Aufsatz von Ferdinand Langenau über den Einfluss von Windisch-Graetz am Kaiserhof während der Revolution 1848
Wien, Dezember 1849
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Regest

Ferdinand Langenau schildert in diesem Aufsatz die Taten des Grafen Alfred Windisch-Graetz während der Ereignisse des Jahres 1848. Er geht besonders auf den Einfluss des Feldmarschalls bei der Bekanntgabe der Abdankung von Kaiser Ferdinand und die Thronbesteigung von Kaiser Franz Joseph sowie die Flucht des Kaiserhofes nach Olmütz ein. Langenau betont, dass Windisch-Graetz insbesondere durch das Vertrauen der Kaiserin Maria Anna an Einfluss gewinnen konnte. Durch sie erhielt Windisch-Graetz auch ein kaiserliches Handschreiben, das ihn ermächtigte, im Falle neuerlicher Umwälzungen, militärisch vorzugehen. Langenau betont, dass sich Windisch-Graetz durch seine Ansichten und seinen Einfluss jedoch auch viele Feinde zugezogen hatte, die ständig versuchten ihn zu kompromittieren. Schließlich hebt Langenau jedoch hervor, dass Windisch-Graetz als Retter der Monarchie anzusehen sei und sein Wirken und seine Leistungen für Österreich, ja für Europa zu wenig Anerkennung fänden.

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Edierter Text

Es ist die Aufgabe der folgenden Zeilen einige Momente der neuesten Revolutionsgeschichte Oesterreichs näher zu beleuchten, deren einzelne Thatsachen wohl hinlänglich bekannt sind, während die Beweggründe und die Art und Weise, wie manches wichtige Ereignis ins Leben trat, dem Publikum gänzlich fremd blieben. Die Verdienste und das Wirken eines Mannes, der in jener Epoche die bedeutendste Rolle spielte, bilden den Hauptgegenstand dieser Blätter, sein Wirken namentlich in einer Zeit, wo es zwar von höchster Wichtigkeit war, jedoch weniger ostensibl hervortrat und daher durchaus nicht allgemein bekannt wurde.
Dem Verfasser dieses Aufsatzes, den er nur für sich selbst und seine nächsten Freunde zu Papier bringt, ward die Ehre zu Theil vom Fürsten Windischgrätz zu verschiedenen wichtigen Missionen, namentlich Verhandlungen mit dem damals in Inspruk [Innsbruck] befindlichen Hofe verwendet zu werden; er besaß sein ganzes Vertrauen und ist daher mehr als mancher Andere in der Lage Aufschlüsse gerade über diese wichtige Epoche zu geben.
Der Einfluß des Fürsten im Monat März in Wien, wo er leider zu spät zu einer außerordentlichen, ganz exceptionellen Stellung berufen, das Wenige noch aufrecht erhielt, was dem Monarchen an Rechten noch geblieben war, während alles Andere in übereilten Conzessionen einer Kotterie Aufwieglern hingeworfen wurde, ist hinlänglich bekannt. Ebenso sein Wirken in Prag, die Bekämpfung des dortigen Juniaufstandes sowie das, was er zur Rettung der Monarchie nach den Oktoberereignissen geleistet. Alles dies sind Handlungen, welche dem Fürsten einen der ersten Plätze in dem großen Drama der Jahre 1848 und 1849 anweisen und deren nähere Beleuchtung wohl eine geschicktere Feder unternehmen wird.
In dem Zeitraume jedoch, zwischen den Prager Ereignissen und der Wiener Oktoberrevolution, finden wir den Fürsten als Commandirenden General von Böhmen ohne einer anderen ostensiblen Stellung, während gerade diese Epoche es ist, wo sein Name und sein Einfluß von der höchsten Wichtigkeit waren und sowohl dem Throne als der conservativen Parthei einen großen moralischen Halt gewährten. In dieser Zeit nur wollen wir seinem Wirken, nämlich denjenigen Theil desselben, welches sein öffentliches war, eine besondere Aufmerksamkeit widmen.
Die bewunderungswürdige Kraft und Energie, mit welcher Fürst Windisch-Graetz dem Aufstande in Prag die Spitze bot, hatte ihm die Sympathien aller Gutdenkenden und besonders eine unbegränzte Verehrung von Seite der Truppen zugewendet, deren im höchsten Grade gefährdete Ehre und Reputation er damals rettete; und denen er durch sein energisches Handeln eine achtunggebietende Stellung verschaffte, wie sie dieselbe seit Langem nicht besessen hatten. Die ziemlich ernsthaften Spielereien mit Nationalgarden und Studentenlegionen, die vielen denselben gewährten Conzessionen hatten dem Ansehen des Soldaten einen zu gewaltigen Haß versetzt.
Der Sieg über die Prager Insurgenten, den man nebst der Tapferkeit jedes Einzelnen, namentlich der Entschlossenheit und Consequenz des Anführers verdankte, gab der Truppe auf einmal wieder eine Stellung, welche der Umsturzparthei im höchsten Grade imponirte. Dankbarkeit und tiefes Mitleiden mit dem entsetzlichen Unglücke, welches den Fürsten gleich beim Ausbruch des Aufruhrs betroffen, steigerten die Sympathien der Offiziere und Soldaten für ihren Feldherrn bis zur Begeistherung. Viele Beweise von Anhänglichkeit, Treue und aufopfernder Ergebenheit wurde damals dem Fürsten wie seinen Untergebenen geliefert und denselben absichtlich eine gewisse Öffentlichkeit gegenüber dem Reichstage und der Parthei gegeben, die den großen Verdiensten der Armee die Anerkennung versagten und Alles anwendeten, um das Vertrauen und den engen Verband zwischen Anführer und Soldaten zu lockern.
