Der Entwurf über die Organisation der Bezirksämter beinhaltet zum einen
Bestimmungen über die Einrichtung der Bezirksämter, er nennt die
Aufgaben des Bezirkshauptmanns sowie Regeln für Personal- und
Verwaltungsfragen. Außerdem umfasst der Entwurf Bestimmungen über die
Kompetenzen bzw. den Zuständigkeitsbereich der Bezirksämter sowohl auf
politischer und polizeilicher Ebene als auch in geistlichen und
weltlichen Angelegenheiten. Darunter fallen Erläuterungen zur
Vollziehung der Gesetze, zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, der
öffentlichen Ordnung, zur Förderung des Gemeinwohles oder zur
Instandhaltung von Straßen, Kanälen, Brücken usw. Dem Bezirksamt obliegt
nicht nur die Überwachung der Gemeinden in der Erfüllung ihrer
Verpflichtungen, sondern auch die Überwachung des Handels-, Gewerbe- und
Sanitätswesens.
In der beigelegten Stellungnahme äußert Leo Thun
deutliche Bedenken zum vorliegenden Entwurf. Ein wesentlicher Grund
hierfür ist aus der Sicht des Ministers die Tatsache, dass der Entwurf
in vielerlei Hinsicht als Kompromiss divergierender Ansichten anzusehen
sei, und daher keinem eigentlichen Plan folge. Thun sieht außerdem die
österreichische Tradition durch den Gesetzesentwurf gefährdet. Er
beklagt, dass durch diese neue – die historische Entwicklung
missachtende – Ordnung staatlichen Beamten ein zu großer
Zuständigkeitsbereich, nämlich bis auf die unterste Ebene staatlicher
Organisation, zugesprochen werde. Er bekräftigt diese Ansicht, indem er
betont, dass die Verwaltung durch Beamte weder eine effizienter sei noch
finanzielle Vorteile bringe. Außerdem glaubt er, dass in politischer
Hinsicht die Ausweitung der Bürokratie ganz und gar schädlich sei. Thun
nennt hier als negatives Beispiel Frankreich, wo die Herrschaft der
Bürokratie zu einer Auflösung historisch gewachsener gesellschaftlicher
Strukturen geführt habe. Auch wenn die vor 1849 bestandenen untersten
Behörden nicht mehr hergestellt werden könnten, so wünscht Thun doch,
dass der jetzige Zustand nicht das endgültige Ziel der neuen staatlichen
Organisation sein solle, da dies zum Ausschluss der Bevölkerung von der
Verwaltung führen würde. Seines Erachtens sollten die neuen Behörden
langsam errichtet und gleichzeitig danach gestrebt werden, lokale Organe
zu etablieren, denen Teile der Verwaltung übertragen werden könne. Diese
sollten nicht bloß beratende Funktion besitzen. Wichtig erscheint ihm
auch, länderspezifische Traditionen zu berücksichtigen ferner; dürfe
auch der Unterschied zwischen Stadt und Land nicht übersehen
werden.
In der zweiten Beilage wird die Wichtigkeit der Mitwirkung
der lokalen Bevölkerung an der Verwaltung betont. Besonders betont der
Schreiber auch die Rücksichtnahme auf historische Entwicklungen, indem
er etwa die ständische Organisation als gelungene Form der Verwaltung
lobt. Auch er nennt Frankreich als abschreckendes Beispiel dafür, der
Bürokratie allzu große Machtfülle zu verleihen.
Lithographie.
Der Entwurf ist in zwei Spalten beschrieben: In der rechten Spalte findet sich der eigentliche Entwurf, in der linken Spalte werden Minoritätsanträge von verschiedenen Ministerien zu einzelnen Paragrafen und Abschnitten angeführt. In der Transkription werden diese unter dem entsprechenden Paragrafen kursiv wiedergegeben.
Mit eigenhändigen Korrekturen und Anmerkungen von Thun.
Insgesamt fünf Beilagen:
Stellungnahme von Leo
Thun zu dem Entwurf.
Beilage zum § 13 des Entwurfs mit einer tabellarischen Übersicht
über die Diätsklassen der verschiedenen Beamten in unterschiedlichen
Bezirken. Die Tabelle wird hier nicht wiedergegeben.
Stellungnahme von unbekannter Hand zur Frage der
Mitwirkung der Bevölkerung an der Verwaltung.
2
Eigenhändiges
handschriftliches Konzept Thuns für seine Stellungnahme mit einer
Abschrift desselben.
Weitere
eigenhändige handschriftliche Bemerkungen Thuns zum Entwurf mit
ähnlichem Inhalt wie die Stellungnahme.
Erstes Hauptstück
Einrichtung des Bezirksamtes
§ 1. Das Bezirksamt ist für den ihm zugewiesenen Bezirke die unterste
landesfürstliche Behörde in allen <nicht ausdrücklich anderen Behörden oder
Organen vorbehaltenen Verwaltungs- und Justizgeschäften.>3
§ 2.
<Das Bezirksamt steht rücksichtlich des Geschäfts- und Instanzenzuges>4, je nach Verschiedenheit der
Angelegenheit unter der höheren politischen, Gerichts-, Steuer- oder
Finanzbehörde; es empfängt und vollzieht deren Aufträge und Weisungen und
erstattet an dieselben Berichte und Anzeigen.
§ 3. Der Repräsentant der
Regierung im Bezirke und der Vorsteher des Bezirksamtes ist der
Bezirkshauptmann.
Er überwacht die Geschäftsführung des Amtes in allen
seinen Zweigen und ist unter den in §§ 5 und 6 angeführten Beschränkungen für
die gesammte Geschäftsbesorgung verantwortlich. Er übt über die Beamten und
Diener des Bezirksamtes nach Maßgabe der §§ 7 und 8 die Disciplinargewalt
aus.
§ 4. Die Bezirksämter werden mit Rücksicht auf die Ausdehnung des
Bezirkes und den Umfang der Geschäfte in zwei Klassen abgetheilt.
Außer dem
Bezirkshauptmann gehört in der Regel zum Personale
a. des Bezirksamtes
erster Klasse:
ein Bezirksrichter,
ein Adjunkt oder Aktuar,5
ein
Steuereinnehmer und ein ihn kontrollirender Beamter,
zwei Kanzlisten
und
drei Diener und
b. des Bezirksamtes II. Klasse:
ein Adjunkt oder
Aktuar,
ein Steuereinnehmer und ein ihn kontrollirender Beamter,
ein
Kanzlist und zwei Diener.
Nach Maßgabe des größeren Geschäftsumfanges und
unter strenger Nachweisung des Bedürfnisses kann das Personale des Bezirksamtes
I. Klasse um einen Grundbuchsführer, um einen Adjunkten oder um einen oder zwei
Aktuare, um einen oder zwei Kanzlisten und um einen Diener sowie das Personale
des Bezirksamtes II. Klasse um einen Aktuar und einen Kanzlisten und6um einen Diener vermehrt
werden.
Welche Beamten und Diener nach diesen Grundsätzen bei jedem
Bezirksamte bestellt werden, wird bei der Durchführung der Organisirung
bestimmt.
Außerdem wird für jedes Land eine bestimmte Anzahl von
Konceptspraktikanten – theils mit theils ohnea Adjutum – zur Aushilfsleistung
der in der Geschäftsführung der Bezirksämter und zur Heranbildung des
erforderlichen Nachwuchses systemisirt sowie ein Pauschalbetrag für Diurnen zur
Besorgung von bezirksämtlichen Schreibgeschäften bemessen.
Die
Konzeptspraktikanten und Diurnisten werden jedoch nicht für die einzelnen
Bezirksämter bestellt, sondern nach Verhältnis des Bedarfes zugetheilt.
Minoritätsantrag
I. Ministerialräthe Jary, Laßer [Lasser], Sachse wollen für das Bezirksamt I. Klasse in der Regel nur
einen Kanzellisten systemisiren, jedoch es zulassen nach Erfordernis auch
zwei oder drei Kanzlisten beizugeben.
II. Die Repräsentanten der
Ministerien der Finanzen und des Handels beantragen, daß auch für jedes Land
unentgeldliche Amtspraktikanten systemisirt und deren Anzahl auf ein Fünftel
der angestellten Steuer- und Kanzleibeamten beschränkt werde.
III.
Sektionsrath Neydißer glaubt, daß die
Möglichkeit offen zu halten wäre, bei den Bezirksämtern II. Klasse
ausnahmsweise unter den angegebenen Minimalstatus herabzugehen.
§
5. Bei dem Bezirksamte I. Klasse hat die eigentlich richterlichen Geschäfte (§
86), namentlich das Strafrichteramt, die Rechtsprechung in bürgerlichen
Rechtsstreiten und jene Zweige der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei denen es
auf ein Erkenntnis oder einen Spruch des Gerichtes ankommt, der dem Bezirksamte
beigegebene Bezirksrichter selbstständig und mit eigener Verantwortung zu
besorgen.
Ausnahmsweise versieht bei Bezirksämtern von kleinerer Ausdehnung
der Bezirkshauptmann auch die Justizgeschäfte unter unmittelbarer Verantwortung.
Diese Vereinigung der Geschäftsführung findet bei den Bezirksämtern II. Klasse
statt.
