Bischof Georg Haulik protestiert gegen die Ernennung eines Laien zum Direktor der Hauptvolksschule und der Realschule in Agram. Der Kirche war nämlich schon zu Beginn der Amtszeit von Leo Thun in Aussicht gestellt worden, dass sie die Aufsicht über alle Volksschulen führen solle. Dies war ein guter Entschluss, denn nach Ansicht des Bischofs könne die geistige Bildung des Menschen nur erfolgreich sein, wenn sie mit der Bildung des Herzens gepaart werde. Letztere wiederum könne jedoch nur durch die katholische Religion erfolgen. Umso mehr befremdete ihn daher der Entschluss, die neue Agramer Haupt- und Realschule einem Laien als Direktor zu überantworten. Er bittet Thun deshalb, dass für die Hauptvolksschule und die Realschule jeweils eigene Direktoren bestellt werden: Für die Realschule ein Laie, weil hier technische Kenntnisse erforderlich seien, an der Volksschule sollte der jetzige Katechet weiterhin als Direktor dienen. Zuletzt äußert er sich kritisch über die Tätigkeit des Schulrates Iliašević, der aus seiner Sicht zu wenig die religiös-moralische Bildung der Schüler fördere. Nur bei einer einwandfreien religiösen und moralischen Bildung der Schüler sei nämlich gesichert, dass diese zu loyalen Staatsbürgern werden. Iliašević betone aus Hauliks Sicht indes zu sehr die eigene Nationalität und Muttersprache und lasse Bescheidenheit und vorbildhaftes Auftreten allzu oft vermissen.
Hochgeborner Herr Graf und Minister!
Schon im Beginne der für Staat und Kirche so wohlthätigen Verwaltung des
Kultusministeriums seitens Euerer Excellenz wurde gütigst in Aussicht gestellt,
daß sämmtliche Volks- oder Elementarschulen der Leitung der Bischöfe und der
Geistlichkeit unmittelbar untergeordnet werden sollen. Alle, die es mit der
Menschheit wirklich gut meinen und über das wahre Menschenwohl klare und gesunde
Begriffe hegen, müssen bekennen, daß besagter Entschluß für das allgemeine Wohl
von äußerst ersprießlichen Folgen sein müsse. Es ist nämlich jedem vernünftigen
Menschen ganz einleuchtend, daß, wenn man eine bessere Zukunft erleben oder
wenigstens begründen will, die Erziehung der Jugend eben so, ja noch mehr die
Veredlung des Herzens, als die Bildung des Geistes bezwecken müsse. Es ist nicht
minder klar, daß diese Herzensveredlung auf dem Grunde der Religion zu geschehen
habe. Eben so wird man nicht leicht in Abrede stellen können, daß geistliche
Individuen in der Regel, oder der geistliche Stand überhaupt genommen, zur
religiös-moralischen Ausbildung der Jugend mehr geeignet ist, auch mehr guten
Willen und regeren Eifer beweiset, als Individuen des weltlichen Standes. Es ist
demnach äußerst wünschenswerth, daß die in Aussicht gestellte hohe Idee je eher
in’s Leben trete, und die Leitung der Volksschulen baldigst der Geistlichkeit
übergeben werden möge. Auch zweifle ich nicht einen Augenblick, daß die bis
jetzt stattfindende Verzögerung dieser Maßregel wohl nicht dem edlen Willen
Euerer Excellenz, sondern vielmehr gewissen, annoch unüberwindbaren Hindernissen
zuzuschreiben sei.
Obschon nun diese hohe Absicht Euerer Excellenz zur
Stunde noch nicht ganz erreicht werden konnte: so sind doch manche derselben
entsprechende Anordnungen hinsichtlich der Volksschulen durch die höchst weise
Vorsorge Euerer Excellenz in‘s Leben getreten. Zu diesen rechne ich, daß sowohl
in Agram als auch in Warasdin [Varaždin] die Direktion der Hauptschule provisorisch
wenigstens den betreffenden Katecheten anvertraut wurde.