Diese feste abgeschlossene Stellung des Fürsten mit seinen Truppen in Böhmen, die gleichzeitigen Siege der Armee in Italien imponirten, besonders erstere wegen ihrer großen Nähe dem Reichstage und dem Ministerium, welche keinen sehnlicheren Wunsch hatten als die Entfernung des Fürsten. Dieselbe war im Reichstage verlangt worden, doch hatte das Ministerium nicht den Muth sie ins Werk zu setzen, man fürchtete, und mit vollem Rechte, der Fürst würde einem solchen Befehle nicht gehorchen und von den ihm ergebenen Truppen auf das Kräftigste unterstützt werden. Noch während des Prager Aufstands und nach demselben geschah von Seite der Minister Pillersdorf und Doblhoff alles Mögliche, um dem Fürsten durch Concessionen und Eingriffe in seine Verwaltung seine Stellung unhaltbar zu machen, ihn vielleicht dazu zu bringen selbst seine Demission zu geben und so das herbeizuführen, was man anzubefehlen nicht wagte, wenn man auch von Insbruck her der Bestätigung Alles dessen fast gewiß sein konnte, was man verlangte. Der Fürst war mehrmals daran seine Entlassung zu nehmen, es war jedoch das Bewußtsein von der Wichtigkeit seiner Stellung, seiner Nothwendigkeit für den Monarchen und die Armee sowie endlich auch eine gewisse Eitelkeit, welche ihn an dem Platze erhielten, an welchem er noch große Dienste zu leisten überzeugt war.
Eine klare Beurtheilung der Verhältnisse der Gegenwart, die sich immer mehr verwickelten, ein sehr richtiger Blick in die Zukunft, ja man möchte fast sagen, ein gewisses Vorgefühl hatten in dem Fürsten den Gedanken zur Überzeugung werden lassen, daß wir uns in Österreich auf dem Wege zu einer großartigen Katastrophe befänden und daß er allein mit der Armee und gerade nur er dazu berufen sein könne, der gerechten Sache den nöthigen Schutz zu verleihen. Seine Äußerungen in dieser Beziehung klangen fast prophetisch.
Er sah den Hof in Insbruck in den Händen der Parthei, die durch Doblhoff dort durchsetzte, was sie wollte, während das ungarische Ministerium den Erzherzog Stephan und Herrn Kossúth auf und abschickte, um neue Zugeständnisse zu erpressen. Die Insprucker [Innsbruck] Reise, deren richtige Benutzung so vortreffliche Folgen hätte haben können, war nach einem schwachen Versuche nur von den Schlechten ausgebeutet worden, da dort Niemand war, der den Organen der Revolutionsparthei die Spitze geboten hätte, während die Kaiserin damals noch nicht die Stellung eingenommen hatte, welche ihre Festigkeit und ihr nobler Charakter ihr später anwiesen. Daß die Armee berufen war unter seiner Leitung die Monarchie zu retten, dies war im Fürsten W[indisch-Graetz] zur Überzeugung geworden, es war jedoch möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß bei der allgemeinen Verwirrung, welche eine neue Katastrophe herbeiführen mußte, der Hof nicht in der Lage sein würde, dem Fürsten die für einen solchen Fall nothwendigen Vollmachten zu ertheilen und daß er aus Eigenem handeln müsse. Er fand es daher nothwendig sich für alle Fälle des pünktlichen Gehorsams seiner Untergebenen zu versichern und wollte vor Allem nicht, daß seine Handlungen von Seite Einzelner mißdeutet werden könnten, daß man ihm vorwerfe, er handle für eigene Rechnung und was sonst noch die Böswilligkeit erfinden konnte. Er bedurfte hiezu einer kaiserlichen Vollmacht für alle möglichen Fälle und schickte in dieser Absicht gegen Ende Juli 1848 den Oberstleutnant Langenau mit Briefen an die Kaiserin und pro forma auch an den Erzherzog Franz Carl nach Insbruck, um dort die Nothwendigkeit eines solchen Handschreibens darzustellen und dasselbe gleich ausfertigen zu lassen. Nebstdem erhielt Langenau noch mündliche Aufträge an die Kaiserin, namentlich die Bitte den Kaiser strenge zu überwachen, damit seine Unterschrift nicht mißbrauche, ferner Concessionen zu verhindern und hauptsächlich nicht zuzugeben, daß der Kaiser nach Wien zurückkehre, was damals schon stürmisch von allen Seiten verlangt wurde. Die unglückselige Achterklärung des Banus von Croatien, die vor Kurzem dem Kaiser von ungarischer Seite war abgedrungen worden, hatte die Kaiserin auf das Äußerste empört und sie aufmerksam gemacht, wie nothwendig eine strenge Überwachung des Kaisers war, um ähnliche Dinge in Zukunft zu verhindern. Diese Rolle fiel natürlich ihr zu und das, was der Fürst ihr sagen ließ, bestärkte sie in ihrem Vorhaben, so daß sie seit dieser Zeit auf den Gang der Ereignisse einen bedeutenden Einfluß nahm, da nichts ohne ihr Vorwissen geschehen durfte.
Es ist hier vielleicht der Platz einige Worte über den Charakter der Kaiserin zu sagen; persönlicher und moralischer Muth, eine große Festigkeit des Willens und ein seltener Adel in den Gesinnungen sind die hervorragendsten Eigenschaften, welche der Kaiserin das ganze Treiben seit der Märzrevolution mit der höchsten Verachtung ansehen ließen. Sie war all den Conzessionen entgegen gewesen, ihre große politische und Geschäftsunkenntnis jedoch hatte sie verhindert damals energisch aufzutreten, von dem Moment aber, wo sie die Überzeugung geschöpft hatte, daß man auf dem Wege zum Untergange sei und wo der Fürst sie aufforderte, mit all ihrer Kraft ferneres Nachgeben zu verhindern, widmete sie dem, was vorging, die größte Aufmerksamkeit und war durch ihre Festigkeit vom heilsamsten Einfluß auf die Handlungen des Kaisers. Langenau wurde als Abgesandter des Fürsten von der Kaiserin und Erzherzogin Sophie mit offenen Armen empfangen und ihm vollkommenes Vertrauen geschenkt.
Die Überzeugung, daß der Fürst, wenn auch weit von ihnen, doch dem Gange der Ereignisse mit Aufmerksamkeit folge und daß sie an ihm einen treuen Anhänger und Verfechter ihres guten Rechtes hatten, auf den sie unter allen Umständen mit Bestimmtheit rechnen konnten, war dem damals sehr verlassenen Hofe eine große Beruhigung. Die Idee einer unumschränkten Vollmacht für den Fürsten W[indisch-Graetz], in den sie ein unumschränktes Vertrauen hatten, wurde von beiden Damen mit Freude ergriffen und an der Erfüllung dieses Wunsches des Fürsten mit vielem Eifer gearbeitet.