Minoritätsantrag
Die Repräsentanten des
Justizministeriums und Ministerialrath von Kreißle wollen den ersten Satz des §s in folgender Weise
textiren: „Bei dem Bezirksamte I. Klasse hat die richterliche
Geschäftsführung in ihrem vollen Umfange der dem Bezirksamte beigegebene
Bezirksrichter selbstständig und mit unmittelbarer Verantwortung zu
besorgen.“
Außerdem begehrten die Repräsentanten des Justizministeriums,
daß nebst dem Bezirksrichter auch das zur richterlichen Geschäftsführung
nothwendige Nebenpersonale bestellt, dasselbe seiner Zahl und Eigenschaft
nach bei jedem Bezirksamte über Einvernehmen des Oberlandesgerichtes
festgesetzt – vor allem nur zu den gerichtlichen Arbeiten verwendet und
unter die unmittelbare Aufsicht und Verfügung des Bezirksrichters gestellt
werde.
§ 6. Für das Kassa- und Rechnungsgeschäft obliegt den beim
Bezirksamte mit Kautionsleistung bestellten Beamten (dem Steuereinnehmer und dem
ihn kontrollirenden Beamten) die unmittelbare Haftung und Verantwortung.
Minoritätsantrag.
Ministerialrath von Kreißle beantragt folgende Textirung:
„Für
das Steuereinhebungs-, Kassa- und Rechnungsgeschäft werden beim Bezirksamte
eigene Individuen bestellt, welche jenes Geschäft unter ihrer unmittelbaren
Haftung und Verantwortung zu führen und vorschriftsmäßige Kautionen dafür zu
leisten haben.“
§ 7. Die Beziehungen der im §§ 5 und 6 erwähnten
Beamten zu dem Bezirkshauptmanne als ihrem unmittelbaren Amtsvorsteher und zu
den höheren Gerichtssteuer- oder Finanzbehörden werden durch eigene
Instruktionen geregelt.
In Betreff der diesen Beamten besonders zugewiesenen
Geschäfte obliegt dem Bezirkshauptmanne nur jene Haftung, welche aus der
Oberleitung des Amtes hervorgeht. Er hat dieselben in ihrer Verwendung und in
ihrem Benehmen zu überwachen, sie, wenn er Nachläßigkeiten wahrnimmt, zur
Ordnung und zur Vollziehung der Amtspflichten anzuhalten, bei wiederholten oder
gröberen Dienstesverletzungen und falls er unredliche Gebarung wahrnehmen
sollte, sogleich die Anzeige an die vorgesetzte Behörde zu erstatten und in
dringenden Fällen die erforderliche Geschäftsabnahme oder Einstellung zu
veranlassen.
§ 8. Dem übrigen Personale des Bezirksamtes gegenüber stehen
dem Bezirkshauptmanne alle Befugnisse zu, welche nach den bestehenden
Vorschriften zur Disciplinarautorität eines Amtsvorstehers gehören. Namentlich
hat der Bezirkshauptmann das Personale in seiner Dienstleistung zu überwachen,
es zur ordnungsmäßigen Pflichterfüllung zu verhalten und gegen dasselbe mit
Mahnungen, Verweisen und Strafandrohungen und unter gleichzeitiger Anzeige an
die vorgesetzte Behörde mit Suspension vom Amte und Gehalte vorzugehen.
§ 9.
In Verhinderungsfällen wird, insolange nicht von der Landesstelle eine andere
Verfügung erfolgt, die Stelle des Bezirkshauptmanns von dem Bezirksrichter und
wo kein solcher vorhanden ist, von dem im Range nächstfolgenden Conceptsbeamten
versehen.
§ 10. Jeder Beamte und Diener des Bezirksamtes ist nicht blos auf
die Geschäfte beschränkt, welche dem Namen seiner Bedienstung entsprechen oder
ihm mit unmittelbarer Verantwortung (§ 5 und 6) zugewiesen sind, sondern er hat
sich überhaupt nach der Bestimmung des Bezirkshauptmanns und nach den
Vorschriften des Amtsunterrichtes (§ 21) zu verwenden.
Der Bezirkshauptmann
wird daher, wo es die Geschäftsverhältnisse erheischen, sowohl die im § 5 und 6
bezeichneten Beamten unbeschadet ihrer eigentlichen Berufsarbeiten auch zu
anderen bezirksämtlichen Geschäften verwenden können, als auch eben diesen
Individuen bei stärkerem Geschäftsandrange oder sonstigen Erfordernisse von
Seite der übrigen Bezirksbeamten mit Berücksichtigung ihrer Befähigung die
nöthige Arbeitshilfe gewähren lassen.
Der Bezirkshauptmann kann einem
bezirksämtlichen Individuum, mit Ausnahme der im § 5 und 6 erwähnten Beamten,
einen höchstens achttägigen Urlaub bewilligen.
§ 11. Die für die Besorgung
des öffentlichen Sanitätsdienstes bestellten ärztlichen Individuen werden vom
Bezirkshauptmanne in ihrer Pflichterfüllung überwacht und sind verpflichtet, die
von ihm ertheilten Aufträge (§ 44) zu befolgen.
§ 12. Den Bezirksämtern sind
die ihnen zur Seite stehenden öffentlichen Baubeamten zur Verfügung gestellt (§
31) und die letzteren haben hinsichtlich der in dem politischen Wirkungskreis
gehörigen, einer technischen Beihilfe benöthigenden Angelegenheiten die
Anordnungen der Bezirksämter zu befolgen.
Diese Baubeamten werden von den
Bezirkshauptmännern in der Verwaltung des öffentlichen Baudienstes überhaupt
überwacht; sie sind verpflichtet, der politischen Behörde über die Besorgung
dieses Dienstes die verlangten Auskünfte und Nachweisungen zu ertheilen und den
von ihr gegebenen Weisungen auch in Bezug auf den Reichsbaudienst Folge zu
leisten, so oft dieselbe in dringenden Fällen aus öffentlichen Rücksichten und
unter Verantwortlichkeit des Bezirkshauptmanns zu solchen Aufträgen sich bewogen
findet.
§ 13. Welche Gehalte und Bezüge den bei den Bezirksämtern
verwendeten Individuen zukommen und in welcher Diätenklasse die Beamten des
Bezirksamtes zu stehen haben, ist durch die Beilage ersichtlich gemacht.7Der
Bezirkshauptmann genießt freie Wohnung im Amtsgebäude und insolange dies nicht
thunlich ist, ein verhältnismäßiges Quartiergeld.
In welchem Verhältnisse
die Bezirksbeamten an Notariats- und Verfaßgebühren Theil zu nehmen haben, wird
besonders bestimmt werden.
Minoritätsantrag
Die
Repräsentanten des Justizministeriums wollen die Hinweglassung des letzten
Satzes.
§ 14. Die bei den Bezirksämtern angestellten Beamten
derselben Kategorie stehen im Range gleich, wenn auch ihr Gehalt verschieden
abgestuft ist.
Die höhere Gehaltsstufe ist nicht von der Anstellung bei
einem Bezirksamte der I. Klasse bedingt.
Die Vorrückung in die höhere
Gehaltsstufe derselben Diensteskategorie ist als eine graduelle
anzusehen.
Minoritätsantrag
Ministerialrath von
Kreißle beantragt, daß bei den
Steuerbeamten (§ 6) und bei den Conceptsbeamten die Vorrückung in die höhere
Gehaltsstufe nicht graduell, sondern im Wege einer eigentlichen Ernennung
stattfinde.
§ 15. Für den Bezirkshauptmann ist jedenfalls die
Befähigung der politischen Amtsgeschäfte erforderlich.
Bei dem Bezirksamte
II. Klasse muß er aber auch die Richteramtsbefähigung haben und es ist dafür
Sorge zu tragen, daß unter dem subalternen Personale des Bezirksamtes sich
wenigstens ein zum Richteramte befähigtes Individuum befinde.
Ebenso ist es
nothwendig, daß die im § 6 erwähnen Beamten die zu ihrer besonderen
Geschäftsführung vorgeschriebene Qualifikation haben.
Über die für das
übrige Konceptspersonale erforderlichen Eigenschaften werden besondere
Bestimmungen erfolgen.
Den Bezirksbeamten steht, insoferne sie die für dem
einen oder anderen Dienstzweig vorgeschriebene Qualifikation haben, sistemmäßig
der Anspruch auf Beförderung in den höheren Justiz- und Verwaltungsbehörden
zu.8
Minoritätsantrag
Die
Repräsentanten des Justizministeriums wollen, daß – mit Ausnahme des ersten
Besetzungsaktes – auch jeder Bezirkshauptmann bei den Ämtern der I. Klasse
die Richteramtsbefähigung habe.
§ 16. Zu Bezirkshauptmannsstellen
bei Bezirksämtern I. Klasse erstattet die politische Landesstelle den
Ternavorschlag an das Ministerium des Innern, dem das Ernennungsrecht
zusteht.
Für die Stelle eines Bezirkshauptmannes bei einem Bezirksamte II.
Klasse und für die Stelle eines Bezirksrichters erstattet die Landesstelle im
Einvernehmen mit dem Oberlandesgerichte den Ternavorschlag an das Ministerium
des Innern, welches mit dem Justizministerium das Einvernehmen pflegt und das
Ernennungsdekret im Namen der Ministerien des Innern und der Justiz
ausfertiget.
Die im § 6 erwähnten Beamten werden über Ternavorschlag der
Kreisbehörde vom Landesschef, und zwar in jenen Ländern, wo er nicht zugleich
Vorsteher der Steuerlandesbehörde ist, im Einvernehmen mit dem Chef derselben
ernannt.
Bei Meinungsverschiedenheit ist vorläufig die Entscheidung des
Ministeriums des Innern einzuholen, welches mit dem Finanzministerium
Rücksprache nimmt.
Für die Ernennung der Grundbuchsführer sowie der
Bezirksadjunkten und Aktuare erstattet die Kreisbehörde den Ternavorschlag an
die Landesstelle, welche vor der Ernennung mit dem Oberlandesgerichte das
Einvernehmen pflegt und bei abweichender Meinung die höhere Entscheidung
einholt.
