Ferdinand Langenau schildert in diesem Aufsatz die Taten des Grafen Alfred Windisch-Graetz während der Ereignisse des Jahres 1848. Er geht besonders auf den Einfluss des Feldmarschalls bei der Bekanntgabe der Abdankung von Kaiser Ferdinand und die Thronbesteigung von Kaiser Franz Joseph sowie die Flucht des Kaiserhofes nach Olmütz ein. Langenau betont, dass Windisch-Graetz insbesondere durch das Vertrauen der Kaiserin Maria Anna an Einfluss gewinnen konnte. Durch sie erhielt Windisch-Graetz auch ein kaiserliches Handschreiben, das ihn ermächtigte, im Falle neuerlicher Umwälzungen, militärisch vorzugehen. Langenau betont, dass sich Windisch-Graetz durch seine Ansichten und seinen Einfluss jedoch auch viele Feinde zugezogen hatte, die ständig versuchten ihn zu kompromittieren. Schließlich hebt Langenau jedoch hervor, dass Windisch-Graetz als Retter der Monarchie anzusehen sei und sein Wirken und seine Leistungen für Österreich, ja für Europa zu wenig Anerkennung fänden.
Es ist die Aufgabe der folgenden Zeilen einige Momente der neuesten
Revolutionsgeschichte Oesterreichs näher zu
beleuchten, deren einzelne Thatsachen wohl hinlänglich bekannt sind, während die
Beweggründe und die Art und Weise, wie manches wichtige Ereignis ins Leben trat,
dem Publikum gänzlich fremd blieben. Die Verdienste und das Wirken eines Mannes,
der in jener Epoche die bedeutendste Rolle spielte, bilden den Hauptgegenstand
dieser Blätter, sein Wirken namentlich in einer Zeit, wo es zwar von höchster
Wichtigkeit war, jedoch weniger ostensibl hervortrat und daher durchaus nicht
allgemein bekannt wurde.
Dem Verfasser dieses Aufsatzes, den er nur für sich
selbst und seine nächsten Freunde zu Papier bringt, ward die Ehre zu Theil vom
Fürsten Windischgrätz zu
verschiedenen wichtigen Missionen, namentlich Verhandlungen mit dem damals in
Inspruk [Innsbruck] befindlichen Hofe
verwendet zu werden; er besaß sein ganzes Vertrauen und ist daher mehr als
mancher Andere in der Lage Aufschlüsse gerade über diese wichtige Epoche zu
geben.
Der Einfluß des Fürsten im Monat März in Wien, wo er
leider zu spät zu einer außerordentlichen, ganz exceptionellen Stellung berufen,
das Wenige noch aufrecht erhielt, was dem Monarchen an Rechten noch geblieben
war, während alles Andere in übereilten Conzessionen einer Kotterie Aufwieglern
hingeworfen wurde, ist hinlänglich bekannt. Ebenso sein Wirken in
Prag, die Bekämpfung des dortigen Juniaufstandes
sowie das, was er zur Rettung der Monarchie nach den Oktoberereignissen
geleistet. Alles dies sind Handlungen, welche dem Fürsten einen der ersten Plätze in
dem großen Drama der Jahre 1848 und 1849 anweisen und deren nähere Beleuchtung
wohl eine geschicktere Feder unternehmen wird.
In dem Zeitraume jedoch,
zwischen den Prager Ereignissen und der
Wiener Oktoberrevolution, finden wir den
Fürsten als Commandirenden
General von Böhmen ohne einer anderen ostensiblen
Stellung, während gerade diese Epoche es ist, wo sein Name und sein Einfluß von
der höchsten Wichtigkeit waren und sowohl dem Throne als der conservativen
Parthei einen großen moralischen Halt gewährten. In dieser Zeit nur wollen wir
seinem Wirken, nämlich denjenigen Theil desselben, welches sein öffentliches
war, eine besondere Aufmerksamkeit widmen.
Die bewunderungswürdige Kraft und
Energie, mit welcher Fürst
Windisch-Graetz dem Aufstande in Prag die
Spitze bot, hatte ihm die Sympathien aller Gutdenkenden und besonders eine
unbegränzte Verehrung von Seite der Truppen zugewendet, deren im höchsten Grade
gefährdete Ehre und Reputation er damals rettete; und denen er durch sein
energisches Handeln eine achtunggebietende Stellung verschaffte, wie sie
dieselbe seit Langem nicht besessen hatten. Die ziemlich ernsthaften Spielereien
mit Nationalgarden und Studentenlegionen, die vielen denselben gewährten
Conzessionen hatten dem Ansehen des Soldaten einen zu gewaltigen Haß
versetzt.
Der Sieg über die Prager
Insurgenten, den man nebst der Tapferkeit jedes Einzelnen, namentlich der
Entschlossenheit und Consequenz des Anführers verdankte, gab der Truppe auf
einmal wieder eine Stellung, welche der Umsturzparthei im höchsten Grade
imponirte. Dankbarkeit und tiefes Mitleiden mit dem entsetzlichen Unglücke,
welches den Fürsten gleich
beim Ausbruch des Aufruhrs betroffen, steigerten die Sympathien der Offiziere
und Soldaten für ihren Feldherrn bis zur Begeistherung. Viele Beweise von
Anhänglichkeit, Treue und aufopfernder Ergebenheit wurde damals dem Fürsten wie seinen Untergebenen
geliefert und denselben absichtlich eine gewisse Öffentlichkeit gegenüber dem
Reichstage und der Parthei gegeben, die den großen Verdiensten der Armee die
Anerkennung versagten und Alles anwendeten, um das Vertrauen und den engen
Verband zwischen Anführer und Soldaten zu lockern.
Diese feste
abgeschlossene Stellung des Fürsten mit seinen Truppen in Böhmen, die gleichzeitigen Siege der Armee in
Italien imponirten, besonders erstere wegen ihrer großen
Nähe dem Reichstage und dem Ministerium, welche keinen sehnlicheren Wunsch
hatten als die Entfernung des Fürsten. Dieselbe war im Reichstage verlangt worden, doch hatte
das Ministerium nicht den Muth sie ins Werk zu setzen, man fürchtete, und mit
vollem Rechte, der Fürst würde
einem solchen Befehle nicht gehorchen und von den ihm ergebenen Truppen auf das
Kräftigste unterstützt werden. Noch während des Prager Aufstands und nach demselben geschah von Seite der
Minister Pillersdorf und Doblhoff alles Mögliche, um dem
Fürsten durch Concessionen
und Eingriffe in seine Verwaltung seine Stellung unhaltbar zu machen, ihn
vielleicht dazu zu bringen selbst seine Demission zu geben und so das
herbeizuführen, was man anzubefehlen nicht wagte, wenn man auch von Insbruck her der Bestätigung Alles dessen fast
gewiß sein konnte, was man verlangte. Der Fürst war mehrmals daran seine Entlassung zu nehmen, es war
jedoch das Bewußtsein von der Wichtigkeit seiner Stellung, seiner Nothwendigkeit
für den Monarchen und die Armee sowie endlich auch eine gewisse Eitelkeit,
welche ihn an dem Platze erhielten, an welchem er noch große Dienste zu leisten
überzeugt war.