Erzherzog Franz Carl, den dieser Gedanke anfänglich erschreckte und der darüber beim Onkl Johann anfragen wollte (!!!), der damals in Wien an des Kaisers statt fungirte, bekümmerte sich später nicht mehr viel darum und wurde endlich bei dieser Gelegenheit so wie bei vielen andern ganz aus dem Spiele gelassen. Fürst W[indisch-Graetz] glaubte ihm damals schreiben zu müssen, da er ihn nicht übergehen wollte, alle späteren Verhandlungen wurden dann mit der Kaiserin und der Erzherzogin Sophie geführt.
Die Unterschrift des Kaisers zu erhalten, war für die Kaiserin ein Leichtes, es handelte sich aber nun um den Aufsatz der Vollmacht selbst. Nicht ein Mensch befand sich damals in der Umgebung des Hofes, dem man hiezu das Vertrauen geschenkt hätte; die Wenigsten waren dem Hofe gefolgt, ein großer Theil unbegreiflicher Weise, in einem solchen Momente auf Urlaub, dem Hofrathe Zcillich 1, dem gewöhnlichen Verfertiger der Handbillets, wagte man als Ungar nicht zu trauen, kurz die Leute, die den Hof umgaben, waren entweder Nullen oder nicht sicher. So bot sich denn Langenau, der genau wußte, was der Fürst eigentlich wollte, an das Handbillet zu verfassen. Es wurde ins französische übersetzt, damit die Kaiserin es ganz fassen könne und endlich dem Kaiser zur Unterschrift, vor der Kaiserin selbst, vorgelegt. Der Inhalt dieses wichtigen Dokumentes war folgender: „Lieber Fürst W[indisch-Graetz]! Ihre stete Treue und Anhänglichkeit an mich und mein Haus und die Dienste, die Sie mir und dem Staate, namentlich während Ihrer Verwendung in Wien im Monat März erwiesen haben, erwecken in mir das vollste Vertrauen zu Ihnen und die Überzeugung, daß Sie stets nur zum Wohle meiner Dynastie und des ganzen Kaiserstaates handeln werden. Ich habe Ihnen in meinem Handschreiben vom 3. April dieses Jahres eine höhere Verwendung zugedacht, die ich bis jetzt noch nicht in der Lage war Ihnen anzuweisen. Die fortdauernden Bewegungen jedoch in meinen Ländern und namentlich in meiner Residenzstadt Wien können möglicherweise Ereignisse herbeiführen, denen mit Kraft und Energie entgegengetreten werden muß und ich ermächtige Sie daher in jenem außerordentlichen Falle die Maßregeln zu ergreifen und durchzuführen, die Ihnen dann als die geeignetesten erscheinen werden, um den Bestrebungen einer Parthei, die den Umsturz alles Bestehenden zum Zwecke hat, Einhalt zu thun, so wie ich für diesen außerordentlichen Fall auch diejenigen Truppen, die Sie zur Verstärkung Ihrer Armee an sich ziehen wollen, an Sie anweise. Ich vertraue übrigens vollkommen Ihrer vielbewährten Einsicht und Erfahrung, daß Sie von diesem meinen Handschreiben nur im äußersten Nothfalle Gebrauch machen und ihm nur dann eine Folge geben werden, wenn jede Aussicht auf eine friedliche Lösung der Dinge gänzlich geschwunden ist.
Insbruck am 22. Mai 1848
Ferdinand m.p.
Dieses Handschreiben war absichtlich zurückdatirt worden, weil es wahrscheinlich war, daß der Hof gleich nach seiner Ankunft in Insbruck und in der Verzweiflung über die jüngst verflossenen Ereignisse dem Fürsten eine solche Vollmacht ertheilt hatte; auch wollte er, wenn es zum Vorzeigen dieses Handschreibens kommen sollte, vermeiden, daß man glauben könnte, er habe sich selbst darum beworben. Allerdings fehlte diesem Aktenstücke die konstitutionelle Contrasignatur, doch dies war vom Minister Doblhoff, der dem Hofe nach Innsbruck gefolgt, nicht zu erwarten und den Kommandanten, die in dem Handschreiben aufgefordert wurden, dem Fürsten Folge zu leisten, genügte die Unterschrift des Kaisers. Eine andere sehr wichtige Angelegenheit, die damals zur Sprache kam, war die Abdikation des Kaisers.
Schon seit längerer Zeit hatten die Journale sich damit beschäftigt, den Gegenstand aber immer als einen Staatsstreich behandelt und verdammt, der nothwendig von reaktionären Bestrebungen begleitet sein müsse, denn es war den Leuten nicht angenehm und bequem Ferdinand den Gütigen, besonders mit seinem dermaligen Ministerium, beizubehalten und gerade in Insbruck, wo zwar seine Sturmpetionen hingelangten, aber auch der wohlmeinende Rath der treuen und aufrichtigen Anhänger des Thrones nur spärlich hinkam und jedenfalls in den dort anwesenden constitutionellen Organen ein Gegengewicht fand.
Die Kaiserin sprach sich gegen Langenau über die Abdikation des Kaisers sehr offen aus, wollte dieselbe mit einer gleichzeitigen Thronentsagung des Erzherzogs Franz Carl in Verbindung setzen und am 18. August ins Leben treten lassen, wo der junge Erzherzog Franz Josef seine Volljährigkeit erreichte. Der neue Kaiser sei zu nichts verpflichtet, er könne geben, was er wolle und solle sich im schlimmsten Falle ganz der Armee in die Arme werfen, auf deren Treue man bauen konnte.
Die Kaiserin besprach sich mit Langenau über diesen Gegenstand in Gegenwart der Erzherzogin Sophie. Merkwürdig bleibt es, daß letztere so ohne allen Wiederstand in diese Idee einging und es so ruhig hinnahm, daß sie nicht Kaiserin werden sollte. Bei ihrem Charakter war diese Entsagung der Kaiserkrone ein großes Opfer und findet ihre Bereitwilligkeit wohl nur in dem Umstande einige Erklärung, daß wenn auch nicht ihr Mann, dessen gewaltige Fehler und Schwächen sie gar wohl kannte, es doch ihr Sohn war, der den Thron bestieg, ihr Sohn, dessen glänzende Eigenschaften zu den schönsten Hoffnungen berechtigten. Auch mag allerdings die constitutionelle Kaiserkrone nicht mehr den früheren Reitz gehabt haben.
Wegen der Rückkehr des Kaisers nach Wien war mit Langenau zugleich, wenn auch im ganz entgegengesetzten Sinne, ein Abgesandter des Ministeriums in Insbruck angelangt. Die Minister stellten die Nothwendigkeit derselben auf das Dringlichste dar, da die ganze Anhänglichkeit der getreuen Bevölkerung an den Monarchen, ja an das monarchische Prinzip überhaupt, stehe auf dem Spiele, der Kaiser müsse zurück, wenn man nicht das Ärgste befürchten wolle.