Die Kanzlisten ernennt die Landesstelle über Vorschlag der
Kreisbehörde.
In den Ländern, welche nicht in Kreise getheilt werden,
entfällt bei den vorerwähnten Besetzungen der Vorschlag des Kreisamtes.
Die
Ernennung der Konzeptspraktikanten und die Verleihung von Adjuten an dieselben
steht der politischen Landesbehörde zu. Diurnisten werden vom Bezirkshauptmann
in der ihm bewilligten Anzahl aufgenommen.
Die Amtsdiener ernennt der
Bezirkshauptmann.
Remunerazionen und Aushilfen an das bezirksämtliche
Personale hat die politische Landesstelle innerhalb ihres Wirkungskreises, und
zwar wenn es sich um einen in den § 6 bezeichneten Beamten handelt, im
Einvernehmen mit dem Oberlandesgerichte und beziehungsweise mit der
Steuerlandesbehörde zu bewilligen.
Die Pensionirung, Quiescirung oder
Versetzung des bezirksämtlichen Personales steht jenen Behörden zu, denen die
Ernennung zukommt; nur ist die Pensionirung oder Quieszirung eines Dieners der
politischen Landesstelle vorbehalten.
Minoritätsantrag
I. Die Repräsentanten des Justizministerium
beanspruchen – in Konsequenz der von ihnen beim § 15 für alle
Bezirkshauptmänner begehrten Richteramtsbefähigung – bei den Ernennungen der
Bezirkshauptmänner I. Klasse gleichfalls die entscheidende Einflußnahme der
Justizbehörden.
II. Seine Exzellenz Altgraf von Salm und die
Repräsentanten des Ministeriums des Innern wollen, daß bei den
Grundbuchsführern, Adjunkten und Aktuaren die Landesstelle vor der Ernennung
die Kompetenzgesuche und Besetzungsvorschläge dem Oberlandesgerichte zu dem
Ende mittheile, damit diese Justizstelle sich über die Qualifikation
aussprechen könne.
III. Die Repräsentanten des Finanz- und
Handelsministeriums stellen den Antrag, daß die Ernennung der Steuerbeamten
und die Bewilligung von Remunerazionen und Aushilfen an dieselben vom Chef
der Steuerlandesbehörde und in höherer Linie vom Finanzministerium
erfolge.
§ 17. Die Disziplinarstrafgewalt über das bezirksämtliche
Personale wird, insoweit die Bestimmung der §§ 7 und 8 nicht ausreicht, zunächst
von der politischen Landesstelle ausgeübt. Bei Degradirungen und Versetzungen im
Strafwege entscheidet in erster Instanz die Landesstelle, die Berufung geht an
das Ministerium des Innern.
Handelt es sich um einen Bezirkshauptmann bei
einem Amte II. Klasse, um einen Bezirksrichter oder Grundbuchsführer oder um
einen der im § 6 erwähnten Beamten, so tritt die Landesstelle mit dem
Oberlandesgerichte und beziehungsweise mit der Steueroberbehörde in Rücksprache
und findet keine Übereinstimmung der Meinungen statt, so wird die Entscheidung
des Ministeriums des Innern eingeholt, welches seinerseits mit dem Ministerium
der Justiz oder dem Finanzministerium das Einvernehmen pflegt.
Eine
derartige Rücksprache mit den Gerichtsbehörden hat auch bezüglich der
Disziplinarbehandlung eines Bezirksadjunkten oder Aktuars einzutreten, wenn
demselben in Betreff gerichtlicher Geschäfte ein ungehöriges Benehmen zur Last
gelegt wird.
Die Entlassung eines bezirksämtlichen Individuums steht
denjenigen Behörden zu, welche deren Ernennung auszusprechen haben; nur ist auch
die Entlassung eines Dieners der Landesstelle vorbehalten.
Bei der
Entlassung haben nach den darüber bestehenden Vorschriften dieselben Behörden –
wie nach den vorstehenden Bestimmungen bei der Degradirung – mitzuwirken und zu
entscheiden.
Die Suspendirung hat, insoweit nicht die §§ 7 und 8 Anwendung
finden, die Landesstelle, und zwar wenn es sich um einen Bezirkshauptmann bei
einem Amte II. Klasse, einem Bezirksrichter oder einem im § 6 bezeichneten
Beamten handelt, im Einvernehmen mit dem Oberlandesgerichte und beziehungsweise
mit der Steuerlandesbehörde und in dringenden Fällen unter gleichzeitiger
Mittheilung des Verfügten an diese Behörden auszusprechen.
Minoritätsantrag
Die Repräsentanten des Finanz- und Handelsministeriums
beantragen, daß die Disciplinarstrafgewalt in Betreff der Steuerbeamten von
der Steuerlandesbehörde ausgeübt und daß daher insbesondere von dieser
Behörde und im Berufungswege vom Finanzministerium die Suspendirung,
Degradirung und Entlassung ausgesprochen werde.
§ 18. Für die
Kanzleierfordernisse sowie für die Beleuchtung und Beheizung der Amtslokalitäten
wird dem Bezirksamte ein Pauschale bemessen.
Die Anschaffung der
Einrichtungsstücke für die Kanzleien und für die vorschriftmäßig herzustellenden
Arreste hat über Bewilligung der Oberbehörde und gegen Rechnungslegung zu
geschehen.
§ 19. Für Dienstesreisen im Bezirke erhalten die Bezirksbeamten
bestimmte Tag- und Meilengelder, welche bei offiziösen Reisen vom Ärar, bei
Reisen in Parteisachen von den Parteien vergütet werden; die Partikularien
werden monatlich der vorgesetzten politischen Behörde vorgelegt und es sind bis
zu deren Adjustirung angemessene Vorschüsse auf die verrechneten Beträge zu
bewilligen. Bei Hofreisen und bei Dienstesreisen außerhalb des Bezirkes haben
die Bezirksbeamten die klassenmäßigen Diäten und Reisegebühren zu
beziehen.
§ 20. Zur Bestreitung laufender Verwaltungsauslagen, insbesondere
der im § 18 bezeichneten Art, dann der Auslagen für die Verpflegung der in der
Detention befindlichen Personen, werden dem Bezirksamte bleibende Verläge
gewährt, welche, so oft der Bezirkshauptmann über die daraus bestrittenen
Auslagen Rechnung legt, durch Anweisung des richtig befundenen Betrages zu
ergänzen sind.
§ 21. In welcher Art die beim Bezirksamte vorkommenden oder
einlaufenden Geschäfte zu übernehmen, in Verhandlung zu bringen, zu erledigen
und zu expediren seien, wie die Akten aufbewahrt und geordnet und die Kassa- und
Rechnungsgeschäfte besorgt werden sollen, wird durch einen besonderen
Amtsunterricht bestimmt.
§ 22. Der gesammte bezirksämtliche Aufwand wird
zwischen den Ministerien des Innern, der Justiz und der Finanzen nach einer
bestimmten Quote getheilt.
§ 23. In besonders zu bezeichnenden Orten werden
für die abgesonderte Besorgung der politischen Verwaltung, der
Justizangelegenheiten und der Steuer- und Kassageschäfte eigene Ämter bestellt,
insoferne solche Verwaltungs-, Steuer- und Kassageschäfte nicht der Besorgung
der Komunen überlassen bleiben. Das Personale dieser Ämter untersteht der
Disziplinargewalt jener Behörde, welche zur Oberleitung des betreffenden
Dienstzweiges berufen ist.
Über die Einrichtung solcher Ämter, deren
Wirkungskreis, Personal- und Besoldungsstand haben besondere Bestimmungen zu
erfolgen.
Zweites Hauptstück
Wirkungskreis des Bezirksamtes
Erster Abschnitt
[A.] Wirkungskreis in Angelegenheiten der politischen
Verwaltung
I. Im Allgemeinen:
§ 24. Zur Wirksamkeit des Bezirksamtes
gehört, insoweit dazu nicht ausdrücklich andere Organe bestimmt sind, die Sorge
für die Vollziehung der Gesetze für die Aufrechthaltung der Sicherheit, der
öffentlichen Ordnung und Ruhe und für die Förderung des Gemeinwohles
II.
Insbesondere:
§ 25. Das Bezirksamt sorgt für die gehörige Kundmachung der
Gesetze und der zur Verlautbarung bestimmten Anordnungen der Behörden, nach
Maßgabe der bestehenden Vorschriften und der erhaltenen höheren Aufträge.
§
26. Das Bezirksamt hat darüber zu wachen, daß die Territorialhoheit gewahrt und
die Reichs- oder Landesgrenzen nicht verletzt werden.
Wenn ein derartiger
Eingriff und namentlich an Grenzflüssen und Grenzbächen eine die Grenzlinie
nachtheilig ändernde, die Beschiffung oder Benützung der Gewässer beirrende
Bauführung oder sonstige Neuerung wahrgenommen wird, sind sogleich mit Umsicht
die nöthigen genauen Erhebungen einzuleiten und unverzüglich die Anzeige an die
vorgesetzte politische Behörde zu machen.
Das Bezirksamt sorgt für die
Evidenzhaltung der Bezirks- und Gemeindegrenzen, pflegt bei vorkommenden
Streitigkeiten die nöthigen Erhebungen und unterlegt sie, insoferne die
Angelegenheit nicht gerichtlich auszutragen ist, der höheren politischen Behörde
zur Entscheidung.