Eine klare Beurtheilung der Verhältnisse der Gegenwart, die
sich immer mehr verwickelten, ein sehr richtiger Blick in die Zukunft, ja man
möchte fast sagen, ein gewisses Vorgefühl hatten in dem Fürsten den Gedanken zur Überzeugung
werden lassen, daß wir uns in Österreich
auf dem Wege zu einer großartigen Katastrophe befänden und daß er allein mit der
Armee und gerade nur er dazu berufen sein könne, der gerechten Sache den
nöthigen Schutz zu verleihen. Seine Äußerungen in dieser Beziehung klangen fast
prophetisch.
Er sah den Hof in Insbruck in den Händen der Parthei, die durch Doblhoff dort durchsetzte, was sie
wollte, während das ungarische Ministerium den Erzherzog Stephan und Herrn
Kossúth auf und abschickte, um neue
Zugeständnisse zu erpressen. Die Insprucker [Innsbruck] Reise, deren richtige Benutzung so
vortreffliche Folgen hätte haben können, war nach einem schwachen Versuche nur
von den Schlechten ausgebeutet worden, da dort Niemand war, der den Organen der
Revolutionsparthei die Spitze geboten hätte, während die Kaiserin damals noch nicht die Stellung
eingenommen hatte, welche ihre Festigkeit und ihr nobler Charakter ihr später
anwiesen. Daß die Armee berufen war unter seiner Leitung die Monarchie zu
retten, dies war im Fürsten
W[indisch-Graetz] zur Überzeugung geworden, es war jedoch
möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß bei der allgemeinen Verwirrung, welche
eine neue Katastrophe herbeiführen mußte, der Hof nicht in der Lage sein würde,
dem Fürsten die für einen
solchen Fall nothwendigen Vollmachten zu ertheilen und daß er aus Eigenem
handeln müsse. Er fand es daher nothwendig sich für alle Fälle des pünktlichen
Gehorsams seiner Untergebenen zu versichern und wollte vor Allem nicht, daß
seine Handlungen von Seite Einzelner mißdeutet werden könnten, daß man ihm
vorwerfe, er handle für eigene Rechnung und was sonst noch die Böswilligkeit
erfinden konnte. Er bedurfte hiezu einer kaiserlichen Vollmacht für alle
möglichen Fälle und schickte in dieser Absicht gegen Ende Juli 1848 den
Oberstleutnant Langenau mit
Briefen an die Kaiserin und pro forma auch
an den Erzherzog Franz Carl nach
Insbruck, um dort die Nothwendigkeit
eines solchen Handschreibens darzustellen und dasselbe gleich ausfertigen zu
lassen. Nebstdem erhielt Langenau
noch mündliche Aufträge an die Kaiserin,
namentlich die Bitte den Kaiser strenge
zu überwachen, damit seine Unterschrift nicht mißbrauche, ferner Concessionen zu
verhindern und hauptsächlich nicht zuzugeben, daß der Kaiser nach Wien
zurückkehre, was damals schon stürmisch von allen Seiten verlangt wurde. Die
unglückselige Achterklärung des Banus von
Croatien, die vor Kurzem dem Kaiser von ungarischer Seite war abgedrungen worden, hatte die
Kaiserin auf das Äußerste empört und
sie aufmerksam gemacht, wie nothwendig eine strenge Überwachung des Kaisers war, um ähnliche Dinge in Zukunft zu
verhindern. Diese Rolle fiel natürlich ihr zu und das, was der Fürst ihr sagen ließ, bestärkte sie
in ihrem Vorhaben, so daß sie seit dieser Zeit auf den Gang der Ereignisse einen
bedeutenden Einfluß nahm, da nichts ohne ihr Vorwissen geschehen durfte.
Es
ist hier vielleicht der Platz einige Worte über den Charakter der Kaiserin zu sagen; persönlicher und moralischer
Muth, eine große Festigkeit des Willens und ein seltener Adel in den Gesinnungen
sind die hervorragendsten Eigenschaften, welche der Kaiserin das ganze Treiben seit der Märzrevolution mit der
höchsten Verachtung ansehen ließen. Sie war all den Conzessionen entgegen
gewesen, ihre große politische und Geschäftsunkenntnis jedoch hatte sie
verhindert damals energisch aufzutreten, von dem Moment aber, wo sie die
Überzeugung geschöpft hatte, daß man auf dem Wege zum Untergange sei und wo der
Fürst sie aufforderte, mit all ihrer Kraft ferneres Nachgeben zu verhindern,
widmete sie dem, was vorging, die größte Aufmerksamkeit und war durch ihre
Festigkeit vom heilsamsten Einfluß auf die Handlungen des Kaisers. Langenau wurde als Abgesandter des Fürsten von der Kaiserin und Erzherzogin Sophie mit offenen Armen empfangen und ihm
vollkommenes Vertrauen geschenkt.
Die Überzeugung, daß der Fürst, wenn auch weit von ihnen,
doch dem Gange der Ereignisse mit Aufmerksamkeit folge und daß sie an ihm einen
treuen Anhänger und Verfechter ihres guten Rechtes hatten, auf den sie unter
allen Umständen mit Bestimmtheit rechnen konnten, war dem damals sehr
verlassenen Hofe eine große Beruhigung. Die Idee einer unumschränkten Vollmacht
für den Fürsten
W[indisch-Graetz], in den sie ein unumschränktes Vertrauen
hatten, wurde von beiden Damen mit Freude ergriffen und an der Erfüllung dieses
Wunsches des Fürsten mit vielem Eifer gearbeitet.
Erzherzog Franz Carl, den dieser
Gedanke anfänglich erschreckte und der darüber beim Onkl Johann anfragen wollte (!!!), der damals
in Wien an des Kaisers statt fungirte, bekümmerte sich später nicht mehr viel
darum und wurde endlich bei dieser Gelegenheit so wie bei vielen andern ganz aus
dem Spiele gelassen. Fürst
W[indisch-Graetz] glaubte ihm damals schreiben zu müssen, da er
ihn nicht übergehen wollte, alle späteren Verhandlungen wurden dann mit der
Kaiserin und der Erzherzogin Sophie geführt.
