Der General der Gesellschaft Jesu, Pierre Jean Beckx, teilt Leo Thun mit,
dass die Gesellschaft Jesu die von Thun gestellten Bedingungen für die
Übernahme von Gymnasien nicht annehmen könne. Er schreibt daher heute an
den Kaiser, um diesem die Wünsche der Gesellschaft vorzutragen. Beckx
sendet Thun eine Abschrift des Briefes. Außerdem bedankt sich Beckx
dafür, dass Thun sich bisher stets als aufrichtigen Förderer der
Anliegen der Jesuiten erwiesen hat.
Im beigelegten Brief bedankt
sich Beckx zunächst für die Aufhebung des Verbotes der Jesuiten. Die
Gesellschaft Jesu war seither bemüht, wieder vermehrt in Österreich Fuß
zu fassen. Dazu zählte auch der Wunsch, wieder öffentliche Gymnasien zu
übernehmen. In den Verhandlungen mit dem Unterrichtsminister ergaben
sich dabei allerdings einige Schwierigkeiten, die trotz des größten
Entgegenkommens von Seiten desselben nicht behoben werden konnten. Dies
betrifft die Überwachung der Gymnasien durch staatliche Inspektoren und
die Beibehaltung der Ratio studiorum. Da die Ratio studiorum ein
Grundprinzip des Ordens ist, kann Beckx ein Abgehen davon nicht
erlauben. Dieses Prinzip wurde auch in anderen Ländern respektiert,
daher fände Beckx es seltsam, wenn gerade in Österreich davon eine
Ausnahme gemacht würde. Außerdem basiert der Lehrplan auf festen
Grundsätzen und ist als in sich schlüssiges System konzipiert. Daher ist
es nicht möglich, einzelne Änderungen vorzunehmen, ohne dadurch das
Gesamtsystem zu zerstören. In diesem Sinn bittet der Ordensgeneral, dass
den Jesuiten für alle Zeiten erlaubt werde, in ihren Gymnasien an der
Ratio studiorum festzuhalten und dass ihre Gymnasien außerdem von
staatlicher Inspektion ausgenommen werden. Falls der Kaiser diesen
Bitten nicht zustimmen kann oder will, wird die Gesellschaft Jesu keine
öffentlichen Gymnasien in Österreich übernehmen. Allerdings möchte sie
weiterhin bischöfliche Gymnasien leiten bzw. in den eigenen Konvikten
Gymnasien unterhalten. Daher bittet der General, dass wenigstens für
diese die oben genannten Bitten genehmigt werden. Außerdem möge
bewilligt werden, dass solche Gymnasien staatlich anerkannte Zeugnisse
ausstellen können bzw. die Maturitätsprüfungen unter staatlicher
Aufsicht abhalten dürfen.
Beilage: Abschrift eines Briefes von Pierre Jean Beckx an Kaiser Franz Joseph. Rom, 26. Juni 1858.
Gnädigster Herr Graf,
Euer Excellenz haben mir in früheren Mittheilungen mit Bestimmtheit erklärt,
was die hohe k.k. Regierung uns in Betreff der Leitung und Verfassung der
Schulen, die sie uns übergeben dürfte, gewähren könnte, und was sie uns
verweigern müßte. Ich habe bisher gezögert mich auch von meiner Seite
entschieden auszusprechen, weil ich irgend eine Möglichkeit zu finden
wünschte, die obwaltende Schwierigkeit zu überwinden und mit Eurer Excellenz
zu einem vollkommenen Einverständnis zu gelangen; nach vielem Nachdenken
aber und mit dem besten Willen ist es mir nicht gelungen. Daher habe ich
mich dann endlich zu dem Schritte entschlossen, auf den Euer Excellenz
selber hinzudeuten die Gnade hatten. Ich schreibe nämlich unter dem heutigen
Dato an Seine k.k. Apostolische
Majestät, um unsre Wünsche und Bitten zu den Stufen des
kaiserlichen Thrones niederzulegen und unsre Angelegenheit der Allerhöchsten
Gnade zu empfehlen.
Ich halte es um desto mehr für meine Pflicht Eure
Excellenz von diesem Schritte (unter Mittheilung einer bezüglichen
Abschrift) in Kenntnis zu setzen, da Hochdieselben bei jeder Gelegenheit uns
so deutliche Beweise aufrichtigen Wohlwollens gegeben haben, für welches wir
ewig dankbar seyn werden. Ich weiß auch, daß wir in
Wien keinen treuern Beschützer und keinen bessern
Fürsprecher bei Seiner Majestät haben als Euer Excellenz selbst; und demnach
glaube ich auch dieses Anliegen Hochdero Protection und Fürsprache
flehentlich empfehlen zu dürfen.