Anträge auf Änderungen im Umfange von Catastralgemeinden
sind mit den bezirksämtlichen Erhebungen an die vorgesetzte politische Behörde
zur weiteren Verhandlung und Entscheidung im Einvernehmen mit den Steuerbehörden
zu leiten.
§ 27. Dem Bezirksamte obliegt die Vollziehung und in dringenden
Fällen die unmittelbare Verfügung der Maßregeln zur Hintanhaltung und Milderung
des Nothstandes.
Es hat namentlich zu wachen und zu sorgen, daß Verletzungen
der Person und des Eigenthums, sie mögen vom Zufalle herrühren oder durch
menschliche Thätigkeit absichtlich oder unabsichtlich veranlaßt werden,
vorgebeugt, bei vorfallenden Beschädigungen, vorzugsweise bei einer
Feuersbrunst, Überschwemmung, Hungersnoth und derlei umfassenderen Nothfällen,
dem Umsichgreifen des Schadens Einhalt gethan, den Bedrängten die möglichste
Hilfe gewährt, der Umfang und die Veranlassung des Schadens erhoben, die
eingetretenen nachtheiligen Folgen beseitiget und die Gesetzesübertreter zur
Untersuchung und Bestrafung gebracht werden.
Zu diesem Behufe steht es dem
Bezirksamte zu, die übrigen öffentlichen Organe nach Maßgabe des ihnen
zugewiesenen Geschäftskreises und die Gemeindevorsteher sowie die Organe des aus
dem Verbande der Ortsgemeinden ausgeschiedenen Besitzes zur schuldigen
Mitwirkung zu veranlassen und dabei zu überwachen.
Handelt es sich um
Einleitung von Sammlungen oder sonstigen Nothstandsabhilfen in größerem Maße
oder um Lebensrettungstaglien und Belohnungen für ausgezeichnetes Benehmen bei
Feuer, Wasser und anderen Gefahren, so wendet sich das Bezirksamt an die höhere
politische Behörde.
Minoritätsantrag
Ministerialrath
von Laßer und die Sektionsräthe von
Neydißer und Regner beantragen, daß in diesem § sowie überall, wo von dem
auszuscheidenden Besitze die Rede ist (§§ 31, 35, 40, 44, 62) der Wortlaut
der Art. 9 und 36 der allerhöchsten Organisirungsgrundsätze beibehalten und
daher „der aus dem Verbande der Ortsgemeinden ausgeschiedene ehemals herrschaftliche große Grundbesitz“ bezeichnet
werde.
§ 28. Bei gewaltsamen oder in böser Absicht vorgenommenen
Besitzstörungen hat das Bezirksamt alles vorzukehren, damit die öffentliche
Ordnung erhalten und wieder hergestellt und weitere Angriffe hintangehalten
werden, insoweit nicht ohnedies das gerichtliche Einschreiten über
Besitzstörungsklagen erfolgt.
§ 29. In den Angelegenheiten, welche die
Landeskultur im Bezirke, den Ackerbau, die Viehzucht, die Forstwirthschaft, die
Jagd und Fischerei u. dgl. betreffen, hat das Bezirksamt die Aufrechthaltung der
gesetzlichen Vorschriften und Einrichtungen zu überwachen und die von den
vorgesetzten Behörden erhaltenen Weisungen zu vollziehen.
Handelt es sich
bei derartigen Gegenständen um eine Entscheidung im Bereiche der politischen
Verwaltung, so ist dazu das Bezirksamt in erster Instanz berufen, falls eine
solche Entscheidung nicht ausdrücklich der höheren politischen Behörde
vorbehalten ist.
§ 30. Nach denselben Grundsätzen (§ 29), und insoferne es
sich nicht um eine gerichtliche Austragung von Rechtsansprüchen handelt, obliegt
dem Bezirksamte die Mitwirkung und beziehungsweise Entscheidung bei
Verhandlungen über Wasserrechte und Schifffahrtsfragen, über Bodenbewässerung
und Entsumpfung, über Grundtrennungen, über Bach- und Flußregulirungen, über
Anlegung von Mühlen, Fabriken und anderen Werken am Wasser, über Holzrechen,
Klausen, Holzschwemmen, Uferschutzbauten u. dgl.
§ 31. Das Bezirksamt hat
nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften und unter Mitwirkung der den
Bezirksämtern zur Seite stehenden technischen Organe (§ 12) für die Herstellung
und Instandhaltung der Straßen und Brücken im Bezirke Sorge zu tragen.
Bei
Gemeindestraßen sind die Gemeinden sowie die Organe des aus dem Verbande der
Ortsgemeinden ausgeschiedenen Besitzes zu der Leistung ihrer Verpflichtungen
anzuhalten. Bei Bezirks- oder Kreisstraßen, wo solche bestehen, vollzieht das
Bezirksamt die Maßregeln, welche durch die bestehenden Gesetze oder höheren
Behörde angeordnet oder in dringenden Fällen vom Bezirksamte selbst für nöthig
erachtet und innerhalb seines Wirkungskreises verfügt werden.
In Betreff der
Reichsstraßen hat das Bezirksamt die ihm ertheilten höheren Aufträge zu befolgen
und für die Beseitigung der wahrgenommenen Übelstände entweder durch Anzeige an
die höhere Behörde oder in dringenden Fällen durch unmittelbare Anordnung zu
sorgen. Insoferne nach den bestehenden Gesetzen und Einrichtungen die Conkurrenz
für bestimmte Straßen-, Damm- und Brückenbauobjekte von Fall zu Fall durch die
politische Verwaltung festzusetzen ist, hat das Bezirksamt die erforderlichen
Erhebungen zu pflegen und darüber in der Regel in erster Instanz zu entscheiden,
insoferne eine solche Entscheidung nicht ausdrücklich der höheren politischen
Behörde vorbehalten ist.
§ 32. Dem Bezirksamte steht zu die Verleihung von
Handels- und Gewerbsbefugnissen, und zwar in der Regel über Einvernehmen der
Gemeindevorsteher in erster Instanz, soweit nicht wichtigere Gewerbs- und
Handelsrechte der Entscheidung der höheren Behörde vorbehalten sind sowie die
Entscheidung in erster Instanz bei Gewerbsstörungen, d. h. bei unbefugter
Gewerbsausübung, mangelnder oder überschrittener Conzession oder Verhinderung
und Störung der Gewerbsausübung der dazu Berechtigten.
Gesuche um
Erfindungsprivilegien hat das Bezirksamt der höheren Behörde vorzulegen und die
hierüber angeordneten Erhebungen und Vorkehrungen einzuleiten.
§ 33. Das
Bezirksamt hat für die Evidenzhaltung der Bevölkerung und für die Sammlung der
statistischen Nachweisungen zu sorgen, welche durch die bestehenden Gesetze
vorgeschrieben oder von den höheren Behörden abverlangt werden.
§ 34. Bei
der Conskription und Rekrutirung obliegt dem Bezirksamte die vorschriftsmäßige
Mitwirkung.
Ihm steht zu über Einvernehmen der Gemeinde die Entscheidung
über die Zuständigkeit zur Gemeinde sowie die Ausfertigung der
Heimatscheine.
Es besorgt die Abstellung bei Rekrutirungen, die Erhebungen
und Correspondenzen in Werbbezirkssachen, bei Militärentlassungen und
Nachstellungen bei ex offo Stellungen und bezüglich des Eintrittes der
Nachmänner sowie die Geschäfte, welche die Überwachung der Urlauber und
Patentalinvaliden und die Einberufung der Urlauber betreffen.
§ 35. Dem
Bezirksamte obliegt die Besorgung in erster Instanz bezüglich der
Vorspannsleistung und Einquartierung des Heeres.
Nach Maßgabe der
militärischen Dispositionen und der bestehenden Gesetze und höheren Anordnungen
sorgt das Bezirksarmt, daß die erforderliche Vorspann und Bequartierung auf die
verpflichteten Ortsgemeinden und den aus deren Verbande ausgeschiedenen Besitz
vertheilt und von diesen geleistet werde.
Es überwacht dabei die
Gemeindevorsteher oder die von ihnen oder von den Eigenthühmern des
ausgeschiedenen Besitzes für Einquartirungs- und Vorspannsgeschäfte bestellten
Organe in der Ausübung ihrer Wirksamkeit, schafft erforderlichen Falls
unmittelbar die nöthige Abhilfe und entscheidet über vorkommende
Beschwerden.
Zur Unterstützung der Bezirksämter werden an wichtigeren
Marschstationen, wo sich kein Bezirksamt befindet, besondere Marschkommissäre
für Einquartirung und Vorspannsgeschäfte bestellt.
§ 36. In Angelegenheiten
der Verpflegung des Heeres hat das Bezirksamt, insoweit es von den
Militärorganen darum ersucht oder von der höheren Behörde beauftragt wird, seine
Mitwirkung zu gewähren.
§ 37. Dem Bezirksamte steht zu die Ertheilung der
politischen Ehekonsense über Einvernehmen der Gemeindevorsteher, insoweit solche
Bewilligungen erforderlich und nicht ausnahmsweise der höheren Behörde
vorbehalten sind.
§ 38. Das Bezirksamt bewilliget, leitet oder überwacht die
freiwilligen öffentlichen Versteigerungen, insoferne sie nicht der gerichtlichen
Competenz zugewiesen sind.
