Der geistliche Unterrichtsreferent Ignaz Beck fürchtet um seine Stellung bei der Statthalterei in Triest und bittet daher Leo Thun um Auskunft, wie es um seinen Posten bzw. um die Zukunft der geistlichen Referenten bestellt sei. Beck beklagt die unsichere Lage der geistlichen Unterrichtsreferenten und betont, dass er diesen Posten nie angenommen hätte, hätte er um die Situation nach der Revolution von 1848 gewusst. Dann wäre er nämlich in seiner reich dotierten Pfarre in Mähren geblieben, zumal er auch noch für die Kinder seines verstorbenen Bruders und seiner Schwester sorgen müsse. Beck betont aber die Wichtigkeit der geistlichen Schulräte in der gegenwärtigen Situation: Die Geistlichen könnten nämlich Stabilität in die unruhige und angespannte Lage bringen. Beck legt außerdem einige Gedanken zum Verhältnis von Kirche und Staat dar. Er kritisiert schließlich, dass nach der Revolution andere Beamte befördert wurden und Auszeichnungen erhalten hatten, während die geistlichen Referenten trotz ihrer Treue zum Kaiser weitgehend leer ausgegangen seien.
Euer Excellenz,
hochverehrter Herr Graf und Minister!
Gewiß werden es mir Euer Excellenz nicht verargen, wenn ich es in tiefster
Ergebenheit wage, mich in der verhängnisvollen Periode des Überganges aus der Revolutionszeit zur jener der Ordnung, respective
der nächstbevorstehenden politischen Organisirung etc., in Hochdero gnädigstes
Andenken zu bringen, mich ehrerbiethigst in Hochdero Huld und Gnade zu
empfehlen! Es ist gewiß höchst betäubend, wenn ein beinahe sechzigjähriger Beamter des Staates und Diener des Reichs – der durch
35 [Jahre] dem Staate und dem Reiche mit Leib und Seele, mit felsenfester Treue
und liebevollster Anhänglichkeit dem Kaiserhaus gedient – bei den gegenwärtigen
Verhältnissen sozusagen um seine Existenz zittern und bei der unsicheren Zukunft
um sein Stückchen Brot gewissermaßen betteln muß.
Millionen und
Millionenmahl schon habe ich es bereut, meine wunderschöne und reiche Pfarre in
Mähren aufgegeben zu haben und auf einen
Posten gegangen zu seyn, den ich nicht gesucht habe. Drey Monathe überlegte ich,
nachdem ich schon zum Gubernialrathe ernannt war, ob ich gehen oder nicht gehen
soll! Die höchsten Würdenträger und die dem Throne
zunächststehenden Personen redeten mir zu: „der Ernennung zu folgen; es
werde nicht zu meinem Schaden seyn etc.“ Meine mit 600 h Ackerland, Wiesen und
Weingärten, nebst einem bedeutenden Zehend dotirte Pfarre (Herr Minister
Bach
kennt sie, denn er war zweimahl, als er noch Advokateur, mit
andern guten Freunden bei mir!) wäre mir, bei dem jetzigen Stand
der Dinge lieber, selbst viel lieber als jedes noch so fette Bisthum.
Ich dürste nicht nach Reichthümern und Würden und wäre meinestheils auch in einer Klosterzelle zufrieden,
(wo ich ungetheilt Gott und den Wissenschaften dienen könnte), allein leider
fallen mir und meinem Bruder Anton in
Wien 8 unversorgte Waisen (Neffen und Nichten nach
dem Tode Bruder Martin und der Schwester Mann), deren Obsorge wir
übernahmen, zur Last!
Es würde wahrscheinlich „der Revoluzionszeit die Krone aufgesetzt“, wenn man nun die geistlichen
und Studienreferenten zum Lohne für die tausendfältigen Qualen, Distel und
Donner, die sie insbesondere seit dem Jahre 1848 bis nun zu erdulden hatten, wie
ausgequetschte Limonen und tamquam peripsima & quisquilias – ungewissen Leuten zum schadenfrohen Hohngelächter – auf
die Gasse hinauswürfe!
Ich sage dies deshalb, weil sich eine Stimme
hören ließ: „Es sey noch ungewiß, ob bei der künftigen politischen Gestaltung
geistliche und Unterrichtsreferenten bestehen werden; denn die Hierarchie wie
eine gewisse Partei derselben, die man kennt und der die geistlichen und
Studienreferenten ein Dorn im Auge sind, arbeite gewaltig auf
ihre gänzliche Beseitigung."
