Notizen von Leo Thun zur Sprachenfrage bei den Gerichtsbehörden
1589
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Regest

Leo Thun fasst die Noten von Justizminister Franz Nádasdy sowie jene von Innenminister Agenor Goluchowski kurz zusammen. In diesem Schriftverkehr war es um die Sprachenverwendung im Gerichtswesen der unterschiedlichen Kronländer gegangen. Thun vermerkt die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Kronländer bzw. Gebiete und die von den beiden Ministerkollegen geäußerten Vorschläge.

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Zur Sprachenfrage 1859

J.M. 5.11. Siebenbürgen :
Partheien Eingaben beliebig 3 Landessprachen
mündliche Verfahren mit Advokaten deutsch
schriftliche Verfahren mit Advokaten deutsch 1. Instanz deutsche Urtheile: Bescheide als [?] Übersetzung in Sprache der Parthei
[?] Ministerium des Innern bei Waisencommissionen
Wojwodschaft [?]
Kroazien und Slawonien [?]
J.M. 5.11. im Allgemeinen
a. innere Sprache der Gerichte deutsch – nur in Dalmazien, Venezien, Südtyrol ganz, dann in Istrien großentheils italienisch
im äußeren Dienste in Böhmen auch böhmisch
Steiermark auf Verlangen windische Übersetzung
nur illyrisch in Dalmazien und slowenisch in Kärnthen und Krain unmöglich
b. in östlichen Kronländern
α Galizien und Krakau
β Bukowina durchaus deutsch - ohne Beschwerde

J.M. 5.11. Ungarn
Korrespondenz in andere Kronländer deutsch
dtto. [?] Behörde bei der deutschen Geschäftssprache
– Berichte an Justizministerium und Obersten Gerichtshof
unter sich und mit Waisencommissionen nocht nicht allgemein deutsch in Pesther, Ödenburger und Großwardeiner Distrikt, eben so nicht der innere Dienst, aber Präsidialcorrespondenz
in Großwardein : Aktenauszüge der Gerichtshöfe und Agenden der Staatsanwaltschaft
in Ödenburg : bei einigen Gerichten der innere Dienst
Pesth : nur in Pesth Ofen
Eperies : nach Thunlichkeit im inneren Dienst; auf die meisten gemischten Stuhlrichterämter
Preßburg : ausnahmslos
äußerer Dienst größtentheils ungarisch, ausnahmsweise deutsch
Großwardein : nur deutsche Eingaben deutsch zu erledigen; und strafgerichtlich ist deutsche Parthei deutsch
Ödenburg : ungarisch Regel; nur für einige Gerichte deutsch Regel; und ungarisch – Ausnahme nur für Ungarn
Pesth : ähnliche Kasuistik
Eperies : dtto.; für Slowaken, Ruthenen und Romanen womöglich nicht ungarisch, sondern deutsch;
aber auch ungarisch zulässig, wenn Parthei der deutschen nicht mächtig
auf deutsch nur zu bestehen, wenn deutsche Parthei oder nicht-ungarische des Deutschen mächtig.
Protokolle mit Ruthenen und Romanen niemals ruthenisch oder romanisch ohne Dollmetsch, sondern gleich deutsch
bei Schlußverfahren Anträge des Staatsanwalts deutsch mit Verdollmetschung
Urtheil und Erkenntnis deutsch
Protokolle bei Übertretung – als zum inneren Dienst deutsch
Preßburg : Regel deutsch; aber mündlicher Akt in Sprache der Parthei, wenn sie nicht deutsch kann
Advokaten – Preßburg und Eperies aber nicht Parthei, sondern deutsch mit Schonung
deutsche Erkenntnisse auf Vorlage Übersetzung beizufügen und auf [?], aber Ungarn ungarisch
Oberlandesgerichte in Preßburg und Eperies durchgehends
Pesth, Ödenburg, Großwardein größtentheils deutsch, aber Übersetzung beizufügen.

Minister des Innern 21.12. Anträge

a. innerer Dienst: wird, wo die deutsche Sprache gar nicht in der Bevölkerung lebt, nicht möglich sein. Daher habe jetzt, wo in diesen auch Landessprache besteht, die deutsche nicht einzudringen. Wenn die ganze Masse der Geschäfte in anderer Sprache gemacht wird, auch nicht zweckmäßig.
b. äußerer Dienst:
ad 1. Partheien ja; Vertreter berechtigt in Sprache der Parthei
2. ja
3. ja nach Thunlichkeit ([?], romanisch, Dalmazien, wenn der Beamte nicht kann, sich zu befassen.)
4. ja
5. ja dtto. d. i. Übersetzung beigeben
6. dtto
7. wo möglich in Sprache der Parthei, wenn nicht deutsch, aber 1. Instanz hat ruthenische Übersetzung beizugeben.
8. ja als Regel; Ausnahme romanisch, ruthenisch, windisch, illyrisch in Dalmazien = daß es vorläufig nicht verlangt werden kann.
Bei Feststellung der Landessprachen
es entspricht nicht dem "praktischen Zweck", daß bei Pesther Wechselgericht oder bei Wieselburger Stuhlgericht [?] oder Zichy ungarisch verhandeln, sondern das Letztere ist Nationalitätenpolitik.
Besser wäre es daher, "Amtssprache" festzustellen, bei den oberen Instanzen deutsch, [?] alle der [?]behörde zuläßig, bei den unteren nach Volksprache und vorherrschende Geschäfts[sprache]; auf zwei deutsch und slawisch und andere zuläßig für Partheien, die der Amtssprache minder mächtig sind.

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