§ 39. Dem Bezirksamte steht endlich zu9 die Aufnahme von exekutionsfähigen
politischen Vergleichen10.11
B. Polizeiliche Geschäfte
I. Im Allgemeinen:
§ 40. Das Bezirksamt trifft
alle Maßregeln, welche in Angelegenheiten der Orts und höheren Polizei durch die
Gesetze oder Weisungen der vorgesetzten Behörden angeordnet werden oder welche
es innerhalb seines Wirkungskreises selbst zu verfügen findet. Es vollführt
diese Maßregeln entweder unmittelbar und mit Zuhilfenahme der dazu besonders
berufenen Organe (Sanitäts-, technische, polizeiliche Organe, Gendarmerie und
andere Wachkörper) oder durch Anhaltung und Überwachung der zur Mitwirkung nach
den ertheilten Weisungen verpflichteten Gemeindevorsteher und Organe des aus dem
Verbande der Ortsgemeinden ausgeschiedenen Besitzes.
II. Insbesondere:
§
41. Das Bezirksamt hat über das Press- und Zeitungswesen und über die Vereine,
welche im Bezirke bestehen oder darin ihre Zwecke verfolgen, die Aufsicht zu
pflegen.
§ 42. Dem Bezirksamte obliegt die Fremdenpolizei, insoferne nicht
die Handhabung derselben der höheren Behörde vorbehalten wird, namentlich die
Überwachung und Behandlung der Fremden, die Ausfertigung der Wanderbücher und
Reiseurkunden, die Vidirung der Wanderbücher zur Weiterreise, die Vidirung der
Hausierpässe, die Ausweisung und Abschiebung von bedenklichen, von erwerbs- oder
ausweislosen, im Bezirke nicht zuständigen Individuen; das Schubwesen, die
Anordnung und Leitung von Streifungen.
§ 43. Die Angelegenheiten, welche die
Armenpolizei betreffen, werden vom Bezirksamte besorgt.
Zu seinem
Wirkungskreise gehört diesfalls namentlich die Obsorge für die Armenpflege nach
den bestehenden Einrichtungen, die Überwachung und Anhaltung der Gemeinden zur
Erfüllung ihrer Verpflichtungen, die Sorge, daß die für Armenpflege und andere
derlei wohlthätige Zwecke bestehenden Gemeinde- oder Bezirksanstalten gehörig
verwaltet und verwendet werden und die Abstellung des Bettels.
§ 44. In
Betreff der Sanitätspolizei hat das Bezirksamt mit Beachtung der bestehenden
Vorschriften und der höheren Aufträge die Maßregeln, welche bei Epidemien,
Thierseuchen usf. nothwendig und zur Wahrung des öffentlichen Gesundheitsstandes
überhaupt erforderlich sind, zu vollziehen und in dringenden Fällen unmittelbar
zu verfügen sowie die hiezu besonders bestimmten ärztlichen Organe (§ 11) in
ihrer Pflichterfüllung zu überwachen und zu unterstützen.
Dem Bezirksamte
steht ferner zu die Überwachung der Gemeinden und des aus ihrem Verbande
ausgeschiedenen Besitzes in Angelegenheiten der Sanitätspolizei und der
Krankenpflege, des Impfwesens und der Geburtshilfe, endlich die Überwachung der
Kranken-, Siechen-, Gebär-, Irrenhäuser etc., welche im Bezirke als Gemeinde-
oder Bezirksanstalten bestehen.
§ 45. Das Bezirksamt handhabt die
Sittlichkeitspolizei, es überwacht die Schankgewerbe, Traiterien und
Kaffeehäuser, ertheilt Musiklizenzen, gestattet Schauspiele und andere
öffentlichen Produktionen im Bezirke, insoferne die betreffenden Individuen
bereits mit der gesetzlichen Befugnis versehen sind und sorgt für die
Aufrechterhaltung der Gesetze in Betreff der Kuppelei, der verbotenen Spiele
etc.
§ 46. Das Bezirksamt ist verpflichtet, für die Reinlichkeits- und
Straßenpolizei zu sorgen und namentlich die Reinhaltung der Wege, Kanäle,
Brunnen und Viehtränken, die Offenhaltung der Passage, die Straßenbeleuchtung,
die Versicherung bei Abhängen, Gewässern, Kellertiefen usf., die Hintanhaltung
des zu schnellen Fahrens usf. zu überwachen.
§ 47. Das Bezirksamt überwacht
das Gesindewesen, vollzieht die Dienstbothenordnungen und die polizeilichen
Vorschriften in Betreff der Gesellen, Fabriksarbeiter, Lehrjungen usf.
§ 48.
Dem Bezirksamte obliegt die Handhabung der Feuer- und Baupolizei. In dieser
Beziehung steht ihm namentlich zu die Ertheilung der politischen Baukonsense,
insoferne nicht hiezu nach den Bauvorschriften die höhere Genehmigung
erforderlich ist, die Feuerbeschau, die Überwachung der Löschanstalten, der
gehörigen Vorsichten bei Bauführungen, des rechtzeitigen Beziehens und Räumens
der Wohnungen aus Bau- und Sanitätsrücksichten etc.
§ 49. Zur Wirksamkeit
des Bezirksamtes gehört die Ausübung der Markt- und Gewerbepolizei und
namentlich die Überwachung der Approvisionirung, der Satzungs- und gewerblichen
Taxordnungen, die Aufsicht über die Zimentirung, über Maße und Gewichte, die
Überwachung des Zunft- und Innungswesens.
§ 50. Das Bezirksamt handhabt die
Feld-, Forst- und jagdpolizeilichen Vorschriften.
§ 51. Das Bezirksamt
entscheidet in erster Instanz, wenn Bezirksinsassen oder Fremde sich wegen
Maßregeln und Verfügungen beschweren, die in Ausübung der Polizei von einem
Gemeindevorsteher oder einem für den einen oder anderen Zweig der Polizei
bestellten Organe getroffen werden sowie über Beschwerden von Durchreisenden
gegen Weg- und Brückenmauthner, Postmeister, Gastwirthe, Lohnkutscher, Fuhrleute
u. dgl.
§ 52. Das Bezirksamt verhandelt und entscheidet in erster Instanz
bei polizeilichen Freveln und Übertretungen, insoferne dieselben der
Polizeigewalt anheimfallen und nicht der strafrichterlichen Wirksamkeit (§ 67)
vorbehalten sind.
C. Geschäfte in Stiftungssachen, in geistlichen und Schulangelegenheiten
§
53. Bei geistlichen und weltlichen (Schul-, Unterrichts-, Wohlthätigkeits-,
Bildungs- und Humanitäts etc.) Stiftungen steht dem Bezirksamte die
Verpflichtung zu, das Aufsichts- und Tutelsrecht des Staates zu üben, inwieferne
dazu nicht besondere Organe bestimmt sind oder diese Wirksamkeit der höheren
Behörde vorbehalten ist.
§ 54. In geistlichen Sachen obliegt dem Bezirksamte
im Allgemeinen die Sorge für die Unterlassung öffentlicher Religionsübung von
Seite nicht anerkannter Konfessionen, für die Hintanhaltung von Religions- und
Gottesdienststörungen und für die Heilighaltung der Sonn- und Feiertage, die
Ertheilung von Aufgebotsdispensen in den Fällen der nahen Todesgefahr (§ 86
ABGB), die Einflußnahme in den Angelegenheiten der kirchlichen Vogtei und bei
den Kirchen und Pfarrhofbaulichkeiten nach Maßgabe der darüber bestehenden
Vorschriften, die Entscheidung über Gebühren der Geistlichen und die exekutive
Eintreibung derselben12, insoferne sie (wie Sammlungen, Stolgebühren
etc.) zur Wirksamkeit der politischen Verwaltung gehören.
§ 55. In Schul-
und Erziehungssachen übt das Bezirksamt nach Maßgabe der bestehenden
Vorschriften das Aufsichtsrecht des Staates; es schreitet ein bezüglich der
Sammlungen und Schulgelder und verhängt diesfalls die Exekution; es verhandelt
und entscheidet, insoferne nicht der Gegenstand den höheren Behörden vorbehalten
oder besonderen Organen zugewiesen ist, über Schulbaulichkeiten, über die
Verpflichtung der Beischaffung von Einrichtungsstücken, Geräthen, Holz und
sonstigen Erfordernissen der Schule und überwacht die Erhaltung der Schulgebäude
und den Schulbesuch und wendet wegen gehöriger Frequentation die gesetzlichen
Mittel an; es schreitet endlich ein bei Beschwerden über das13
Votum des Ministers Grafen Thun über den Entwurf der Einrichtung und des Wirkungskreises der Bezirksämter
Der Entwurf wurde bisher nur in der Art der Berathung unterzogen, daß sich
über den Inhalt der einzelnen Paragraphen ausgesprochen werden mußte. Es
scheinen mir jedoch einige dem Entwurfe im Allgemeinen zu Grunde liegende
Ideen, so wie der Weg, welcher durch dessen Genehmigung zur Durchführung der
Bestimmungen des allerhöchsten Patentes vom 31. Dezember vorigen Jahres
[1851]14betreten würde, wesentlichen Bedenken
zu unterliegen. Bei den Berathungen hat sich vom ersten Beginne eine
Verschiedenheit der Meinungen des Ministers
des Innern und des Justizministers in Betreff der Frage geltend gemacht, in wie
weit diese untersten landesfürstlichen Behörden als politische und in wie
weit sie als Gerichtsbehörden aufzufassen seien. Die Gestalt, in welcher der
Entwurf aus den Berathungen hervorging, ist das Ergebnis von theilweisen
Konzessionen und von Majoritätsbeschlüssen, die sich bald der einen, bald
der anderen Ansicht näherten. Damit wird nicht erreicht, was der Justizminister zum Behufe einer möglichst
selbstständigen und den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches
entsprechenden Gestaltung der Gerichtspflege anstrebte, ist aber gleichwohl
diesem Streben genug nachgegeben, um, wenn auch nicht sogleich, so doch in
nicht ferner Zeit, die Administration in der untersten Sphäre ganz in die
Hände von Gerichtsbeamten übergehen zu lassen und dadurch auch in jenen
Theilen des Reiches, in welchen es bisher noch nicht der Fall war, die durch
die Institutionen des Jahres 1849 begonnene Zerstörung der
altösterreichischen Zustände unaufhaltbar zu vollenden. Den Gegenstand des
Meinungsstreites bildet wesentlich das sogenannte Richteramt außer
Streitsachen sammt der Grundbuchsführung, dem Friedensrichteramte und den
Notariatsgeschäften.
