Fürstbischof Melchior Diepenbrock übersendet einige Exemplare seines Hirtenbriefes zur Erläuterung der Neuordnung der katholischen Kirche in Österreich. Da Diepenbrock kurz vor der Abreise zu einer längeren Pastoralreise steht, hatte er den Hirtenbrief drucken lassen, noch bevor Thuns jüngster Brief in Breslau eingetroffen war. Da der Minister aber schon zuvor seine grundsätzliche Zustimmung zum Hirtenbrief geäußert hatte, fand Diepenbrock es gerechtfertigt, den Hirtenbrief in Druck zu geben. Die letzten Änderungsvorschläge Thuns konnten so jedoch nicht mehr eingearbeitet werden. Der Bischof glaubt aber, dass allfällige Ergänzungen und Erläuterungen auch durch seine Mitbrüder, Kardinal Schwarzenberg und Bischof Rauscher, erfolgen könnten. Abschließend geht Diepenbrock auf die in den letzten Briefen behandelten Personalfragen ein und berichtet, dass er bereits einige Informationen einholen konnte. Einen vollständigen Bericht möchte er aber erst nach seiner Rückkehr übermitteln. Einstweilen empfiehlt er Franz Schmölders für eine Professur der orientalischen Sprachen, jener wäre für eine katholische Universität ein wahrer Gewinn.
Der Brief ist im Nachlass unter der SignaturA3 XXI D50 abgelegt. Allerdings handelt es sich bei dem vorliegenden Schreiben nicht um eine Beilage, sondern um einen eigenständigen Brief. Er schließt inhaltlich an den Vorhergehenden an, daher wurden die Briefe bei deren Ordnung wohl unter einer Signatur zusammengefasst. Hier wurden die Briefe wieder einzeln aufgenommen.
Eurer Excellenz
geehrtes Schreiben vom 7. ist mir erst heute Morgen zugekommen und hat sich daher
mit dem meinigen vom 8. gekreuzt. Da Hochdieselben in meinem Hirtenbriefe nicht
gerade etwas Unpassendes, den obwaltenden seltsamen Verhältnissen nicht
Angemessenes, vielmehr Manches darin geeignet gefunden haben, den beabsichtigten
beruhigenden und berichtigenden Eindruck hervorzubringen – (und gerade daß das
Urtheil hierüber mir Fernstehenden erschwert war, veranlaßte mich, das Ganze
vertrauensvoll Ihrer Beurtheilung vorzulegen) – so habe ich hier sogleich den
Abdruck mit den vorgestern angedeuteten geringen Abänderungen vor sich gehen
lassen, und beehre mich, anliegend einige Exemplare davon zu übermachen. Zu
einer Umarbeitung in der von Eurer Excellenz angedeuteten Weise, der ich
übrigens meinen vollen Beifall zolle, fand ich leider nicht mehr Zeit, da ich im
Begriffe stehe, eine Pastoralreise in die Lausitz anzutreten, und vorher noch
die dringendsten und wichtigsten Geschäfte, von denen ich hier leider alltäglich
überschüttet bin, abzumachen habe. Ich darf wohl hoffen, daß meine
österreichischen HH. Amtsbrüder dasjenige, was in meinem Hirtenbriefe etwa noch
vermißt wird oder zu kurz angedeutet ist, ergänzen und ausführlicher hervorheben
werden, und zähle in dieser Hinsicht namentlich auf Seine Eminenz den Cardinal Fürsten Schwarzenberg und
auf den trefflichen Herrn Fürstbischof von
Seckau. Beide kennen das Terrain ungleich besser als ich. Dem
Herrn Nuntius, der gleichfalls,
wie er mir schreibt, über die unbegreifliche Aufregung eines so unwissenden als
verkehrten Publikums sehr betroffen ist, habe ich vorgestern auch einen
Correcturbogen meines Hirtenbriefes zur Beurtheilung gesendet. Ich kenne ihn als
einen eben so einsichtigen wie vertrauenswerthen Mann.