Genehmigen Euer Excellenz nebst dem
Ausdruck der tiefsten Verehrung auch die Versicherung der innigsten
Dankbarkeit, womit ich die Ehre habe zu verharren
Euer Excellenz
unterthänigst gehorsamster in Christo
Petrus Beckx
Generalvorsteher der Gesellschaft Jesu
Abschrift
Euer Kaiserlich-Königlich Apostolische Majestät!
Seitdem Euer k.k. Apostolische Majestät das im Jahr 1848 gegen unsern Orden
erlassene Aufhebungsdecret durch die allerhöchste Entschließung vom 23. Juny
1851 außer Wirksamkeit zu setzen geruthen, hielten die Mitglieder der
Gesellschaft Jesu es für ihre heiligste Pflicht, durch rastloses Wirken in
Kirche und Schule ihre Dankbarkeit thatsächlich an den Tag zu
legen.
Durch Predigten und Missionen in verschiedenen Städten und
Provinzen des Kaiserstaates suchten wir bei Hohen und Niedrigen den
religiösen Geist zu wecken, das Gefühl für Recht und Pflicht, für Tugend und
Gottesfurcht zu beleben und dadurch den Weg zur wahren Glückseligkeit zu
ebnen. Durch den Unterricht der Jugend waren wir bemüht, für Kirche und
Staat gute Christen und nützliche Bürger heranzubilden. Und mit demüthigem
Dankgefühl gegen Gott, den Urheber alles Guten, glauben wir sagen zu dürfen,
daß unsere schwachen Bemühungen nicht ohne heilsamen Erfolg geblieben sind.
Und da die göttliche Vorsehung uns beständig talentvolle junge Männer, die
unsere Arbeiten theilen wollen, zuführt und Euer k.k. Apostolische Majestät
unsere Bestrebungen huldvoll anzuerkennen und zu befördern geruhen, so leben
wir der Hoffnung, daß wir in Bälde wie mit vermehrten Kräften so auch mit
reichlichem Erfolg für das Wohl des Kaiserstaates werden thätig seyn
können.
Um aber unsere Wirksamkeit im Schulwesen nicht blos wie bisher
auf Privatanstalten zu beschränken, sondern auch auf öffentliche Gymnasien
ausdehnen zu können, wurden mit dem k.k. Ministerium für
Gottesdienst und öffentlichen Unterricht Unterhandlungen
gepflogen. Seine Excellenz der Herr Minister hatte nämlich an mich die Frage
gestellt, ob wir beim Gymnasialunterricht alle für öffentliche Gymnasien
bestehenden Vorschriften befolgen können oder ob und inwiefern die
eigenthümlichen Verhältnisse der Gesellschaft Jesu
Ausnahmsbestimmungen erheischten. Ich habe darauf erwiedert, daß die
Vorschriften und eigenthümlichen Verhältnisse unseres Ordens uns allerdings
zur Pflicht machen in einigen Punkten, welche die Leitung der
Schulen und in andere, welche den Lehrplan
betreffen, um Ausnahme von den bestehenden Anordnungen zu bitten. Die
meisten Schwierigkeiten, welche sich im Anfange zeigten, haben im Laufe der
Verhandlungen eine Lösung gefunden. Obgleich wir deshalb die wohlwollenden
Gesinnungen Seiner Excellenz des Herrn
Ministers mit aufrichtigen Dank anerkennen müssen, so haben
wir doch in einem oder dem andern Stücke seinen Anträgen nicht unbedingt
beipflichten können; und da dieselben sowohl für die Handhabung der
Disciplin unter unsern Religiosen als auch für den guten Erfolg unserer
Wirksamkeit im Schulwesen von der größten Wichtigkeit sind, so erlaube ich
mir zu der Gnade Eurer Majestät meine Zuflucht zu nehmen und unsere
allerunterthänigsten Bitten an den Stufen des allerhöchsten Thrones
niederzulegen.