Ehe entschieden wird, ob diese Angelegenheiten in
den Bereich der Geschäfte von Gerichts- oder von politischen Beamten
gehören, dürfte in Erwägung zu ziehen sein, ob hinreichender Grund vorhanden
sei, um sie überhaupt von landesfürstlichen Beamten besorgen zu lassen. Der
vorliegende Entwurf gibt dem Wirkungskreise besoldeter Staatsbeamten eine
Ausdehnung, wie er sie noch niemals in einem großen Reiche gehabt hat. Die
Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit einer solchen Einrichtung fühle ich mich
gedrungen sowohl in administrativer, als finanzieller und politischer
Beziehung zu bestreiten.
1. in administrativer Beziehung:
Eine ähnliche Einrichtung, wie die jetzt
beantragte, hat vor dem Jahre 1848 im Küstenlande, in Krain, Kärnten und Tirol bestanden – auch in diesen
Ländern aber nicht durch natürliche Entwicklung der Verhältnisse, sondern
als Folge des durch die französischen Kriege herbeigeführten Umsturzes der
heimatlichen Zustände.
Sind durch die landesfürstlichen Ämter in jenen
Ländern in irgend einer administrativen Beziehung günstigere Resultate
erzielt worden als in Böhmen, Mähren, Oesterreich, wo die
Geschäfte in der untersten Sphäre nicht von landesfürstlichen Organen
besorgt wurde?
Was namentlich Grundbücher und Waisenkassen anbelangt, so
verdient es besondere Beachtung, daß diese Institute, wo sie bestanden,
nicht von der Regierung geschaffen worden sind. Sie sind ungezwungen
entstanden und nur nachträglich durch Gesetze geregelt worden.
Wo sie
nicht auf solche Weise entstanden, ist ihre Einführung durch die
landesfürstlichen Behörden nicht oder doch in weit unbefriedigenderer Weise
bewirkt worden. Ja, es ließe sich hinsichtlich der Waisenkassen
unwiderleglich nachweisen, daß der Einfluß der Behörden, insoferne es sich
dabei nicht blos um Schutz und Überwachung handelte, der nützlichen
Entwicklung mehr hinderlich als förderlich wurde.
Sollten diese
Erscheinungen nicht in der Natur der Dinge gegründet sein?
2. in finanzieller Beziehung:
Die Berechnung der Kosten der Bezirksämter,
welche dem Ministerrath vorgelegt wurden, wies, gegenüber dem Aufwand für
die dermaligen Bezirkshauptmannschaften und Bezirksgerichte, eine jährliche
Ersparung von 2.280.000 fl nach. Der Ministerrath fand schon einige
Änderungen in dem Besoldungsstatus nothwendig, wodurch diese Ziffer
bedeutend vermindert werden dürfte. Der Justizminister erklärt den
Personalstatus für die Justizgeschäfte durchaus unzureichend. Auch im
Vergleiche mit dem Personale gut eingerichteter Patrimonialämter scheint er
sehr knapp bemessen zu sein. Es scheint daher sehr zweifelhaft, daß eine
Ersparung werde erzielt werden könne, ohne die Administrazion schlechter zu
stellen als sie vor dem Jahre 1848 gestellt war.
Die Bezirksämter, wie
sie angetragen sind, werden alles zu besorgen haben, was den getrennten
Ämtern und Gerichten gegenwärtig obliegt; ja, aus den Änderungen im
Gemeindegesetze werden ihnen neue Geschäfte erwachsen. Eine Verminderung des
Personales kann wohl nur durch die Abnahme eines Theiles der Geschäfte
herbeigeführt werden, nicht durch die bloße Umstellung der Ämter. Im
Gegentheile muß der Aufwand für Behörden, welche in der untersten Sphäre mit
der Administration in der ganzen vorgeschlagenen Ausdehnung belastet sind,
fortwährend steigen, denn die Geschäfte in dieser Sphäre müssen mit dem
zunehmenden Verkehre sich unablässig mehren.
Welche Geschäftsvermehrung
muß überdies nur aus den Personalangelegenheiten eines so ungeheueren
Beamtenthums erwachsen, wenn es einige Zeit lang in Wirksamkeit ist! - zumal
bei den vielfachen durch den Entwurf vorgesehenen Fällen, in welchen
zwischen den Landesbehörden oder den Ministerien ein Einvernehmen
hergestellt werden soll.
3. in politischer Beziehung:
Als mir im Jahre 1848 die
Aufgabe wurde, der revolutionären Bewegung in Böhmen Einhalt zu thun, fand ich in den nicht
landesfürstlichen Behörden auf dem Lande den wirksamsten Beistand. Nicht
blos durch gehorsame Vollziehung erhaltener Weisungen, sondern aus eigenem
Antriebe wirkten sie, sobald sie nur gewahr wurden, daß sie dabei wieder auf
Unterstützung rechnen konnten, der Auflösung entgegen, in den Feinden der
bestandenen Ordnung mit richtigem Gefühle ihre eigenen Feinde erkennend; und
sie behaupteten siegreich ihre Posten, während die in den Landstädten von
der Regierung angestellten Magistratsräthe theils mit der Revolution
fraternisirten, theils resignirten oder verjagt wurden und selbst mancher
Kreishauptmann mit den Vertretern des Zeitgeistes um ihn her und mit dem
liberalen Ministerium in Wien liebäugelte oder
wenigstens im Widerstande gegen die hereinbrechende Anarchie sich nur auf
das beschränkte, was ihm geradezu befohlen wurde.
Es dürfte in der Natur
der Sache liegen, daß die politische Stellung der Regierung eine ungleich
günstigere ist, wenn sie nicht alle Geschäfte in der untersten Sphäre durch
ihre eigenen Organe besorgen läßt und daher nicht in jeder Beziehung die
Verantwortung für den Erfolg auf sich nimmt, sondern sich, wo es angeht,
darauf beschränkt zu überwachen und Kritik zu üben, statt sich ihr überall
Preis zu geben.
Napoleon
hat in Frankreich eine Beamtenregierung hergestellt, in
ähnlicher Ausdehnung wie die, welche jetzt für Oestreich beantragt wird, wenn auch nicht ganz in dem Maaße,
insofern die französische Gerichtsverwaltung die ausgedehnte und
eingreifende Agenda, die bei uns das adelige Richteramt genannt wird, nicht
kennt. Diese Regierungsmaschine hat ihm und ebenso jedem seiner rechtmäßigen
und nicht rechtmäßigen Nachfolger gedient, so lange sie im Glück waren, wie
jede Maschine demjenigen dient, der sich in ihren Besitz zu setzen und sie
zu handhaben weiß. Frankreich ist jetzt der Revolution
müde, aber es scheinen keine Elemente mehr vorhanden zu sein, die Macht
hätten, um den rechten Weg selbstständig zu gehen. Seit Napoleon den Widerstand der Vendée gegen die Revolution erdrückt
hat, ist unter dem Schutze der Beamtenregierung die bürgerliche Gesellschaft
in Atome zerfallen, jeder organische Verband, die Bedingung legitimer
Kraftentwicklung, ist aufgelöst und das Staatsleben reduzirt sich auf den
Kampf, den die Regierung allenthalben allein und unmittelbar mit den
revolutionären Elementen zu bestehen hat.
Ich bin demnach der Meinung,
daß die große Ausdehnung des Wirkungskreises landesfürstlicher Behörden in
administrativer Beziehung weder nothwendig noch nutzbringend, in
finanzieller und politischer geradezu verderblich sei.
Nachdem aber die
vor dem Jahre 1849 bestandenen untersten Behörden aufgelöst wurden und nicht
wieder hergestellt werden können, so bleibt doch nichts übrig, als die von
ihnen besorgten Geschäfte überall von den landesfürstlichen Beamten besorgen
zu lassen. Für jetzt erübrigt allerdings nichts anderes, daraus folgt aber
nicht, daß man diesen leidigen Zustand für einen bleibenden erklären und
dessen Beibehaltung und Befestigung als das Ziel der neuen Organisation
betrachten müsse. Das geschieht aber, wenn man die Durchführung des
allerhöchsten Patentes vom 31. Dezember vorigen Jahres damit beginnt, die
Bezirksämter nicht nur ins Leben zu rufen, sondern ihnen sogleich eine
definitive Einrichtung und neue Instruktionen so umfassender Art zu
ertheilen, daß dadurch jede berechtigte Selbstthätigkeit aller Klassen der
Bevölkerung im Prinzip ausgeschlossen ist und jeder Keim davon durch die
Thätigkeit dieser Ämter erstickt werden muß.
Meines Erachtens sollte
vielmehr bei den jetzt zu ergreifenden Maßregeln sogleich dahin gestrebt
werden, brauchbare Elemente zu finden und in Wirksamkeit zu setzen, denen
ein Theil der seit dem Jahre 1849 überall landesfürstlichen Beamten
obliegenden Geschäfte übertragen werden könne, und zwar nicht blos zur
Berathung, sondern mit der vollen Berechtigung zu beschließen und zu
vollziehen und mit der vollen nur daraus erwachsenden Verantwortlichkeit. Zu
dem Ende müßte vor allem unterschieden werden zwischen Stadt und Land, eine
Unterscheidung, die fortwährend im Auge zu behalten mir dringend nothwendig
scheint, wenn nicht das Verderbnis der städtischen Zustände sich baldigst
über das Land verbreiten soll.
