In dem Memorandum fordern Anton Beck und Josef Jireček zur Gründung einer tschechisch-konservativen Tageszeitung in Wien auf und bitten um Unterstützung für dieses Projekt. Ziel der Zeitung soll es sein, den radikalen politischen Ansichten und Bestrebungen im tschechischen Volk eine mäßigende Stimme entgegenzusetzen. Der gegenwärtige Zeitpunkt zur Gründung einer Zeitung, welche auf die Bildung einer aufgeklärten konservativen Partei und eines gesamtösterreichischen Staatsbewusstseins hinwirken will, sei ideal und dürfe nicht ungenützt vorübergehen. Der Erscheinungsort der Zeitung soll Wien sein. Die Leitung des Blattes soll in Händen eines Komitees von fünf Personen liegen, wobei Leo Thun die Leitung zukommen werde. Im abschließenden Teil des Memorandums folgt eine Kostenaufstellung und eine nähere Erläuterung zur Finanzierung der Zeitung.
Lithographie
Beilage: Ein Subskriptionsbogen zur Unterstützung der
Zeitung.
Verweis auf A3 XXI D77
Programm
Die čechoslawische Nation, eine der bedeutendsten in der Völkerfamilie Österreichs, hat gegenwärtig nicht Ein tüchtiges
Organ des öffentlichen Lebens. Die wenigen vorhandenen Blätter sind theils auf
die Bedürfnisse der niedern Volksklassen berechnet, wie die „Slowenské Nowiny“,
„Wlastimil“, „Wesnické Noviny“, „Wečerní list“, theils muß man ihnen jede
publizistische Tüchtigkeit absprechen, wie die „Pražské“ und „Morawské
Nowiny“.
Und doch ist der gegenwärtige Zeitpunkt für die Zukunft des
čechoslawischen Volkstammes, ja Österreichs
zu wichtig, um ihn unbenützt verstreichen zu lassen. Wenn jetzt in der Zeit der
Ruhe nicht Hand angelegt wird, um gesunden politischen Ansichten durch das
Mittel einer ruhigen Überzeugung die Bahn zu öffnen, um die Elemente der Ordnung
und Gesetzlichkeit durch ein gediegenes publizistisches Organ zu einer starken
Parthei zu vereinigen, so werden die Tage der politischen Kämpfe heranbrechen
und dieselbe Unklarheit der politischen Ansichten antreffen, wie sie uns die
letzt vergangenen Bewegungen hinterlassen haben. Ja es steht noch mehr zu
besorgen. Es wird sich bei dem Bedürfnisse des böhmischen Stammes nach geistiger
Nahrung dennoch ein politisches Blatt emporarbeiten, aber es ist gewiß, daß
dieses, wenn man nicht bei Zeiten kräftig vorbaut, nur im Sinne Einer Partei
geschehen und die Leitung der öffentlichen Meinung einem Organe zufallen wird,
welches, wenn man es ohne Gegengewicht läßt, die eigenthümliche Besonnenheit des
böhmischen Volkes leicht irre zu leiten im Stande wäre.
Einer solchen Gefahr
darf das Volk nicht überlassen werden. Keine Nation der Monarchie birgt so
treffliche Elemente zur Bildung politischer Parteien in sich wie die böhmische,
nirgends ist es nothwendiger, daß der Anfang dazu gemacht werde. Bisher sind die
Čechoslawen in politischen Fragen als Eine Partei aufgetreten, die sich nicht
wegen Gleichheit politischer Ansichten, sondern wegen Gleichheit der Sprache und
Nationalität zusammenfand. Dieses unnatürliche Bündnis widerstrebender
politischer Ansichten in Einer nationalen Partei muß
geschieden werden in mehrere politische Parteien, damit das konservative Element
nicht länger von dem radikalen und demokratischen im Schlepptau fortgezogen
werde.
Es ist nun Sache der Konservativen, einen ernsten Versuch zu machen
und die zu einem entscheidenden Erfolge nöthigen Opfer nicht zu scheuen. Ein so
günstiger Zeitpunkt wie der gegenwärtige, wo das Feld für kurze Zeit beinahe
ganz frei ist, kehrt nicht so bald wieder. Man denke ja nicht, deutsche Blätter
werden denselben Dienst thun; so lange diese Anschauungsweise maßgebend sein
wird, so lange bleibt das Volk eine sichere Beute der Wortführer in der
entgegengesetzten Richtung. Diese wissen den Vortheil: zum Volke in seiner
Sprache zu reden, sehr klug zu benützen, denn sie verstehen zu gut den Einfluß
zu berechnen, den man über das Volk gewinnt, wenn man zu ihm in seiner Sprache
spricht.
Ein solcher, auf die Bildung einer großen politischen Partei
berechneter Einfluß ist nur aus Wien möglich. Ein
publizistisches Unternehmen in böhmischer Sprache, so lange es von einer
Provinzialstadt ausgeht, wäre es auch aus dem altehrwürdigen
Prag, wird sich nur mit schwerer Mühe dem
provinziellen Gesichtskreise zu entwinden und den lokalen Bestrebungen gegenüber
seine Unabhängigkeit kaum zu behaupten imstande sein. Hingegen dürfte der
Wirkungskreis eines von Wien aus redigirten Blattes,
wohin die Blicke aller Provinzen mit Interesse gewendet sind, ein weit
ausgedehnterer werden, indem dasselbe publizistische Organ nicht nur für Böhmen, sondern auch für Mähren und die Slovakei in
gleicher Weise benützt werden kann, ohne der provinziellen Eitelkeit irgend nahe
zu treten.
