Der Kunsthistoriker Rudolf Eitelberger legt einen Bericht über seinen
kunstgeschichtlichen Unterricht für Lehramtskandidaten an der
Universität Wien vor und teilt dem Minister mit, was er benötigt, um den
Unterricht noch besser gestalten zu können. Das Ziel ist es, die
Lehramtskandidaten mit der Kunstgeschichte und der Archäologie vertraut
zu machen und sie in alle Zweige der bildenden Kunst und der
Denkmalpflege einzuführen. Den Studenten soll vermittelt werden, dass
die Kunst ein wesentlicher Träger der Kultur ist. Um wahre Kunst und
damit auch die Wahrheit an sich erkennen zu können, müssen das Auge und
der Geist der Studenten intensiv geschult werden. Aus der Sicht von
Eitelberger ist dazu allerdings notwendig, dass den Studenten möglichst
viel praktisches Anschauungsmaterial geboten werde. Daher sei es
notwendig, dass dem Professor eine ausgedehnte und wohlgeordnete
Kunstsammlung zur Verfügung stehe. Eine solche Sammlung gäbe es nach
Ansicht von Eitelberger in der Akademie der bildenden Künste, allerdings
müsste sie für den Unterricht adaptiert werden. Eitelberger schlägt
daher einige Maßnahmen vor, wie dies geschehen könne und erteilt
außerdem noch einige andere Vorschläge, wie die Sammlungen und auch die
Bibliothek der Akademie für den Unterricht besser nutzbar gemacht werden
könnten. So schlägt er etwa vor, die Ausstattung der Bibliothek zu
verbessern und bei der Anschaffung neuer Bücher den praktischen Wert der
Bücher stärker zu berücksichtigen. Außerdem rät Eitelberger zur
Herstellung von Wandkarten mit Grundrissen von verschiedenen Gebäuden.
Eitelberger schlägt schließlich vor, seine Vorschläge durch eine
Kommission aus Mitgliedern der Akademie sowie den Leitern der
verschiedenen Seminare für die Lehramtskandidaten der Universität prüfen
zu lassen. Den Vorsitz dieser Kommission soll Franz Thun führen.
In
der Beilage äußert sich der Direktor der Akademie der bildenden Künste,
Christian Ruben, zu den Vorschlägen von Rudolf Eitelberger.
Grundsätzlich beurteilt er die Vorschläge Eitelbergers positiv,
wenngleich er nicht alle Vorschläge des Professors gutheißt. Er ist
damit einverstanden, dass – wie vorgeschlagen – eine Kommission aus
Mitgliedern der Akademie und Professoren der Universität die Vorschläge
beraten soll. Er erteilt außerdem einen Vorschlag für die genaue
Zusammensetzung der Kommission.
Euer Excellenz
haben in dem Dekrete, in welchem mir meine Ernennung zum a.o. Professor
mitgetheilt wurde, mich beauftragt, mit Lehramtskandidaten
praktisch-demonstrative Übungen abzuhalten, wegen Erlangung der dazu gehörigen
Lehrmittel mich mit der Direktion der k.k. Akademie der bildenden
Künste ins Einvernehmen zu setzen und sodann Euer Excellenz einen
Vorschlag darüber zu erstatten.
Nachdem ich sowohl mit dem Herrn Direktor
Ruben, als auch mit den Herren
Prof. Bonitz und Jäger, in deren Händen vorzugsweise die
Leitung der Seminarien für Lehramtskandidaten liegt, Rücksprache genommen habe,
entledige ich mich in Nachfolgendem dieses mir zutheil gewordenen Auftrages und
bitte nur um Erlaubnis, etwas weitläufiger auf den Gegenstand selbst eingehen zu
dürfen.
Praktisch-demonstrative Übungen auf dem Gebiete der Kunstgeschichte
und Kunstarchäologie können der Natur des Gegenstandes nach in nichts anderem
bestehen, als im Verweisen von Gegenständen, im Erklären derselben und dem
Entwickeln allgemeiner theils ästhetischer, theils kritischer, theils
archäologischer Prinzipien, je nachdem es die Objekte mit sich bringen. Sie
sollen bestimmt sein, den Lehramtskandidaten mit den Elementen der Wissenschaft
vertraut zu machen und seinem Wissen auf diesem Gebiete jene Sicherheit zu geben, die allein durch Anschauung erzielt werden kann.