Was die Städte anbelangt, so wird kaum
ein Anstand obwalten sie überall ziemlich gleich zu behandeln.
Die
Verhältnisse auf dem Lande sind aber in den verschiedenen Kronländern sehr
verschieden; es dürfte daher unerläßlich sein für jedes Kronland abgesondert
zu erwägen, was da zu thun sei. Für Ungarn geschieht es
bereits; worin sollte die Nothwendigkeit begründet sein alle anderen
Kronländer gleichmäßig zu behandeln?
In den Ländern, in welchen es sich
um die Ausscheidung des großen Grundbesitzes aus dem Gemeindeverbande
handelt, wäre damit sogleich vorzugehen, weil erst dadurch die Verhältnisse
auf dem Lande sich wieder ihrer Natur gemäß gestalten, abgesehen von dem
Umstande, daß auch nur dadurch widerrechtlichen Eingriffen in das Eigenthum
Einhalt geschehen kann.
Insofern inzwischen schon die Bezirksämter
eingesetzt werden müssen, beschränke man sogleich die Gerichtsbeamten auf
die eigentlichen Geschäfte der Straf- und Ziviljustiz, alles Übrige falle
für so lange, als noch keine anderen Organe vorhanden sind, den politischen
Beamten zu. Der Scheidung der Geschäfte in Zivilangelegenheiten werde das
Hofdekret vom 21. August 1788 zu Grunde gelegt, welches den gegenseitigen
Wirkungskreis der Ortsgerichte und Wirthschaftsämter in einer Weise
normirte, die sich durch 60 Jahre als zweckmäßig erwiesen hat. Mit jedem
Bezirksamte sei also ein Bezirksgericht verbunden als eigene, aber nicht
materiell getrennte Behörde, sondern so, daß der Bezirksrichter seine
Funktionen bei einem oder mehreren Bezirksämtern, unterstützt von ihrem
subalternen Personale übe, wie der Justiziär sie bei den Wirthschaftsämtern
übte.
Damit würden sich all‘ die Schwierigkeiten lösen, die sich bei der
Berathung des vorliegenden Entwurfes in Beziehung auf die Stellung der
Justiz- und politischen Beamten ergeben haben, alles weitwendige
Einvernehmen der vorgesetzten Behörden bei Anstellungen, in
Disciplinarfällen und deren mehr, ferner die auffallende Anordnung, daß der
Bezirkshauptmann II. Klasse bei geringeren Rang und Gehalt eine größere
Vorbildung als der Bezirkshauptmann I. Klasse auszuweisen habe, würde
entfallen und die ganze Einrichtung eine viel einfachere werden.
Man fühlt die Nothwendigkeit der außer dem bureaukratischen Kreise stehenden
Bevölkerung eine gewisse Theilnahme an ihren Angelegenheiten
einzuräumen.
Man hat nur diesen Intressenten das Berathen, dem
Beamtenthume das Entscheiden und Handeln zugewiesen.
Dieser
Theilungsgrund scheint nicht durchwegs der angemessene zu keiner Zeit so wie
in der unsrigen, in keinem Reiche so wie in Oesterreich,
hat die Erfahrung so handgreiflich demonstrirt, daß es einen obersten entscheidenden Willen geben müsse.
Durch lange
Zeit hinaus wird diese oberste Auctorität keine ernstliche Anfechtung
erleben, wenn sie von sich selbst einen gerechten und
einen sparsamen Gebrauch, wenn sie sich nicht vulgär
macht. Es gibt weiters nicht nur große Fragen des allgemeinen
Staatsintresses, sondern auch in das Privatintresse eingreifende Fragen, bei
welchen jede auch eine nur berathende Intervention ständischer oder quasi
ständischer Körperschaften vom Übel ist. Wenn ein Strafgesetzbuch, eine
Wechselgerichtsordnung – ja in den meisten Kapiteln ein bürgerliches
Gesetzbuch – eine Zollordnung etc. zu Stande kommen oder reformirt werden
sollen, so wäre eine solche Berathung im besten Falle unnütz. Es gibt aber
andere Fragen und Intressen und sie bilden die Mehrzahl, welche der obersten
Auctorität und ihren nächsten Räthen so ferne stehen, daß es lediglich eine
Fiktion und Täuschung ist, wenn man deren Entscheidung und Besorgung durch
ein künstliches Gewebe von Mittelgliedern mit jener obersten Auctorität in
Verbindung setzen will.
Diese fallen bei der bezeichneten Theilung in
der That ganz und gar in die Hände jenes unübersehbaren Beamtenthumes. So
wie es nun einerseits wider das Gesetz der Sparsamkeit läuft, ja eigentlich
eine Profanation der obersten Auctorität ist, wenn sie ihre Vollmachten so
auf Diskretion ertheilt, so genügt anderen Theils in diesem Kreise von
Fragen und Interessen die blos berathende Stellung für die Betheiligten
nicht.
Es sind nicht meine Worte, sondern die eines sehr erfahrenen und
besonnenen Mannes, die ich hier anführe:
„Man hüte sich wohl ähnliche
Körperschaften rein berathend zu machen. Sie können dies nicht bleiben,
müssen dann entweder zur leeren Form, zur Spielerey herabsinken, die das
Geld und die Zeit nicht werth sind, welche sie kosten und gerade dadurch
wieder das Begehren nach Besserem hervorrufen oder sie werden (was in
unseren Tagen das wahrscheinlichere ist) bald übergreifen und der
Tummelplatz maßloser und bedenklicher Schwätzerey werden auf welcher sich
alles Gehetze, alle Unzufriedenheit und alle Utopien ablagern.
Darum hat
der praktische Sinn unserer Vorfahren den Ständen eine bestimmte Sphäre,
aber in ihr auch möglichst volle administrative
Thätigkeit zugewiesen, damit sie in eigenem Hause, in der eigenen, ihnen
zunächst stehenden Sache sich selbst praktisch ausbilden, aber auch auf das
Maß des praktisch Möglichen beschränken können.“
In einer weisen, den
Zeitverhältnissen angemessenen Scheidung der Wirkungskreise liegt die
Lösung, aber nicht darin, daß man in einem und demselben Bereiche zwei
Potenzen aufstellt, die mit einander ganz incompatibel sind. Die Erlässe vom
31. Dezember vorigen Jahres lassen es noch offen, ob man den Weg gehen
wolle, dessen Ausgangspunkte ich in den vorausgehenden Erörterungen
besprochen habe. Sie schließen es nicht aus, daß man den entgegengesetzten,
nach meiner Ansicht den rechten Weg gehe. Wir stehen am Scheidewege. Wenn
die Konservativen von der lebhaften Besorgnis ergriffen sind, man werde die
falsche Richtung einschlagen, so kann man dies nicht übel deuten. Sie folgen
dem alten Erfahrungssatze: Fragt die Parteien nicht, wohin sie wollen – sie
werden Euch täuschen. Sehet zu, woher sie kommen, und Ihr wisst, wohin sie
gehen.
Wenn sie, voraussehender als viele ihrer Genossen, sich und ihre
Familie, wenn sie die sittlichen und materiellen Güter, die sie von ihren
Vätern ererbten, nicht als unwürdige Nachkommen Preis geben wollen, wenn sie
dem Ruine wehren wollen, der letztlich auf den obersten Träger ihres
Prinzips, auf die Dynastie selbst zurück fallen wird, so thuen sie nur ihre
Pflicht. Worte werden jene Besorgnisse nicht beschwichtigen, nur Thatsachen
können es.
Die erste dieser Thatsachen wäre die, daß man den Trägern
jener echt konservativen Prinzipien die Möglichkeit gewähre, ihre Grundsätze
bei der Durchführung der kaiserlichen Erlässe geltend zu machen. Wohin diese
Erlässe führen werden, wenn sie in die Hände der Bureaukratie gelegt werden,
kann man leicht voraus bestimmen.
Wenn es mir gestattet ist, allgemeine
unmaßgebliche Andeutungen zu machen, so würde ich jene Scheidung der
Wirkungskreise nach Gegenständen zum Grunde legen, welche ich in dem
vorhergehenden Absatz besprochen habe.
Die Regierung möge sich und ihren
Organen die streitige Justizpflege – die Ausübung des Strafrechtes bis
inclusive der früheren sogenannten schweren Polizeiübertretungen –, sie möge
sich die höhere Polizei (Polizeicommissariate), die leider in größerer
Ausdehnung zur Nothwendigkeit wurde, sie möge sich Rekrutirung und Steuern –
letztere nöthigenfalls bis inclusive der Grundsteuer –, sie möge sich in
größeren Städten, wo das revolutionäre Element sowie zahlreichere
administrative Bedürfnisse vorwalten, noch eingreifenderen Einfluß
vorbehalten u. a. mehr.
Auf dem flachen Lande aber wurden die Akte der
freiwilligen Gerichtsbarkeit – das Waisenwesen, das Vermittleramt –, wie
schon jetzt die Erfahrung lehrt, von den Patrimonialämtern in weit
fruchtbarerer und angemessenerer Weise verwaltet, als sie jemals durch
kaiserliche Beamte besorgt werden können.
In dem Lande, in welchem die
Omnipotenz der Regierung bis zum Zerreißen angespannt ist – in
Frankreich –, kennt man z. B.
Verlassenschaftsabhandlungen, öffentliche Waisenpflege etc. gar nicht.