Die
Unterschrift des Kaisers zu erhalten, war
für die Kaiserin ein Leichtes, es handelte
sich aber nun um den Aufsatz der Vollmacht selbst. Nicht ein Mensch befand sich
damals in der Umgebung des Hofes, dem man hiezu das Vertrauen geschenkt hätte;
die Wenigsten waren dem Hofe gefolgt, ein großer Theil unbegreiflicher Weise, in
einem solchen Momente auf Urlaub, dem Hofrathe Zcillich
1, dem gewöhnlichen Verfertiger der Handbillets, wagte
man als Ungar nicht zu trauen, kurz die Leute, die den Hof umgaben, waren
entweder Nullen oder nicht sicher. So bot sich denn Langenau, der genau wußte, was der
Fürst eigentlich wollte,
an das Handbillet zu verfassen. Es wurde ins französische übersetzt, damit die
Kaiserin es ganz fassen könne und
endlich dem Kaiser zur Unterschrift, vor
der Kaiserin selbst, vorgelegt. Der Inhalt
dieses wichtigen Dokumentes war folgender: „Lieber Fürst W[indisch-Graetz]! Ihre stete
Treue und Anhänglichkeit an mich und mein Haus und die Dienste, die Sie mir und
dem Staate, namentlich während Ihrer Verwendung in Wien
im Monat März erwiesen haben, erwecken in mir das vollste Vertrauen zu Ihnen und
die Überzeugung, daß Sie stets nur zum Wohle meiner Dynastie und des ganzen
Kaiserstaates handeln werden. Ich habe Ihnen in meinem Handschreiben vom 3.
April dieses Jahres eine höhere Verwendung zugedacht, die ich bis jetzt noch
nicht in der Lage war Ihnen anzuweisen. Die fortdauernden Bewegungen jedoch in
meinen Ländern und namentlich in meiner Residenzstadt
Wien können möglicherweise Ereignisse herbeiführen,
denen mit Kraft und Energie entgegengetreten werden muß und ich ermächtige Sie
daher in jenem außerordentlichen Falle die Maßregeln zu ergreifen und
durchzuführen, die Ihnen dann als die geeignetesten erscheinen werden, um den
Bestrebungen einer Parthei, die den Umsturz alles Bestehenden zum Zwecke hat,
Einhalt zu thun, so wie ich für diesen außerordentlichen Fall auch diejenigen
Truppen, die Sie zur Verstärkung Ihrer Armee an sich ziehen wollen, an Sie
anweise. Ich vertraue übrigens vollkommen Ihrer vielbewährten Einsicht und
Erfahrung, daß Sie von diesem meinen Handschreiben nur im äußersten Nothfalle
Gebrauch machen und ihm nur dann eine Folge geben werden, wenn jede Aussicht auf
eine friedliche Lösung der Dinge gänzlich geschwunden ist.
Insbruck am 22. Mai 1848
Ferdinand m.p.
Dieses Handschreiben war
absichtlich zurückdatirt worden, weil es wahrscheinlich war, daß der Hof gleich
nach seiner Ankunft in Insbruck und in
der Verzweiflung über die jüngst verflossenen Ereignisse dem Fürsten eine solche Vollmacht
ertheilt hatte; auch wollte er, wenn es zum Vorzeigen dieses Handschreibens
kommen sollte, vermeiden, daß man glauben könnte, er habe sich selbst darum
beworben. Allerdings fehlte diesem Aktenstücke die konstitutionelle
Contrasignatur, doch dies war vom Minister Doblhoff, der dem Hofe nach Innsbruck gefolgt, nicht zu erwarten und den Kommandanten, die
in dem Handschreiben aufgefordert wurden, dem Fürsten Folge zu leisten, genügte
die Unterschrift des Kaisers. Eine andere
sehr wichtige Angelegenheit, die damals zur Sprache kam, war die Abdikation des
Kaisers.
Schon seit längerer Zeit
hatten die Journale sich damit beschäftigt, den Gegenstand aber immer als einen
Staatsstreich behandelt und verdammt, der nothwendig von reaktionären
Bestrebungen begleitet sein müsse, denn es war den Leuten nicht angenehm und
bequem Ferdinand den Gütigen, besonders
mit seinem dermaligen Ministerium, beizubehalten und gerade in Insbruck, wo zwar seine Sturmpetionen
hingelangten, aber auch der wohlmeinende Rath der treuen und aufrichtigen
Anhänger des Thrones nur spärlich hinkam und jedenfalls in den dort anwesenden
constitutionellen Organen ein Gegengewicht fand.
Die Kaiserin sprach sich gegen Langenau über die Abdikation des
Kaisers sehr offen aus, wollte
dieselbe mit einer gleichzeitigen Thronentsagung des Erzherzogs Franz Carl in Verbindung
setzen und am 18. August ins Leben treten lassen, wo der junge Erzherzog Franz Josef seine Volljährigkeit
erreichte. Der neue Kaiser sei zu nichts verpflichtet, er könne geben, was er
wolle und solle sich im schlimmsten Falle ganz der Armee in die Arme werfen, auf
deren Treue man bauen konnte.
Die Kaiserin besprach sich mit Langenau über diesen Gegenstand in Gegenwart der Erzherzogin Sophie. Merkwürdig bleibt
es, daß letztere so ohne allen Wiederstand in diese Idee einging und es so ruhig
hinnahm, daß sie nicht Kaiserin werden sollte. Bei ihrem Charakter war diese
Entsagung der Kaiserkrone ein großes Opfer und findet ihre Bereitwilligkeit wohl
nur in dem Umstande einige Erklärung, daß wenn auch nicht ihr Mann, dessen
gewaltige Fehler und Schwächen sie gar wohl kannte, es doch ihr Sohn war, der
den Thron bestieg, ihr Sohn, dessen glänzende Eigenschaften zu den schönsten
Hoffnungen berechtigten. Auch mag allerdings die constitutionelle Kaiserkrone
nicht mehr den früheren Reitz gehabt haben.
Wegen der Rückkehr des Kaisers nach Wien war
mit Langenau zugleich, wenn auch
im ganz entgegengesetzten Sinne, ein Abgesandter des Ministeriums in Insbruck angelangt. Die Minister stellten die
Nothwendigkeit derselben auf das Dringlichste dar, da die ganze Anhänglichkeit
der getreuen Bevölkerung an den Monarchen, ja an das monarchische Prinzip
überhaupt, stehe auf dem Spiele, der Kaiser müsse zurück, wenn man nicht das
Ärgste befürchten wolle.