Ich spreche Euer Excellenz nicht als Cicero pro
domo mea, allein ich sage – und mit mir alle diejenigen,
die es mit dem Staate und der Kirche (distinquendam von
gewissen Hierarchien) wohlmeinen – cum juramento sacro coram
Deo et conscientia: die geistlichen und Unterrichtswesenreferenten sind in
staatlicher und (cultur)kirchlicher Beziehung eine absolute
Nothwendigkeit, umso mehr jetzt bei den Übergriffen und Konflikten, die
schon in publico ecclesiasticis stattfinden und die, si non principiis
obstabitur, in Stürme und blutige Kämpfe zu übergehen drohen. Schon reden
gewisse Hildebrandes von Excomunikationen und Interdicten gegen Souveraine,
Minister und Reiche, selbst gänzliche Entfernung der Cultus- und
Unterrichtsministerien und Übergabe derselben an einen Bischof! Die Kirche (Hierarchie) sey die Sonne, der Staat bloß der Mond – Sol supra Statum lunam. Von dem alten Grundsatz „daß Staat
und Kirche wie die zwey Arme des Leibes einträchtig nach einem Ziele streben sollen“, von dem biblischen Spruche „mein
Reich ist nicht von dieser Welt“ etc. wollen jene hohen
Herren nichts hören! – Nicht wahres Christenthum und
ungeschminkte Frömmigkeit ist (wie dies seyn sollte) ihr Zielpunkt, sed virga
ferrea regiminis Gregoriani!! Ich hoffe der österreichische Staat und Monarch
werde seine Kraft und Würde zu wahren wissen! Man schrie hierarchischer Seite
fortwährend gegen Josephinismus. Warum mußte Kaiser Joseph gegen horrende königliche
Mißbräuche josephinische Maßregeln ergreifen? Warum blieb der
weise Kaiser Franz durch die 42 Jahre
seiner Regierung dabei? Ich fürchte, daß man kaum nach 10
Jahren genöthiget seyn wird, schon von den
dermahligen kirchlichen Conceßionen manches zurückzunehmen! Wann war
denn das goldene Zeitalter der Kirche? Etwa vor
Maria Theresia? Warum trat die fromme
weise Regentin dagegen auf? Das meiste im
Josephinismus ist ja Mariatheresianisch!! Das corpus juris canonici ist
ein corpus controversiarum seit Jahrhunderten und wird es stets bleiben, in
Oestreich
war die
Kirche nicht gedrückt, man sage was man wolle! Einige Reformen waren und sind ohne gänzliche Überstürzung
möglich, aber so, wie die Dinge jetzt stehen, ist der subordinirte Clerus im höchsten Grade unzufrieden. Ich höre
es hundertfältig von allen Seiten und halte es für meine heilige Pflicht, dies
Euer Excellenz, falls es nicht ohnehin bekannt seyn sollte, offen und aufrichtig, wie dies mein Grundsatz ist,
mitzutheilen: „Wir sind jetzt ex leges“, sagen sie, der
Willkühr und Leidenschaftlichkeit des Diözesenchefs (der immer ein Mensch bleibt!) ausgesetzt, von Niemandem, weder
vom Staate noch von einem kirchlichen Oberen geschützt, kein Metropolitan, kein
Appellationssystem, keine Conferenzen, keine Synoden, kein Presbyterium; die Canonici, sonst Consiliarii nati,
sind jetzt höchstens Consulenten, so war es einstens nicht!
Deshalb auch mitunter keine Candidaten zum geistlichen Stande, wie man in allen
Diözesen klagt! Ich hoffe mit Gottes Hilfe werden sich allmählich auch alle
diese Angelegenheiten zum Bessern gestalten! Keinem
vernünftigen und billig denkenden Bischof, der die Eintracht
zwischen dem Staat und der Kirche liebt, werden die geistlichen
und Studienreferenten der Statthaltereien und somit auch einer oder der
andere beim hohen Ministerium Dorn im Auge seyn – höchstens den falschen
Aquariam's und Torquemada's! Die armen besagten Referenten sind um ihre Posten
wahrlich nicht zu beneiden, denn in der Regel haben sie das stärkste und
diffizilste Departement, ich selbst kann mit Hinblick auf meine hiesige Position
wahrlich ohne Ruhmredigkeit sagen, daß ich mir eine Leidenkrone verdient habe. Acht Jahre des Fegefeuers hätten unmöglich
gründlicher seyn können, besonders die seit 1848–1853!