Die Schulen des Kaiserstaates werden durch die Schulräthe
und Schulinspectoren geleitet und überwacht; nach den Satzungen der
Gesellschaft Jesu soll dieses Amt dem Ordensgeneral zustehen, der dasselbe
durch den Provinzial, durch die Rektoren und Schulpräfekten ausübt. Unsere
erste Bitte geht demgemäß dahin,
daß dem Ordensvorstand
das Amt und die Befugnis die uns anvertrauten Schulen ohne fremde
Einmischung zu leiten und zu überwachen zuerkannt werde.
Zur
Erläuterung und Begründung dieser demüthigsten Bitte sei es mir gestattet,
einige Bemerkungen beizufügen.
Die Gesellschaft Jesu ist ein religiöser
Orden, der seine Sendung zum Lehrfach von der Kirche empfangen hat. Wenn man
aber einen solchen in sich schon organisirten Lehrkörper zur Übernahme des
Unterrichts beruft, so scheint es naturgemäß und nothwendig, daß man ihm
seine Eigenthümlichkeit lasse. Man kann keine Jesuitenschulen haben, wenn
man die Jesuiten nicht nach ihrer Lehrweise verfahren läßt. Nebst den
Satzungen für das religiös apostolische Leben erhielt die Gesellschaft Jesu
von ihrem Stifter, dem Hl.
Ignatius, auch besondere Vorschriften für die Erziehung und
den Unterricht der Jugend. Nach diesen Vorschriften des Hl. Stifters wurde
nicht lange nach seinem Tode eine vollständige Studienordnung (ratio
studiorum societatis Jesu) entworfen, welche einen Theil unseres Institutes
ausmacht und ebenso wie dieses von der Kirche mehrmals gutgeheißen ist.
Obgleich diese Studienordnung nach Zeit und Umständen im Sinne des Hl. Ignatius einige Modifkazionen
erhalten kann, so hat doch die Gesellschaft Jesu die Grundsätze und
wesentlichen Bestimmungen als ein Vermächtnis ihres Vaters stets mit
kindlicher Treue bewahrt. Allerdings hat man ihr diese Treue mitunter als
zähes Festhalten zum Vorwurf gemacht, aber die Wahrheit ist, daß sie noch
keine Ursache hatte, ihre Standhaftigkeit zu bereuen, sondern vielmehr eben
dieser Treue es zuschreiben muß, wenn sie im Erziehungs- und
Unterrichtswesen mit einigem Erfolge gewirkt hat. Indem wir daher die Bitte
aussprechen, die uns anvertrauten Schulen nach unserer Ratio studiorum ohne
fremden Einfluß leiten zu dürfen, so geschieht dies keineswegs aus
engherziger Vorliebe zu Sonderlichkeiten oder aus vorgefaßter Meinung gegen
alle Verbesserungen der Neuzeit: nein, wir wünschen aufrichtig und sehnlich
dem Verlangen der hohen Regierung, wo und wie wir es können, zu entsprechen
und das von ihr beabsichtigte Gute zu befördern; allein wir fühlen auch die
Pflicht und das Bedürfnis zu seyn, was wir sind, an der Verfassung unseres
Ordens und namentlich an dem Grundprinzip festzuhalten,
daß unsere Religiosen wie in ihrem übrigen Wirken so auch im Lehrfache, das
einen so wichtigen Zweig unseres thätigen Lebens ausmacht, von den
Ordensobern frei und ungehindert und daher ohne Dazwischenkunft anderer
Behörden geleitet werden.
Es hängt dies Prinzip mit der ganzen
Verfassung unseres Ordens auf das Innigste zusammen oder besser: es ist aus
dem Wesen des Ordenslebens hervorgegangen.
