Der Geologe Franz Foetterle äußert sich zur verordneten Zusammenlegung
der Geologischen Reichsanstalt mit der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften. Foetterle glaubt nicht, dass eine solche Vereinigung
sinnvoll wäre. Als wesentliche Hindernisse bezeichnet er die vollkommen
verschiedenen Aufgaben und rechtlichen Stellungen der beiden
Institutionen: Während die Reichsanstalt eine praktische und technische
Anstalt sei, die vor allem für die Industrie verschiedenartigste Fragen
zu lösen habe, stelle die Akademie der Wissenschaften eine selbstständige
Körperschaft dar, welche die Wissenschaft durch Forschungen ihrer
gewählten Mitglieder fördere. Der Zweck der letzteren sei "die reine
absolute Wissenschaft". Er spricht sich daher gegen eine Vereinigung aus
und hebt die wichtige Rolle der Reichsanstalt hervor.
Auch in einem
beigelegten Auszug aus einem Schreiben des Geologen Hans Geinitz aus
Dresden an die Geologische Reichsanstalt wird die geplante Auflösung der
Geologischen Reichsanstalt kritisiert. Geinitz kann sich den Plan nur
durch falsche Informationen und Neid erklären. Er drückt dem Direktor
der Anstalt, Wilhelm Haidinger, seine innigste Anteilnahme aus.
In
einem weiteren Dokument finden sich handschriftlichen Notizen Leo Thuns,
die die Aufgaben und die Bedürfnisse der Geologischen Reichsanstalt
zusammenfassen.
Abschrift.
Das Gutachten war ursprünglich wohl dem Brief Otto Hingenau an Leo Thun. o. O., 20. Juni 1860 beigelegt.
Eigenhändige handschriftliche Notizen von Thun. Diese sind im Nachlass fälschlicherweise der Signatur A3 XXI D583 zugeordnet worden.
Copia
Nach der allerhöchsten Entschließung vom 2. Juni dieses Jahres1 ist die k.k. geologische Reichsanstalt mit
der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften vereinigt und hat bis zur Vollendung der
geologischen Durchforschung eine Abtheilung derselben zu bilden. Nach dem
Verlaute des Erlasses des k.k.
Ministeriums des Innern vom 7. Juni bleibt es die Aufgabe dieser
Abtheilung, die geologische Durchforschung der Monarchie mit thunlichster
Beschleunigung zu vollenden und überhaupt die Lösung der der k.k. geologischen Reichsanstalt
durch die allerhöchste Entschließung vom 15. Nov. 18492 vorgezeichneten Aufgaben anzustreben. Diese
bestehen aber, wie aus den Beilagen ersichtlich, nicht bloß aus der
Durchforschung des ganzen Kaiserreiches, sondern in der Anlage des Museums für
geologische, mineralogische und paläontologische Vorkommnisse Oesterreichs, in dem Fortbestande eines
Laboratoriums zur Untersuchung von Bodenarten und Gesteinen, Erzen und
Hüttenprodukten etc., in einer Aufstellung von Hüttenprodukten, Veröffentlichung
der geologischen Aufnahmskarten, der Abhandlungen über die Erfolge von
Aufnahmen, also Herausgabe von Publikationen. Wie die Aufgabe innerhalb des
bisherigen Bestandes der Anstalt gelöst wurde, zeigt die Ansprache des Hofraths
Haidinger in der Sitzung vom
22. Nov. 1859.
Die k.k. geologische
Reichsanstalt hatte bei ihrer Gründung aber auch höchst wichtige
Aufgaben erhalten, Jedermann alle jene Aufschlüsse, Mittheilungen und
Rathschläge zu ertheilen, welche aus der staats- und volkswirthschaftlichen
Richtung und aus dem Wirkungskreise derselben abgeleitet werden können. Wie sehr
dieser Theil der Aufgabe von allen Seiten benutzt wurde und wird, zeigen die
fast täglichen zahlreichen stattfindenden Ersuchen um Untersuchung und
Beurtheilung der Bodenbeschaffenheit einzelner Privatgüter, Untersuchung von
Privatbergbauen auf Zweckmäßigkeit der Bauführung, Ertragsfähigkeit des
Bergbaues, Aufschürfung von Erzlagerstätten, Steinkohlenflötze, Auffindung von
Bausteinen, Ziegelmaterialien, feuerfesten Thonen, um Untersuchung und Analyse
von Erzen, Mineralien, Mineralwasser etc.
