Innenminister Agenor Goluchowski äußert sich – mit Bezug auf die Zuschriften von Justizminister Franz Nádasdy – zur Sprachenfrage bei den Gerichtsbehörden. Goluchowski betont, dass die interne Amtssprache aus seiner Sicht nur das Deutsche sein könne. Da es aber gleichzeitig die Pflicht der Regierung sei, die Rechte der einzelnen Volksstämme zu wahren, solle die äußere Amtssprache dem jeweiligen Kronland angepasst werden. Dazu sei es aber notwendig zu bestimmen, welche Sprachen als gesetzlich anerkannte Landessprachen zu gelten hätten. Daher sieht er dringenden Handlungsbedarf, in einzelnen Ländern die Regelungen anzupassen. Zunächst will er deshalb Erhebungen über die jeweiligen Landessprachen durchführen und dann einen Vorschlag für eine allgemeingültige Regelung vorbereiten.
Abschrift.
Das Schreiben ist im Nachlass gemeinsam mit sieben weiteren Dokumenten
unter der Rubrik "Zur Sprachenfrage 1859" unter der Signatur A3 XXI D525
abgelegt:
Note von Franz Nádasdy an Agenor Goluchowski. o. O., 5. November
1859.
Note von Franz Nádasdy an Agenor Goluchowski. o. O., 5. November
1859.
Note von Franz Nádasdy an Agenor Goluchowski. Wien, 5. November
1859.
Note von Franz Nádasdy an Agenor Goluchowski. o. O., 5. Januar
1860.
Note von Franz Nádasdy an Agenor Goluchowski. o. O., 5. Januar
1860.
Note von Franz Nádasdy an Agenor Goluchowski. o. O., 6. Januar
1860.
Notizen von Leo Thun zur Sprachenfrage bei den Gerichtsbehörden
1589.
Abschrift einer Note des Ministers des Innern an Seine Exzellenz den Herrn Justizminister Grafen Nádasdy, dtto., 21. Dezember 1859 Z. 12472/M.I.
Indem ich Euer Exzellenz für die gefälligen Mittheilungen vom 5. vorigen Monats
Z. 17678, 17679, 17802 1 Betreff der Geschäftssprache
bei den Gerichtsbehörden meinen verbindlichen Dank ausdrücke, beehre ich mich
dem geäußerten Wunsche Euer Exzellenz nachkommend meine Ansicht in Bezug auf
diese Angelegenheit in Folgenden zu eröffnen.
Euer Exzellenz dürften
geneigtest mit mir die Überzeugung theilen, daß die Regelung der Sprachfrage im
Geschäftsgange der Behörden in Anbetracht der Verschiedenheit der in
Oesterreich bestehenden Nationalitäten von besonderer
Wichtigkeit ist und eine umsichtsvolle, zugleich aber eine um so gründlichere
Behandlung erheischt, als es sich hiebei neben sorgfältiger Wahrung der
Gesammtinteressen der Monarchie auch um das sehr wichtige und nicht zu
übersehende Moment handelt, daß namentlich bei Feststellung der Geschäftssprache
für den dienstlichen Verkehr gegenüber den Partheien den thatsächlichen in den
eigenthümlichen Sprachverhältnissen der einzelnen Länder begründeten
Bedürfnissen der Bevölkerung und dem unbestrittenen Rechte derselben zur
ungehinderten Pflege der Muttersprache und zum unbeschränkten Gebrauche
derselben die gebührende Berücksichtigung widerfahren soll.
Zu diesem Ende
ist es meines Erachtens von Wesenheit, den Unterschied zwischen dem inneren
Dienste der Behörden und dem Schriftenwechsel derselben mit den untergebenen,
nebengeordneten und vorgesetzten Behörden einerseits, dann zwischen dem
dienstlichen Verkehre mit den Partheien anderseits genau festzuhalten, indem bei
Erwägung der leitenden Gesichtspunkte, von welchen aus die Angelegenheit
behandelt werden soll, die Resultate nach diesen beiden Richtungen sich
verschieden gestalten.