Die Persönlichkeit des Abgesandten General Hanneckart, der als provisorischer Generaladjutant bei der Abreise des Kaisers in der Burg zurückgeblieben war, eignete sich so wenig wie sein Auftrag, demselben einen angenehmen Empfang zu bereiten. Die Kaiserin und Erzherzogin Sophie wollten dem Reichstage diese neue Concession nicht machen, einem Reichstage, der die Abreise des Kaisers mit der Flucht Ludwig XVI. verglichen hatte und der Rath des Fürsten W[indisch-Graetz] hatte sie noch mehr in diesem Vorsatze bestärkt. Erzherzog Franz Carl und die Umgebungen des Hofes sehnten sich allerdings größtentheils nach den gewohnten Wiener Leben und mögen auf die später erfolgte Rückkehr nicht ohne Einfluß geblieben sein. General Hanneckart hatte in unendlich langen und langweiligen Phrasen zu beweisen gesucht, wie nothwendig die Rückkehr des Hofes sei, von der er selbst durchdrungen schien, doch ward er abschlägig beschieden und in diesem Sinne eine Art Erklärung erlassen, worin der Kaiser sagt, er könne nicht zurückkommen, ehe ihm sichere Garantien der Ruhe seiner Hauptstadt geboten würden. Eine größere Wirkung auf die Kaiserin und die Erzherzogin Sophie machte eine Mission des Grafen Stadion durch den eben damals an seine neue Bestimmung in Insbruck eintreffenden Grafen Grünne. Stadion rieth ebenfalls dringend zur schleunigen Rückkehr. Wie wenig Stadion – wenn er es auch ehrlich meinte – verstand, die wahren Interessen der Dynastie zu vertreten, hat er später gezeigt, wie wenig die Rückkehr des Hofes zur Beruhigung der Hauptstadt beitrug, hat die Folge gelehrt.
Einen merkwürdigen Beleg von der Verlassenheit des Hofes in Insbruck giebt der Umstand, den wir hier einschalten wollen, daß das Manifest des Kaisers in Folge der Haneckart’schen Mission vom Grafen Medem, russischen Gesandten am österreichischen Hofe, verfaßt worden war, daß man sich an Fremde wandte, ihnen mehr Vertrauen schenkte als der eigenen Umgebung, die mit Ausnahme der Landgräfin Fürstenberg, Obersthofmeisterin der Kaiserin, von gar nichts in Kenntnis gesetzt wurde. Graf Medem und Lord Ponsonby waren dem Hofe, ersterer auf ausdrücklichen Befehl seines Monarchen, letzterer aus persönlicher Anhänglichkeit, nach Insbruck gefolgt, während von österreichischen conservativen Nobilitäten, deren loyale Grundsätze, wenn auch nicht offiziell, so doch insgeheim, dem Hofe eine Stütze gewesen wären, ich in Insbruck Niemand eingefunden hatte.
Mit einem wirklich rührenden Brief an den Fürsten W[indisch-Graetz] ward Langenau von der Kaiserin entlassen, sie schrieb dem Fürsten ganz offen und unverhohlen, dankte für seine Unterstützung, versprach ihm fest zu vertrauen und seinen Rath zu befolgen. Mit diesem Schreiben, dem kaiserlichen Handbillet und vielen mündlichen Aufträgen in demselben Sinne kehrte Langenau nach Prag zurück. Der Fürst war mit dem Erfolge der Sendung zufrieden. Der Abdikation, welcher er auch in seinem Schreiben an die Kaiserin erwähnt hatte, war er anfangs entgegen gewesen, weil er fürchtete, daß Erzherzog Franz Carl nicht zur Thronentsagung würde zu bewegen sein, daß in diesem Falle der Intrigue ein noch weiteres Feld als unter Kaiser Ferdinand offen stünde, er fürchtete überhaupt und mit Recht, daß eine Abdikation, die nicht gehörig bemüht würde, nur schlechte Folgen haben könne, denn sie war das letzte Mittel und der junge Kaiser sollte nur unter den möglichst günstigen Auspizien auf den Thron erhoben werden. Die Bereitwilligkeit der Kaiserin und sogar der Erzherzogin Sophie in dieser Hinsicht und das, was die Kaiserin dem Fürsten hierüber schrieb, stimmten ihn dafür, nur wollte er dieselbe nicht in Voraus an einen bestimmten Zeitpunkt als den Tag der Großjährigkeit des neuen Kaisers knüpfen, sondern glaubte sie besser erst da angewendet, wenn neue Unruhen oder wiederholte stürmische Forderungen, die nicht gewährt werden konnten, einen solchen Akt motiviren würden; der Kaiser sollte dann in einem Manifest auseinandersetzen, was er Alles gethan in der Absicht das Glück seiner Völker zu begründen und wie trotzdem neue Unruhen und stets neue Begehren der Lohn dafür gewesen seien. Er habe deshalb in der Überzeugung, daß es ihn nicht bestimmt zu sein scheine, seine Unterthanen glücklich zu machen die Krone niedergelegt und Erzherzog Franz Carl habe derselben zu Gunsten seines ältesten Sohnes entsagt. Ebenso sollt der neue Kaiser ein sehr energisches Manifest erlassen, worin er seinen Ländern eine Verfassung zu geben verspricht, die jedoch Garantien der Ruhe und Ordnung böte und gleichzeitig erklären, sich auf die Treue seiner Armee stützend, dieselbe mit aller Kraft, die ihm zu Gebote stünde, aufrecht zu erhalten sowie alle ferneren Handlungen energisch zurückzuweisen.
In diesem Sinne wurden zwei Manifeste vom Fürsten verfaßt mit der Absicht dieselben der Kaiserin zu übersenden. Der Zeitpunkt, wenn dieses wichtige Ereignis eintreten sollte, wurde einer späteren Bestimmung überlassen.
Fürst W[indisch-Graetz] beschäftigte sich nur damit, die commandirenden Generäle von Gallizien und Mähren im strengsten Vertrauen von den allerhöchsten Vollmachten in Kenntnis zu setzen, die ihm ertheilt worden und die Anzahl der Truppen zu bestimmen, die er bei einem etwaigen Marsche gegen Wien sowohl aus Böhmen als aus den genannten beiden Generalcommanden verwenden könnte. Es wurden hiezu die nöthigen Dispositionen getroffen und Alles so vorbereitet, daß bei eintretender Nothwendigkeit die Truppen allsogleich in Marsch gesetzt werden konnten.