Jenen Lehramtskandidaten aber, welche sich höheren philologischen oder
historischen Studien widmen, soll Gelegenheit geboten werden, sich mit allen
Zweigen der bildenden Kunst und der Denkmalskunde, insoweit sie zur
Kunstarchäologie gerechnet werden kann, durch eine wohlgeleitete Anschauung
speziell beschäftigen zu können.
Damit aber solch praktisch-demonstrative
Übungen in das Leben treten können, wird vorausgesetzt:
Erstens, daß ein Interesse für den Gegenstand in der akademischen
Jugend wachgerufen wird, und
Zweitens, daß ein für die Zwecke des Unterrichtes geordnetes Materiale
vorhanden sei. Auf Herstellung eines solchen muß alles Gewicht gelegt werden.
Ohne ein solches Materiale würden sowohl diese Übungen für Lehramtskandidaten,
als auch die Vorlesungen über Kunstgeschichte und Archäologie theils unmöglich,
theils unfruchtbar sein. Es handelt sich da nicht um Errichtung eines glänzenden
Museums, noch um momentaner bedeutenderer Auslagen, sondern nach meiner Meinung
vorzugsweise um bessere Verwendung der Fonde, welche der
k. Akademie der bildenden
Künste zur Verfügung stehen. Würde bei dieser Anstalt in den
letzten zwanzig Jahren bei Ergänzung der Bibliothek, Vermehrung der Gipsabgüsse,
Kupferstiche oder Holzschnitte auch nur nach einem halbwegs vernünftigen
Programme vorgegangen worden sein, so besäße diese Anstalt schon eine Sammlung,
die ihr selbst vom größten Nutzen wäre und auch der Universität, die wohl an Errichtung
eigener Museen nicht denken kann, sehr zustatten käme.
Die Herstellung einer
geordneten Sammlung, d. h. geordnet mit Rücksicht auf die
Bedürfnisse des Unterrichtes in Kunstgeschichte und Kunstarchäologie, würde
allerdings von meiner Seite aus eine bedeutende monatelange Arbeit verlangen,
aber ich würde mich mit größter Bereitwilligkeit derselben unterziehen, weil
dadurch meine Vorträge an der Universität erst wahrhaft nutzbringend und belebend
würden.
Es sei mir erlaubt darauf aufmerksam zu machen, daß Vorträge über
Kunstgeschichte und Kunstarchäologie nicht bloß ästhetische Vorkenntnisse
voraussetzen, sondern, daß bei Erklärung von Kunstwerken, sei es von
historischem oder archäologischem Standpunkte, ästhetische Analysen häufig
vorkommen. Solche ästhetische Betrachtungen können – wenn sie nicht von rein
spekulativem Gesichtspunkte in der Weise Hegels, Vischers u. a. m. (den ich für
ganz unfruchtbar und an und für sich für einen falschen halte) ausgehen – solche
ästhetische Betrachtungen verlangen ein Substrat, eine der Anschauung
zugängliche Unterlage. Es ist gerade bei der Ästhetik und allen damit
verbundenen und verwandten Zweigen der Wissenschaft die Gefahr sehr groß, daß
eine Redensart für einen Gedanken gehalten wird, daß selbst begründete
Prinzipien zu bloßen Phrasen herabsinken, wenn sie nicht hervorgehen aus
Erkenntnis des Gegebenen und wenn sie sich nicht an Angeschautes anknüpfen.