Die Persönlichkeit des Abgesandten General
Hanneckart, der als provisorischer
Generaladjutant bei der Abreise des Kaisers in der Burg zurückgeblieben war, eignete sich so wenig
wie sein Auftrag, demselben einen angenehmen Empfang zu bereiten. Die Kaiserin und Erzherzogin Sophie wollten dem Reichstage diese neue Concession
nicht machen, einem Reichstage, der die Abreise des Kaisers mit der Flucht Ludwig
XVI. verglichen hatte und der Rath des Fürsten W[indisch-Graetz] hatte sie
noch mehr in diesem Vorsatze bestärkt. Erzherzog Franz Carl und die Umgebungen des Hofes sehnten sich
allerdings größtentheils nach den gewohnten Wiener Leben und mögen auf die später erfolgte Rückkehr nicht
ohne Einfluß geblieben sein. General Hanneckart hatte in unendlich langen und langweiligen Phrasen zu
beweisen gesucht, wie nothwendig die Rückkehr des Hofes sei, von der er selbst
durchdrungen schien, doch ward er abschlägig beschieden und in diesem Sinne eine
Art Erklärung erlassen, worin der Kaiser
sagt, er könne nicht zurückkommen, ehe ihm sichere Garantien der Ruhe seiner
Hauptstadt geboten würden. Eine größere
Wirkung auf die Kaiserin und die Erzherzogin Sophie machte eine Mission
des Grafen Stadion durch den eben
damals an seine neue Bestimmung in Insbruck eintreffenden Grafen Grünne. Stadion
rieth ebenfalls dringend zur schleunigen Rückkehr. Wie wenig Stadion – wenn er es auch ehrlich meinte –
verstand, die wahren Interessen der Dynastie zu vertreten, hat er später
gezeigt, wie wenig die Rückkehr des Hofes zur Beruhigung der Hauptstadt beitrug, hat die Folge gelehrt.
Einen
merkwürdigen Beleg von der Verlassenheit des Hofes in Insbruck giebt der Umstand, den wir hier einschalten wollen,
daß das Manifest des Kaisers in Folge der
Haneckart’schen Mission vom Grafen Medem, russischen Gesandten am
österreichischen Hofe, verfaßt worden war, daß man sich an Fremde wandte, ihnen
mehr Vertrauen schenkte als der eigenen Umgebung, die mit Ausnahme der Landgräfin Fürstenberg,
Obersthofmeisterin der Kaiserin, von gar nichts in Kenntnis gesetzt wurde.
Graf Medem und Lord Ponsonby waren dem Hofe, ersterer auf
ausdrücklichen Befehl seines Monarchen,
letzterer aus persönlicher Anhänglichkeit, nach Insbruck gefolgt, während von österreichischen conservativen
Nobilitäten, deren loyale Grundsätze, wenn auch nicht offiziell, so doch
insgeheim, dem Hofe eine Stütze gewesen wären, ich in Insbruck Niemand eingefunden hatte.
Mit einem wirklich
rührenden Brief an den Fürsten
W[indisch-Graetz] ward Langenau von der Kaiserin
entlassen, sie schrieb dem Fürsten ganz offen und unverhohlen, dankte für seine
Unterstützung, versprach ihm fest zu vertrauen und seinen Rath zu befolgen. Mit
diesem Schreiben, dem kaiserlichen Handbillet und vielen mündlichen Aufträgen in
demselben Sinne kehrte Langenau
nach Prag zurück. Der Fürst war mit dem Erfolge der
Sendung zufrieden. Der Abdikation, welcher er auch in seinem Schreiben an die
Kaiserin erwähnt hatte, war er anfangs
entgegen gewesen, weil er fürchtete, daß Erzherzog Franz Carl nicht zur Thronentsagung würde zu bewegen
sein, daß in diesem Falle der Intrigue ein noch weiteres Feld als unter
Kaiser Ferdinand offen stünde, er
fürchtete überhaupt und mit Recht, daß eine Abdikation, die nicht gehörig bemüht
würde, nur schlechte Folgen haben könne, denn sie war das letzte Mittel und der
junge Kaiser sollte nur unter den
möglichst günstigen Auspizien auf den Thron erhoben werden. Die Bereitwilligkeit
der Kaiserin und sogar der Erzherzogin Sophie in dieser Hinsicht
und das, was die Kaiserin dem Fürsten hierüber schrieb, stimmten
ihn dafür, nur wollte er dieselbe nicht in Voraus an einen bestimmten Zeitpunkt
als den Tag der Großjährigkeit des neuen Kaisers knüpfen, sondern glaubte sie
besser erst da angewendet, wenn neue Unruhen oder wiederholte stürmische
Forderungen, die nicht gewährt werden konnten, einen solchen Akt motiviren
würden; der Kaiser sollte dann in einem
Manifest auseinandersetzen, was er Alles gethan in der Absicht das Glück seiner
Völker zu begründen und wie trotzdem neue Unruhen und stets neue Begehren der
Lohn dafür gewesen seien. Er habe deshalb in der Überzeugung, daß es ihn nicht
bestimmt zu sein scheine, seine Unterthanen glücklich zu machen die Krone
niedergelegt und Erzherzog Franz
Carl habe derselben zu Gunsten seines ältesten Sohnes entsagt. Ebenso sollt der neue Kaiser ein sehr energisches Manifest
erlassen, worin er seinen Ländern eine Verfassung zu geben verspricht, die
jedoch Garantien der Ruhe und Ordnung böte und gleichzeitig erklären, sich auf
die Treue seiner Armee stützend, dieselbe mit aller Kraft, die ihm zu Gebote
stünde, aufrecht zu erhalten sowie alle ferneren Handlungen energisch
zurückzuweisen.
In diesem Sinne wurden zwei Manifeste vom Fürsten verfaßt mit der Absicht
dieselben der Kaiserin zu übersenden. Der
Zeitpunkt, wenn dieses wichtige Ereignis eintreten sollte, wurde einer späteren
Bestimmung überlassen.
Fürst
W[indisch-Graetz] beschäftigte sich nur damit, die commandirenden
Generäle von Gallizien und Mähren im strengsten Vertrauen von den allerhöchsten Vollmachten
in Kenntnis zu setzen, die ihm ertheilt worden und die Anzahl der Truppen zu
bestimmen, die er bei einem etwaigen Marsche gegen Wien
sowohl aus Böhmen als aus den genannten beiden
Generalcommanden verwenden könnte. Es wurden hiezu die nöthigen Dispositionen
getroffen und Alles so vorbereitet, daß bei eintretender Nothwendigkeit die
Truppen allsogleich in Marsch gesetzt werden konnten.