Während nämlich der durch Rücksichten für das
Einheitsinteresse der Monarchie gebotene Grundsatz von keiner Seite eine
begründete Anfechtung erleiden kann, daß für den inneren Dienst
der Behörden und für den Geschäftsverkehr derselben untereinander der
ausschließliche Gebrauch der deutschen Sprache zu gelten habe, daß daher dort,
wo dieser Grundsatz bis nun, wie dies namentlich bei den untersten Instanzen
einzelner Länder der Fall ist, noch nicht durchgreifend in Anwendung treten
konnte, das Bestreben unausgesetzt darauf gerichtet sein müsse, die Einführung
desselben thunlichst zu fördern und zu beschleunigen, so bin ich doch
andererseits von der Überzeugung durchdrungen, daß es Pflicht der Regierung ist,
als einen ebenso unverrückbaren Grundsatz zu beachten, daß der einem anderen als
dem deutschen Stamme angehörenden Bevölkerung das Recht zur Pflege und zum
Gebrauche der Muttersprache durch beschränkende und von einem höheren
Staatsinteresse nicht unbedingt gebotene Maßnahme nicht verkümmert werden darf,
daß es demnach den Partheien und deren
Vertretern nicht bloß gestattet bleiben soll, ihre Angelegenheiten bei
den Behörden in der Landessprache anzubringen, sondern daß insbesondere auch die
Behörden in der dienstlichen Berührung mit den Partheien sowohl bei den
mündlichen Verhandlungen als auch bei den ämtlichen Ausfertigungen sich nur
einer den Partheien verständlichen Sprache zu bedienen haben.
Die Erfahrung
hat es bis nun sattsam dargethan, daß eine Hintansetzung der gebührenden
Rücksichten für die Eigenthümlichkeiten der einzelnen Länder und deren Sprach-
und Nationalitätsverhältnisse jederzeit nur von den nachtheiligsten Folgen für
das wohlverstandene Interesse der Regierung begleitet war, daß insbesondere alle
in dieser Richtung erflossenen Regierungsmaßnahmen leider nur dahin geführt
haben, daß die Bevölkerung den Organen der Regierung mehr und mehr entfremdet;
daß den Letzteren zumeist in den schwierigsten Momenten mit Unwillfährigkeit
oder Passivität begegnet wurde, wo Vertrauen und Willfährigkeit zur Wahrung
gefährdeter Staatsinteressen unerläßlich waren, daß endlich durch eine
rücksichtslose Behandlung der eigenthümlichen Verhältnisse einzelner Länder und
deren Bevölkerungen die ersten Keime zur Unzufriedenheit und Mißstimmung gelegt
wurden, deren weitere Ausartungen selbst zu verbrecherischen Versuchen der
Lockerung des staatlichen Verbandes geführt haben.
Was speziell das
Interesse zur möglichsten Verbreitung der Kenntnis und des Gebrauches der
deutschen Sprache als des wesentlichen und einzigen Verständigungsmittels der
verschiedenartigen Nationalitäten der Monarchie im öffentlichen Leben anbelangt,
so wird die Verbreitung dieser Sprache meines Erachtens auf geringere Anstände
stoßen, daher mit Aussicht auf bessern Erfolg gepflegt werden können, wenn
dieselbe neben gleichzeitiger gerechter Wahrung der Interessen der
Landessprachen betrieben und von keiner nicht gerechtfertigten Beengung der
letzteren begleitet sein wird, indem die hie und da vorkommenden
deutschfeindlichen Regungen in der letzten Auflösung fast ausnahmslos auf den
Grund zurückführen, daß den Landessprachen nicht jene Berücksichtigung zu Theil
wird, welche die Bevölkerung auszusprechen berechtiget ist und die unbeschadet
der Einheitsinteressen der Monarchie gewährt werden kann.
Gegenüber dem
natürlichen und in der Gesetzgebung nicht bestrittenen Rechte der Bevölkerung
zur Pflege ihrer Muttersprache, liegt nach meiner Überzeugung der
Staatsverwaltung die Pflicht ob, dieses Recht auch bei der Berührung der
Partheien mit den Behörden angemessen zu wahren, daher ihre Behörden und deren
Geschäftsgang in einer Art einzurichten und zu normiren, daß dies Recht keine
Beeinträchtigung erleide.
