Leo Thun macht einige Änderungsvorschläge zu einem Gesetzesentwurf für eine neuerliche Reform der Gymnasien. Thun wünscht, dass am Griechischunterricht, der in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erlebt hat, in der jetzigen Form festgehalten wird. Der Minister fordert auch, dass man sich endlich klar dahingehend aussprechen müsse, ob der Unterricht in den Landessprachen zulässig sei. Er selbst ist für den Unterricht in den jeweiligen Landessprachen. Ein Verbot würde lediglich die Kritik an der Regierung steigern und die Literatur in den jeweiligen Landessprachen verkümmern lassen. Weitere Änderungen betreffen die Lesebücher und die Frage der Bezeichnung der Gymnasien als Staatsgymnasien. Als letzten Punkt spricht Thun die Reform in Siebenbürgen und Lombardo-Venetien an: Er möchte nicht, dass man die Reformen dort auch nur in Ansätzen in Frage stellt, weil sonst die Grundsatzdiskussionen wieder von vorn beginnen würden.
Allerunterthänigste Bemerkungen zu dem Resoluzionsentwurf des Reichsrathspräsidenten über die Gymnasialangelegenheit
Dieser Entwurf ist in der Voraussetzung verfasst, daß es sich lediglich darum
handle, Weisungen an mich zu ertheilen. Ich halte es aber für sehr
wünschenswerth, daß der Theil der allerhöchsten Entschließungen, welcher schon
bestimmte Entscheidungen enthält, in solcher Form erlassen werde, daß er
veröffentlicht werden könne, damit die hemmenden und störenden Einflüße, die aus
dem Zweifel an dem Bestand der jetzigen Einrichtungen hervorgehen, endlich
beseitiget werden. Deshalb erlaube ich mir in dem anliegenden Entwurfe eine
etwas geänderte Anordnung des Inhaltes vorzuschlagen.
Über die sonstigen
Abweichungen dieser beiden Entwürfe von einander erlaube ich mir folgendes
ehrfurchtsvoll zu bemerken:
Die geringfügigen Änderungen in dem Eingange
bezwecken nur eine bestimmtere Textirung.
ad 1
Der Unterricht im
Griechischen hat in den letzten fünf Jahren sehr erfreuliche Fortschritte
gemacht; ich glaube nicht, daß es nothwendig sein wird, ihn zu beschränken, um
das Lateinische hinreichend zu pflegen, und diese Frage dürfte füglich der
Beurtheilung der am Schluße für das Jahr 1858 angeordneten Commission
vorbehalten werden. Ich müßte sehr bedauern, wenn im jetzigen Zeitpunkte durch
eine allerhöchste Warnung gegen die Ausdehnung des Unterrichtes im Griechischen
die Opposizion gegen diesen wichtigen Gegenstand wieder wach gerufen würde, die
sich anfangs allerdings kund gab, seitdem aber beinahe verloren hat.
ad 2
Unterrichtssprache
Es muß einmal mit Bestimmtheit entschieden werden, ob die
Anwendung der Landessprache beim Unterrichte zulässig sein soll
in so weit
sie dazu taugen und durch ihre Anwendung der Verbreitung vollkommener Kenntniß
der deutschen Sprache nicht Eintrag geschieht,
oder
nur in so weit, als
es unvermeidlich ist, weil die Schüler noch keiner anderen Sprache mächtig
sind.
Letzteres wird von Jahr zu Jahr weniger der Fall sein, und dieser
Grundsatz muß demnach dazu führen, daß die Landessprachen allmählich überall, in
einigen Ländern sogleich ausgeschlossen – dadurch ihre Literaturen dem
Diletantismus d. i. dem Siechthum, zugleich aber auch der Demoralisazion,
regierungsfeindlichen und antireligiösen Richtungen Preis geben. Dafür liegen
Erfahrungsbeweise vor. Nebstbei würden dadurch die Herzen vieler der Regierung
entfremdet, die gerne Österreicher sein möchten, aber Deutsche einmal nicht
sind.
Die zweite Alternative beruht demnach auf einer Anschauung, die dem
was meine innigste Überzeugung, und als solche bekannt ist, entschieden
widerstreitet. Im Reichsrathe ist sie nur von einer Stimme vertreten worden;
alle anderen haben ebenso wie die Ministerconferenz das Gewicht der Gründe anerkannt, welche für
die erste Alternative sprachen, und im Protokolle umständlicher entwickelt sind.
Der Resoluzionsentwurf des Reichsrathspräsidenten enthält gleichwohl diese zweite
Alternative, ohne daß in dem Vortrage darüber eine Sylbe erwähnt ist.
Ich
muß inständigst um die allerhöchste Genehmigung der ersten Alternative bitten,
die ich in meinem Entwurfe zu formulieren bemüht war. Könnte das nicht gewährt
werden, so erübrigte mir nur die weitere Bitte, vor der allerhöchsten Resoluzion
noch über einen Umstand allergnädigst gehört zu werden. Daß die deutsche Sprache
überall gelehrt werden muß, habe ich nur deshalb ausdrücklich zu erwähnen
unterlassen, weil es in der Anordnung, daß die deutsche Sprache jedenfalls in
den oberen Klassen vorherrschende Unterrichtssprache sein soll, schon enthalten
ist, und weil in dem fraglichen Absatze des allerhöchsten Handschreibens
überhaupt nur von der Unterrichtssprache und nicht von Lehrgegenständen
gehandelt wird. Sollte die Erwähnung gleichwohl wünschenswerth erscheinen, so
dürfte sie durch den in meinem Entwurfe mit Bleistift beigesetzten Satz
geschehen.
ad 3 Lesebücher
ist eigentlich überflüßig, weil dieser Vorgang, wie er hier
angeordnet wird, schon zu dem im Eingange genehmigten "bestehenden
Einrichtungen" gehört: indessen ist eine solche ausdrückliche Anordnung
jedenfalls ohne Nachtheil, nur erfordert sie eine etwas genauere Textierung.
ad 4
(in meinem Entwurfe sub b) wünsche ich den Ausdruck "Staatsgymnasien"
vermieden zu sehen, weil noch die Frage entstehen wird, ob die
Studienfondsgymnasien Staatsgymnasien seien.
ad 7
ist die erste Frage so unzweifelhaft, daß eine umständliche Verhandlung
und Berichterstattung darüber eigentlich eine ganz müßige Geschäftsvermehrung
verursachen wird, sonst habe ich aber nichts dagegen einzuwenden.
ad 8
scheint auf einem Mißverständniße einer Stelle des gedruckten Operates
zu beruhen; es sind über diese Punkte (hinsichtlich Ungarns) keine besonderen Verhandlungen im Zuge.
Was aber
Siebenbürgen und das lombardo-venezianische Königreich
anbelangt, so muß ich dringend bitten, sie nicht erst zum Gegenstand neuer
Systemalvorträge zu machen, in welchen hinsichtlich des allgemeinen
Gymnasial-Systems – und darum handelt es sich ja eben – doch nichts Neues
gesagt werden kann. Die in meinem Entwurfe sub a gemachte Hindeutung auf die
besonderen Landesverhältnisse dürfte genügen. Gerade was das lombardo-venezianische Königreich
anbelangt ist ein allerhöchster Ausspruch, daß es im Wesentlichen bei den neuen
Einrichtungen sein Verbleiben hat, dringendes Bedürfnis; denn wird hierzulande
gegen diese Einrichtungen agitiert, so artet diese Agitation dort wie jede
andere zur Wühlerei aus.