Der Fürst verwendete sich damals auch
bei dem für seine loyalen Gesinnungen bekannten Grafen Stadion Franz, um ihm seine Ansichten über die Lage der
Dinge zu entwickeln und ihn aufzufordern, wenn es die Nothwendigkeit erheische
mit ihm in Gemeinschaft, dem Alles überschwemmenden Strome der Revolution
kräftig entgegen zu treten. Stadion’s
Antwort lautete ausweichend und fast belehrend für den Fürsten, er sprach von
Versprechungen, die gehalten werden müßten und schloß mit der Versicherung, daß
er sich nie zu reaktionären Bestrebungen hergeben würde. Dieser Brief des
Grafen Stadion, über den er sich
später entschuldigte, entfremdete ihn dem Fürsten der früher auf ihn gebaut hatte und wenn wir später auch
die beiden Männer auf demselben Weg sehen, so waren sie in ihren Gesinnungen
doch immer weit auseinander.
Das Ministerium arbeitete rastlos daran dem
Fürsten seine Stellung in
Böhmen zu verleiden und selbst der
Kriegsminister Graf Latour war von
seinen Collegen so umstrickt worden, er hatte sowenig durchblickt, wo Pillersdorf, Doblhoff und Consorten eigentlich
hinaus wollten, daß er mit ihnen dem souveränen Volke zu gefallen, dem Fürsten alle möglichen Hindernisse
in den Weg legte, die ihn gegenüber der Parthei compromittieren mußten. Die
wegen Betheiligung an dem Juniaufstande Verhafteten wurden durch einen
förmlichen Machtspruch des Justizministers einer nach dem andern entlassen und besonders an
dem Wechsel der Prager Garnison gearbeitet,
deren Ablösung durch andere Truppen sich die czechische Parthei ausbedungen
hatte.
Diese Parthei war der Regierung in mehreren Fragen, die im Reichstage
verhandelt wurden, vom Nutzen gewesen, sie hatte momentan die conservative
Majorität gebildet, war jedoch, besonders einzelne Mitglieder derselben, gerade
so radikal als die äußerste Linke des Reichstages.
Für die der Regierung
geleistete Unterstützung hatte sie die Gewährung einer Petition verlangt, die
gegen den Fürsten
W[indisch-Graetz] gerichtet war und die dem Kriegsminister eingereicht
wurde.
Graf Latour,
durchdrungen von der guten Gesinnung dieser Parthei, worüber er dem Fürsten mehrmals schrieb, glaubte
die Petition nicht ganz abweisen zu dürfen, um die Regierung nicht der
Unterstützung der Czechen zu berauben, handelte jedoch einige Punkte herunter
und blieb bei dem Wechsel zweier Grenadiner Baons. stehen, die sich
hauptsächlich durch ihre Tapferkeit den Zorn ihrer Landsleute zugezogen hatten.
Diesen Wechsel versprach er durchzuführen. Fürst W[indisch-Graetz] war jedoch
entschlossen, in dieser Beziehung nicht die geringste Concession zu machen und
auch einen etwaigen Befehl des Kriegsministers hierüber nicht zu befolgen. Er glaubte dies
seinen braven Truppen und sich selbst schuldig zu sein.
Es wurde über diesen
Punkt längere Zeit hin und her debattirt und einmal sogar der Major Mertens an den Kriegsminister abgesendet, um ihm den festen
Entschluß des Fürsten
mitzutheilen, in dieser Angelegenheit nicht nachzugeben und ihm vorzustellen, er
möge in dieser Beziehung keinen definitiven Befehl erlassen. Der 6. Oktober fand
die Sache noch in der Schwebe. Es hatte sich zwischen dem Kriegsminister eine ziemlich eifrige
Correspondenz über die damaligen Verhältnisse entsponnen, die von Seite des
Ersteren stets in entschuldigenden Tone geführt wurde, über das, was er als
constitutioneller Minister zu thuen gezwungen sei, wie er mit der Parthei gehen
müsse und nicht immer nach seiner militärischen Überzeugung handeln könne etc.
etc.
Die Antworten des Fürsten waren sehr ge[?] belehrend, auch derb. Ein Charakter,
wie er konnte nie begreifen, daß Latour als ehrlicher Mann sich mit Leuten, wie Schwartzen [?]
auf die Ministerbank setzen würde, er prophezeite, was kommen würde und daß nur
die Gewalt der Waffen da entscheiden könne, wo eine Versöhnung unmöglich und ein
Nachgeben nur verderblich sein konnten. Ganz unbegreiflich war dem Fürsten das damals sehr beliebte
„mit der Parthei gehen“.
Merkwürdig bleibt es, daß der Fürst dem Grafen Latour wenig Tage vor seinem Tode und
bei Gelegenheit der Ermordung des Grafen
Lamberg schrieb: „Die Mörder Lamberg’s sind im Solde der Parthei
und hätten gewiß auch Sie und mich schon umgebracht, wenn wir nicht die
gehörigen Vorsichtsmaßregeln dagegen getroffen hätten.“
Graf Latour hatte die Eitelkeit Minister zu
sein und es bleiben zu wollen. Dem Minister brachte er gewaltige Opfer. Sein
Unglück war die große, constitutionelle Ehrlichkeit und die Überzeugung er müsse
mit diesem Reichstag gehen, er könne nicht abtreten, weil sonst irgend ein
Möring oder Pannasch folgen würde. Letzterer war nicht zu befürchten, die Armee
hatte eine große Stimme und hätte dies nie geduldet und die Katastrophe wäre in
diesem Falle auf eine andere Art herbeigeführt worden. Blieb aber Latour so mußte er namentlich in der
ungarischen Sache mehr Festigkeit zeigen, die Armee nach Möglichkeit retten,
dies war seine Pflicht, anstatt die ungarischen Regimenter Kossuth zur Disposition zu stellen, wenn es
am Ende auch nicht auf ganz constitutionellen Wege hätte geschehen können. Aber
hierin war eben Graf Latours
Ehrlichkeit gegenüber von Spitzbuben eine große Kalamität.
Der Hof hatte
einstweilen den von allen Seiten immer heftiger werdenden Drängen nachgegeben
und war nach Schönbrunn zurückgekehrt, zu welchem Entschluß die Umgebung des
Hofes das Ihrige beigetragen haben mag. Es war vorauszusehen, daß es so kommen
würde und der Fürst, obwohl
mit der Rückkehr nicht einverstanden und sie als Concession gegenüber dem
Reichstage und den Wienern im höchsten Grade mißbilligend, sah doch bei der
größeren Nähe die Möglichkeit erleichtert, seinem Einfluß geltend zu machen,
während die große Entfernung von Insbruck
durchaus keine Garantie bot, daß man seine Rathschläge befolgen
würde.