Euer Exzellenz dürften geneigtest zugeben, daß es
das Ansehen der Regierung im hohen Grade benachtheiligen und das Vertrauen in
ihre Absichten beirren müsse, wenn einerseits bei den Lehr- und
Bildungsanstalten die Pflege der Muttersprache gestattet und durch entsprechende
Anordnungen selbst gefördert, andererseits aber der Gebrauch derselben Sprache
im praktischen Geschäftsleben nicht gerechtfertigten Beschränkungen unterworfen
wird, daß ferner eine Wirksamkeit der Behörden nach unten niemals eine
vertrauenserweckende, daher erfolgreiche und durchgreifende zu werden vermag,
wenn die Behörden in ihren Entscheidungen und Verfügungen gegenüber den
Partheien einer Sprache sich bedienen, deren die Letzteren nicht mächtig sind
und welche nicht die Sprache ihres gewöhnlichen Geschäftslebens ist.
Der bis
nun[?] beobachtete Vorgang, wornach in einzelnen Kronländern für den Verkehr der
Behörden mit den Partheien die Anwendung der deutschen Sprache selbst dann, wenn
die Partheien dieser Sprache nicht kundig sind, unbedingt vorgezeichnet wurde,
erscheint nach meiner Überzeugung im wohlgemeinten Interesse der k.k. Regierung
nicht statthaft und nicht haltbar; es sollte daher mit demselben in einer
bestimmten und offenen Weise gebrochen werden, wie solches der Würde einer
gerechten Regierung entspricht.
Euer Exzellenz hatten die Güte, in den
geschätzten Zuschriften hervorzuheben, daß gegen den gedachten Vorgang in den
betreffenden Ländern bis nun keine besonderen Beschwerden vorgekommen sind.
Ich erlaube mir diesem zu entgegnen, daß wenngleich die Bevölkerung der
Unzufriedenheit aus diesem Anlaße bis nun in besonderen Beschwerden keinen
Ausdruck gegeben hätte, dieser Umstand für die Entschließungen der Regierung
keine maßgebende Richtschnur abgeben soll, sobald die Unangemessenheit und
Unbilligkeit des zum Grunde liegenden Verfahrens in unläugbarer Weise dargethan
ist; denn es ist meines Erachtens kein empfehlender Grundsatz für die Regierung
an einer dem aufliegenden Bedürfnisse und der begründeten Anforderung
widerstreitenden Maßregel bloß deshalb festzuhalten, weil letztere keinen
offenen Widerspruch seitens der Bevölkerung erfährt.
Wenngleich keine
schriftlichen Beschwerden in dieser Richtung bei den Centralstellen vorgekommen
sein mögen, so kann ich dennoch nicht unbemerkt lassen, daß nach meinen Notizen
und namentlich der während meiner Amtsverwaltung in Galizien
gemachten Erfahrungen der besprochene Vorgang allgemeine Mißstimmung und
Unzufriedenheit hervorgerufen hat und daß dieser Stimmung eben in neuester Zeit
anläßlich des italienischen Krieges seitens der Bevölkerung nicht allein Galiziens, sondern auch der übrigen betreffenden
Länder ein nur zu laut sprechender Ausdruck gegeben wurde, der übrigens auch im
gegenwärtigen Augenblicke noch nicht verklungen ist.
In diesem Anbetrachte
glaubte auch der Ministerrath, wie es Euer Exzellenz bekannt ist, in dem bei
Konstituirung des Ministeriums aufgelegten Programme die Regelung der
Sprachfrage besonders hervorheben und laut Punktes XI in dieser Beziehung zur
Richtschnur annehmen zu sollen, daß die deutsche Sprache den nicht
deutschen Bevölkerungen nirgends aufgedrängt, sondern in allen darauf
bezüglichen Fragen gewissenhaft an dem Grundsatze gehalten werden
soll, daß soviel möglich überall die Sprache angewendet werde, welche dem
praktischen Zwecke, um den es sich handelt, am besten
entspricht.
Nach Inhalt der bezogenen geschätzten Zuschriften hat die
Reglung der Sprachfrage hinsichtlich des Verkehres der Behörden mit den
Partheien in Siebenbürgen, der serbischen Wojwodschaft,
Galizien mit Krakau und in
Ungarn besondere Schwierigkeiten geboten, weil in den
übrigen Kronländern hinsichtlich der Sprachverhältnisse keine Anstände vorkamen.
Es bedarf keiner umfassenden Auseinandersetzung, daß die Art der bisherigen
Behandlung dieser Fragen in den erstgenannten Ländern mit Rücksicht auf die
vorausgelassenen Betrachtungen keine entsprechende war.
