Bericht über eine Konferenz mit den protestantischen Deputierten und Regierungsmitgliedern in der Angelegenheit der Protestanten in Ungarn
[Frühjahr 1860]1
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Regest

Der Bericht fasst den Verlauf und die Ergebnisse eines zweitägigen Treffens zwischen Vertretern der Regierung und den Deputierten der protestantischen Kirchen, Gabriel Prónay und Nikolaus Vay, aus der Sicht der letzteren zusammen. Zunächst weist der Schreiber darauf hin, dass die anwesenden Vertreter der Regierung davon ausgegangen waren, dass das Patent vor allem wegen der Neueinteilung der Kirchendistrikte abgelehnt worden war und sie daher eine Änderung dieser Einteilung zusicherten. Vay hingegen habe betont, dass dies nur einer unter vielen Gründen sei und das Patent von seinen Glaubensgenossen grundsätzlich abgelehnt werde. Auch habe Vay erklärt, dass er nicht eigenmächtig und ohne Mandat einzelne Punkte verhandeln könne und werde. Schließlich forderte er die Regierung auf, bei der Durchsetzung des Patents nicht wie bisher mit aller Härte vorzugehen, weil dadurch eine Kompromissfindung unmöglich werde. Letztlich endete die Konferenz erfolglos, so dass eine einvernehmliche Lösung bei der Neuordnung der protestantischen Kirchen in weite Ferne gerückt sei.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

<Diese Schrift zirkuliert in Ungarn und wurde mir vertraulich von dem Generalgouverneur Erzherzog Albrecht mitgetheilt.
Thun>2

