Julius Ficker an Leo Thun
Innsbruck, 28. April 1854
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Regest

Der Historiker Julius Ficker teilt Leo Thun mit, dass ihm bisher kein Ruf von der Universität Bonn zugekommen sei. Leo Thun hatte Ficker nämlich über eine mögliche bevorstehende Berufung nach Bonn befragt. Ficker wusste zwar, dass er als Kandidat für die Nachfolge von Joseph Aschbach im Gespräch war, aber er ging davon aus, nicht berücksichtigt zu werden. Zudem habe er sich nicht um die Verleihung der Stelle bemüht, da er in Innsbruck zufrieden sei. Sollte er aber tatsächlich einen Ruf nach Bonn erhalten, so will Ficker zunächst die genauen Umstände und Angebote klären, bevor er sich endgültig entscheiden werde. Derzeit hat er zwar nicht die Absicht Österreich zu verlassen, allerdings erscheint ihm die Aussicht, an seiner alten Wirkungsstätte in der Heimat lehren zu können als sehr anregend. Zuletzt berichtet Ficker von seiner Reise nach Italien und den Recherchen in unterschiedlichen Archiven: Die Türen des Vatikanischen Archivs blieben ihm zwar verschlossen, dafür hat er in anderen Städten interessante Funde gemacht. Besonders zur Geschichte Ludwigs des Bayern hat er viel Material gesammelt.

Anmerkungen zum Dokument

Eh. Konzept von Julius Ficker.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DC44-1

Schlagworte

Edierter Text

Innsbruck, 54. April 28.

Euer Exzellenz

Gnädiges Schreiben vom 4. des Monats1, das mir wegen meiner Abwesenheit von hier erst in den letzten Tagen zukam, hat mich höchlichst überrascht, da mir über meine Berufung nach Bonn, die darin in Aussicht gestellt, bis jetzt keinerlei Mittheilung von Seiten der preußischen Regierung zugekommen ist und ich, wenn mir gleich bekannt war, daß ich zu den von der Bonner philosophischen Fakultät für die durch die Berufung des Prof. Aschbach erledigte Professur vorgeschlagenen Kandidaten gehörte, allen Grund hatte zu vermuthen, daß ich bei der Besetzung jener Stelle nicht würde berücksichtigt werden. Denn da ich mit meiner hiesigen Stellung durchaus zufrieden war und es keineswegs in meinem Wunsche lag, dieselbe mit einer anderen zu vertauschen, so unterließ ich nicht allein selbst, trotz mehrfacher Aufforderung von Freunden und Verwandten, jede direkte oder indirekte Bewerbung um jene Stelle, sondern bat auch diejenigen von ihnen, die in dieser Beziehung etwa Einfluss haben könnten, keinerlei Schritte für mich zu thuen. Daß mir dennoch die Stelle würde angeboten werden durfte ich um so weniger erwarten, da mir, worauf schon bei dem Vorschlage der Bonner Fakultät, wie ich höre, hingewiesen wurde, bei meiner verhältnismäßig sehr günstigen Stellung an der hiesigen Universität hätten Anerbiethungen gemacht werden müssen, die diejenigen weit übertrafen, welche, wie ich aus verlässlicher Quelle erfahren, die preußische Regierung für jene Stelle zu machen gedachte.
Sollte mir nun wie ich nach Euer Exzellenz gnädigem Schreiben annehmen darf, die Professur zu Bonn hier angetragen werden, so würde ich allerdings, um einen weitern Entschluß zu fassen, abzuwarten haben, welche Anerbietungen mir gemacht werden, und würde sobald dieses geschehen, nicht verfehlen, Euer Exzellenz nähere Mittheilung zu machen. Für jetzt gestehe ich Euer Exzellenz unumwunden, daß es allerdings nicht in meinem Wunsche liegt, Innsbruck und Österreich zu verlassen und zwar um so weniger, als ich aus der überaus und anerkannt[?] gütigen Weise, in der mir Euer Exzellenz Ihren damit übereinstimmenden Wunsch zu erkennen geben, glaube schließen zu dürfen, daß ich mich des fortdauernden Wohlwollens und Vertrauens Euer Exzellenz, dem ich zunächst meine jetzige Stellung verdanke und das mir zu erhalten mein unausgesetztes Streben sein wird, zu erfreuen habe. Wenn ich aber die Stelle in Bonn nicht gesucht habe, so weiß ich doch kaum, ob ich gerade diese Stelle, wenn sie mir unter annehmbaren Bedingungen angeboten würde, ausschlagen dürfte, da es sich um die Heimath und um eine Stellung handelt, die dem Gange meiner früheren, vorzugsweise provinzialgeschichtlichen Studien mehr, als irgendeine andere angemessen wäre, eine Stellung zugleich, die mir für meine wissenschaftliche Ausbildung Hülfsmittel böte, die ich hier, wenn auch nicht für den Augenblick, doch vielleicht auf die Dauer schwerlich vermissen würde, wo ich es dann bereuen müsste, dem Rufe an eine größere Lehranstalt, der mir schwerlich sobald wieder geboten werden dürfte, nicht gefolgt zu sein. Manches würde dabei freilich von der Art und Weise abhangen, in der mir die Stelle angeboten würde, und ich muß mich daher vorläufig damit begnügen, gehorsamst zu erklären, daß ich dem so gnädig ausgedrückten Wunsche Euer Exzellenz [?] gewiß nachkommen werde, wenn ich das Ausschlagen jener Stelle vor mir selbst und vor meinen Freunden in der Heimath irgendwie durch stichhaltige Gründe werde rechtfertigen können.
Gleichzeitig ergreife ich diese Gelegenheit, Euer Exzellenz nochmals meinen aufrichtigen Dank für den während des vergangenen Wintersemesters gnädigst gewährten Urlaub auszusprechen, den ich nach Kräften für mich nutzbringend zu machen gesucht habe. War es mir schon für meine Vorträge von großem Werth, wie für andere Arbeiten die Hauptpunkte Italiens und Venedig bis Syracus durch eigene Anschauung kennen zu lernen, so konnte ich außerdem eine nicht unbedeutende Ausbeute von historischen Materialien nach Deutschland zurückbringen. Gelang es mir auch zu Rom trotz der bereitwilligst gewährten und nachdrücklichen Unterstützung des k.k. Gesandten nicht, meinen Hauptzweck, eine ausgedehntere Benützung des vatikanischen Archivs, wie sie wohl früher einzelnen Historikern gewährt wurde, zu erreichen, so fand ich doch auf mehreren dortigen Bibliotheken, wie auf den Archiven und Bibliotheken zu Venedig, Florenz, Pisa, Neapel und Palermo hinreichende und lohnende Beschäftigung. Die Hauptmasse meiner Ausbeute, welche die Zeit Kaisers Ludwig des Baiern betrifft, denke ich später als Theil einer größeren Arbeit über jene Zeit Euer Exzellenz vorlegen zu können. Anderes, das zum großen Theil die österreichische Geschichte betrifft, denke ich der k.k. Akademie der Wissenschaften in nächster Zeit zu eventueller Bekanntmachung vorlegen zu können.

Mit größter Hochachtung