Je mehr ich mich
über diese Anordnung erfreute: desto unangenehmer berührte mich der, wie ich
höre, auf Antrag des Schulrathes Iliašević seitens der hiesigen Statthalterei unterm 4. dieses
ausgeschriebene Concurs für die Direktorsstelle der hierorts neu zu stiftenden
Realschule sowohl als auch zugleich der Agramer Volkshauptschule; und die unter
einem getroffene Vorkehrung, daß der hiesige Gymnasialdirektor Premru die Direktion dieser beiden Institute
übernehmen soll. Denn obschon ich gegen die Person Premrus nichts einzuwenden habe, vielmehr seine trefflichen
Eigenschaften und Verdienste gerne anerkenne; obschon ferner diese Anordnung nur
interimistischer Natur ist: so kann mir dieselbe doch nicht gleichgültig, sie
muß mir vielmehr recht bedauerlich erscheinen, nicht nur darum, weil dadurch der
jetzige provisorische Direktor der Hauptschule, nämlich der Katechet Verbanić, der mehrere Jahre hindurch dieß Amt
unentgeltlich und mit Eifer und gutem Erfolge verwaltete, kompromittirt wird;
sondern auch, ja vorzüglich darum, weil auf diese Weise gleichsam der Weg
gebahnt wird, die Direktion der Hauptvolksschule abermals, und wie systematisch,
weltlichen Händen zu übergeben. Die Direktion der Realschule nämlich dürfte
schwerlich je einem Geistlichen zukommen, was ich selbst natürlich finde, weil
dazu technische und solche Kenntnisse erfordert werden, die bei geistlichen
Individuen nur selten anzutreffen sind; sollten also diese zwei Direktorate in
einer Person vereinbahrt werden, so würde die Direktion der Volkshauptschule
offenbahr im Widerspruche mit der obenerwähnten hohen Absicht Euerer Excellenz
und gewiß nicht zum Vortheile, sondern zum Nachtheile der religiös-moralischen
Erziehung der Jugend, die solcher besonders zu Agram sehr bedürftiget, für die
Gegenwart und Zukunft den geistlichen Händen entwunden werden. Ich will nichts
von der dadurch entstehenden neuen Last des allerhöchsten Ärars erwähnen, die
gewiß namhaft erleichtert erscheinen würde, wenn die Direktion der Realschule,
wie in Warasdin [Varaždin], von jener der
Hauptschule abgesondert bliebe.
Ich nehme mir demnach die Freiheit Euer
Excellenz ehrerbiethigst zu bitten, bei Gelegenheit der Verhandlung dieses
Gegenstandes gütigst anordnen zu wollen, daß das Direktorat der Agramer
Volkshauptschule auch fernerhin dem Katecheten Verbanić anvertraut bleiben soll; wodurch der guten Sache ein
großer Vorschub wird geleistet werden.
Übrigens kann ich bei dieser
Gelegenheit vor Euer Excellenz nicht verhehlen, daß ich sowohl bei dieser als
auch bei so manchen andern früheren Veranlassungen mit Bedauern bemerkt habe,
daß dem Schulrathe Iliašević die
religiös-moralische Bildung der Jugend viel weniger am Herzen liege, als dieß
sowohl wegen der hohen Wichtigkeit der Sache zu wünschen, als auch hinsichtlich
seines Standes zu erwarten wäre. Ich finde es wohl natürlich, daß man seine
Nationalität und seine Muttersprache aufrichtig liebe und für selbe eifere; ja
ich finde dieß selbst verdienstlich und löblich, solang derlei Vorliebe in ihren
gehörigen Schranken bleibt. Man soll sie aber, meiner innigsten Überzeugung
nach, nie zur Beeinträchtigung des höchsten Zweckes der Menschheit und der
wichtigsten Aufgabe bei Erziehung der Jugend, nämlich der religiös-moralischen
Ausbildung derselben, geltend machen wollen; was doch bei Iliašević oft schon nicht nur von mir,
auch von manchen andern Gutgesinnten bemerkt wurde. Auch ist sein äußeres
Betragen, besonders seine Kleidungsweise nicht immer den Kirchen- und
Diözesanstatuten gemäß, manchmal geradezu entgegen gesetzt. Die jetzigen
Zeitumstände überhaupt, und der religiös-moralische Zustand Agrams insbesondere, fordert mit lauter Stimme, daß
jene, die sich mit dem Unterrichte und mit der Erziehung der Jugend abgeben, und
vorzüglich jene, die auf diesen Unterricht und diese Erziehung von höherem
Standpunkte aus Einfluß üben, besonders wenn sie dem geistlichen Stande
angehören, nicht nur in jeder Hinsicht tadellos, sondern von wahrem innigen
Eifer beseelt seien, hauptsächlich das religiös-moralische Interesse zu fördern,
und aus allen Kräften dahin trachten, daß aus den Schulen gute Menschen und
fromme Christen erwachsen, die dann gewiß auch gute und glückliche Staatsbürger
sein werden. Es ist mir nichts unliebsamer und unangenehmer, als wenn ich mich
zu persönlichen Bemerkungen veranlaßt sehe; doch das aus meinem Amtsverhältnisse
entspringende Pflichtgefühl erhäuscht es zuweilen, wie auch bei dieser
Veranlassung; und ich hege das vollste Vertrauen, daß es mir Euer Excellenz
gütigst verzeihen werden.
Genehmigen Hochdieselben die wiederholte
ehrerbiethige Versicherung meiner tiefen Hochachtung, mit der ich geharre
Euer Excellenz
ergebenster Diener
Georg v. Haulik
Agramer
Erzbischof
Agram den 14. November 1854