Übersetzung aus dem Ungarischen

In Folge eines vom allerhöchsten Orte ergangenen Rufes erschien Baron Nikolaus Vay nicht als Präses der Deputationen der Kirchendistrikte, sondern als Privatmann am 6. Februar in Wien und hatte dort in einer Conferenz ihrer Excellenzen der Herren Minister Grafen Rechberg, Grafen Nádasdy und Grafen Thun die bekannten 4 Punkte der am 2. Februar in Pest abgehaltenen Berathung vorgewiesen, auf deren Grundlage die protestantische Kirche voraussichtlich mit Beruhigung die Schlichtung ihrer Religionsangelegenheiten betrachten würde.
Die Herren Minister meinten, daß die Protestanten die neue Regelung hauptsächlich wegen der neuen Eintheilung der Kirchendistrikte nicht annehmen wollen und daß die Protestanten nicht säumen würden, die neue Regelung anzunehmen, wenn die alte Eintheilung der Kirchendistrikte beibehalten werden würde, in welcher Beziehung die Herrn Minister erklärten, daß der Sache leicht abgeholfen werden könne; sie nahmen eine Landkarte von Ungarn und forderten den Herrn Baron auf, die auch Seitens der Protestanten annehmbaren Grenzen der Kirchendistrikte zu bezeichnen.
Allein Seine Excellenz der Herr Baron erklärte, daß er zu dieser Grenzenbestimmungsoperation, selbst wenn er dazu Seitens der Kirche ein Mandat hätte, so plötzlich und ohne gehörige Erwägung nicht schreiten könnte, daß übrigens überhaupt die Protestanten die neue Regelung nicht blos wegen der neuen Eintheilung, sondern aus allen den Gründen für sich nachtheilig (gravaminös) finden, welche in den bekannten Adressen der Kirchendistrikte sattsam gründlich entwickelt erscheinen.
Nach mehrfachen Debatten in Bezug auf den fraglichen Gegenstand kamen die Herrn Minister zu der Erklärung, daß wenn der Herr Baron die neue Regelung nach Untenhin so vertheidigen würde, wie er die Rechte seiner Committenten nach Obenhin vertheidiget, die Sache sehr leicht ausgeglichen und die Durchführung der neuen Regelung leicht bewerkstelliget werden könnte.
Damit endigte am 1 Tage die Conferenz, ohne daß sie zu irgend einem Erfolge geführt hätte.
Am anderen Morgen erhielt der Herr Baron von Pest ein von mehreren geistlichen und weltlichen Herrn unterfertigtes Schreiben, in welchem er über das Seitens der weltlichen Behörden den Geistlichen gegenüber bezüglich der Durchführung der Verordnung vom 10. Januar angewendete drängende Verfahren so wie über die gerade erschienene ministerielle Verordnung vom 5. Februar mit der Bitte in Kenntnis gesetzt wurde, daß er die gelieferten Daten durch seine einflußreiche Vermittlung an den betreffenden Orten im Interesse der Kirche nach besten Wissen und Gewissen gebrauche.
Nach Empfang des Briefes haben Seine Excellenz der Herr Baron sogleich eine neue Zusammenkunft der genannten Ministerexcellenzen bewirkt und trugen mit Schmerzen vor, daß während von allerhöchsten Orte in Bezug auf die Sachen der Kirche die verlockendsten Aussichten auf eine friedliche Lösung eröffnet werden, von anderer Seite nach Untenhin durch die Behörden fortwährend solche Maßregeln in Anwendung gebracht werden, durch welche das Vertrauen in die Aufrichtigkeit der friedlichen Ausgleichungsaussichten erschüttert und die schmerzhafte Erbitterung nur noch erhöht wird. Der Herr Baron trug namentlich vor, wie weit die Geistlichen durch die weltlichen Behörden zur Publicirung der Verordnung vom 10. Januar gedrängt werden, wie die weltlichen Behörden, selbst wenn in ihrem Wege die Einhändigung geschieht, von den Geistlichen solche Reverse zu erpressen suchen, als ob die Verordnung im Wege der Seniorate den Geistlichen zugekommen wäre und wie zuletzt mit der Verordnung vom 5. Februar die Vorstände der Kirche dringend aufgefordert werden, die Verordnung vom 10. Januar in der Kirche zu publiciren, wo doch solche Verfügungen, sagte der Herr Baron, den Weg der gewünschten friedlichen Ausgleichung nur erschweren und mit dem Geiste des erklärten besten Willens Seiner Majestät nicht in Übereinstimmung gebracht werden zu können scheinen.
Auf diesen hochwichtigen Vortrag des Herrn Baron waren die Herrn Minister augenscheinlich betroffen (megütkztek); ja, die gegenwärtigen zwei Ministercollegen haben Seiner Excellenz dem Grafen Thun ins Gesicht erklärt (szemébe – eigentlich Augen), daß die besagte Forderung von Reversen falschen Inhaltes denn doch zu viel sei (már még és sok), worauf der betreffende Herr Minister bemerkte, daß er von dem nichts wisse und in dieser Sache die nothwendigen Schritte thun werde; und hiermit machte er auf dem vor ihm liegenden Papier einige erinnernde Notationen.
Hiernach ließ man sich wieder in eine eingehende Berathung über die mögliche Weise einer friedlichen Ausgleichung der Religionsangelegenheiten ein und nach kräftiger Erörterung des Gegenstandes von beiden Seiten machten die Herrn Minister – als ob sie bisher nicht in der Lage gewesen wären, sich über den wirklichen Stand der Frage zu orientiren und erst jetzt die Achillesferse der Sache entdeckt hätten – die Bemerkung, daß die Protestanten also nichts Geringeres wünschen, als daß das Patent entfalle und nicht in Vollzug gesetzt werde?! Der Herr Baron hat hierauf einfach und kurz mit einem "Ja" geantwortet, erklärend, daß ja die Protestanten in dieser Sache von Anfang an so gedacht haben, wie es die Adressen ihrer Kirchendistrikte klar beweisen und daß es nicht die Schuld der Protestanten ist, wenn ihr Gedanke nicht in diesem Sinne aufgefaßt worden ist. Auf diese Weise – sagten die Herrn Minister – wird diese Sache kaum friedlich ausgeglichen werden können.
Ja!, antwortete der Herr Baron, das Zweckmäßigste wäre, den gordischen Knoten dieser Angelegenheit zu zerhauen. Und wie glauben Sie das Herr Baron, fragte der Ministerpräsident Graf Rechberg? So, sagte der Herr Baron, daß den Protestanten ihre Bitten in vollem Maße gewährt werden; dies wäre sowohl für die Kirche die beruhigendste, als auch für die hohe Regierung die glücklichste Entzweiung des gordischen Knotens.
Allein, die Herrn Minister haben diese Entzweiung, richtiger diese Lösung des gordischen Knotens nicht angenommen.
Und so hat auch diese zweite Conferenz zum Ziele nicht geführt und löste sich auf, ohne daß zur friedlichen Lösung der Sache eine gemeinschaftliche Vereinbarung getroffen worden wäre.
Der Herr Baron hat vor seinem Scheiden aus der Conferenz Seiner Excellenz dem Grafen Rechberg erklärt, daß er noch zwei Tage in Wien zu bleiben beabsichtige, für den Fall, daß Seine Majestät mit ihm zu befehlen geruhen würden.
Die bestimmten zwei Tage vergingen, von Seiner Majestät kam kein Befehl zum persönlichen Erscheinen und zur Audienz an den Herrn Baron; demgemäß reiste der Herr Baron von Wien zurück und so wurde der Lauf der Conferenzen zwischen Kirche und Regierung über die Wege der friedlichen Ausgleichung dermalen vollkommen geschlossen.