Die für
Siebenbürgen
erflossene Anordnung, daß beim
mündlichen Verfahren, wo die Parthei sich selbst vertritt, die Wahl der
deutschen oder Landessprache frei stehe, die Bescheidung jedoch nur in der
deutschen Sprache als Urtext mit einer Übersetzung in der betreffenden
Landessprache zu geschehen habe, dann daß beim mündlichen Verfahren, wobei ein
Advokat intervenirt, und beim schriftlichen Verfahren überhaupt nur die deutsche
Sprache zu gebrauchen sei und in dieser Sprache auch sofort die Bescheidung der
Partheien zu erfolgen habe, verstoßt gegen den Grundsatz der gebührenden
Berücksichtigung der Interessen der Bevölkerung und deren Muttersprache.
Ebensowenig entspricht diesem Grundsatze nach meinem Dafürhalten die mit
Erlaß des löblichen Justizministeriums vom 19. November 1851 Z. 15373 für die serbische Woiwodschaft und das Temescher Banat getroffene
Einleitung, indem auch hier die Gerichte verpflichtet wurden, die Protokolle mit
Partheien, Angeschuldigten, Zeugen und Sachverständigen bloß nach Thunlichkeit
in der diesen eigenthümlichen Landessprache aufzunehmen und weil die
Ausfertigungen der Gerichte auch hier in der deutschen Sprache zu erfolgen
haben.2
Die
für
Galizien
mit allerhöchster Entschließung
vom 20. Oktober 1852 hinsichtlich der Geschäftssprache der Gerichtsbehörden im
Verkehre mit Partheien getroffene Einrichtung hat nach den Wahrnehmungen, die
ich als Statthalter von Galizien zu machen die Gelegenheit
hatte, nicht nur nicht befriediget, sondern vielmehr einen sehr nachtheiligen
Eindruck hervorgerufen, weil für die Verhandlungen in Streitsachen, wobei ein
Advokat intervenirt, der Gebrauch der deutschen Sprache unbedingt angeordnet,
ferner verfügt wurde, daß bei allen Ausfertigungen an Partheien die deutsche
Sprache anzuwenden und in ausnahmsweisen Fällen an Landleute die Ausfolgung
bloßer Übersetzungen des deutschen Urtextes gestattet sei.
Der Inhalt des
unterthänigsten Vortrages, welcher in dieser Angelegenheit von dem Herrn Vorgänger Euer Exzellenz im Amte
erstattet wurde, ist mir nicht bekannt und ich kann nur bedauern, daß eine in
die Verhältnisse der Bevölkerung so tief eingreifende, auf die politische
Stimmung wesentlichen Einfluß übende, daher die wichtigsten Interessen der
Monarchie so nahe berührende Maßregel in Ausführung gesetzt wurde, ohne daß der
politischen Landesbehörde die Gelegenheit geboten worden wäre, sich über deren
Angemessenheit mit Rücksicht auf die faktischen Verhältnisse auszusprechen,
zumal, wie ich dies aus den geehrten Zuschriften Euer Exzellenz ersehe, eine
solche Einvernehmung der Länderchefs in derselben Angelegenheit in Kroazien und Ungarn nicht
unterlassen wurde.
So wenig übrigens schon die bezogene Anordnung für
Galizien geeignet war, dem sehr fühlbaren Bedürfnisse zur
Anwendung einer für die Partheien verständlichen Sprache in den Ausfertigungen
an dieselben und bei den Verhandlungen mit denselben die gebührende Rechnung zu
tragen, so mußte die in Folge allerhöchster Entschließung vom 1. Dezember 1857
herabgelangte Erläuterung des Absatzes 3 der obigen Anordnung den ungünstigen
Eindruck nur noch mehr steigern, indem nach dieser Erläuterung für die Vorträge
der Staatsanwälte und Vertheidiger bei den Schlußverhandlungen in Strafsachen
selbst bei den der deutschen Sprache nicht kundigen Angeklagten die Anwendung
der deutschen Sprache unbedingt angeordnet, sonach eigentlich das mit
allerhöchster Entschließung vom Jahre 1852 gewährte Zugeständnis zur Anwendung
der Landessprache in solchen Fällen ausdrücklich zurückgenommen wurde.
Ein
Vorgang, wornach in Anwesenheit des vor den Schranken des Gerichtes stehenden
angeklagten Staatsbürgers über dessen heiligsten Rechte, dann selbst über sein
Leben, die Strafverhandlung in einer demselben nicht verständlichen Sprache
gepflogen und hiebei lediglich eine Verdollmetschung der Verhandlung zugegeben
wird, glaube ich als den Grundprinzipien einer gerechten und geordneten
Gerichtspflege widerstreitend bezeichnen zu sollen.