Nirgend influenziert auch die Mode, die momentan herrschende Kunstrichtung, so
sehr auf die Wissenschaft und präokkupiert die Geister, besonders jugendliche,
in so hohem Grade, als in den Fächern, die in meinen Händen liegen. Unter zehn
Zuhörern kommen zum wenigsten acht mit vorgefaßten Meinungen in das Collegium,
die über antike und mittelalterliche Kunst, über Rafael und Alb[recht]
Dürer in gewißer Beziehung feste Ansichten haben, die aber weder
auf Studium der Kunstwerke noch auf umfaßender Lektüre beruhen, sondern auf
Meinungen des sogenannten gebildeten Publikums, wie sie heute auftauchen, um
morgen wieder unterzugehen. Giebt es ja doch kaum einen halbwegs renomierten
Romanschriftsteller, der sich die Gelegenheit hätte vorübergehen laßen, ohne
über Kunst und Künstler sein Urtheil abgegeben zu haben.
Der Einfluß dieser
Schriftsteller auf die Ansichten über Kunst ist nicht unbedeutend. Die
ästhetische Athmosphäre, in der wir leben, ist erzeugt durch diese Belletristen
und in Deutschland wohl auch durch den Einfluß der Schule
Hegels auf
Ästhetik. Romanschriftsteller und spekulative Philosophen haben darin etwas
gemeinschaftliches, sie haben ein fertiges Urtheil, das sie
dem Leser anbieten, das dieser umso lieber annimmt, als er des Selbstdenkens
damit enthoben wird.
Man kann es mit Beruhigung sagen, daß der herrschende
Geschmack, der ein schlechter ist, durch diese erzeugt werden [sic!].
Wie
dem aber entgegenwirken bei der Universitätsjugend, wie ihm wirksam begegnen bei
jüngeren Künstlern? Worte allein, die besten, sind unzureichend. Ohne Anschauung
setzen sie nur eine Phrase an die Stelle einer anderen. Bei Künstlern
insbesondere ist mit dem Worte allein nichts auszurichten.
Aus diesen
„allgemeineren“ Gründen glaube ich, Euer Excellenz, die Herstellung eines
geordneten Materiales für Vorlesungen über Kunstgeschichte und Kunstarchäologie
dringend empfehlen zu müssen.
Bei Vorlesungen über Kunstgeschichte an der
Universität handelt es sich wohl nicht bloß darum, daß ein gewißes Quantum
gelehrter Kenntnisse von der Kanzel aus verbreitet werde. Die Aufgabe eines
Lehrers der Kunstgeschichte greift weiter. Von ihm aus soll Überzeugung ausgehen, Glauben an das wahrhaft Edle und Große in der
Kunst; der Samen wahrer Kultur soll von ihm ausgestreut werden. Daß in
Kunstwerken ein großes, jedenfalls das schönste Stück menschlicher Kultur
niedergelegt ist, jener Kultur, die Sitte und Sittlichkeit läutert und erhebt,
ist von unseren Vorfahren in weit höherem Grade anerkannt worden, als es in
unseren Tagen geschieht. Von Kirchenfürsten wie von Staatsmännern sind die Worte
des Abtes Salomon von St. Gallen vergessen
worden: „Wahre Kultur kann nur durch geweckten Kunstsinn
erreicht werden, nur dadurch kann die schwerfällige Volksmasse der Religion
veredelt zugeführt und in eine wahre Lebensthätigkeit versetzt werden.“
Der
Lehrer der Kunstgeschichte muß wenigstens den ersten Theil dieses Ausspruches in
sein Programm aufnehmen. Wahre Kultur verlangt, daß sie auf solider Grundlage
errichtet werde. Um aber bei Kunstwerken zu entscheiden, ob sie Träger einer
wahren Kultur seien oder nicht, ist nothwendig, daß die Anschauung geübt und gebildet werde. Denn „nicht die Augen
sehen, sondern der Geist ist es, der durch die Augen sieht“.
Von diesem
Gesichtspunkte aus betrachte ich meine Stellung an der Universität. Der modernen
Kultur geht die Barbarei der Mode an der Seite. Diese bekämpfen und jene heben,
der wahren Kunst einen Boden erobern, ist auf dem Gebiet der Kunst nur durch
einen nach einem Ziele konsequent hinwirkenden Unterricht möglich, der von einem
entsprechenden Materiale für Anschauung unterstützt wird.
