Eine unbekannte Schreiberin fordert Leo Thun auf, die neuen Kirchengesetze dem Volk ausführlich zu erklären. Sie betont, dass derzeit große Unsicherheit herrsche und die Gefahr daher groß sei, dass das Volk durch Aufwiegler gegen das Gesetz und damit auch gegen das Ministerium und die Regierung aufgehetzt werde. Die Schreiberin glaubt, dass die Erklärung möglichst rasch erfolgen solle, weil sonst die Gegner des Gesetzes nicht nur die jüngsten Reformen, sondern auch alle bisherigen desavouieren könnten.
Keine Stimme der Mahnung ist so gering, man dürfe ihr sein Ohr verschließen,
jeder leise Donner sagt ein Gewitter an, es donnert dumpf –
aber schauerlich um uns, verschließen Sie Ihr Ohr nicht, Sie die das Zeitliche und Ewige
Glück von Millionen fester stellen, aber auch zertrennen können! Kennen Sie die
Aufregung derer, denen die Kirchenfrage unvorbereitet, ohne Aufklärung, ohne
Erläuterung vor die geblendeten blöden Augen fiehl?
Haben Sie je eine Heerde
Schafe beim Nahen eines ungewöhnlichen Lärms gesehen, wie sie die Köpfe
zusammenstoßen und in blindem Schreck, rechts und links fahren, bis der Hirt
rathlos und todtmüd, sie wieder auf die rechte Straße brachte, ein kluger Hirt
führt langsam und vorsichtig die ruhigsten Schafe, fast ohne daß sie die Leitung
merken an den gefährlichen Stellen vorbei, die Heerde folgt dann von
selbst.
Wir stehen an einem schrecklichen Abgrund, die Furchtsamen voraus, ich gestehe es – aber die Furchtsamen hinter ihnen, die stoßen die armen Erschreckten dahin und
dorthin, sie haben den Vorwand gefunden, gefaßt und
gebrauchen ihn als Peitsche und weil das Volk Sie nicht
versteht, so glaubt es ihnen.
Es ist eine heilige
Sendung, so hoch zu stehen, aber wer so hoch steht, der gehe
mit bedachtem Schritt und springe nicht wie ein Gemsjäger von Abgrund zu
Abgrund, daß er den Weg nicht verliere. – Man zeigt dem Volk Gespenster und die
soit disant Gebildeten sahen sie mit und die Furcht steigt ins Lächerliche, aber
dies Lächerliche kann Grauenvoll werden. Warum eilen Sie nicht, ihre Kinder bei der Hand zu faßen, mitleidig und väterlich ein
Licht anzuzünden im finstern Raum und zu sagen, schau hin es droht
ja nichts! Warum ziehen Sie das schwarze Tuch nicht hinweg, das in
schauerlichen Formen die Böswilligen über dies Kirchengesetz warfen, weil Sie
auf die Dummheit der Gutwilligen vergessen haben! Die Wühler jubeln über die
Erregung und diese Erregung ist leider kein Gespenst, sondern ängstliche
Wahrheit, Wahrheit im Mark der Monarchie,
selbst in der Armee. Halten Sie die Augen nicht zu und von der Arbeit, weil Ihr
Herz sich bewußt ist, treu gearbeitet zu haben, schlagen Sie sie vom
Schreibtisch auf, es steigt die Fluth – Welle um Welle – noch ist Zeit –
vielleicht – scheuen Sie die Kosten nicht, jedes gedruckte verständliche Trost- und Erklärungswort, das einfach und faßlich in
die erhitzte Menge träufeln wird und kauft vielleicht Hundert Blutstropfen –
sagen Sie dem Volk aber
einfach
, denn wir
sind ein dummes Volk, sagen Sie ihm, daß wer es hetzt ein Verräther ist und wäre
es der niedere Klerus, weil er die nöthigen Fesseln fürchtet für sich, aber säumen Sie nicht, damit es nicht aus Furcht vor Chimairen
unwißend ins Elend renne. Diese Kirchenstrafen nennen Sie sie, nennen Sie, die – die sie treffen werden, denn das Volk drückt der Alp
und es wird bald im Schlaf herum schlagen, glaubend es muß sich vom neuen
Kirchengesetz befreien. Bei der ersten verhängten Kirchenstrafe wird der Pöbel
fait et cause nehmen und der Bischof – vielleicht – ohne Macht allein stehen,
denn die Armee versteht das neue Gesetz auch nicht und sie
wird sich blind für den Kaiser schlagen, aber nicht blind zur Vertheidigung der
Kirchenstrafen. Drucken Sie das klare Wort, schnell – schnell, eh die Aufregung
das Land gewinnt – legen Sie die Blätter auf die Kirchenbänke
und die Schanktische in die Häuser der Reichen und der Armen, auf das Bettchen
der Kinder, ins Gebetbuch der Greise, legen Sie’s vor allem vor die Reihen der
tapfern Helden, daß sich ihre Stirn nicht ernst grübelnd falte, sondern sie verstehen, es sei das klare Recht.
Die zu Ihnen spricht
ist fern von Tadel, sondern segnet dieses Gesetz wohl selbst ohne klares
Verstehen, sie sagt aber offen, denn die Stunde ist
feierlich, die nächste drohend, sie sagt offen, „das Gesetz veröffentlichen ohne Vorerklärung, ohne zugleich Erläuterung war gewagt – der Mangel an Energie jetzt ein
Verbreiten der Beruhigung – wäre Sünde."
Wir stehen auf
einer niedern Stufe der Bildung in fast allen Klassen, in Östreich, Sie haben das vergessen. – Lassen Sie
den Segen nicht zum Fluch werden, Ihre schöne Saat nicht zum Verderben, sorgen
Sie, daß es so klar gesagt sei, was Sie hörten, daß Keiner vorbei gehen könne und sagen: „Da wachsen brennende
Disteln, fürchtet Euch, rottet den Sämann aus und die gefährliche
Saat.“ Es gehen bereits Viele vorbei, die das sagen und die Menge gafft
sie erschreckt an und glaubt ihnen.