Dieser Grundsatz wurde
deshalb auch immer und ist auch jetzt noch in Ländern, wo die Gesellschaft
Jesu offiziell anerkannt ist, aufrecht erhalten. In
Rom selbst, wo eine Congregazion von Kardinälen
und Prälaten alle Lehranstalten leitet, sind die Schulen der Ordensleute
ausgenommen und der alleinigen Leitung und Beaufsichtigung der Ordensobern
anvertraut: und ich glaube, ohne die Regeln der Bescheidenheit zu verletzen,
hinzufügen zu dürfen, daß die päbstliche Regierung es nicht bereut, diese
Freiheit unserer Gesellschaft bis auf den heutigen Tag ungeschmälert
belassen zu haben. Als unsere Gesellschaft vor dem Jahre 1820 noch in
Rußland bestand, wo nach damaligen
Staatsgesetzen alle Lehranstalten einer Universität untergeordnet waren,
wurde, um unsern Schulen ihren eigenthümlichen Charakter zu lassen, unser
Collegium zu Polotz [Polotsk] zum Range einer
Akademie erhoben und der Ordensobere, der dieser vorstand, leitete und
beaufsichtigte zugleich ohne auswärtige Einmischung die übrigen
Lehranstalten der Gesellschaft. Aber auch in jenen Ländern, wo unsere
Gesellschaft bloß geduldet ist, wie in Frankreich,
England, Belgien,
Holland und den Vereinigten Staaten, läßt
man in dieser Hinsicht unsere Freiheit unverletzt und verlangt nur, daß
unsere Schüler in jenen Gegenständen, über welche vor dem Übertritt in
höhere Lehranstalten die gesetzmäßige Prüfung abzulegen ist, gehörig
unterrichtet seien.
Euer k.k. Apostolische Majestät haben auf eine so
edle Weise die Freiheit und Rechte der Kirche im Angesichte der ganzen Welt
feierlich anerkannt: wir glauben daher mit Recht bitten und hoffen zu
dürfen, daß auch unserm Orden die Rechte und Freiheiten, welche er von der
Kirche empfangen hat, werden zugestanden werden. Aller Augen sind dermalen
mehr als je auf Oesterreich gerichtet und wenn wir nach Abschluß des
glorreichen Concordats in den k.k. Staaten sollten genöthigt sein, auf eine
Freiheit zu verzichten, die wir von jeher genossen und auch gegenwärtig noch
genießen, so könnte dies für unsern Orden höchst verderbliche Folgen haben;
und unmöglich könnten wir in andern Ländern ein Prinzip behaupten, das wir
im katholischen Oesterreich aufgegeben hätten.
Seine
Excellenz der Herr Minister
hat in dieser Beziehung vorgeschlagen, daß der Schulinspector unsere
Lehranstalten zwar amtlich besuche und inspiciere, aber ohne Vollmacht,
Änderungen vorzuschreiben oder sonstige Anordnungen zu treffen, daß er nur
an die Behörden berichten und es diesen überlassen solle, den Obern der
Collegien die betreffenden Weisungen zu geben. Wir erkennen in diesem
Vorschlag das aufrichtige Wohlwollen des Herrn Ministers; aber müssen dennoch gestehen, daß auf
solche Weise die Gefahren, die wir fürchten, nicht beseitigt werden.
Abgesehen davon, daß auch so unsere Schulen den Regierungsbeamten faktisch
unterstehen und die Eigenthümlichkeit eines von der Kirche befugten
Lehrkörpers nicht anerkannt würde; abgesehen auch von manchen
Unzukömmlichkeiten für gute Ordnung und Zucht, welche daraus erfolgen
dürften, und die ich hier nicht einzeln aufzählen kann, so würde auf jeden
Fall das amtliche und regelmäßige Auftreten des Insepctors die Folge haben,
daß wir die Beaufsichtigung unserer Schulen durch die weltlichen Behörden in
andern Staaten nicht mehr würden abwehren können, wo dieselbe ohne Zweifel
größere Störungen und Nachtheile herbeiführen würde als in den k.k. Staaten
unter der Regierung Eurer Majestät zu befürchten wäre.
Übrigens habe ich
bereits dem Herrn Minister
erklärt, daß wir in unseren Schulen alles Geheimthun vermieden wissen wollen
und deshalb nicht nur zu litterärischen Übungen und Prüfungen der Schüler
Auswärtige zulassen, sondern auch einzuladen pflegen und daß wir bereit sind
über alles, was in unseren Schulen geschieht und was den Unterricht und die
Erziehung der Schüler betrifft, der hohen Regierung alle jene Auskünfte zu
ertheilen, welche sie etwa verlangen dürfte. Allein die Gnade, um welche wir
bitten, besteht darin, daß das Amt, unsere Schulen zu leiten und zu
beaufsichtigen, den Ordensobern überlassen bleibe.
Die andere Bitte,
welche ich Eurer k.k. Apostolischen Majestät in tiefster Ehrfurcht
vorzutragen mir erlaube, bezieht sich auf den Lehrplan.