Ich habe mir erlaubt
und es für eine Art Pflicht der Dankbarkeit gehalten, Seiner Majestät dem Kaiser einen Abdruck des
Hirtenbriefes mit einem kurzen Dankschreiben zu übersenden, und bitte Eure
Excellenz ergebenst um dessen gütige Beförderung, falls Ihnen sonst dieser
Schritt nicht unpassend erscheint.
Noch erlaube ich mir eine ergebenste
Bitte. Ich habe vor einiger Zeit meinem jenseitigen Generalvicariat in
Bielitz von Amtswegen eine Anzahl Exemplare der auf
Veranlassung der Wiener Episkopalversammlung verfaßten und in
Innsbruck gedruckten trefflichen kleinen Schrift:
Über Provincial- und Diözesansynoden von dem verdienstvollen Constistorialrath
und Prof. Dr. Fessler in
Brixen, und zugleich eine neue correcte und wohlfeile
Ausgabe der sonntäglichen Evangelien und Episteln für den jenseitigen Klerus
übersendet. Diese Sendung erleidet aber, wie die frühere des – obgleich damals
staatlich censurirten – neu aufgelegten Diözesanrituals, welches ein ganzes Jahr
auf dem Gränzbüreau liegen blieb – bei dem kaiserlichen Mauthamte in
Bielitz die störendsten Schwierigkeiten, welche zu
heben das amtliche Einschreiten des Generalvicars Oppolsky in Bielitz
bisher nicht vermocht hat. Darf ich wohl um baldige geneigte Abhülfe
bitten?
Die gewünschten Personalnotizen über Professoren gehen mir allmälig
zu, und hoffe ich, bei meiner Rückkehr in den nächsten Pfingsttagen im Stande zu
seyn, sie Eurer Excellenz in nothwendiger Verlässigkeit zu übermachen.
Einstweilen erlaube ich mir hier schon auf einen hiesigen mir persönlich genau
bekannten (er ist mein Landsmann) Gelehrten für eine Professur der
orientalischen Sprachen aufmerksam zu machen, den ich mit vollestem Bewußtseyn
auch als einen ganz zuverlässigen, sittlich, religiös und politisch correcten
Charakter empfehlen kann. Es ist der Dr. Schmölders, Prof. extraord. der orientalischen Sprachen an
hiesiger Universität, und
zugleich Lehrer der französischen, englischen und deutschen Sprache am hiesigen
katholischen Gymnasium. Er hat mit Auszeichnung 6 Jahre an der Universität Bonn, dann 4 Jahre in
Paris Orientalia studirt und dann 3 Jahre an der
Universität Berlin als
Privatdocent gelehrt. Außer mehreren trefflichen Abhandlungen in den früheren
Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik hat er durch seine „Documenta
philosophiae Arabum, Bonnae 1836“ und seinen „Essai sur les écoles philosphiques
chez les Arabes, Paris 1842“, seine wissenschaftliche Tüchtigkeit rühmlich
bewährt und ist auch dem Herrn von
Hammer-Purgstall durch literarische Berührung bekannt. Er ist
1809 geboren, also im besten Mannesalter. Daß er Katholik
ist, hindert ihn hier am verdienten Vorwärtskommen. Für eine orientalische
Professur an einer katholischen Hochschule wäre er ein wahrer Gewinn und eine
Zierde, und ich kann ihn Eurer Excellenz aufs Allerbeste empfehlen. Er sagte mir
unlängst, daß jetzt in Wien ein Jude
für’s Hebräische angestellt sey, der sich durch die schmählichsten Plagiate
berüchtigt gemacht. Bei einem solchen Lehrer könnten katholische Theologen dem
Hebräischen freilich keinen Geschmack abgewinnen.
Um Vergebung bittend wegen
des langen Schreibens schließe ich mit der erneuerten Versicherung und
gezeichnetster Hochachtung
Eurer Excellenz
ganz ergebenster Diener
Melchior Fürstbischof
Breslau, den 10. Mai 1850