Was
Ungarn
anbelangt, so ist hier in den
Oberlandesgerichtssprengeln Großwardein, Ödenburg
und Pesth nach der geehrten Eröffnung Euer
Exzellenz im äußeren gerichtlichen Dienste gegenüber den Partheien die
ungarische Sprache in der Regel und die deutsche Sprache nur ausnahmsweise in
Anwendung. In den beiden übrigen Sprengeln Eperies und
Preßburg findet hingegen die deutsche Sprache in der
gedachten Richtung fast ausschließende Geltung.
Die bezüglichen
Vorschriften, welche die Sprachfrage für Ungarn regeln, sind
zum größten Theile nur aus Anlaß vorgekommener spezieller Fälle erflossen und es
wird in Zusammenfassung derselben nach meinem Erachten darin das leitende
Prinzip ebenfalls vermißt, daß die Sprache im Verkehr der Behörden mit der
Bevölkerung sich nach der Muttersprache der Letzteren zu richten habe, daß daher
in Ungarn neben der ungarischen Sprache auch insbesondere das
Recht der übrigen daselbst bestehenden Landessprachen gewahrt werden soll.
Dies vorausgelassen, beehre ich mich Euer Excellenz zu eröffnen, daß die
unerläßliche und dringende Reglung der Sprachfrage nach meiner Ansicht in
folgender Richtung durchzuführen wäre.
Für den innern Dienst
der Behörden und den Geschäftsverkehr derselben untereinander wäre
grundsätzlich die deutsche Sprache als Geschäftssprache
festzuhalten, daher die Einführung derselben auch dort, wo sie bis nun in dieser
Beziehung noch nicht zur Anwendung gelangt ist, konsequent zu betreiben.
Was die Sprachfrage in zweiter Beziehung, nämlich hinsichtlich des Verkehres der Behörden gegenüber den Partheien
anbelangt, so erscheint mir jene Anordnung ganz entsprechend, welche laut der
geschätzten Eröffnung vom 24. September 1855 Z. 11941 mit allerhöchster
Entschließung vom 17. Oktober 1854 für Croatien
und Slavonien getroffen wurde, und ich glaube, daß die Bestimmungen
dieser Anordnung auch für die übrigen Kronländer, nämlich
Ungarn, Siebenbürgen, die serbische
Woiwodschaft und Galizien, in Anwendung zu treten
hätten.
Für jedes der bezeichneten Kronländer ist es daher nach meinem
Erachten vor allem nothwendig, bestimmt festzusetzen, welche Sprachen als die in
demselben gangbaren und gesetzlich anerkannten Landessprachen zu gelten, daher
für die dienstliche Berührung der Behörden mit den Partheien neben der deutschen
Sprache in Anwendung zu treten haben. Bei dieser Festsetzung, welche namentlich
auch der Regierung in Bezug auf die Dotirung ihrer Behörden mit einem die
erforderliche Sprachkenntnis besitzenden Personale zur Richtschnur zu dienen
haben wird, können nur die faktischen Sprachverhältnisse der Bevölkerung zum
Grunde genommen werden, wobei selbstverständlich nur diejenigen Sprachen in
Betracht kommen können, deren Bezeichnung als Landessprachen in der Geschichte
des betreffenden Landes begründet erscheint, deren daher nicht bloß einzelne
zerstreut lebende Insassen oder Familien, sondern ganze Ortschaften und
Ländertheile sich als Muttersprache bedienen. Sofort wäre für die bezeichneten
Kronländer auf Grund der Feststellung der Landessprachen die allgemeine
Anordnung zu erlassen:
1. daß den Partheien und ihren Vertretern freigestellt bleibe, in allen wie immer gearteten
Eingaben, welche sie bei den Behörden überreichen, innerhalb des Umfanges des
betreffenden Kronlandes oder Gebiethes sich der deutschen oder der anerkannten
Landessprache dieses Landes zu bedienen;
2. daß Protokolle über mündliche Anbringen der Partheien
in der deutschen oder in der Landessprache aufzunehmen sind, je nachdem sich die
