Der Diplomat Adolph Brenner-Felsach wendet sich mit einer Bitte an seinen alten Freund, den Ministerialkonzipisten Josef Haferl. Brenner-Felsach hat nämlich erfahren, dass sich einflussreiche Personen für eine Berufung von Cornelius Bock nach Österreich engagieren. So soll etwa Johann Baptist Weiß aus Graz Cornelius Bock höheren Ortes für die vakante Kanzel der Philologie in Prag empfohlen haben. In der Folge gibt er einen Ausschnitt eines Briefes von Johann Baptist Weiß an ihn wider. Weiß schreibt darin, dass die Angelegenheit noch nicht entschieden und es offenbar notwendig sei, Kardinal Schwarzenberg zu überzeugen. Weiß glaubt, dass man keinen besseren Gelehrten für die Stelle finden könne, da Bock nicht nur von stupender Gelehrsamkeit als auch von streng konservativer und katholischer Überzeugung sei. Bock selbst werde sich jedoch nicht bewerben, aber er hoffe darauf, dass man ihn nach Prag berufe. Als Auskunftsperson könne der Onkel von Kardinal Schwarzenberg, der Herzog von Arenberg, dienen. Da Weiß und andere verdienstvolle Personen sich für eine Berufung von Bock stark machen, will auch er, Brenner-Felsach, dies tun und wählt dazu den Weg über Haferl, weil er Leo Thun nicht persönlich kennt. Die Angelegenheit ist für Brenner-Felsach von höchster Wichtigkeit, weil Bock durch seine konservative Haltung und seinen katholischen Glauben positiv auf die Studenten wirken könne, außerdem könnte dadurch ein Missgriff wie jener der Berufung von Hermann Bonitz abgemildert werden. Brenner-Felsach hat sich sehr über die jüngsten Berufungen nach Österreich gefreut und er hofft, dass Haferl die Berufung von Bock positiv beeinflussen könne.
<An den Ministerialkonzipisten Haferl>1
Frankfurt am Main, 21. September 1854
Lieber Freund,
erstaunen Sie nicht, wenn ich mir auf unsere alte Freundschaft bauend, hiemit die
Freiheit nehme, Ihnen über eine Angelegenheit zu sprechen, die mir von sehr
achtbarer Seite dringend ans Herz gelegt worden ist und die als das
Unterrichtswesen in Österreich betreffend,
soviel ich weiß, in den Bereich Ihrer amtlichen Wirkungssphäre fallen
dürfte.
Wie ich höre, haben sich sehr angesehene litterarische und
universitätische Notabilitäten im „Reich“ und auch in Österreich geeigneten Orts dafür verwendet, einen gewißen
Dr. Cornelius Bock, der
gegenwärtig Profeßor der Philologie in Brüßel ist, für eine Lehrkanzel in Österreich zu gewinnen. Dieser Gelehrte soll ebenso ausgezeichnet
durch seine Kenntniße in der claßischen Philologie wie durch seine correcte
politische und katholische Gesinnung seyn und überdieß die Gabe eines äußerst
anziehenden Vortrags besitzen, was für den Unterricht von jungen Männern
besonders zu berücksichtigen ist. Der Prof. der Geschichte in Gratz, Dr. Weiß, kennt Herrn Dr. Bock und hat sich, wie mir
berichtet wird, bereits Mühe gegeben, die Behörden in Österreich für seine Berufung geneigt zu machen, wozu die
Besetzung der gegenwärtig erledigten Lehrkanzel der Philologie in Prag eine erwünschte Gelegenheit bietet.