Sollte die österreichische Regierung an Kraft verlieren, wenn sie selbe
anderen überträgt?
Der administrativen Bedürfnisse auf dem flachen Lande
gibt es so wenige, sie sind für den bureaukratischen Mechanismus so
fremdartig, die Schreiberei ist da so steril, daß man vernünftigerweise
nicht zu begreifen vermag, wozu man Millionen verausgabt, Berge von Akten
häuft, ohne daß die Dinge darum besser gingen, als wenn man jene Millionen
erspart hätte und Papiere unbeschrieben geblieben wären. Aber jene
administrativen Befugnisse sind so weit und dehnbar, daß sie in den Händen
einer bureaukratischen Kaste zu einer Tiranney und einem Verderbnisse führen
werden, an deren Vorzeichen es schon jetzt nicht fehlt.
Ob man nun
diesen auszuscheidenden Wirkungskreis einzelnen Patrimonialherrn oder ob man
ihn den Kreisständen und den von diesen bestellten und abhängigen Organen
zur selbstständigen Verwaltung und Verantwortung übertragen solle, will ich
hier nicht näher untersuchen. Es dürfte hier die Andeutung genügen, daß ein
und der andere Weg offen stehe.15
Zwiespalt, ob Bezirksamt oder Gericht?
Compromiß erreicht nicht die
Vortheile, die der Justizminister
anstrebt, es ist aber seinen Ideen genug zugegeben, um die Administration in
der untersten Sphäre nach und nach ganz in die Hände der Juristen zu legen
und dadurch in jenen Theilen, wo es noch nicht der Fall war, die Zerstörung
der altösterreichischen Zustände zu vollenden, die durch die Institutionen
des Jahres [1]849 – die eben deshalb jetzt umgestoßen werden – begonnen
wurde.
Zankapfel: das sogenannte Richteramt außer Streitsachen,
inclusive Grundbuchsführung, Notariatsgeschäfte und
Friedensrichteramt.
Frage: Ob diese Geschäfte überhaupt von kaiserlichen
Beamten besorgt werden müssen?
Die Vorlage gibt der Bureaukratie eine
Ausdehnung, die sie noch nie und nirgend gehabt hat.
Dagegen große
Bedenken:
1. administrative Zweckmäßigkeit:
Vergleich mit unseren
Einrichtungen vor [1]848. Ähnliches in Istrien, Kärnthen, Krain und Tyrol; hervorgegangen nicht aus natürlicher
Entwicklung, sondern aus dem Umsturz durch französische Kriege.
War das
Resultat in administrativer Beziehung besser als in Böhmen und Mähren, ja selbst
Oestreich? Grundbücher,
Waisenkasse, Straßen, Schulen etc.16
2.
finanziell:
Die vorliegende Berechnung schon sehr geändert. Noch
unzureichend (Vergleich mit Patrimonialämtern); wird gehen wie [1]849.
Ersparung unmöglich durch bloße Umstellung der Ämter, nur durch Abnahme von
Geschäften.
Im Gegentheil muß auf diesen Grundlagen der Aufwand
fortwährend steigen.
Welche Geschäftsvermehrung nur allein aus
Personalsachen! (Anstellung, Disziplin, Pension, Unterstützung etc.)
3.
politisch:
Schicksal von Frankreich; dagegen Gang der Dinge in Böhmen
[1]848
Also:
Die Ausdehnung der Bureaukratie in
administrativer Beziehung kein Gewinn, finanziell und politisch geradezu
verderblich.
Aber für jetzt nichts anderes möglich. Zugegeben – aber den
Zustand nicht als bleibend, nicht als Ziel der Organisation, sondern als
vorübergehendes Übel zu behandeln; daher:
1. nicht durch neue
detaillirte Instruktionen festzustellen, die jede berechtigte
Selbstthätigkeit im Prinzip ausschließen und jeden Keim davon
ersticken.17
2. mit Errichtung der neuen Behörden sich nicht übereilen,
sondern vor allem darnach streben, brauchbare Elemente neben den Behörden zu
finden und in Thätigkeit zu setzen.
Die Möglichkeit dessen, verschieden
in den verschiedenen Ländern, daher:
a. länderweise vorzugehen; ohnehin
Ungarn abgesondert behandelt; findet man dort die Möglichkeit, mit welchem
Recht sie anderen Ländern der Gleichmäßigkeit wegen abschneiden.
b.
sogleich die Ausscheidung des großen Grundbesitzes veranlassen
c. die
Gerichte auf ihren Wirkungskreis: Streitsachen und Strafsachen beschränken,
damit sie sobald als möglich definitiv geordnet werden.
Zu dem Ende
Bezirksgericht und Bezirksamt so unterscheiden, wie auf Grundlage des
Hofdekretes von [1]788 21.8. Ortsgerichte und Wirtschaftsämter; nicht als
materiell abgesonderte Behörden, sondern so, daß der Bezirksrichter seine
Funktionen bei einem oder mehreren Bezirksämtern unterstützt von ihrem
Personale übe.
Damit lösen sich alle Schwierigkeiten in Beziehung auf
Anstellung und Disziplin <und Verwendung der Justizbeamten und
Unterscheidung von Bezirkshauptmann I. und II. Klasse mit der auffallenden
Verschiedenheit bei der Anstellung.>18
Wenn auf dieser Grundlage gebaut wird, so bekommen wir einen bureaukratischen
Mechanismus, wie er noch nie in einem großen Staate bestanden hat, der jedes
organische Leben im Keime ersticken und unerschwingliche, weil stets
wachsende Kosten verursachen muß.
Man wird jetzt knapp rechnen, den
Status in den nächsten Jahren vermehren müssen; und mit der Zunahme der
Bevölkerung und des Verkehres, mit dem Fleiße und guten Willen der Beamten
wird sich das papierne Geschäft immer wieder so vermehren, daß der Status
der Beamten nicht ausreicht.
Welcher Wust von Geschäften für die
obersten Instanzen! Welche Zunahme im Vergleich zu dem Zustande vor [1]848
nur durch die Geschäfte über Personalien!
Ungefähr dasselbe, was hier
angetragen wird, hat Napoleon
eingeführt, nur nicht in der Ausdehnung – und was der Erfolg? Eine
Staatsmaschine, die ihm Dienste leistete, so lange er glücklich war – in
minderem Grade seinen minder mächtigen Nachfolgern – gleichzeitig aber eine
fortschreitende Fäulenis der politischen Zustände.
Soll Östreich nicht in dieselbe Bahn getrieben
werden, so muß mit aller Aufrichtigkeit darnach gestrebt werden, Organe
außerhalb des Beamtenthumes zu finden, die so viel als möglich von jenen
Angelegenheiten übernehmen, deren Besorgung die Regierung nicht zur
Sicherung ihres Bestandes sich vorbehalten muß.
Mit der Schaffung
solcher Organe muß der Anfang der neuen Organisation gemacht werden. Das
Patent vom 31. Dez. hat das zwar nicht ausgesprochen, aber auch nicht
ausgeschlossen; <die Herstellung der Behörde, wenn sie nicht wieder ein
tootes Werk sein soll, kann nicht nach einer Schablone gemacht, sie muß
vielmehr den eigenthümlichen Verhältnissen der einzelnen Länder angepaßt
werden. Nicht ohne Grund war sie vor dem Jahr [1]848 eine sehr verschiedene
in den verschiedenen Ländern; nicht ohne Grund hat das Patent vom 31. Dez.
sich darauf beschränkt, nur die allgemeinsten Umrisse als gemeingültig
vorzuzeichnen. Die Ausführung muß länderweise geschehen. Es kann sich nicht
darum handeln, wieder nur Pensum über die Einrichtung der Behörden in
abstracto, sondern darum einmal wieder brauchbare dauerhafte Einrichtungen
zu treffen, und um darüber urtheilen zu können, muß man vor allem wissen,
welche konkreten Verhältnisse gegeben sind. Die Einrichtung der Behörde läßt
sich nicht feststellen, ehe man den Umfang ihrer Aufgaben dem Gebieth wie
dem Wirkungskreise nach kennt. Beides ist abhängig von dem, was sich
vorfindet, insbesondere von der vorhandenen gegenseitigen Hilfeleistung in
der Besorgung der eigenen Geschäfte befähigter Elemente. Diese Elemente
herauszufinden und sie in eine gesetzlich geordnete Thätigkeit zu versetzen,
ist meines Erachtens die erste Aufgabe. Daraus wird die Möglichkeit
erwachsen, allmählig die Last der Behörden zu erleichtern. Einstweilen
müssen freilich die Behörden wie seit [1]849 thun, was nothwendig ist und
von niemand anderem gethan wird. Man lasse daher vorläufig ihren bisherigen
Wirkungskreis als Regel gelten und beschränke sich darauf zu bezeichnen, was
sich ändert. Man gefalle sich aber nicht in einer neuen Aufzählung ihrer
Funktionen, die Alles und Jeder für Sache der Regierung erklärt, bis zur
Armenpflege und Abhülfe gegen den Nothstand, wobei bisher die Behörden noch
niemals gesetzlich, sondern immer nur officio boni viri intervenirten. Eine
solche Aufzählung gehört der durchaus revolutionären Idee der omnipotenten
Staatsgewalt an, die neben bezahlten Organen des Staates gar keine
berechtigte Selbsttäthigkeit anerkennt.
Können wir jetzt keine solche
anerkennen, weil die Revolution in der Beziehung tabula rasa gemacht hat, so
sie doch nicht prinzipiell ausgeschlossen und dadurch der Zustand
politischer Desorganisation verewigt werden [kann].>19