Auf allen
Universitäten Deutschlands befinden sich
daher zu dem Zwecke des Unterrichtes angelegt Kunstsammlungen, deren Vorsteher
die Professoren für Kunstgeschichte und Kunstarchäologie sind, und wo sich
solche Sammlungen nicht befinden, sind die Professoren zugleich Kustoden oder
Vorsteher von anderen Kunstsammlungen, die nicht mit der Universität vereinigt
sind, aber für den Unterricht benützt werden.
Euer Excellenz haben mir für
meine Vorlesungen für Lehramtskandidaten die Sammlungen der k.k. Akademie zugewiesen. Ich
glaube im Geiste Ihres Dekretes gehandelt und diese Handlung mit dem eben
Gesagten begründet zu haben, wenn ich diese Sammlungen auch für meine anderen
Vorlesungen benütze.
In dem Zustande, in welchem sich aber die Sammlungen in
diesem Momente befinden, taugen sie für keinen Unterricht,
weder für einen Universitäts- noch für einen akademischen Unterricht. Sie sind
eine rudis indigestaque moles, und müssen erst zu diesem Zwecke erarbeitet und
geordnet werden. Die Sammlungen verdanken ihren Ursprung theils Geschenken des
k. Hauses und der Mitglieder der Akademie, theils Ankäufen zu dem Zwecke des
eigentlichen Kunstunterrichtes. Erst in der letzten Zeit ist ein bestimmter Fond
dafür angewiesen worden.
Diesem Ursprunge zufolge sind sie daher sehr
unvollständig; in manchen Zweigen überfüllt, in manchen ganz und gar mangelhaft.
Dabei muß bemerkt werden, daß die Ankäufe für den Kunstunterricht aus einer Zeit
stammen, wo man nach einer höchst einseitigen Auffassung der antiken Denkmale
den Unterricht modelte und auf Werke, die dem Charakter des Verfalles der
antiken Kunst an sich haben, ein besonderes Gewicht legte. Daher sind die
Antiken nur einseitig vertreten, die Ägineten1, die Niobiden, die Karyatiden vom Erechtheion, ganze
Göttercharaktere fehlen ganz. Im Mittelalter sieht es noch schlechter aus. Weder
die Pisanos, noch Michel Angelo ist auch nur mit einem Stücke
vertreten. Ich glaube, daß keine Akademie in Europa einen
solchen Mangel an Materiale hat.
Die Akademie, die jetzt keine
Mitglieder mehr hat im früheren Sinn, von diesen daher keine Geschenke mehr
empfängt, ist auf nichts als den Staat und die sonstigen Fonds
angewiesen.
Für Zwecke des Kunstunterrichtes ist nie auf
der Akademie eine
Sammlung angelangt, noch darauf gedacht worden.
In
Wien besitzt allein der unschätzbare leider so wenig
benützte Kunstkenner Herr Direktor J[osef]
D[aniel] Böhm eine für die Zwecke des Unterrichtes geordnete
Sammlung, die auch von allen Kunstfreunden Deutschlands rühmlichst anerkannt wird.
Daher kommt auch
vorzüglich die oberflächliche Kunstbildung im hiesigen Künstlerstande.
Woher
hätte sie auch kommen sollen, wenn die erste Akademie der österreichischen Monarchie die Thüren des
Ghiberti nur in Fragmenten
besitzt, den Giotto und Michel Angelo ignorieren konnte? Wenn solche
Zeichen der mangelnden Bildung einer solchen Anstalt aufgeprägt waren, die
berufen wäre, der Hort und Träger derselben zu sein, woher hätte diese kommen
sollen? Woher hätte sie kommen sollen in einer Kupferstichsammlung, die mehr als
die Hälfte aus durchaus verwerflichen, unbrauchbaren Stichen besteht, welche im
Interesse des Geschmackes längst hätten daraus entfernt werden müssen, während
sie die Jugend tagtäglich, als wäre sie eine Quelle der Weisheit und des
Geschmackes, hastig einschlürft?
Im Nachfolgenden erlaube ich mir die
Anträge zu formulieren, bitte aber jeden Antrag nur als Aufschrift
oder Titel eines Programmes zu betrachten, der ausgefüllt
werden wird, sobald Euer Excellenz die in denselben ausgesprochenen Grundsätze werden genehmigt haben.
