Stellungnahme Leo Thuns zum Resolutionsentwurf des Reichsratspräsidenten Erzherzog Rainer[?] zur Reform der Gymnasien
o. O., o. D. [1857] 1
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Regest

Leo Thun macht einige Änderungsvorschläge zu einem Gesetzesentwurf für eine neuerliche Reform der Gymnasien. Thun wünscht, dass am Griechischunterricht, der in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung erlebt hat, in der jetzigen Form festgehalten wird. Der Minister fordert auch, dass man sich endlich klar dahingehend aussprechen müsse, ob der Unterricht in den Landessprachen zulässig sei. Er selbst ist für den Unterricht in den jeweiligen Landessprachen. Ein Verbot würde lediglich die Kritik an der Regierung steigern und die Literatur in den jeweiligen Landessprachen verkümmern lassen. Weitere Änderungen betreffen die Lesebücher und die Frage der Bezeichnung der Gymnasien als Staatsgymnasien. Als letzten Punkt spricht Thun die Reform in Siebenbürgen und Lombardo-Venetien an: Er möchte nicht, dass man die Reformen dort auch nur in Ansätzen in Frage stellt, weil sonst die Grundsatzdiskussionen wieder von vorn beginnen würden.

Anmerkungen zum Dokument

Eigenhändiges Konzept von Leo Thun.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DC22-7

Schlagworte

Edierter Text

Allerunterthänigste Bemerkungen zu dem Resoluzionsentwurf des Reichsrathspräsidenten über die Gymnasialangelegenheit

Dieser Entwurf ist in der Voraussetzung verfasst, daß es sich lediglich darum handle, Weisungen an mich zu ertheilen. Ich halte es aber für sehr wünschenswerth, daß der Theil der allerhöchsten Entschließungen, welcher schon bestimmte Entscheidungen enthält, in solcher Form erlassen werde, daß er veröffentlicht werden könne, damit die hemmenden und störenden Einflüße, die aus dem Zweifel an dem Bestand der jetzigen Einrichtungen hervorgehen, endlich beseitiget werden. Deshalb erlaube ich mir in dem anliegenden Entwurfe eine etwas geänderte Anordnung des Inhaltes vorzuschlagen.
Über die sonstigen Abweichungen dieser beiden Entwürfe von einander erlaube ich mir folgendes ehrfurchtsvoll zu bemerken:
Die geringfügigen Änderungen in dem Eingange bezwecken nur eine bestimmtere Textirung.
ad 1
Der Unterricht im Griechischen hat in den letzten fünf Jahren sehr erfreuliche Fortschritte gemacht; ich glaube nicht, daß es nothwendig sein wird, ihn zu beschränken, um das Lateinische hinreichend zu pflegen, und diese Frage dürfte füglich der Beurtheilung der am Schluße für das Jahr 1858 angeordneten Commission vorbehalten werden. Ich müßte sehr bedauern, wenn im jetzigen Zeitpunkte durch eine allerhöchste Warnung gegen die Ausdehnung des Unterrichtes im Griechischen die Opposizion gegen diesen wichtigen Gegenstand wieder wach gerufen würde, die sich anfangs allerdings kund gab, seitdem aber beinahe verloren hat.
ad 2 Unterrichtssprache
Es muß einmal mit Bestimmtheit entschieden werden, ob die Anwendung der Landessprache beim Unterrichte zulässig sein soll
in so weit sie dazu taugen und durch ihre Anwendung der Verbreitung vollkommener Kenntniß der deutschen Sprache nicht Eintrag geschieht,
oder
nur in so weit, als es unvermeidlich ist, weil die Schüler noch keiner anderen Sprache mächtig sind.
Letzteres wird von Jahr zu Jahr weniger der Fall sein, und dieser Grundsatz muß demnach dazu führen, daß die Landessprachen allmählich überall, in einigen Ländern sogleich ausgeschlossen – dadurch ihre Literaturen dem Diletantismus d. i. dem Siechthum, zugleich aber auch der Demoralisazion, regierungsfeindlichen und antireligiösen Richtungen Preis geben. Dafür liegen Erfahrungsbeweise vor. Nebstbei würden dadurch die Herzen vieler der Regierung entfremdet, die gerne Österreicher sein möchten, aber Deutsche einmal nicht sind.
Die zweite Alternative beruht demnach auf einer Anschauung, die dem was meine innigste Überzeugung, und als solche bekannt ist, entschieden widerstreitet. Im Reichsrathe ist sie nur von einer Stimme vertreten worden; alle anderen haben ebenso wie die Ministerconferenz das Gewicht der Gründe anerkannt, welche für die erste Alternative sprachen, und im Protokolle umständlicher entwickelt sind. Der Resoluzionsentwurf des Reichsrathspräsidenten enthält gleichwohl diese zweite Alternative, ohne daß in dem Vortrage darüber eine Sylbe erwähnt ist.
Ich muß inständigst um die allerhöchste Genehmigung der ersten Alternative bitten, die ich in meinem Entwurfe zu formulieren bemüht war. Könnte das nicht gewährt werden, so erübrigte mir nur die weitere Bitte, vor der allerhöchsten Resoluzion noch über einen Umstand allergnädigst gehört zu werden. Daß die deutsche Sprache überall gelehrt werden muß, habe ich nur deshalb ausdrücklich zu erwähnen unterlassen, weil es in der Anordnung, daß die deutsche Sprache jedenfalls in den oberen Klassen vorherrschende Unterrichtssprache sein soll, schon enthalten ist, und weil in dem fraglichen Absatze des allerhöchsten Handschreibens überhaupt nur von der Unterrichtssprache und nicht von Lehrgegenständen gehandelt wird. Sollte die Erwähnung gleichwohl wünschenswerth erscheinen, so dürfte sie durch den in meinem Entwurfe mit Bleistift beigesetzten Satz geschehen.