Der Fürst verwendete sich damals auch bei dem für seine loyalen Gesinnungen bekannten Grafen Stadion Franz, um ihm seine Ansichten über die Lage der Dinge zu entwickeln und ihn aufzufordern, wenn es die Nothwendigkeit erheische mit ihm in Gemeinschaft, dem Alles überschwemmenden Strome der Revolution kräftig entgegen zu treten. Stadion’s Antwort lautete ausweichend und fast belehrend für den Fürsten, er sprach von Versprechungen, die gehalten werden müßten und schloß mit der Versicherung, daß er sich nie zu reaktionären Bestrebungen hergeben würde. Dieser Brief des Grafen Stadion, über den er sich später entschuldigte, entfremdete ihn dem Fürsten der früher auf ihn gebaut hatte und wenn wir später auch die beiden Männer auf demselben Weg sehen, so waren sie in ihren Gesinnungen doch immer weit auseinander.
Das Ministerium arbeitete rastlos daran dem Fürsten seine Stellung in Böhmen zu verleiden und selbst der Kriegsminister Graf Latour war von seinen Collegen so umstrickt worden, er hatte sowenig durchblickt, wo Pillersdorf, Doblhoff und Consorten eigentlich hinaus wollten, daß er mit ihnen dem souveränen Volke zu gefallen, dem Fürsten alle möglichen Hindernisse in den Weg legte, die ihn gegenüber der Parthei compromittieren mußten. Die wegen Betheiligung an dem Juniaufstande Verhafteten wurden durch einen förmlichen Machtspruch des Justizministers einer nach dem andern entlassen und besonders an dem Wechsel der Prager Garnison gearbeitet, deren Ablösung durch andere Truppen sich die czechische Parthei ausbedungen hatte.
Diese Parthei war der Regierung in mehreren Fragen, die im Reichstage verhandelt wurden, vom Nutzen gewesen, sie hatte momentan die conservative Majorität gebildet, war jedoch, besonders einzelne Mitglieder derselben, gerade so radikal als die äußerste Linke des Reichstages.
Für die der Regierung geleistete Unterstützung hatte sie die Gewährung einer Petition verlangt, die gegen den Fürsten W[indisch-Graetz] gerichtet war und die dem Kriegsminister eingereicht wurde.
Graf Latour, durchdrungen von der guten Gesinnung dieser Parthei, worüber er dem Fürsten mehrmals schrieb, glaubte die Petition nicht ganz abweisen zu dürfen, um die Regierung nicht der Unterstützung der Czechen zu berauben, handelte jedoch einige Punkte herunter und blieb bei dem Wechsel zweier Grenadiner Baons. stehen, die sich hauptsächlich durch ihre Tapferkeit den Zorn ihrer Landsleute zugezogen hatten. Diesen Wechsel versprach er durchzuführen. Fürst W[indisch-Graetz] war jedoch entschlossen, in dieser Beziehung nicht die geringste Concession zu machen und auch einen etwaigen Befehl des Kriegsministers hierüber nicht zu befolgen. Er glaubte dies seinen braven Truppen und sich selbst schuldig zu sein.
Es wurde über diesen Punkt längere Zeit hin und her debattirt und einmal sogar der Major Mertens an den Kriegsminister abgesendet, um ihm den festen Entschluß des Fürsten mitzutheilen, in dieser Angelegenheit nicht nachzugeben und ihm vorzustellen, er möge in dieser Beziehung keinen definitiven Befehl erlassen. Der 6. Oktober fand die Sache noch in der Schwebe. Es hatte sich zwischen dem Kriegsminister eine ziemlich eifrige Correspondenz über die damaligen Verhältnisse entsponnen, die von Seite des Ersteren stets in entschuldigenden Tone geführt wurde, über das, was er als constitutioneller Minister zu thuen gezwungen sei, wie er mit der Parthei gehen müsse und nicht immer nach seiner militärischen Überzeugung handeln könne etc. etc.
Die Antworten des Fürsten waren sehr ge[?] belehrend, auch derb. Ein Charakter, wie er konnte nie begreifen, daß Latour als ehrlicher Mann sich mit Leuten, wie Schwartzen [?] auf die Ministerbank setzen würde, er prophezeite, was kommen würde und daß nur die Gewalt der Waffen da entscheiden könne, wo eine Versöhnung unmöglich und ein Nachgeben nur verderblich sein konnten. Ganz unbegreiflich war dem Fürsten das damals sehr beliebte „mit der Parthei gehen“.
Merkwürdig bleibt es, daß der Fürst dem Grafen Latour wenig Tage vor seinem Tode und bei Gelegenheit der Ermordung des Grafen Lamberg schrieb: „Die Mörder Lamberg’s sind im Solde der Parthei und hätten gewiß auch Sie und mich schon umgebracht, wenn wir nicht die gehörigen Vorsichtsmaßregeln dagegen getroffen hätten.“
Graf Latour hatte die Eitelkeit Minister zu sein und es bleiben zu wollen. Dem Minister brachte er gewaltige Opfer. Sein Unglück war die große, constitutionelle Ehrlichkeit und die Überzeugung er müsse mit diesem Reichstag gehen, er könne nicht abtreten, weil sonst irgend ein Möring oder Pannasch folgen würde. Letzterer war nicht zu befürchten, die Armee hatte eine große Stimme und hätte dies nie geduldet und die Katastrophe wäre in diesem Falle auf eine andere Art herbeigeführt worden. Blieb aber Latour so mußte er namentlich in der ungarischen Sache mehr Festigkeit zeigen, die Armee nach Möglichkeit retten, dies war seine Pflicht, anstatt die ungarischen Regimenter Kossuth zur Disposition zu stellen, wenn es am Ende auch nicht auf ganz constitutionellen Wege hätte geschehen können. Aber hierin war eben Graf Latours Ehrlichkeit gegenüber von Spitzbuben eine große Kalamität.