Da ich von dem
Gedanken abstrahiere, daß auf der Universität je eine solche Sammlung errichtet
werden könnte, sondern den von Euer Excellenz gnädigst ausgesprochenen Grundsatz
adoptiere, daß es besser sei, an einer Anstalt ein vollkommen
zureichendes Materiale herzustellen, als an zwei Anstalten etwas
Unvollständiges zu haben, so beziehen sich sämmtliche Vorschläge allein
auf die Sammlungen der Akademie.
I. Unter den akademischen Sammlungen nimmt die Bibliothek die
erste Stelle ein. Sie enthält außer einer Büchersammlung zahlreiche
Kupferstiche, Radierungen, Lithographien und Handzeichnungen. Sie genügt aber
weder den Bedürfnissen der Zöglinge der Akademie noch den der
Professoren; am wenigsten aber ist sie geeignet zur Benützung für
wissenschaftliche Vorlesungen. Um sie diesen Bedürfnissen anzupassen, müßte
sie
Erstens, von Seite des hohen Ministeriums
für eine Fachbibliothek erklärt werden, und ihre Ankäufe
müßten auf jene Werke beschränkt werden, die für die verschiedenen Zweige der
Kunst und Kunstwissenschaft von erheblichem Interesse sind.
Zweitens. Da weder auf der Akademie der bildenden Künste
noch auf der Universitätsbibliothek auch nur die nothwendigsten Werke2 für
Archäologie – die antike sowohl als mittelalterliche – vorhanden sind, es aber
der ausgesprochene Wunsch eines hohen Ministeriums
ist, daß Archäologie von Lehramtskandidaten gepflegt werde, so würde ich bitten
die für Bücherankäufe der akademischen Bibliothek bestimmte Summe um einen
bestimmten zum Ankauf archäologischer Werke ausschließlich zu verwendenden
Betrag zu erhöhen.
Drittens. Unterfertigtem zu gestatten
aus der vorhandenen Sammlung von Kupferstichen, Radierungen und Lithographien
eine passende Auswahl zu Zwecken des kunstgeschichtlichen und archäologischen
Unterrichtes zu machen. Die Bibliothek, wie sie jetzt geordnet ist, kann zum
Behufe der Vorlesungen nur schwer benützt werden. Da die Kupferstiche in den
verschiedensten Portefeuilles in alfabetischer Ordnung liegen, so braucht man
stundenlangen Herumsuchens, um für eine Vorlesung das Material zu
ordnen.
Diese Sammlung, welche natürlich einen Theil der Bibliothek bilden
würde, geordnet nach kunsthistorischen Grundsätzen, würde gewißermaßen eine Geschichte in Bildern, eine illustrierte Kunstgeschichte
bilden und der akademischen Jugend von größtem Nutzen sein. Diese wäre in den
Stand gesetzt, Kunstgeschichte praktisch durcharbeiten zu können und bei
Betrachten von Stichen nicht so dem Zufalle Preis gegeben [zu] sein, als es
jetzt der Fall ist.
Für die praktisch-demonstrativen Vorlesungen für die
Universität wäre eine solche eine conditio sine qua non, und deswegen bitte ich,
mich sogleich zu Anlage einer solchen Sammlung zu ermächtigen. Früher kann von
solchen Vorlesungen keine Rede sein.
Es wäre ohnedem die angestrengte Arbeit
von 6–8 Monaten nothwendig, um aus dem vorhandenen Stoffe eine solche Sammlung
anzulegen. Bei dieser Gelegenheit sähe man auch deutlich, was der
Kupferstichsammlung mangelt, um Unterrichtswecken zu genügen, und es könnte dann
auch am besten Abhülfe getroffen werden.
Viertens. Bitte
ich, in solange als ich als Universitätslehrer auf das Materiale der Akademie angewiesen bin, der
Bibliothekscommission beigezogen zu werden, um die Bedürfnisse für meine
Vorlesungen mit Nachdruck geltend machen zu können. Jetzt ist niemand dabei, der
die Interessen der Kunstgeschichte vertrete.