ad 3 Lesebücher
ist eigentlich überflüßig, weil dieser Vorgang, wie er hier angeordnet wird, schon zu dem im Eingange genehmigten "bestehenden Einrichtungen" gehört: indessen ist eine solche ausdrückliche Anordnung jedenfalls ohne Nachtheil, nur erfordert sie eine etwas genauere Textierung.

ad 4
(in meinem Entwurfe sub b) wünsche ich den Ausdruck "Staatsgymnasien" vermieden zu sehen, weil noch die Frage entstehen wird, ob die Studienfondsgymnasien Staatsgymnasien seien.

ad 7
ist die erste Frage so unzweifelhaft, daß eine umständliche Verhandlung und Berichterstattung darüber eigentlich eine ganz müßige Geschäftsvermehrung verursachen wird, sonst habe ich aber nichts dagegen einzuwenden.

ad 8
scheint auf einem Mißverständniße einer Stelle des gedruckten Operates zu beruhen; es sind über diese Punkte (hinsichtlich Ungarns) keine besonderen Verhandlungen im Zuge.
Was aber Siebenbürgen und das lombardo-venezianische Königreich anbelangt, so muß ich dringend bitten, sie nicht erst zum Gegenstand neuer Systemalvorträge zu machen, in welchen hinsichtlich des allgemeinen Gymnasial-Systems – und darum handelt es sich ja eben – doch nichts Neues gesagt werden kann. Die in meinem Entwurfe sub a gemachte Hindeutung auf die besonderen Landesverhältnisse dürfte genügen. Gerade was das lombardo-venezianische Königreich anbelangt ist ein allerhöchster Ausspruch, daß es im Wesentlichen bei den neuen Einrichtungen sein Verbleiben hat, dringendes Bedürfnis; denn wird hierzulande gegen diese Einrichtungen agitiert, so artet diese Agitation dort wie jede andere zur Wühlerei aus.