Gleich nach der Rückkehr des Hofes war Graf Grünne an den Fürsten geschickt worden, namentlich
deshalb, ob Erzherzog Franz Josef in
Schönbrunn bleiben oder sich an einen anderen Ort begeben solle, um
nöthigenfalls hors de portée dessen zu sein, was sich in
Wien ereignen konnte. Graf Grünne, von dem damals aufs
Höchste eingeschüchterten Hofe kommend, erschrak fast über die höchst aufgeregte
Stimmung, die in Prag unter den Truppen, über die stets
zunehmende Studentenwirthschaft in Wien herrschte. Der
Gedanke an die Möglichkeit eines Unternehmens gegen Wien
war vielen klar geworden, es hatte darüber Manches transpirirt und es wurden
allerdings unvorsichtige Stimmen laut, die unverhohlen den Wunsch aussprachen
die Wiener für die viele Schmach zu züchtigen, welche den dortigen Kameraden
angethan und von den schwachen Commandanten nicht gehindert worden war,
Demonstrationen aller Art bethätigten den Geist der Offiziere und die Lust gegen
die Hauptstadt zu ziehen, gab sich immer mehr kund. Der Rath des Fürsten, den Graf Grünne nach
Wien nahm, ging dahin den jungen Prinzen einstweilen in
Wien zu lassen, dem Gange der Ereignisse die größte
Aufmerksamkeit zu schenken und die nächste Gelegenheit eines Anstoßes oder einer
nicht zu gewährenden Forderung der Revolutionsparthei zu benutzen, um abermals
Wien zu verlassen. Alles käme darauf an, hiezu den
richtigen Zeitpunkt zu wählen und dann eine zweite Entfernung, die allerdings
schwieriger war als die erste, auch besser zu benutzen.
Wenige Tage nach
Grünnes Abreise wurde
Oberstleutnant Langenau abermals
vom Fürsten an die Kaiserin abgeschickt. Er überbrachte ihr die
zwei Manuskripte über die Abdikation und die Thronbesteigung des neuen Kaisers, deren oben gedacht wurde. Der
Fürst bat um Festigkeit in
allen inneren und äußeren Fragen, er wiederrieth jede Nachgiebigkeit und glaubte
auf diese Weise am Leichtesten einen Bruch herbeizuführen, der allerdings
nothwendig war, um offen gegen die Revolution aufzutreten. In diesem Falle
sollte der Kaiser mit einer hinlänglichen
Anzahl Truppen Schönbrunn verlassen und nach Olmütz gehen. Die Abdikation und die Thronbesteigung des
Erzherzogs Franz Josef sowie die
Auflösung des Reichstages sollte nach der Absicht des Fürsten mit dieser Abreise in
Verbindung stehen und sobald als möglich erfolgen. Der Rath des Fürsten ging dahin einen Theil der
dem Hofe abgerungenen Freiheiten, die sich als ganz unvereinbar mit einem
geordneten Zustande der Dinge erwiesen hatten, wie unbedingte Preßfreiheit,
Nationalgarde und [?], wo nicht zurückzunehmen, doch bei dieser Gelegenheit zu
regeln und zu schmälern.
In dieser Beziehung fand er gewaltige Gegner. Die
sogenannten ehrlichen Constitutionellen, zu denen auch Graf Franz Stadion gehörte, erklärten den
neuen Kaiser zum strengen Halten
Alles dessen moralisch verpflichtet, was sein Vorgänger verspochen hatte, wenn
auch diese Versprechungen größtentheils unausführbar waren und dabei die
Monarchie zu Grunde gehen sollte. Man hatte einmal den Weg einggschlagen und
mußte ihn nach Ansicht dieser Leute auch verfolgen. Eine ganz unglückselige,
unpraktische und unheilbringende Theorie.
Was die Abdikation betrifft, so
fand Langenau die Kaiserin den Ansichten ganz getreu, die sie in
Insbruck geäußert hatte, fern von
aller Ambition und von dem Gedanken, daß Kaiser
Ferdinand noch länger die Krone tragen solle, wenn das Wohl
seines Landes es anders erheische. Die Erzherzogin Sophie jedoch schien andrer Meinung geworden zu
sein, sie vermied diesen Gegenstand zu berühren. Ihre Umgebung so wie namentlich
Graf Grünne, Obersthofmeister
des Erzherzog Franz Josef, dessen
Einfluß schon damals anfing sich geltend zu machen, waren diesem Schritte
entgegen. Letzterer besonders schrak vor der Wichtigkeit dieser Handlung zurück,
er fand den jungen Prinzen nicht a la hauteur des Ereignisses und meinte, was
allerdings viel für sich hatte, diese letzte Hülfsmittel müsse mit der größten
Vorsicht angewendet werden, weil im Falle des Mißlingens Alles verloren wäre. So
stand diese Angelegenheit dann nicht nach dem Wunsche des Fürsten, der eine kathegorische
Befolgung seiner Rathschläge verlangte und in dieser Beziehung mannigfaltigen
Widerspruch fand.
Was die Abreise des Kaisers, die jeden Augenblick nothwendig werden konnte, betraf,
so war vor Allem ein Mann nothwendig und unentbehrlich, der Alles vorbereiten
und eintretenden Falls leiten würde, ein Mann von einer höheren Stellung in der
unmittelbaren Nähe des Kaisers, der auch
geneiget war durch seine Persönlichkeit zu imponiren. Den Grafen Latour, in seiner konstitutionellen
Ehrlichkeit konnte man von so etwas nicht in Kenntnis setzen, er hätte es
entweder dem Ministerrathe mitgetheilt oder
wäre aus Gewissenhaftigkeit abgetreten; man schlug daher damals vor den
Grafen Gyulay zum
Generaladjutanten des Kaisers zu ernennen
und ihn mit dieser allerdings sehr schmeichelhaften, aber auch sehr schwierigen
Aufgabe zu betrauen. Der Kriegsminister, von dem die Kaiserin den Grafen
Gyulay begehrte, fand dessen Anwesenheit in
Triest so nothwendig, daß er sich zu seiner
Entfernung von dort nicht verstehen wollte, so wählte sie denn den General Fürst Lobkowitz allerdings nicht
ganz der Mann, um in einem solchen Moment diese Stellung auszufüllen. Niemand
erschrak über seine Ernennung mehr als Lobkowitz selbst.