II. Was die Sammlung der Gypsabgüsse an der k.k. Akademie betrifft, so
glaube ich in diesem Moment, so unvollständig dieselbe auch ist, jedes
Vorschlages enthalten zu müssen. Die Herstellung eines Museums von Gypsabgüssen
hängt mit dem Bau einer neuen Akademie so innig zusammen, daß, bevor nicht an
einen Neubau gedacht wird, Anträge der Art in jeder Beziehung verfrüht werden
[sic!], daß aber bei einem Neubaue an eine historisch geordnete Sammlung von
Gypsabgüssen gedacht werden muß, versteht sich umso mehr von selbst, als jetzt,
wo die Gypsabgüsse nur in sehr untergeordnetem Grade zum eigentlichen
Kunstunterrichte dienen, beim Ankauf und der Aufstellung von Gypsabgüssen
historische Gesichtspunkte vorwalten müssen.
Unterdessen könnte eine im
früheren Punkte beantragte Sammlung von Kupferstichen etc., historisch geordnet,
den Abgang einer vollständigen Gypsfigurensammlung einigermaßen
ergänzen.
III. Zu dem Zwecke eines kunstgeschichtlichen und
kunstarchäologischen Unterrichtes erscheint Unterfertigtem die Herstellung von Wandkarten in hohem Grade zweckmäßig. Solche
Wandkarten würden enthalten
a) einfache Grundrisse von
Gebäuden, Kirchen, Tempel, Theater, Thesauren etc.
b) einfache
Charakteristiken der verschiedenen wesentlichen Ornamente, der wichtigsten
Gefäße, (nach ihren Gattungsbegriffen) der verschiedenen Arten und Mauern etc.
Sie würden dem archäologischen Unterrichte Anschaulichkeit und erhöhte
Deutlichkeit geben und sich anlehnen und verbinden lassen mit den Bedürfnissen
der Architekturschule. Es scheint wohl auch am zweckmäßigsten, solche Tafeln
unter den Professoren der Architekturschule und meiner Leitung von Zöglingen der
Schule anfertigen zu lassen.
IV. Von höchster Wichtigkeit für die
Kunstschule und den Kunstunterricht erscheint eine Benützung der Kräfte der
Pensionäre für dieselben. Jetzt liegen diese Kräfte ganz unbenützt. Wird einem
Oesterreicher ein Reisestipendium zutheil, so steht dieser, sei er nur Maler
oder Architekt, ganz außer allem geistigem Verbande mit der Heimat, sobald er
die österreichische Gränze überschritten hat. Es ist ein einziges Mal der
Versuch gemacht worden, die Pensionäre in Rom für Zwecke
der Akademie zu
verwenden. Der Versuch mißlang. Er wurde unpraktisch angefangen und blieb daher
ohne wesentliches Resultat.
Der Versuch würde aber sogleich gelingen, wenn
man sich ein bestimmtes in engere Gränzen gezogenes Programm stellen würde. Die
wesentlichsten Gesichtspunkte bei demselben sind
a) Herstellung einer
Sammlung, ähnlich der Ramboux’s in Düsseldorf, mit den Kräften der Maler
b) Aufname von
Gebäuden der jüngeren Architektur zum Zwecke der Architekturschule, wie es z. B.
in Venedig jetzt der Fall ist. Solche Aufnamen kämen dann
von selbst auch dem Kunstunterrichte zustatten.
Vorbedingung einer solchen Benützung der Pensionäre wäre Herstellung
eines vollständigen Programmes, kluges Vertheilen der Aufgaben nach den Kräften
derselben und strenge Kontrolle der Leistungen derselben.
Ich bin überzeugt,
daß ein solches Benützen jüngerer Künstlerkräfte, auch in sehr bescheidenen
Gränzen, mit dem größten Beifalle aufgenommen würde.
Frankreich, Spanien,
Venedig u. s. f., insbesondere aber
Frankreich, haben seit Jahrzehnten schon einen solchen
Gebrauch von Künstlern gemacht.
