Wilhelm Haidinger an Leo Thun
Wien, 31. März 1857
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Regest

Der Geologe Wilhelm Haidinger bittet Leo Thun um finanzielle Unterstützung für den erkrankten Botaniker Josef Maly aus Graz. Haidinger betont, dass sich Maly mit seinen Forschungen stets für sein Vaterland aufgeopfert habe, nun sei er umgekehrt auf die Hilfe des Staates angewiesen. Haidinger selbst will Maly auch helfen und als Direktor der Geographischen Gesellschaft eine Unterstützung dieses Vereins erwirken. Thun könnte jedoch als Minister dem Professor ein Gnadengehalt gewähren und damit beweisen, dass Österreich seine verdienten Persönlichkeiten auch in der Not unterstützt.

Anmerkungen zum Dokument

Als Beilage ist dem Brief ein gedrucktes Schreiben von Ludwig Heufler beigelegt, in dem die Lage Josef Malys beschrieben und um Unterstützung geworben wird.1

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DBD7-C

Schlagworte

Edierter Text

Eure Excellenz,

Hoffnungsreicher kann ich nicht handeln, als indem ich um Erlaubnis bitte Eurer Excellenz den Ruf um wahre ausgiebige Hilfe für einen um Österreich hochverdienten Mann ehrfurchtsvoll vorlegen zu dürfen.
Ein edler Menschenfreund, Herr k.k. Sectionsrath Ritter von Heufler, hat sich des Herrn Dr. Maly in Gratz in seiner trostlosen Lage warm angenommen. Das Exemplar seines Circularschreibens, welches mir zukam, habe ich die Ehre beifolgend ehrfurchtsvoll vorzulegen. Es enthält die Sachlage besser erörtert, als ich sie hier mit Worten aufzählen könnte.
Aber das ist gewiß, daß ein Mann, der ein Leiter in der vaterländischer Wissenschaft ist, ein Mann, dessen Namen wir im Munde führen, wenn es gilt die Ansprüche Österreichs auf wissenschaftliches Verdienst zu begründen, selbst Anspruch hat auf ausgiebige Hilfe von Seiten der Staatsverwaltung.
Als Präsident der k.k. geographischen Gesellschaft beabsichtige ich heute den Gegenstand in derselben zur Sprache zu bringen. Ich würde nicht wagen dieß zu thun, ohne von meiner gegenwärtigen ergebensten Vorlage Nachricht zu geben. Unterstützungen können wir nicht gewähren, wenn auch eine materielle Anerkennung für wissenschaftliches Verdienst aussprechen.
Aber Eure Excellenz stehen an der Spitze der Facultäten, zu welchen Herr Dr. Maly als ausgezeichnetes Glied gehört, mit dem ausgiebigen Einfluße der demselben in der Gestalt eines fortlaufenden Gnadengehaltes doch das Herbste der Sorge mildern könnten, das vielleicht – bei dem Alter und den Gesundheitsverhältnissen – nicht einmal auf lange Zeit vonnöthen seyn würde!
Einem wohlwollenden Grafen von Thun war einst Dr. Maly für seine Promotion verpflichtet. Möchte es einem andern, welthistorischen, Gliede desselben erlauchten Hauses, Eurer Excellenz beschieden seyn, ihn am Ende eines für unser Österreich rühmlichen Lebens dem Mangel zu entreißen, damit er nicht als ein Beispiel der Schicksale österreichischer Naturforscher in spätern Jahren aufgeführt werden möge.
In der Zuversicht der Erfüllung innigster Wünsche vieler, die selbst gerne helfen würden, wären ihre eigenen Mittel nicht zu sehr beschränkt, wollen Eure Excellenz den Ausdruck der Gefühle tiefster Ehrfurcht wohlwollend genehmigen, mit welchen ich die Ehre habe zu seyn

Eurer Excellenz unterthänigster Diener
W. Haidinger

Wien, den 31. März 1857