Partheien oder ihre Vertreter in dieser oder jener Sprache auszudrücken
vermögen;
3. daß die Vernehmung und Protokollirung der Aussagen von Zeugen und Sachverständigen im Civil- und Strafverfahren
sowie die Vernehmung und Protokollirung der Aussagen der einer strafbaren
Handlung beschuldigten Personen in der deutschen oder der Landessprache zu
geschehen hat, je nachdem die Parthei dieser oder jener kundig ist;
4. daß
wenn diese Personen keiner dieser Sprachen mächtig sind, ihre Vernehmung unter
Zuziehung eines beeideten Dollmetschers vorgenommen und jede
Frage und Antwort sowohl in der Ursprache, als in der deutschen Übersetzung zu
Protokoll genommen werden muß;
5. daß bei den Ausfertigungen an die Partheien jene Sprache – d. i. deutsche oder die
betreffende Landessprache – zu gebrauchen ist, in welcher die schriftliche
Eingabe überreicht oder das mündliche Anbringen zu Protokoll genommen wurde und
daß wenn keine Eingabe oder mündliches Anbringen im Mittel liegt, die
Ausfertigung der Behörde an die Partheien in der deutschen oder Landessprache zu
erfolgen hat, je nachdem sich die Partheien in ihrem gewöhnlichen Geschäftsleben
der deutschen oder der Landessprache bedienen;
6. daß bei gerichtlichen Verhandlungen sowohl in, als außer Strafsachen sowie
auch bei sonstigen ämtlichen Verhandlungen, wobei mehrere Personen betheiligt
sind, es den Partheien und ihren Vertretern zwar unbenommen bleibe, von der
deutschen oder der Landessprache Gebrauch zu machen, daß jedoch die Entscheidung
der Behörde sowie die Beweggründe zu der Entscheidung in
solchen Fällen in jener Sprache auszufertigen ist, in welcher das Gesuch oder
die Klage beziehungsweise die erste Eingabe oder das erste mündliche Anbringen
abgefaßt sind oder falls weder eine Eingabe noch ein mündliches Anbringen
vorliegt, in jener Sprache, d. i. deutscher oder Landessprache, deren sich die
Partheien in ihrem gewöhnlichen Geschäftsleben bedienen;
7. daß wenn
gerichtliche Entscheidungen in 2. Instanz zu fällen sind, die
für den Obersten Gerichtshof im § 27 des allerhöchsten
Patentes vom 7. August 1850 Nr. 325 RGBl enthaltene Bestimmung zu beobachten,
daher in jenen Fällen, in welchen die Verhandlung in 1. Instanz in einer anderen
als der deutschen Sprache geführt wurde, die Entscheidung sammt den Gründen
nicht nur in der Sprache, in welcher die Verhandlung in 1. Instanz stattgefunden
hat, sondern auch in deutscher Sprache hinauszugeben sei, 38. daß die mündliche Schlußverhandlung, die Kundmachung und Ausfertigung
des Erkenntnisses in Strafsachen in jener Sprache – d. i. deutscher oder
Landessprache – stattzufinden hat, in welcher sich der bei der mündlichen
Verhandlung persönlich anwesende Angeklagte auszudrücken vermag; daß ferner,
wenn der Angeklagte nicht persönlich anwesend oder wenn der erschienene
Beschuldigte keiner der gedachten Sprachen kundig ist, die mündliche
Verhandlung, die Kundmachung und Ausfertigung des Erkenntnisses in deutscher
Sprache zu geschehen hat, in welchem letzteren Falle zur Verhandlung ein
beeideter Dollmetsch beigezogen und das verkündigte Erkenntnis durch diesen dem
Beschuldigten in seiner Sprache kundgemacht werden soll.
In den
Bestimmungen zu 1., 2., 6. wird insbesondere hervorgehoben, daß es keinen
Unterschied begründe, ob die Partheien persönlich oder durch ihre Vertreter mit
den Behörden in die angedeutete Berührung treten.
Unter Vertretern sind
insbesondere auch die Advokaten begriffen, denen der Gebrauch der deutschen oder
Landessprache freigestellt werden soll.