In Oesterreich steht
Akademie und Staat außer aller regelmäßigen Verbindung mit den Pensionären. Dem
Zufalle preisgegeben, von Niemandem kontrolliert, ohne bestimmte Aufgabe den
starken deprimierenden Eindrücken so bedeutender Werke überliefert, wie sie in
Italien zahlreich sich finden, leisten sie höchst selten,
was sie leisten könnten, und gehen in der Regel unter. Ein solches Verfahren
oder vielmehr ein solches Gehenlassen unserer besten Kräfte findet nur in
Oesterreich statt und wird nur von der Wiener
Akademie geduldet. Wie
anders wäre es, wenn ein geistiges Band den Oesterreicher im Ausland mit seinem
Vaterland verknüpfte, welche Anregung für den Künstler, welch Interesse im
Publikum würde wachgerufen! So – ist der ins Ausland geschickte Künstler der
Vergessenheit, die fast gleich kommt dem moralischen Tode, preisgegeben.
Mir
scheint es, daß das System eines auf vernünftige Basen gestellten Unterrichtes,
wie es durch Euer Excellenz in so vielen Zweigen desselben geschehen ist, nicht
unwürdig ergänzt würde durch eine lebendige Verbindung der Pensionäre mit dem
ersten Kunstinstitute der Monarchie.
V. Bitte ich um
Zusammensetzung einer Kommission zur Prüfung dieser Vorschläge, der
gegenüber es mir gestattet würde, diese Vorschläge im Detail darzulegen und zu
begründen.
Es würden sich an dieser Commission Mitglieder der Akademie und der Universität betheiligen und ohne irgend
Euer Excellenz Ermessen vorgreifen zu wollen, würde ich mir erlauben, von Seite
der Akademie die Herren
Direktoren Ruben und Prof. van der Nüll, von Seite der
Universität die Herren
Professoren Bonitz und Jäger in Vorschlag zu bringen.
Es würde
der Kommission gewiß ebenso zur Ehre als der Verhandlungen zum Nutzen gereichen,
wenn Euer Excellenz gestatten würde, daß Herr Graf Franz Thun den Vorsitz
übernähme.
Auch fühle ich mich verpflichtet darauf hinzudeuten, daß der
Konzipist Herr Dr. G[ustav]
Heider
, als besonders vertraut mit den Verhältnissen der
Bibliothek, bei dieser Kommission vorheilhaft mitwirken könnte.
Indem ich
mir erlaube wiederholt darauf hinzudeuten, daß diese Vorschläge nur in kürzester
Kürze hingestellt sind und erst im Laufe der Verhandlungen detailliert werden
sollen, bitte ich gütigst dieselben Ihrer Aufmerksamkeit würdigen zu wollen. Mit
dem Ausdrucke tiefster Verehrung
Euer Excellenz
ergebenst
R. von Eitelberger
k.k. a.o. Professor
Wien, 1. Jänner 1853
Euer Exzellenz
hatten die Gewogenheit, den Bericht des Professor von Eitelberger über Herstellung des Lehrmaterials
für seine Vorlesungen meiner Begutachtung zu unterziehen. Diesem hohen
Auftrage nachkommend, habe ich denselben mit aller Aufmerksamkeit geprüft
und entledige mich desselben, indem ich mir erlaube, im Nachstehenden meine
Ansichten darüber Euer Exzellenz vorzulegen.
1) Es ist vollkommen wahr,
was der Berichterstatter über
die bisherige Verwendung der Fonds bei Anschaffungen für die Bibliothek
sagt, insoferne er diejenigen Ankäufe darunter versteht, welche vor dem
Antritt meines Amtes gemacht wurden. Seitdem ich die Ehre habe der Akademie vorzustehen,
sind fast gar keine Anschaffungen für die Bibliothek gemacht worden, außer
den Fortsetzungen schon früherer aquirirter Werke. Ich habe diese
Einstellung der Ankäufe aus keinem anderen Grunde angeordnet, als dem, bei
künftigen Anschaffungen nach einem festen Plane vorzugehen. Bis jetzt war es
mir aber noch immer nicht möglich eine planmäßige Vorlage für diesen Zweck
dem hohen
Ministerium zu unterbreiten, weil ich mit der besseren
Organisirung der Schulen noch zu sehr in Anspruch genommen bin und mich um
die Bibliothek noch zu wenig interessiren konnte.