Nur dann können wir uns einen gesegneten Erfolg von unserer Wirksamkeit im
Lehrfache versprechen, wenn uns gestattet ist, die von unserm Institute uns
für unsere Schulen vorgeschriebenen Verfahrungsweise zu befolgen. Die Ratio
studiorum Societatis Jesu ist nicht etwa eine zufällige Zusammenstellung
mannigfaltiger Schulverordnungen, sondern sie ist, ihren Prinzipien und
Hauptbestimmungen nach, aus den Constituzionen des Hl. Ignatius entnommen und bildet
ein Ganzes, das von weisen Männern nach langer Prüfung zusammengestellt und
durch die Erfahrung während Jahrhunderten bewährt wurde. Ihr Zweck ist, die
Lehrgegenstände durch die verschiedenen Schulen so zu vertheilen und die
Behandlung derselben so zu regeln, daß die Jugend sowohl in den
Wissenschaften gründlich unterwiesen als auch zur wahren Sittlichkeit
herangebildet und zur Erkenntnis und Verehrung Gottes angeleitet werden
könne. Auf diesen doppelten Zweck sind alle einzelnen Satzungen und Regeln
mit großer Umsicht berechnet und sie stehen mit einander in solchem
Zusammenhange, daß sie sich wechselseitig ergänzen und unterstützen und man
deshalb nicht willkürlich diese oder jene aufgeben kann.
So viel
Eigenthümliches auch unsere Schulordnung enthält, so ist doch die Grundlage
derselben keine andere als jene, welche seit den frühesten Jahrhunderten der
Kirche auf den öffentlichen Lehranstalten unverändert beibehalten wurde. Sie
besteht darin, daß man den Schüler nicht mit einer Menge heterogener
Lehrfächer zu gleicher Zeit beladet, sondern stufenweise und in einer
Ordnung, welche der natürlichen Entwicklung seiner leiblichen und geistigen
Kräfte entspricht, von einem Gegenstand zum andern führt. Der Jüngling wird
demgemäß in den ersten drei oder vier Jahren hauptsächlich mit dem
Sprachstudium, in den beiden folgenden aber mit den schönen Wissenschaften
und in dem letzten mit Philosophie, Physik und Mathematik beschäftigt. Seit
dem Ende des vorigen Jahrhunderts hat man in vielen Ländern diese Grundlage
verlassen und wie in allem andern so auch im Unterricht der Jugend eine
gänzliche Umwandlung versucht. Die Folge davon ist, daß die Versuche und
Änderungen kein Ende nehmen und doch bis jetzt kein anderer haltbarer Boden
gefunden ist. Um so bedenklicher aber erscheinen diese Bestrebungen, als der
Impuls zu denselben von Gegnern der Kirche gegeben wurde, denen die
Einrichtungen, welche aus glaubensvollen Jahrhunderten stammen, zuwider
sind. Um der Neuerung leichteren Eingang zu verschaffen, wußte man durch den
Gedanken des Vielwissens und der Aufklärung zu bestechen. Demgemäß hat man
seitdem die Vervollkommnung des Unterrichtswesens fast allgemein in dem
Viellehren gesetzt und bei Bestimmung und Vertheilung der Lehrfächer auf die
Fähigkeit und die naturgemäße Entwicklung der Schüler nach unserm
Dafürhalten nicht die gehörige Rücksicht genommen. So geschah es, daß die
Jünglinge, statt durch gediegene Kenntnisse bescheiden gelehrig und folgsam
zu werden, in Gefahr kamen, durch oberflächliche Vielwisserei mit Dünkel und
Anmaßung erfüllt und zu gediegenen ernstlichen Bestrebungen untauglich zu
werden. Und diese Gefahr lag um so näher, als die religiöse Erziehung durch
die ganze Einrichtung der Schulen erschwert und die Religion, die immer und
überall im Auge zu haben ist und keinem Lehrgegenstand fremd bleiben,
sondern alle durchdringen und beherrschen soll, zu einem der vielen
Lehrfächer wie z.B. Geographie oder Mathematik gemacht wurde.
Aus diesen
Gründen glauben wir uns verpflichtet, an jener Studienordnung festzuhalten,
durch welche allein wir die wahre Geistesbildung und religiöse Erziehung für
gesichert halten. Wir sind zwar in den Verhandlungen mit dem k.k. Ministerium
auch in dieser Hinsicht auf Schwierigkeiten gestoßen und ich habe darauf
gehorsamst antragen müssen, daß uns gestattet werde, die sogenannten Realien
der Zahl und dem Umfange nach zu beschränken, den Unterricht in der
Philosophie und der classischen Litteratur hingegen mehr zu erweitern, als
der vom k.k. Ministerium ausgegangene „Organisationsentwurf“ vorschreibt.