Der Hof hatte einstweilen den von allen Seiten immer heftiger werdenden Drängen nachgegeben und war nach Schönbrunn zurückgekehrt, zu welchem Entschluß die Umgebung des Hofes das Ihrige beigetragen haben mag. Es war vorauszusehen, daß es so kommen würde und der Fürst, obwohl mit der Rückkehr nicht einverstanden und sie als Concession gegenüber dem Reichstage und den Wienern im höchsten Grade mißbilligend, sah doch bei der größeren Nähe die Möglichkeit erleichtert, seinem Einfluß geltend zu machen, während die große Entfernung von Insbruck durchaus keine Garantie bot, daß man seine Rathschläge befolgen würde.
Gleich nach der Rückkehr des Hofes war Graf Grünne an den Fürsten geschickt worden, namentlich deshalb, ob Erzherzog Franz Josef in Schönbrunn bleiben oder sich an einen anderen Ort begeben solle, um nöthigenfalls hors de portée dessen zu sein, was sich in Wien ereignen konnte. Graf Grünne, von dem damals aufs Höchste eingeschüchterten Hofe kommend, erschrak fast über die höchst aufgeregte Stimmung, die in Prag unter den Truppen, über die stets zunehmende Studentenwirthschaft in Wien herrschte. Der Gedanke an die Möglichkeit eines Unternehmens gegen Wien war vielen klar geworden, es hatte darüber Manches transpirirt und es wurden allerdings unvorsichtige Stimmen laut, die unverhohlen den Wunsch aussprachen die Wiener für die viele Schmach zu züchtigen, welche den dortigen Kameraden angethan und von den schwachen Commandanten nicht gehindert worden war, Demonstrationen aller Art bethätigten den Geist der Offiziere und die Lust gegen die Hauptstadt zu ziehen, gab sich immer mehr kund. Der Rath des Fürsten, den Graf Grünne nach Wien nahm, ging dahin den jungen Prinzen einstweilen in Wien zu lassen, dem Gange der Ereignisse die größte Aufmerksamkeit zu schenken und die nächste Gelegenheit eines Anstoßes oder einer nicht zu gewährenden Forderung der Revolutionsparthei zu benutzen, um abermals Wien zu verlassen. Alles käme darauf an, hiezu den richtigen Zeitpunkt zu wählen und dann eine zweite Entfernung, die allerdings schwieriger war als die erste, auch besser zu benutzen.
Wenige Tage nach Grünnes Abreise wurde Oberstleutnant Langenau abermals vom Fürsten an die Kaiserin abgeschickt. Er überbrachte ihr die zwei Manuskripte über die Abdikation und die Thronbesteigung des neuen Kaisers, deren oben gedacht wurde. Der Fürst bat um Festigkeit in allen inneren und äußeren Fragen, er wiederrieth jede Nachgiebigkeit und glaubte auf diese Weise am Leichtesten einen Bruch herbeizuführen, der allerdings nothwendig war, um offen gegen die Revolution aufzutreten. In diesem Falle sollte der Kaiser mit einer hinlänglichen Anzahl Truppen Schönbrunn verlassen und nach Olmütz gehen. Die Abdikation und die Thronbesteigung des Erzherzogs Franz Josef sowie die Auflösung des Reichstages sollte nach der Absicht des Fürsten mit dieser Abreise in Verbindung stehen und sobald als möglich erfolgen. Der Rath des Fürsten ging dahin einen Theil der dem Hofe abgerungenen Freiheiten, die sich als ganz unvereinbar mit einem geordneten Zustande der Dinge erwiesen hatten, wie unbedingte Preßfreiheit, Nationalgarde und [?], wo nicht zurückzunehmen, doch bei dieser Gelegenheit zu regeln und zu schmälern.
In dieser Beziehung fand er gewaltige Gegner. Die sogenannten ehrlichen Constitutionellen, zu denen auch Graf Franz Stadion gehörte, erklärten den neuen Kaiser zum strengen Halten Alles dessen moralisch verpflichtet, was sein Vorgänger verspochen hatte, wenn auch diese Versprechungen größtentheils unausführbar waren und dabei die Monarchie zu Grunde gehen sollte. Man hatte einmal den Weg einggschlagen und mußte ihn nach Ansicht dieser Leute auch verfolgen. Eine ganz unglückselige, unpraktische und unheilbringende Theorie.
Was die Abdikation betrifft, so fand Langenau die Kaiserin den Ansichten ganz getreu, die sie in Insbruck geäußert hatte, fern von aller Ambition und von dem Gedanken, daß Kaiser Ferdinand noch länger die Krone tragen solle, wenn das Wohl seines Landes es anders erheische. Die Erzherzogin Sophie jedoch schien andrer Meinung geworden zu sein, sie vermied diesen Gegenstand zu berühren. Ihre Umgebung so wie namentlich Graf Grünne, Obersthofmeister des Erzherzog Franz Josef, dessen Einfluß schon damals anfing sich geltend zu machen, waren diesem Schritte entgegen. Letzterer besonders schrak vor der Wichtigkeit dieser Handlung zurück, er fand den jungen Prinzen nicht a la hauteur des Ereignisses und meinte, was allerdings viel für sich hatte, diese letzte Hülfsmittel müsse mit der größten Vorsicht angewendet werden, weil im Falle des Mißlingens Alles verloren wäre. So stand diese Angelegenheit dann nicht nach dem Wunsche des Fürsten, der eine kathegorische Befolgung seiner Rathschläge verlangte und in dieser Beziehung mannigfaltigen Widerspruch fand.
Was die Abreise des Kaisers, die jeden Augenblick nothwendig werden konnte, betraf, so war vor Allem ein Mann nothwendig und unentbehrlich, der Alles vorbereiten und eintretenden Falls leiten würde, ein Mann von einer höheren Stellung in der unmittelbaren Nähe des Kaisers, der auch geneiget war durch seine Persönlichkeit zu imponiren. Den Grafen Latour, in seiner konstitutionellen Ehrlichkeit konnte man von so etwas nicht in Kenntnis setzen, er hätte es entweder dem Ministerrathe mitgetheilt oder wäre aus Gewissenhaftigkeit abgetreten; man schlug daher damals vor den Grafen Gyulay zum Generaladjutanten des Kaisers zu ernennen und ihn mit dieser allerdings sehr schmeichelhaften, aber auch sehr schwierigen Aufgabe zu betrauen. Der Kriegsminister, von dem die Kaiserin den Grafen Gyulay begehrte, fand dessen Anwesenheit in Triest so nothwendig, daß er sich zu seiner Entfernung von dort nicht verstehen wollte, so wählte sie denn den General Fürst Lobkowitz allerdings nicht ganz der Mann, um in einem solchen Moment diese Stellung auszufüllen. Niemand erschrak über seine Ernennung mehr als Lobkowitz selbst.