Die Kaiserin hatte ihn jedoch in der Umgebung des Fürsten W[indisch-Graetz] im Monat
März kennen gelernt und hielt ihn für geeignet, besonders weil ihn der Fürst damals seines Vertrauens
gewürdigt, während dieser ihn eigentlich nur als Verwandten und Gesellschafter
bei sich behielt.
Wenn einerseits dem neuen
Generaladjutanten größtentheils diejenigen Eigenschaften
abgingen, welche man eigentlich für diesen Posten gewünscht hatte, so war
anderseits sein intimes Verhältnis zum Fürsten und die Vormundschaft, die dieser über ihn ausübte,
insoferne von Nutzen, daß alle Vorbereitungen zu dem sehnlichst erwarteten,
wichtigen Schritte im strengsten Einvernehmen mit Prag
geschehen konnten. Auch bemühte Fürst
W[indisch-Graetz] seine Superiorität über Lobkowitz und des Letzteren unbedingte
Ergebenheit, um ihm ganz genau dasjenige vorzuschreiben, was er zu thun hatte.
Nur Eines war von Prag aus nicht zu bestimmen, worüber
man auch in nicht geringer Sorge war und das Eine war, wird Lobkowitz den richtigen Moment wählen, den
Kaiser zur Abreise von
Wien zu bewegen? Zu einer Entfernung, an welche sich
dann die militärischen Unternehmungen gegen Wien knüpfen
sollten.
Die Verabredung und Bestimmung der militärischen Maßregeln, um den
Hof bei der nächsten passenden Gelegenheit nicht flüchtend, sondern in der Mitte
getreuer Truppen in die Festung Olmütz zu
führen, war die Hauptobliegenheit des Fürsten
Lobkowitz. Man hatte einen Moment geglaubt
Neustadt wegen der größeren Nähe von
Wien als Zufluchtsort des Hofes vorschlagen zu
sollen. Olmütz behielt jedoch als Festung
den Vorzug, wenn gleich das dorthin sich begeben länger dauerte und schwieriger
sein mochte. Die Truppen, die im Falle einer Bewegung Schönbrunn schützen
sollten, waren im Voraus bestimmt und mit diesen sollte dann unter Kommando des
Generaladjutanten der Marsch
nach Olmütz angetreten werden, der
namentlich für die Umgebung des Hofes, mit Ausnahme der Landgräfin Fürstenberg, ein großes
Geheimnis blieb.
Seit der Rückkehr nach Schönbrunn hatte die Kaiserin mehrere ihrer loyalen Gesinnungen engen
bekannte Männer zu Rath gezogen und ihre Meinung über die Lage der Dinge
eingeholt. Es waren dies der frühere Finanzminister, Baron Kübek, Fürst Felix Schwarzenberg, Baron Josika und Graf Szecsen, besonders in den ungarischen
Angelegenheiten und mehrere andere. Alle stimmten so ziemlich in dem Punkte
überein, daß nur ein entschiedener Schlag mit Consequenz durchgeführt die
Monarchie retten könne und riethen zur größten Festigkeit und zum Widerstand
gegen alle Begehren, welche die Revolutionsparthei machen würde. Mehrmals noch
sandte der Fürst den
Oberstlieutnant Langenau nach
Wien, er drängte zu einer Entscheidung, die
allerdings erst die Ereignisse in Wien herbeiführen
konnte. Er bestand mit Entschiedenheit auf der Abdikation des Kaiser Ferdinands im Falle einer Entfernung von
Wien und hatte sogar mit seinem Abtreten gedroht,
wenn man seine Rathschläge nicht befolgte. Dies der Kaiserin auszurichten war einer von Langenaus am wenigsten angenehmen
Aufträge.
Die Kaiserin für ihre Person
ganz mit den Ansichten des Fürsten einverstanden und eine unbegrenzte Verehrung für ihn
hegend gerieth bei dem Gedanken außer sich, daß der Fürst, ihr einziger Rettungsanker,
abtreten könne, sie war jedoch nicht im Stande den Widerstand zu bekämpfen, den
sie wahrscheinlich von Seite der Erzherzogin
Sophie, so wie von der Umgebung, die zum Theile in das Geheimnis
eingedrungen war, und von Graf
Grünne namentlich erfuhr.
Von den Ministern meinten Latour und Weßenberg es ehrlich mit dem
Hofe, beide jedoch waren sehr schwach und nicht a la hauteur von entscheidenden
Maßregeln. Besonders nachgiebig hatte sich Wesenberg in den italienischen
Angelegenheiten gezeigt. Die inzwischen eingetretene günstige Wendung in
Italien, Radetzky’s Siege, hatten der Sache eine andere Wendung gegeben.
Trotz dem war von vielen Seiten die Ansicht ausgesprochen, es sei nothwendig die
Lombardei abzutreten, während anderseits sich die
ungarischen Angelegenheiten immer mehr verwickelten.
Sowohl in Betreff
Italiens als gegenüber von
Ungarn hatte der Fürst die größtmöglichste Festigkeit angerathen; die Kaiserin befolgte diesen Rath und den armen
Wessenberg, der wie ein
Rohr hin und herschwankte, mehrmals durch ihre eigene Festigkeit, die ihm so
nöthige Kraft verliehen. Man war entschieden nicht nachzugeben und im Falle
äußerer Verwicklungen augenblicklich die russische Hülfe anzusprechen. Graf Medem wurde in einer ganz geheimen
Unterredung über die Gesinnungen seines
Herren befragt.
Er betheuerte, daß sein Kaiser zu jeder Unterstützung bereit sei und berichtete
sogleich darüber an seinen Hof, von wo er die Bestätigung dessen erhielt, was
man niemals bezweifelt hatte, nämlich der innigsten Theilnahme des Kaisers und
seines festen Willens, dem Kaiser von Oesterreich, wenn er es verlange kräftigst
beizustehen.
Was Ungarn anbelangt, so waren die dortigen
Angelegenheiten durch langes Zögern und Unentschlossenheit bereits in eine Phase
getreten, daß ebenfalls nur die Gewalt der Waffen entscheiden konnte.