4Der Advokat vertritt
die Parthei, daher ihm in Bezug auf die Sprache das der Parthei zustehende Recht
gegönnt werden sollte, zumal für eine etwaige Beschränkung dieses Rechtes bei
Advokaten sich kein gerechtfertigtes Motiv geltend machen läßt, hingegen die
Erfahrung lehrt, daß gerade diese Beschränkung der meisten Anfechtung ausgesetzt
ist und den ungünstigsten Eindruck bei der Bevölkerung hervorgerufen hat, weil
ferner die für die Partheien so sehr erwünschte Überwachung ihrer Vertreter in
Bezug auf die Geschäftsführung nur dann möglich ist, wenn letztere in einer den
Partheien verständlichen Sprache stattfindet.
Diese Feststellung wird, was
Galizien
anbelangt, keiner Schwierigkeit
unterliegen, weil hier neben der deutschen Sprache nur zwei vorherrschende
Muttersprachen in Betracht kommen, nach welchen letzteren sich auch die
Gebiethsabtheilung leicht bestimmen läßt.
Für die 7 westlichen Kreise hätte
nämlich die polnische und für die übrigen östlichen Kreise die polnische und
ruthenische Sprache als Landessprachen zu gelten, wobei nur noch bezüglich der
ruthenischen Sprache zu berücksichtigen käme, daß die zyrillischen [sic!]
Schriftzeichen im Lande nicht allgemein gekannt sind, daher die Anordnung,
welche mit allerhöchster Entschließung vom 20. Oktober 1852 getroffen wurde, als
eine sehr zweckentsprechende nicht nur bei Gerichten, sondern überhaupt bei den
Behörden aufrecht zu erhalten wäre, daß nämlich ruthenische Eingaben mit
lateinischen Schriftzeichen geschrieben werden müssen,
5 daß sonach in gleicher Weise
auch die behördlichen ruthenischen Ausfertigungen zu erfolgen haben. Was
Ungarn
anbetrifft, so kann die
Feststellung der Landessprachen ebenfalls nur auf Grund der thatsächlichen
Sprachverhältnisse der Bevölkerung geschehen, damit jedem Stamme das Recht zur
Pflege seiner Muttersprache gewahrt werde.
Es dürfte kaum einem Zweifel
unterworfen werden, daß die ungarische Sprache im ganzen Königreiche Ungarn als eine Landessprache anerkannt werden müsse,
weil diese Bestimmung in der Geschichte des Landes begründet ist und weil es
nicht viele Ortschaften in Ungarn geben dürfte, in welchen
neben einer anderen, wenngleich vorwiegenden Landessprache nicht zugleich
einzelne Insassen sich der ungarischen Sprache bedienen würden, die daher als
Landesangehörige Ungarns berechtigt erscheinen,
bei Berührung mit den dortländigen Behörden ihre Muttersprache zu gebrauchen.
Welche anderen Sprachen in Ungarn neben der
ungarischen als Landessprachen zu bestimmen wären, darüber hätte die Festsetzung
mit Rücksicht auf die faktischen Verhältnisse in den einzelnen Gebiethen oder
Comitaten zu erfolgen. Für
Siebenbürgen
, dann die serbische Woiwodschaft und das Temeser Banat wird wohl die
Einführung der ungarischen Sprache als Landessprache für den ganzen Umfang
dieser Kronländer kaum in den faktischen Verhältnissen begründet erscheinen. Es
wird daher die Feststellung der Landessprachen auf Grund der Kreiseintheilung
mit Rücksicht auf die thatsächlichen Sprachverhältnisse erfolgen müssen.
Um
meine Ansicht in Bezug auf die Feststellung der Landessprachen in
Ungarn, Siebenbürgen
und der serbischen
Woiwodschaft sammt dem Temeser Banate mit vollster Beruhigung und
möglichster Bestimmtheit abgeben zu können, habe ich unter einem im Wege der
Gouvernements dieser Länder die geeigneten Daten eingeholt und behalte mir vor,
dieselben Euer Exzellenz nach deren Einlangen baldigst mitzutheilen.
Betreffs Galiziens dürften Euer etc. im
Falle der Übereinstimmung mit meinen Ansichten sich geneigt finden, schon jetzt
die entsprechenden Anordnungen für die dortländigen Gerichtsbehörden zu
erlassen, indem gegen diese Einleitung, wie ich darzulegen die Ehre hatte, in
keiner Beziehung ein Anstand obwaltet. Jedenfalls werden mich Euer Exzellenz zum
besonderen Danke verpflichten, wenn Euer Exzellenz mir die eigene Schlußfassung
in dieser Angelegenheit mit gefälliger Beschleunigung geneigtest eröffnen
wollten.