Die Kaiserin hatte ihn jedoch in der Umgebung des Fürsten W[indisch-Graetz] im Monat März kennen gelernt und hielt ihn für geeignet, besonders weil ihn der Fürst damals seines Vertrauens gewürdigt, während dieser ihn eigentlich nur als Verwandten und Gesellschafter bei sich behielt.
Wenn einerseits dem neuen Generaladjutanten größtentheils diejenigen Eigenschaften abgingen, welche man eigentlich für diesen Posten gewünscht hatte, so war anderseits sein intimes Verhältnis zum Fürsten und die Vormundschaft, die dieser über ihn ausübte, insoferne von Nutzen, daß alle Vorbereitungen zu dem sehnlichst erwarteten, wichtigen Schritte im strengsten Einvernehmen mit Prag geschehen konnten. Auch bemühte Fürst W[indisch-Graetz] seine Superiorität über Lobkowitz und des Letzteren unbedingte Ergebenheit, um ihm ganz genau dasjenige vorzuschreiben, was er zu thun hatte. Nur Eines war von Prag aus nicht zu bestimmen, worüber man auch in nicht geringer Sorge war und das Eine war, wird Lobkowitz den richtigen Moment wählen, den Kaiser zur Abreise von Wien zu bewegen? Zu einer Entfernung, an welche sich dann die militärischen Unternehmungen gegen Wien knüpfen sollten.
Die Verabredung und Bestimmung der militärischen Maßregeln, um den Hof bei der nächsten passenden Gelegenheit nicht flüchtend, sondern in der Mitte getreuer Truppen in die Festung Olmütz zu führen, war die Hauptobliegenheit des Fürsten Lobkowitz. Man hatte einen Moment geglaubt Neustadt wegen der größeren Nähe von Wien als Zufluchtsort des Hofes vorschlagen zu sollen. Olmütz behielt jedoch als Festung den Vorzug, wenn gleich das dorthin sich begeben länger dauerte und schwieriger sein mochte. Die Truppen, die im Falle einer Bewegung Schönbrunn schützen sollten, waren im Voraus bestimmt und mit diesen sollte dann unter Kommando des Generaladjutanten der Marsch nach Olmütz angetreten werden, der namentlich für die Umgebung des Hofes, mit Ausnahme der Landgräfin Fürstenberg, ein großes Geheimnis blieb.
Seit der Rückkehr nach Schönbrunn hatte die Kaiserin mehrere ihrer loyalen Gesinnungen engen bekannte Männer zu Rath gezogen und ihre Meinung über die Lage der Dinge eingeholt. Es waren dies der frühere Finanzminister, Baron Kübek, Fürst Felix Schwarzenberg, Baron Josika und Graf Szecsen, besonders in den ungarischen Angelegenheiten und mehrere andere. Alle stimmten so ziemlich in dem Punkte überein, daß nur ein entschiedener Schlag mit Consequenz durchgeführt die Monarchie retten könne und riethen zur größten Festigkeit und zum Widerstand gegen alle Begehren, welche die Revolutionsparthei machen würde. Mehrmals noch sandte der Fürst den Oberstlieutnant Langenau nach Wien, er drängte zu einer Entscheidung, die allerdings erst die Ereignisse in Wien herbeiführen konnte. Er bestand mit Entschiedenheit auf der Abdikation des Kaiser Ferdinands im Falle einer Entfernung von Wien und hatte sogar mit seinem Abtreten gedroht, wenn man seine Rathschläge nicht befolgte. Dies der Kaiserin auszurichten war einer von Langenaus am wenigsten angenehmen Aufträge.
Die Kaiserin für ihre Person ganz mit den Ansichten des Fürsten einverstanden und eine unbegrenzte Verehrung für ihn hegend gerieth bei dem Gedanken außer sich, daß der Fürst, ihr einziger Rettungsanker, abtreten könne, sie war jedoch nicht im Stande den Widerstand zu bekämpfen, den sie wahrscheinlich von Seite der Erzherzogin Sophie, so wie von der Umgebung, die zum Theile in das Geheimnis eingedrungen war, und von Graf Grünne namentlich erfuhr.
Von den Ministern meinten Latour und Weßenberg es ehrlich mit dem Hofe, beide jedoch waren sehr schwach und nicht a la hauteur von entscheidenden Maßregeln. Besonders nachgiebig hatte sich Wesenberg in den italienischen Angelegenheiten gezeigt. Die inzwischen eingetretene günstige Wendung in Italien, Radetzky’s Siege, hatten der Sache eine andere Wendung gegeben. Trotz dem war von vielen Seiten die Ansicht ausgesprochen, es sei nothwendig die Lombardei abzutreten, während anderseits sich die ungarischen Angelegenheiten immer mehr verwickelten.
Sowohl in Betreff Italiens als gegenüber von Ungarn hatte der Fürst die größtmöglichste Festigkeit angerathen; die Kaiserin befolgte diesen Rath und den armen Wessenberg, der wie ein Rohr hin und herschwankte, mehrmals durch ihre eigene Festigkeit, die ihm so nöthige Kraft verliehen. Man war entschieden nicht nachzugeben und im Falle äußerer Verwicklungen augenblicklich die russische Hülfe anzusprechen. Graf Medem wurde in einer ganz geheimen Unterredung über die Gesinnungen seines Herren befragt.
Er betheuerte, daß sein Kaiser zu jeder Unterstützung bereit sei und berichtete sogleich darüber an seinen Hof, von wo er die Bestätigung dessen erhielt, was man niemals bezweifelt hatte, nämlich der innigsten Theilnahme des Kaisers und seines festen Willens, dem Kaiser von Oesterreich, wenn er es verlange kräftigst beizustehen.
Was Ungarn anbelangt, so waren die dortigen Angelegenheiten durch langes Zögern und Unentschlossenheit bereits in eine Phase getreten, daß ebenfalls nur die Gewalt der Waffen entscheiden konnte.