In einem Briefe des Dr. Weiß,
der mir mitgetheilt wurde, sagt derselbe: „Gelegentlich der Berufung des
Dr. Bock nach Österreich habe ich heute einen Brief erhalten,
wonach die Sache noch unentschieden ist, daß man sich aber alle Mühe giebt,
Seine Eminenz den Cardinal
Schwarzenberg – der als Patron der Universität Prag am meisten dabei zu sagen
hat – für einen Inländer zu stimmen. Ich kenne keinen Österreicher, der an Fülle
des Wißens und Feinheit des Urtheils in diesem Fache Bock gleich käme. Läßt man diese
Gelegenheit vorüber, die eminenten Gaben des Dr. Bock für die conservative und
katholische Sache zu gewinnen, so wird sich vielleicht eine ähnliche nie mehr
bieten. Gestern und heute habe ich den ganzen Tag mit ihm zugebracht und staune
fortwährend über diese coloßale Gelehrsamkeit, über diese feinen Combinationen
und neuen überraschenden Standpuncte der Betrachtung. Was könnte Bock nicht leisten, wenn man ihn an
die rechte Stelle brächte! Er wäre eine Zierde des Kaiserstaates. Durch viele
traurige Erfahrungen bitter gemacht, durch die völlig isolirte Stellung als
Deutscher in Belgien niedergeschlagen, will Bock selber keinen Schritt thun, was
bei dem starken Selbstgefühl seiner Leistung sich begreifen läßt. Er meint, daß
wenn die österreichische Regierung sich zuverläßige Berichte über sein
vieljähriges Leben und Wirken in Brüßel verschaffen wollte, es ihr ein leichtes seyn werde; sie
dürfe sich diesfalls nur an den Herzog
von Aremberg, den Oheim des Cardinal Schwarzenberg,
wenden.“
So schreibt Dr.
Weiß. Sie sehen, welchen hohen Begriff derselbe von Bocks Werth hat und welches Gewicht er
darum auf deßen Berufung nach Österreich
legt. Noch muß ich hinzusetzen, daß Dr.
Bock persönliches Vermögen hat, also der Geldpunct bei seiner
etwaigen Anstellung seinerseits keine Schwierigkeiten bieten wird.
Da mir,
wie oben bemerkt, diese Angelegenheit von höchst achtbaren Personen empfohlen
wird, welchen Österreich bereits mehrere
Acquisitionen im Lehrfache verdankt, zu denen wir uns nur Glück wünschen können,
so habe ich mir die Freiheit genommen, mich an Sie zu wenden, weil ich sonst gar
niemand von den darauf Einfluß nehmenden Autoritäten kenne und den Minister Grafen Leo Thun nur einmal
besucht habe, obwohl ihm vielleicht durch seinen Bruder den Gesandten, mit dem ich
sehr befreundet bin, mein Name einigermaßen bekannt seyn dürfte.
Nehmen Sie
sich daher wo möglich der Sache an, suchen Sie gehörigen Orts zu diesem Zwecke
einzuwirken, weil es mir wirklich wichtig scheint, eine Gelegenheit nicht außer
Acht zu laßen, um einen Mann zu gewinnen, der auf die heranwachsende Generation
in Österreich im politisch und religiös
heilsamen Sinne einwirken kann, was mir bei der Philologie nicht minder wichtig
erscheint als bei der Geschichte und Mißgriffe und Unannehmlichkeiten wie die
mit Prof. Bonitz vermeidet. Schreiben
Sie mir jedenfalls gütigst, wie die Sache steht, ob Aussicht vorhanden oder
welche Schritte etwa noch zu thun wären, um einen günstigen Erfolg
herbeizuführen. Ich war so glücklich zur Berufung von Jülg, Winkler, Weiß
und Mischler mitzuwirken, welche man,
wie ich meine, in Österreich nicht zu bereuen hat, es wäre
mir sehr angenehm, wenn ich auch dießmal dazu beitragen könnte, für unser
Vaterland eine so tüchtige Lehrkraft zu gewinnen. Nehmen Sie mir nicht übel, daß
ich Sie mit dieser Sache plage, doch rechne ich vertrauensvoll auf unsere alte
Freundschaft und Ihren Eifer für die Verbeßerung und Hebung unseres
Unterrichtswesens.
Leben Sie recht wohl lieber Freund und schreiben Sie
recht bald Ihrem unveränderlich ergebenen alten Schüler
Adolf Brenner
<Legationsrath am Bundestag in Frankfurt>2