Nicht bloß der Öconom, sondern
auch der Techniker und Montanindustrielle sah und fand bisher in der k.k. geologischen Reichsanstalt
das Institut, welches von der Staatsverwaltung hingestellt wurde, um ihm die
Möglichkeit zu biethen, sich ein wichtiges durch wissenschaftliche Grundlage
gesichertes [sic!], von jedem materiellen Gewinn oder Schaden unabhängige auf absolute
Wahrheit gestützte Ansicht über sein Eigenthum, sein industrielles Unternehmen
zu verschaffen. Bei den ungeheuren Kapitalien, welche bei dieser Abtheilung der
Volkswirthschaft stecken, eine nicht zu bezahlbare Einrichtung, die auch
allgemein anerkannt und benützt wurde, nicht bloß in der Haupt- und
Residenzstadt, sondern auch außerhalb derselben nach allen Richtungen der
Monarchie. Die k.k. geologische
Reichsanstalt hat demnach vorzugsweise eine praktische für
Industrie und Ackerbau wichtige Richtung und Stellung, welche aufzugeben von der
Privatindustrie als ein beklagenswerther Schritt bezeichnet werden müßte. Bei
den Arbeiten, welche durch diese Anstalt ausgeführt werden, ist die Wissenschaft
das Mittel nicht der Zweck. Bei ihr bildet die Geologie die Grundlage eben so
wie bei dem Mappeur und Feldmesser die Geometrie, bei dem Mechaniker die
Mathematik, bei dem Hüttenmann die Chemie usw. Mit Hülfe der Geologie gelangt
der Geologe zur Kenntnis des Bodens, der einzelnen Gebirgsbildungen, der
Beschaffenheit des Gesteins, seiner Erz und Flötzführung, der
Lagerungsverhältnisse, welches alles ihm die Möglichkeit der Bearbeitung, der an
ihn in dieser Richtung gestellten Fragen möglich macht. Die Kenntnis des
Montanwesens ist bei ihm Bedingung, da gerade durch den Bergbau manche sicher
einschlägige Fragen zu lösen sind. Die k.k. geologische Reichsanstalt ist daher nicht bloß eine
wissenschaftliche, sie ist auch und vorzugsweise eine technische
Anstalt.
Anders verhält es sich bei einer Akademie der Wissenschaften.
Diese ist eine gelehrte Körperschaft, welche die Bestimmung hat, die
Wissenschaft durch selbstständige Forschungen ihrer Mitglieder zu fördern. Sie
hat nur wissenschaftliche Gutachten abzugeben, keine technischen Fragen zu
lösen. Ihr Zweck ist die reine absolute Wissenschaft, ihre Mittel die einzelnen
Zweige derselben. Ihre Stellung zur Staatsverwaltung, die einer selbstständigen
Körperschaft, welche ihre Mitglieder selbst wählt, sie besitzt keine Sammlungen,
sie hält bloß Versammlungen, schreibt Preise aus für wissenschaftliche Fragen
und veröffentlicht gelehrte Schriften. Wie verschieden ist dies von einer
technischen, administrativen Anstalt, welche technisch wichtige Fragen und
Gegenstände behandelt, dem Staate und Privaten technische Fragen löst, aus
Staatsbeamten besteht, welche ernannt und nicht durch Stimmenmehrheit gewählt
werden.
Eine Vereinigung könnte daher nur in so ferne gedacht werden, als
die Akademie der
Wissenschaften die wissenschaftlichen Resultate der geologischen
Forschung zur Kenntnis nehmen und der Veröffentlichung zuführen könnte. Jede
weitere Verschmelzung müßte zur gänzlichen Auflösung der Anstalt, zum Aufgeben
der Zwecke, für welche sie besteht, zum Auflassen der Sammlungen
zuführen.