2) Gegen die Erhöhung
des Fonds für künftige Einkäufe der Bibliothek habe ich nicht nur nichts
einzuwenden, sondern finde dieselbe sehr wünschenswerth, nur könnte ich es
nicht billigen, wenn für die Zukunft bei den Anschaffungen nur die
Vorlesungen des Professor von
Eitelberger maaßgebend würden, weil die Künstler sich noch in
ganz anderen Zweigen des Wissens zu unterrichten haben und deshalb die
akademische Bibliothek nicht nur für archäologische und kunstgeschichtliche
Studien vorhanden sein kann. Eine wohlgeordnete Bibliothek ist für jeden
Zweck zu benützen, und dasselbe gilt auch bei Kupferstichsammlungen. Es ist
daher vor allem nothwendig, daß die Sammlungen der Akademie nach einem
festen Plane geordnet werden und daß eine Kommission zu diesem Zwecke
bestimmt werde, der natürlich auch Professor von Eitelberger beizugeben wäre.
3) So
wünschenswerth es für die Akademie auch wäre, in dem Besitze einer vollständigen
Sammlung von Gypsabgüssen zu sein, die in kunsthistorischer Beziehung nichts
zu wünschen übrig ließe, so könnte die Akademie doch nie darein
willigen, daß eine solche Sammlung so aufgestellt würde, wo nur die
historischen Rücksichten beobachtet wären. Die Akademie bleibt vor allem
eine Lehranstalt, wo junge Künstler praktisch unterrichtet werden und nach
dem Besten ohne Rücksicht auf den historischen Werth ihre Studien machen
müssen. Aus diesem Grunde können daher bei Aufstellung der Gypssammlung nur
solche Rücksichten beobachtet werden, die es dem jungen Künstler möglich
machen, seinen Geschmack und seine Fertigkeit im Nachbilden der Formen etc.
zu üben.
4) Gegen die Verfertigung von Wandtafeln, wie sie von Eitelberger vorschlägt, habe ich
nichts einzuwenden, indem sie nicht allein lehrreich, sondern auch für die
Schüler der Architekturschule eine Gelegenheit nützlicher Beschäftigung
sind.
5) Der Vorschlag, die Pensionäre der Akademie in Zukunft zu
benützen zur Hervorrufung einer Sammlung von Handzeichnungen, gehört
eigentlich nicht hierher und dürfte wohl erst dann seine Erledigung finden,
wenn die Stipendien und Pensionen in Verhandlung kommen.
6) Dem
Verlangen des Berichterstatters um Einsetzung einer Kommission zur
Begutachtung seiner Vorschläge trete ich insoferne bei, als diese Kommission
unter dem Vorsitz des Grafen
Franz stattfinden soll, in Beziehung der übrigen
Zusammensetzung derselben halte ich es aber für wünschenswerth, daß diese
Kommission nur aus Mitgliedern der Akademie und Universität bestehe, und zwar für
beide Körper in der gleichen Anzahl.
Euer Exzellenz haben auszusprechen
geruht, daß es besser sei an einer Anstalt das Materiale zu sammeln, statt
durch Zersplitterung der Kräfte nirgends etwas Ganzes zu schaffen. Auch ich
theile diese Ansicht und bin überzeugt, daß das vorhandene Materiale der
Akademie mit
geringen Kosten so herzustellen ist, daß es auch der Universität den gleichen Nutzen
schaffen kann wie der Akademie. Die Akademie ist nicht so arm in ihren Sammlungen, wie Eitelberger sie schildert, sondern
er ist bei dieser Schilderung in denselben Irrthum gerathen, in den beinahe
jeder verfällt, der mit Begeisterung an seine Aufgabe geht und diese allein
im Auge hat.
Indem ich diese Bemerkungen Euer Exzellenz übergebe, füge
ich den Ausdruck meiner innigsten Verehrung hinzu, womit ich zu sein die
Ehre habe
Euer Exzellenz
ergebenster
Ch. Ruben
Wien, den 20. Jänner 1853