In Erwägung aller dieser Vortheile ist es eine durch die
gegenwärtigen Verhältnisse gebothene Nothwendigkeit, in thunlich kurzer Zeit in
Wien ein böhmisches Blatt zu begründen, welches sich
die Aufgabe stellt, den besonnenen Fortschritt im Sinne des
jetzigen Ministeriums auf Grundlage der Verfassung vom 4. März 1849 zu
verfechten.
In politischer Beziehung wäre diese als ein
abweichlicher Canon aufzustellen, innerhalb deren Consequenzen den Leitern des
Blattes eine freie Bewegung gewährt werden müßte.
In nationalen Fragen hätte
das Blatt vorzüglich den natürlichen Interessen des čechoslawischen Volksstammes
das Wort zu führen, ohne jenen der andern Nationen nahe zu treten.
In
religiöser Beziehung hätte es die Interessen des Katholizismus als des
Bekenntnisses der überwiegenden Mehrzahl des čechoslawischen Stammes mit
Entschiedenheit und Umsicht zu vertreten.
In Bezug auf den erzählenden Theil
des Blattes würde der erste und ausgedehnteste Platz der Verbreitung richtiger
Ansichten über die Zustände der österreichischen Völker und Länder gewidmet und
dabei mit möglicher Objektivität ohne beschränkende Rücksichten auf den
Augenblick vorgegangen werden.
Die Zustände des Auslandes würden mit
gleicher Offenheit besprochen und besonders ihre Rückwirkung auf Österreich in
den Vordergrund gehoben werden.
Überhaupt sollte das Hauptziel des Blattes
dahin gerichtet sein, einestheils auf die Bildung einer aufgeklärten
conservativen Partei, insbesondere in Böhmen,
Mähren und Nordungarn
hinzuwirken, anderntheils die Weckung eines allgemeinen österreichischen
Staatsbewußtseins auf Grundlage einer richtigen Kenntnis der faktischen
Verhältnisse und Interessen unseres Gesammtvaterlandes und seiner Bestandtheile
zu erstreben.
Die Stellung des Blattes dem Publikum gegenüber müßte
unabhängig bloß durch Private gegründet erscheinen.
Die unmittelbare Leitung
des Journals würde in den Händen eines Comités von 5 Personen beruhen, welche in
Wien ihren Wohnsitz haben und an dem Unternehmen
betheiligt sind. Die Kontrolle führt Herr Graf Leo Thun, mit dem das Comité in schwierigern Fragen
Rücksprache zu nehmen hätte. Eine weitere Einflußnahme würde nur hemmend und
beirrend wirken.
Der Aufwand würde durch Aktien nach folgendem Plane
gedeckt.
1. Die Zeitung erscheint unter dem Titel „Wĕstník od Dunaje“
sechsmal in der Woche, in Großfolio, auf gutem Papier, mit lateinischen
Lettern.
2. Die Kosten für Papier, Druck, für Redaktion, Korrespondenz,
Expedition etc. dürften sich jährlich auf 20.000 fl belaufen.
3. Diese
Kosten werden zunächst aus dem Erträgnisse des Blattes selbst bestritten und nur
der Abgang durch die Beiträge der Akzionäre gedeckt.
4. Das Unternehmen ist
für begründet anzusehen, sobald die Kaution von 10.000 fl in Staatspapieren und
ein Betrag von 20.000 fl als eigentlicher Zeitungsfond gezeichnet ist.
5.
Der für die Kaution gezeichnete Betrag muß sogleich beim Beginne des
Unternehmens zur Disposition gestellt und wenigstens durch zwei Jahre seiner
Bestimmung nicht entzogen werden.
6. Der Zeitungsfond von 20.000 fl jährlich
wird durch Akzien zu 500 fl aufgebracht, wovon die eine Hälfte beim Beginne des
Unternehmens erlegt, die andere Hälfte nur für den Fall des Bedürfnisses
zugesichert wird.
7. Die Unterzeichnung verpflichtet bloß zur einmaligen
Leistung des unterzeichneten Betrages, nur ist jeder Theilnehmer, welcher für
folgende Jahre nicht mehr mitzuwirken gesonnen ist, verpflichtet, seinen
Austritt aus der Gesellschaft ein halbes Jahr vorher bekannt zu geben.
8.
Jeder Unterzeichner einer Aktie hat das Recht, außer den gefertigten
Unternehmern noch drei Personen namhaft zu machen, wovon jene drei, welche die
meisten Stimmen für sich haben, mit den zwei Unternehmern das leitende Comité
mit einem Vorstand aus dessen Mitte bilden.
9. Dieses Comité bestellt den
Redakteur und führt die Unternehmung selbstständig, nur erstattet es am Ende des
Jahres Bericht über den Erfolg und legt Rechnung ab über die verwendeten
Geldmittel.
10. In dem Maße, als die Zuschüsse von Seite der Gesellschaft
durch den Ertrag des Blattes überflüssig werden, vermindert sich die
Verbindlichkeit der Unterzeichner, ohne daß deshalb das Recht derjenigen, die
sich zu Beiträgen für die Dauer des Journals verpflichtet haben, zur
angedeuteten Bestellung des leitenden Comités aufhören würde.
11. Für den
Fall, als sich die Gesellschaft ganz auflösen sollte, bleiben die beiden
unterzeichneten Unternehmer Eigenthümer des Blattes.
Dr. Anton Beck
Joseph Jireček