Ihre Dotation muß eine festgesetzte sein und
nicht eine von den Schwankungen anderer Ausgaben der Akademie abhängig, will man
erreichen, was man bezweckt. Ihre Leitung muß von einem Staatsbeamten ausgehen und unabhängig von der Willensmeinung einer
unabhängigen Körperschaft, will man der Industrie und dem Ackerbau Vertrauen
einflößen und sie nicht in den Nimbus der abstracten Wissenschaft verscheuchen.
Ihre executive Organe müssen Staatsbeamte bleiben und nicht
durch den oft influencirten [?]3 einer Körperschaft abhängig
gemacht werden, soll das Vertrauen der Industriellen und der Privaten, die ihren
Rath in Anspruch nehmen, ein vollständiges unzweifelhaftes sein. Nur hiedurch
wurden sie bisher in entscheidenden Fällen von der gewinnsüchtigen Speculation
von Industrierittern geschützt und bewahrt.
In den Sammlungen der Anstalt
liegt ein großer Nationalreichthum, nicht bloß materiell, sondern auch geistig.
Sie repräsentiren die Beschaffenheit der Monarchie im Kleinen; jeder, der sich
über den Zustand eines Stück Landes in der Monarchie unterrichten will, Fachmann
oder Laie, findet hier an der Hand eines Custos die gewünschte Antwort durch
eigene Anschauung der Gegenstände. Eine Auflassung dieser Sammlungen hieße den
Staat um einen großen physischen und moralischen Schutz berauben.
In dem
Laboratorium steht es Jedermann frei, alle Erdarten, Erze, Wasser etc.
untersuchen zu lassen. Wien hat zwar eine Anzahl von
Laboratorien, allein sie sind den Lehrzwecken gewidmet. Die große Anzahl der
Untersuchungen zeigt das Bedürfnis derselben; ein Aufgeben desselben, das dem
Staate höchstens 2.000 fl jährlich kostet, hieße der Industrie eine bedeutende
Wohlthat entziehen.
Alles diese müßte jedoch erfolgen, wird eine Vereinigung
der Anstalt mit der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften eine vollständige sein, – würde ihr ihre Dotation,
ihre selbstständige Leitung, ihre Abhängigkeit von der Staatsverwaltung entzogen
– daher läßt sich nur eine Vereinigung in wissenschaftlicher Beziehung
denken.
Wien, 15. Juni 1860
Foetterle mp
Aus einem Schreiben des Professor Dr. H[ans] B[runo] Geinitz in Dresden an ein Mitglied der k.k. geologischen Reichsanstalt vom 19. Juni 1860.
Mit wahrer Betrübnis hatte ich die Trauernachricht von dem Aufhören oder
vielmehr von dem Todschlage der in ihrem kräftigsten Jünglings- oder
Mannesalter stehenden k.k.
geologischen Reichsanstalt vernommen. Nur Neid und Furcht können zu diesem Schritte
Veranlassung gegeben haben, da man unmöglich die segensreichen Wirkungen
dieser höchstachtbaren Anstalt verkennen kann und dies am wenigsten der Ort
ist, wo man das Sparsystem beginnen sollte. Man nimmt den materiellen
Nutzen, welchen die Anstalt bereits gebracht hat, und noch bringen muß, im
reichsten Maaße, immer gern hin, aber man scheint ihren geistigen Einfluß zu
fürchten oder nicht zu wünschen.
Der vortreffliche Haidinger muß tief ergriffen sein,
und kann der innigsten Theilnahme aller Männer der Wissenschaft, die ihn
dankbarst verehren, versichert sein.
Zwecke
1. Durchforschung des Kaiserreichs
2. Museum für geologische,
mineralogische und paläontologische Vorkommnisse Österreichs
3. Chemisches Laboratorium zur Cultivierung
von Bodenarten: Gestein, Hüttenprodukte etc.
4. Aufstellung von
Hüttenprodukten
5. Publikation von geologischen Karten
6.
Publikation von Abhandlungen
Rath von Privaten
für sie wissenschaftliche Mittel aber praktischen
Zweck, deshalb angestellt, besoldete Beamte nothwendig
Akademie
selbstständige Körperschaft, Verein von Gelehrten mit absolut
wissenschaftlichem Zweck
Die geologische Anstalt braucht:
1. gesicherte Dotation
2. Leitung
eines Beamten
3. Beamte als exekutive Organe
[?]
Wichtigkeit der
Erhaltung ihrer Sammlung