Das
Wichtigste, wozu es theilweise noch Zeit war, was aber Graf Latour ganz unglaublicher Weise
verabsäumte, war die Rettung der Armee. Die allerdings loyalen und ganz
constitutionellen Sünden, die damals Graf
Latour auf sich lud, hat er schwer gebüßt, man wird es jedoch
dereinst nicht glauben wollen, daß man die noch gutgesinnten ungarischen
Regimenter an die wohl damals nicht mehr zu bezweifelnde Revolution auslieferte,
damit sie verderben und gegen ihren rechtmäßigen Kaiser geführt werden,
diejenigen, die um Verhaltungsbefehle gegenüber der revolutionären Regierung
baten, ohne alle Instruktion ließ und an das ungarische Ministerium anwies,
dessen Absichten, wenn es auch damals noch legal bestand, dem Kurzsichtigsten
klar geworden sein mußten. Eine entschiedene Opposition gegen den Einmarsch
dieser Truppen nach Ungarn und ein offenes Wort an die in
Ungarn stationirten, hätten viel Unheil verhindert – doch
dies war ja nicht streng constitutionell.
Es ist höchst schmerzlich, wenn
man bedenkt, mit wie wenig, selbst noch in diesem Augenblick, die Armee gerettet
hätte werden können; sie erwartete mit Sehnsucht einen solchen Schritt vom
österreichischen Kriegsminister,
den sie trotz Handbillets und Manifesten noch immer als ihren einzigen Chef
bezeichnete.
Was war also Alles vorbereitet und bedurfte nur eines Anstoßes,
um die vom Fürsten längst
ersehnte Entscheidung herbeizuführen. Er harrte ihrer mit der größten Sehnsucht
entgegen und konnte gar nicht erwarten den Hof in Sicherheit und von
Wien entfernt zu wissen. Die Arbeiterunruhen gleich
nach des Kaisers Rückkehr, die Bewegungen
im September hatten gezeigt, wie wenig Garantie der Ruhe die Hauptstadt bot, es
war ein Treiben in Wien, eine Gährung, die länger so
nicht fortdauern konnte. Eben sollte Langenau abermals an die Kaiserin geschickt werden, um sie zu bitten den Kaiser sobald als möglich von
Wien zu entfernen, als die Ereignisse des 6. Oktober
eintraten, welche den Fürsten
Lobkowitz nicht im Zweifel ließen, der Augenblick sei gekommen
die empörte Hauptstadt zum 2. Male zu
verlassen, wenig Stunden, nachdem die Ermordung des Grafen Latour und der Wiener Ereignisse in Prag eingetroffen
war, ging das erste Bataillon mit der Eisenbahn gegen
Wien ab, um die Bahn zu besetzen.
Von allen
Seiten gingen die dringendsten Aufforderungen an den Fürsten ein, sobald als möglich
selbst vor Wien zu erscheinen und das Kommando zu
übernehmen, seine Gegenwart wäre vor Allem nothwendig.
Fürst Felix Schwarzenberg, damals in
Wien in betreff der italienischen Angelegenheiten
anwesend, hatte sich mit den Truppen ins Belvedere begeben. Er schrieb von dort
einen ziemlich niederschlagenden Brief mit der Schilderung der dortigen Zustände
und beschwor den Fürsten zu
recht bald zu kommen, Er und nur Er allein könne sie retten!!
Die
widersprechendsten Gerüchte aus Wien, unter andern die
bestimmte Nachricht von der Gefangennehmung des Kaisers, entschieden ausgesprengt, um zu allarmiren, fanden den
Fürsten ruhig und fest
entschlossen, auch im Letzteren allerdings sehr schwierigen Falle den Weg zu
verfolgen, die Pflicht und Überzeugung ihm vorschreiben. Sein Erscheinen in
Olmütz ward nun wie das eines Retters,
was er auch war, begrüßt, er ward mit Ehren überhäuft, welch‘ praller Abstand
mit seiner jetzigen Lage!
Das, was er längst vorhergesagt, war eingetroffen,
freilich begleitet von entsetzlichen Nebenumständen.
Oesterreich war in eine Krisis getreten, in der nur er
und gerade nur er berufen war, mit der Armee die Ruhe wieder
herzustellen.
Sein Wirken und seine Leistungen sind bekannt und räumen ihm
einen Platz unter den ersten Männern in Oesterreichs, in Europas
Geschichte ein. Er war der Mann des Tages und sein Wort von großem Gewicht bei
allem, was in Oesterreich geschah.
Es ist sehr die Frage,
ob es nicht viel besser gewesen wäre, seinen Rath zu befolgen und das
Revolutionstribunal, Reichstag genannt, gleich aufzulösen, anstatt demselben
auch seinen Verhandlungen in Wien durch eine spätere
Wiederzusammenberufung den Stempel der Legalität aufzudrücken.
Weßenberg war noch Minister, man
arbeitete damals an dem Ministerium Stadion-Weßenberg, was aber erst später ins Leben trat. Wie schwach, wie
unfähig Weßenberg war,
zeigt sein Manifest vom 19. nach dem vom 16., welches erstere vom schlechten
Theil der Wiener mit Jubel begrüßt wurde.
Die nun folgenden Ereignisse zu
beschreiben, liegt nicht in dem Bereiche dieses Aufsatzes. Unter allen denen,
für die Fürst
W[indisch-Graetz] gekämpft und gewirkt, hat Niemand ihm die
Anerkennung so treu bewahrt als die Kaiserin. Niemand hat sein späteres Abtreten so schmerzlich
berührt als diese noble Frau, die genau weiß, was Oesterreich
dem Fürsten verdankt und nicht
begreift, daß man dies jemals vergessen konnte.
Spätere Fehler und nie
entschiedenes Unglück in militärischen Operationen, während auf einer anderen
Seite der Monarchie, neben großer Tapferkeit ein ganz besonderer Glücksstern
waltete, lassen aus unberufenen Munde manch ungerechtes Urtheil über den großen
Mann laut werden.
Seine geringen Erfolge in Ungarn sind
die Ursache, daß er bei dem jüngeren Theil der Armee seine früher so bedeutende
Popularität eingebüßt hat, bei denjenigen Theile der Armee, der seine frühere
Stellung, seine Leistungen nicht zu beurtheilen vermag.
Möge dem sein, wie
ihm wolle, möge er Fehler begangen haben, dies wollen wir nicht weiter erörtern,
sein Verdienst aber, der Retter Oesterreich’s gewesen zu sein, bleibt ihm unbenommen, stellt ihn
höher, als Viele es eingestehen wollen und als es Manchem lieb sein mag.
Dem
Verfasser dieser Zeilen aber wird es stets zur höchsten Ehre gereichen in jener
wichtigen Epoche das Vertrauen des Fürsten besessen zu haben, eines Mannes, dessen ganz besondere
und gerade in dieser Zeit so äußerst seltene Eigenschaften, er die die höchste
Verehrung zollt.
Wien im Dezember (November – Im Windischgrätz’schen
Exemplar) 1849