Das Wichtigste, wozu es theilweise noch Zeit war, was aber Graf Latour ganz unglaublicher Weise verabsäumte, war die Rettung der Armee. Die allerdings loyalen und ganz constitutionellen Sünden, die damals Graf Latour auf sich lud, hat er schwer gebüßt, man wird es jedoch dereinst nicht glauben wollen, daß man die noch gutgesinnten ungarischen Regimenter an die wohl damals nicht mehr zu bezweifelnde Revolution auslieferte, damit sie verderben und gegen ihren rechtmäßigen Kaiser geführt werden, diejenigen, die um Verhaltungsbefehle gegenüber der revolutionären Regierung baten, ohne alle Instruktion ließ und an das ungarische Ministerium anwies, dessen Absichten, wenn es auch damals noch legal bestand, dem Kurzsichtigsten klar geworden sein mußten. Eine entschiedene Opposition gegen den Einmarsch dieser Truppen nach Ungarn und ein offenes Wort an die in Ungarn stationirten, hätten viel Unheil verhindert – doch dies war ja nicht streng constitutionell.
Es ist höchst schmerzlich, wenn man bedenkt, mit wie wenig, selbst noch in diesem Augenblick, die Armee gerettet hätte werden können; sie erwartete mit Sehnsucht einen solchen Schritt vom österreichischen Kriegsminister, den sie trotz Handbillets und Manifesten noch immer als ihren einzigen Chef bezeichnete.
Was war also Alles vorbereitet und bedurfte nur eines Anstoßes, um die vom Fürsten längst ersehnte Entscheidung herbeizuführen. Er harrte ihrer mit der größten Sehnsucht entgegen und konnte gar nicht erwarten den Hof in Sicherheit und von Wien entfernt zu wissen. Die Arbeiterunruhen gleich nach des Kaisers Rückkehr, die Bewegungen im September hatten gezeigt, wie wenig Garantie der Ruhe die Hauptstadt bot, es war ein Treiben in Wien, eine Gährung, die länger so nicht fortdauern konnte. Eben sollte Langenau abermals an die Kaiserin geschickt werden, um sie zu bitten den Kaiser sobald als möglich von Wien zu entfernen, als die Ereignisse des 6. Oktober eintraten, welche den Fürsten Lobkowitz nicht im Zweifel ließen, der Augenblick sei gekommen die empörte Hauptstadt zum 2. Male zu verlassen, wenig Stunden, nachdem die Ermordung des Grafen Latour und der Wiener Ereignisse in Prag eingetroffen war, ging das erste Bataillon mit der Eisenbahn gegen Wien ab, um die Bahn zu besetzen.
Von allen Seiten gingen die dringendsten Aufforderungen an den Fürsten ein, sobald als möglich selbst vor Wien zu erscheinen und das Kommando zu übernehmen, seine Gegenwart wäre vor Allem nothwendig.
Fürst Felix Schwarzenberg, damals in Wien in betreff der italienischen Angelegenheiten anwesend, hatte sich mit den Truppen ins Belvedere begeben. Er schrieb von dort einen ziemlich niederschlagenden Brief mit der Schilderung der dortigen Zustände und beschwor den Fürsten zu recht bald zu kommen, Er und nur Er allein könne sie retten!!
Die widersprechendsten Gerüchte aus Wien, unter andern die bestimmte Nachricht von der Gefangennehmung des Kaisers, entschieden ausgesprengt, um zu allarmiren, fanden den Fürsten ruhig und fest entschlossen, auch im Letzteren allerdings sehr schwierigen Falle den Weg zu verfolgen, die Pflicht und Überzeugung ihm vorschreiben. Sein Erscheinen in Olmütz ward nun wie das eines Retters, was er auch war, begrüßt, er ward mit Ehren überhäuft, welch‘ praller Abstand mit seiner jetzigen Lage!
Das, was er längst vorhergesagt, war eingetroffen, freilich begleitet von entsetzlichen Nebenumständen. Oesterreich war in eine Krisis getreten, in der nur er und gerade nur er berufen war, mit der Armee die Ruhe wieder herzustellen.
Sein Wirken und seine Leistungen sind bekannt und räumen ihm einen Platz unter den ersten Männern in Oesterreichs, in Europas Geschichte ein. Er war der Mann des Tages und sein Wort von großem Gewicht bei allem, was in Oesterreich geschah.
Es ist sehr die Frage, ob es nicht viel besser gewesen wäre, seinen Rath zu befolgen und das Revolutionstribunal, Reichstag genannt, gleich aufzulösen, anstatt demselben auch seinen Verhandlungen in Wien durch eine spätere Wiederzusammenberufung den Stempel der Legalität aufzudrücken.
Weßenberg war noch Minister, man arbeitete damals an dem Ministerium Stadion-Weßenberg, was aber erst später ins Leben trat. Wie schwach, wie unfähig Weßenberg war, zeigt sein Manifest vom 19. nach dem vom 16., welches erstere vom schlechten Theil der Wiener mit Jubel begrüßt wurde.
Die nun folgenden Ereignisse zu beschreiben, liegt nicht in dem Bereiche dieses Aufsatzes. Unter allen denen, für die Fürst W[indisch-Graetz] gekämpft und gewirkt, hat Niemand ihm die Anerkennung so treu bewahrt als die Kaiserin. Niemand hat sein späteres Abtreten so schmerzlich berührt als diese noble Frau, die genau weiß, was Oesterreich dem Fürsten verdankt und nicht begreift, daß man dies jemals vergessen konnte.
Spätere Fehler und nie entschiedenes Unglück in militärischen Operationen, während auf einer anderen Seite der Monarchie, neben großer Tapferkeit ein ganz besonderer Glücksstern waltete, lassen aus unberufenen Munde manch ungerechtes Urtheil über den großen Mann laut werden.
Seine geringen Erfolge in Ungarn sind die Ursache, daß er bei dem jüngeren Theil der Armee seine früher so bedeutende Popularität eingebüßt hat, bei denjenigen Theile der Armee, der seine frühere Stellung, seine Leistungen nicht zu beurtheilen vermag.
Möge dem sein, wie ihm wolle, möge er Fehler begangen haben, dies wollen wir nicht weiter erörtern, sein Verdienst aber, der Retter Oesterreich’s gewesen zu sein, bleibt ihm unbenommen, stellt ihn höher, als Viele es eingestehen wollen und als es Manchem lieb sein mag.
Dem Verfasser dieser Zeilen aber wird es stets zur höchsten Ehre gereichen in jener wichtigen Epoche das Vertrauen des Fürsten besessen zu haben, eines Mannes, dessen ganz besondere und gerade in dieser Zeit so äußerst seltene Eigenschaften, er die die höchste Verehrung zollt.
Wien im Dezember (November – Im Windischgrätz’schen Exemplar) 1849