Alles – beinahe –
hat durch die Revolution gewonnen; meine Praktikanten, Concepisten oder
Secretaire sind Kreisräthe, Ministerialsecretäre (Klinkowström, Bosizio,
Heufler), Delegaten (Jordis),
ja sogar Statthalter (Toggenburg) geworden; eine Anzahl von hiesigen u. f. Bürgern,
Beamten haben rühmliche Anerkennungen, Orden etc. erhalten (manche von ihnen
sagten selbst, daß sie nicht wußten wofür!) und die einzigen unglücklichen geistlichen
Referenten hatten niemanden, der sich um sie annahm, giengen überall ganz leer aus und mußten, als hätten sie etwas verbrochen,
gewissermaßen froh seyn, daß man sie athmen ließ. Und doch
spricht es sehr zu ihren Gunsten, daß keinem einzigen von ihnen eine Insult- und
Katzenmusik usw. widerfuhr und sie alle treu bei Habsburg
ausdauerten, und lechzen sie auch nicht nach Auszeichnungen und Orden und
Würden, so kränkt es sie doch ganz und gar zurückgesetzt zu
seyn.
Sonst würdigte man höchsten Orts die Anstrengungen, schwierigen
Stellungen und Verdienste der erwähnten Referenten und sie waren der höchsten
Beförderungen, die ihnen in der Regel zutheil wurden, wahrhaft würdig – noch jetzt sind die vorzüglichsten und
ausgezeichnetsten Kirchenvorsteher (Lußin [Luschin], Wolf, [?],
Godeassi, Haulik, Gruber, Zimmermann,
Mayer, Buchmayer, Lindauer, Lidmanski, Hanl etc.) aus ihrer Zahl! Seit dem
Jahr 1848 ist keiner etwas geworden, als läge der große Bann
auf ihnen; aus großer Gnade ließ man sie angelehnt, in einer
wahrhaft schmählichen Stellung, die sie gewiß nicht verdient haben! Auf solche Aussichten und Bedingungen ist gewiß keiner von ihnen
in den Staatsdienst getreten. Das Wort des Kaisers war sonst ein heiliges und mir erscheint es bis nun als solches; ein kaiserliches
Dekret, ein Patent etwas hochachtbares conf. RGBl. IV 53 10
Nr. § 36, 37, 40 und initio 4.
Es lebt noch der alte Gott und unser
hochverehrter edler Minister wird sicherlich auch beim gütigen Kaiser für sein
Personal mannhaft in die Schranken treten! Dies Vertrauen nähren wir alle! Hier
und anderwärts, wo es ausführbar ist, hofft man, daß das Cultus- und
Unterrichtswesen (mit dem nöthigen Hilfspersonal) in einem
Departement der Statthalterei vereinigt seyn, die 2 Schulräthe in ambulante und visitirende Schulcomissäre
(Inspectoren) (die ihre Berichte an die Statthalterei und respective hohe
Ministerium erstatten) verwandelt werden, und so dürfte es auch am besten seyn,
wenn sich der Staat nicht allzu viel Pensionirungen aufbürden will. Ich bin
gegenwärtig hier der älteste Gubernialrath, meine beiden
Vormänner Wander und Englert sind todt und fort. Ich
schmeichle mir, daß mir meine Ancienität mit dem höhern Gehalt nicht verkümmert
werden wird, schon das Quartiergeld (900 fl!!) nimmt den Drittel Theil des Gehalts in Anspruch, dazu die excessive
hiesige Theuerung den reichen Kaufleuten, Juden [?] und so vielen Fremden
gegenüber!
Ich bin manchmal hier so kleinmüthig und niedergedrückt, daß ich
wahrhaftig sagen kann „taedet animam meam vitae meae“, dazu die Maße der
Amtsgeschäfte – Herr Kuen auf 3 Monathe und noch
länger in Italien, [?] am Land, Concipist Stockler auf Urlaub – ich also mit ein paar steinalten Invaliden
allein zu der Menge von Amtsgeschäften; kein Wunder, wenn man sonach psychisch
und physisch leidend wird. Deswegen geruhen Euer Excellenz auch gnädige
Nachsicht zu haben, wenn aus einem verstimmten Instrument ein schriller Ton hie
und da das Ohr verletzt. Als Fürsprecher möge meine Wohlmeinung und
Aufrichtigkeit auftreten! Sumus in manu Dei! Eben als ich ganz trostlos dahin
brüte, erfreut mich Gottes Güte durch einen Engel in Menschengestalt! Seine
kaiserliche Hoheit, der Herr Erzherzog
C[arl] Ferdinand, sendeten mir durch Ihren Secretair ein sehr
kostbares Bild als höchst überraschendes Geschenk,
wahrscheinlich als gute Gabe, weil ich ihn neulich komunizirte, und so glaube
und vertraue ich auch hinfort auf Gottes gütige Fürsehung und
auf Euer Excellenz als das göttliche Werkzeug in seiner Hand,
unter dessen Schutz und Schirm wir stehen.
Genehmigen gütigst den Ausdruck
der unbegränzten Hochachtung und Anhänglichkeit, mit der erstirbt
Euer Excellenz
unterthänig gehorsamer
Dr. Ign. Beck
Gubernial- und Schulrath
Triest, den 18. Mai 1853