Allein da Seine Excellenz der Herr
Minister auf diese gehorsamsten Bitten und Vorstellungen mit
vieler Güte eingegangen und überdies durch neuere Verordnungen die Erwartung
erregt hat, daß der für alle Gymnasien gültige Studienplan eine Veränderung,
die wir nur mit Freuden begrüßen könnten, erleiden dürfte, so hoffe ich, daß
die Schwierigkeiten bezüglich des Lehrplans so gut als gehoben [sic!] sind. Da
jedoch jedweder Wechsel für eine religiöse Körperschaft ganz besonders
bedenklich ist und wir aus den angegebenen Gründen den Weg, welcher uns
durch unsere Satzungen vorgezeichnet ist, nicht verlassen können, so muß ich
wünschen und allerunterthänigst bitten, daß die Freiheit,
unsere Studienordnung zu befolgen, wie sie uns jetzt gewährt wird, durch
die Genehmigung Eurer k.k. Apostolischen Majestät auch für die Zukunft
gesichert werde. Wir versprechen, die Jugend in allen Gegenständen,
welche für die Maturitätsprüfung vorgeschrieben sind, zu unterrichten und,
um der hohen Regierung hiefür volle Gewähr zu leisten, sind wir bereit, die
Maturitätsprüfung in Gegenwart und unter der Aufsicht eines
Regierungscommissärs abzuhalten. Wir versprechen ferner, bei Vertheilung der
Lehrgegenstände möglichst Rücksicht darauf zu nehmen, daß der Austritt aus
unsern Gymnasien in andere ohne erhebliche Schwierigkeiten statt finden
könne.
Sollten aber Euer k.k. Apostolische Majestät sich nicht bewogen
finden, uns diese beiden demüthigsten Bitten zu gewähren, so müßten wir
darauf verzichten, im Kaiserstaate öffentliche Gymnasien zu übernehmen: Für
diesen nicht zu hoffenden Fall würde ich mir erlauben, allerunterthänigst zu
bitten:
daß uns für die nicht öffentlichen Gymnasien,
welche uns etwa die Hochwürdigsten Herren Bischöfe übergeben oder wir
selbst namentlich in unseren Konvikten errichten dürften, das Recht der
unabhängigen Leitung, wie es in den beiden vorhergehenden Bitten
ausgesprochen ist, zugestanden und überdies die Vollmacht ertheilt
werde, in solchen Lehranstalten rechtsgültige Zeugnisse zum Übertritt
der Schüler an andere Gymnasien auszustellen und auch unter der Leitung
und Beaufsichtigung eines Regierungscommissärs die Maturitätsprüfung
abhalten zu können.
Ich habe nun, so gut es in Kürze geschehen
konnte, unsere Verhältnisse und unsere Wünsche auseinander gesetzt und lege
diese für uns so wichtige Angelegenheit in die Hände Eurer
Kaiserlich-Königlich Apostolischen Majestät mit dem zuversichtlichen
Vertrauen, daß Allerhöchstdieselben als Beschützer der hl. katholischen
Kirche auch unsere geringe Gesellschaft, welche dem Dienste der Kirche sowie
der Wohlfahrt des Staates alle ihre Kräfte widmet, Allerhöchstdero Schutz
und Gnade nicht versagen werden. Unterdessen flehe ich zu Gott, daß Er das
Herz Eurer Majestät lenken wolle.
Welche Entscheidung aber auch immer
erfolgen möge, es wird stets unser eifriges Bestreben seyn, durch standhafte
Erfüllung unserer Berufspflichten zum Wohle der dem kaiserlichen Scepter
unterworfenen Völker alle unsere Kräfte in dem uns angewiesenem Kreise zu
verwenden und nie werden wir unterlassen den Vergelter alles Guten
anzurufen, daß Er die Gnaden und Wohlthaten, welche Euer k.k. Apostolische
Majestät uns erwiesen haben, nach Seiner ewigen Liebe und Barmherzigkeit
zeitlich und ewig belohnen wolle.
Euer Kaiserlich-Königlich Apostolischen Majestät
gez. allerunterthänigst
gehorsamster
Petrus Beckx. General der Ges. Jesu
Rom den 26. Juny 1858