnung in
den kirchlichen Verhältnissen Meiner evangelischen Unterthanen Augsburger
und helvetischen Bekenntnisses in Ungarn, der serbischen Wojwodschaft und
dem Temeser Banate sowie in Kroatien und Slavonien und in der Militärgrenze unter
Gewährung neuer Rechte und Begünstigungen auf gesetzlicher Grundlage zu
einem gedeihlichen Abschlusse zu bringen bestrebt war, sowie die zur
Durchführung dieses Patentes erlassenen Verordnungen, sind von einem Theile
<dieser Glaubensgenossen>3 aufgenommen und mit freudiger Willfährigkeit
vollzogen worden, vom Anderen hingegen wird unter Berufung auf ihr Gewissen
und ihre konfessionelle Überzeugung darauf einzugehen Anstand genommen.
Diese Verordnungen sind in Folge dessen zum Anlasse einer steigenden
Beunruhigung der Gemüther des Volkes gemacht worden, welche Meinen Absichten
durchaus widerstreitet.
Unter diesen Umständen finde Ich Mich über die
von Meinem Feldzeugmeister Ritter von
Benedek Mir gemachten Vorstellungen bewogen, diejenigen
Gemeinden, Seniorate und Distrikte, welche die gegen die unverweilte
Durchführung obiger Anordnungen angeregten Bedenken theilen zu sollen
glauben, von derselben unter der Bedingung zu entheben, daß jene für sie
bestehende vorläufige Ordnung nachgewiesen werde, welche erforderlich ist,
damit die beabsichtigte Synode in einer gegen jede Einwendung gesicherten
Weise beschickt werden könne. Dagegen ist jenen Gemeinden, Senioraten und
Distrikten, welche sich bereits nach Meinem obigen Patente und den darauf
gegründeten Vollzugsvorschriften koordinirt haben oder zu koordiniren im
Begriffe stehen, zur Aufrechterhaltung ihres dermaligen Zustandes oder zur
Vollziehung ihrer Absicht der nachdrücklichste Schutz zu gewähren.
Zu
dem Ende finde Ich die Bestimmungen Meines Patentes vom 1. September vorigen
Jahres bezüglich der Eintheilung der Superintendenzen zu modifiziren wie
folgt:
1. Von den im Meinem Patente vorgezeichneten Superintendenzen
Augsburger Bekenntnisses verbleiben die Preßburger und die Neu-Verbaßer [Vrbas] aufrecht. Von der Szarvas’er hat es sein Abkommen; den
Senioraten derselben ist es freigestellt, sich nach ihrem früheren Verbande
der Pester, beziehungsweise Eperies’er [Prešov] anzuschließen. Die
Oedenburger [Sopron], Eperies’er und Pester Superintendenzen können demgemäß vorläufig die
Grenzen der vorbestandenen jenseits der Donau, der Theißer und der
Bergsuperintendenz insoweit die der letzteren durch die Konstituirung der
Preßburger und Neu-Verbaßer nicht alteriert sind
annehmen.
2. Von der neuen Eintheilung der helvetischen Superintendenzen
hat es sein Abkommen und es verbleibt demnach vorläufig bei den bisher
bestandenen vier Superintendenzen.
3. In den sämmtlichen
Superintendenzen Augsburger und helvetischen Bekenntnisses können sofort
Senioral- und Distriktualkonvente unter Betheiligung der Seniorate und
beziehungsweise Gemeinden in dem Zustande, in welchem sie sich eben
befinden, gehalten werden, und es ist ihnen freigestellt, Deputirte zu einer
Generalkonferenz zu entsenden, damit dieselbe ihre Wünsche über die
definitive Feststellung der Distriktseintheilung und die weiteren zur
baldigen Ermöglichung <der Synode>4 dienlichen Schritte vortrage. Auch finde Ich den
evangelischen Augsburger wie helvetischer Konfession ohne Ausnahme zu
gestatten, daß sie nunmehr zur Wahl von Superintendenzialinspektoren
beziehungsweise Kuratoren <und Superintendenten>5 schreiten.