Der Zoologe Karl Bernhard Brühl äußert zu einer Bitte des akademischen
Senats der Universität Pest, worin dieser die Einführung des Ungarischen
als Unterrichtssprache an der Universität beantragt. Brühl unterstützt
den Antrag und betont ausdrücklich, dass er die Verhältnisse und die
Bedeutung der Sprachenfrage an der Pester Universität besser kenne als
Thuns Räte. Er ist zwar davon überzeugt, dass eine Einführung des
Ungarischen als Unterrichtssprache auch negative Auswirkungen zeitigen
werde, allerdings glaubt er auch, dass nur Zugeständnisse an die
unterschiedlichen Nationen der Monarchie diese retten können. Er betont
außerdem den Einfluss der deutschen Wissenschaft und gibt sich überzeugt
davon, dass mit der Zeit die verschiedenen Nationen den Führungsanspruch
der deutschen Wissenschaft anerkennen werden.
Als Beilage legt Brühl
zwei Schreiben bei: Das erste Schriftstück enthält eine Vorlage bzw.
eine Anleitung für das Verfassen des Erlasses, mit dem die Einführung
der ungarischen Lehrsprache an der Universität Pest gewährt wird. Das
zweite Schriftstück behandelt die notwendigen Verfügungen, die zur
Umsetzung des Antrages notwendig wären. Außerdem findet sich darin eine
Begründung, weshalb Ungarisch als Unterrichtssprache eingeführt werden
soll und welche Konsequenzen sich daraus für die deutschen Lehrer
ergeben würden.
Beilagen: Karl Bernhard Brühls Vorschläge zur
Abfassung eines Erlasses, mit dem die Einführung der ungarischen
Lehrsprache an der Universität Pest gewährt wird.
Gründe für die Beantragung der ungarischen
Lehrsprache an der Universität Pest und Konsequenzen, die sich
daraus ergeben werden.
Unter derselben Signatur ist im Nachlass von Thun außerdem ein
Brief von Hermann Bonitz an Leo Thun. Wien, 20. Oktober 1859,
abgelegt.
Euere Excellenz!
In den hier beifolgenden Schriftstücken A und B habe ich die Ehre, ehrfurchtsvoll
das Resumé dessen zu unterbreiten, was ich jüngst Euerer Excellenz mündlich
vorzutragen unternahm.
Es seien mir hier noch einige Bemerkungen vergönnt,
die mit der Beurtheilung des dort Niedergelegten innig zusammenhängen.
Im
Schriftstücke A (1 und 2) ist das Wesentlichste
dessen formulirt, was mir als der sachgemäße Inhalt einer
Antwort auf die bekannte Bitte des Pester akademischen Senates
erscheint. Auf die Nacheinanderfolge des in A Enthaltenen
erlaube ich mir eigens hinzuweisen. Sie ist mit Vorbedacht hingestellt und nicht
etwa eine zufällige. Es sind weiter dort auch Fragen sub 4 g, h zur Sprache
gebracht, die wohl in der Bitte des Senates nicht berührt sind, die aber, bei
Gewähr ungarischer Universitätslehrer, als unmittelbare Konsequenzen der Gewähr
in den Vordergrund treten werden und müssen. Deren Berücksichtigung ist von
großer Wichtigkeit.
Im Schriftstücke B sind die
wichtigsten Fakten und leitenden Gedanken dargestellt, welche die Nothwendigkeit
des in A Enthaltenen ins Licht stellen helfen. Weiters ist dort auf Einiges
hingewiesen, was in engem Zusammenhange mit der Periode steht, die nach Erlaß
des in A Vorgeschlagenen eintreten muß und welches die Verhältnisse der
deutschen Professoren in Pest
betrifft.
Daß sowohl die in A formulirte Antwort als die in B dargestellten
Fakte mit dem im Widerspruche, zum Theile im prallsten, stehen, was Euerer
Excellenz Räthe als das Zugebbare und Wahre erkennen, weiß ich.
Dieser
Thatsache gegenüber wage ich, zur Beurtheilung des von mir Vorgebrachten, vor
allem hinzuweisen auf die wahrhaft anhängliche Verehrung der Person Euerer
Excellenz, welche mich beseelt und die mich keinen Gedanken an so maßgebender
Stelle aussprechen läßt, ja dessen Realisirung ich nicht eine Vermehrung der
Würde und Anerkennung des dermaligen Unterrichtsministeriums mit Sicherheit erwarten zu können, glaube.
Weiter erlaube ich mir
ehrerbiethigst zu betonen, daß ich die wahren Verhältnisse und die wahre
Tragweite der Sprachenfrage an der Pester
Universität besser kenne als Euerer Exzellenz Räthe, welche, bei
aller gewiß zugebbaren moralischen, wissenschaftlichen und kulturhistorischen
Berechtigung ihres exklusiven Standpunktes, nicht ganz urtheilsfähig in dieser
Frage sind.
Einmal, weil sie nicht die Unbefangenheit haben, einen nun
unabweislichen Faktor des jetzigen Staatslebens, das nationale Bewußtsein, sich
ganz klar zu machen und weiter, weil sie, selbst wenn sie diesen Faktor zugeben,
nicht den Willen haben, ihm Rechnung zu tragen.
Wer aber ein mächtiges
Oesterreich liebt und die Augen offen hat, wer also die
Wünsche der Nationen nicht zu ungestümem Ausbruche gebracht und doch der
deutschen Wissenschaft bei ihnen noch einen Platz, eine Möglichkeit in der
nächsten Zukunft [zu] erhalten wünscht, wird zu Maßregeln
schreiten müssen, wie ich sie in A unterbreitet habe und welche eine
bedeutende Koncession mit möglichster Wahrung vieler der
Regierung und der deutschen Wissenschaft ergebenen Elemente und hierfür
besorgten Formen zu vereinen suchen und auch praktisch nicht schwer durchführbar
sind.
Selbst die angehoffte Realisirung eines gewissen mächtigen Bündnisses
unserer Monarchie mit einer äußeren starken Macht kann solche Maßregeln nicht
als überflüssig erscheinen lassen.
Daß diese Maßregeln den Einfluß und die
Thätigkeit der deutschen Lehrer in Pest für den Augenblick und vielleicht für mehrere nächst
kommenden Jahre lähmen werden, kann freilich nicht in Abrede gestellt werden.
Allein, wenn die ruhigere Besinnung der verschiedenen Nationen unter Oesterreichs Scepter zurück kömmt, werden sie
auch zu der nicht vorgreifenden deutschen Wissenschaft, die
noch fort als ein bescheidener, aber selbstbewußter und thätiger Theil ihrer
Wissenschaft indessen gelebt hat, zurückkehren.
Ich glaube das mit
Sicherheit.
Es wird aber die schwierige und für den Augenblick sehr
undankbare Aufgabe der deutschen Lehrer sein, dieses Resultat durch ihr Vorgehen
und ihre Thätigkeit zu ermöglichen.
Daß die in Pest angestellten Professoren deutscher
Zunge hierzu einmüthig bereit und entschlossen sind, unter den schwierigsten
Verhältnissen männlich bis zum letzten Augenblicke auszuharren, glaube ich auch
hier, im Namen aller, auf das Nachdrücklichste aussprechen zu müssen.
Das
Schicksal der durch Konjekturen allenfalls doch völlig
abzuberufenden deutschen Professoren habe ich dem menschlichsten und gütigsten unter den Ministern
nicht eigens der Berücksichtigung zu empfehlen, für nöthig gehalten.
Dieses
Schicksal wäre, im Falle einer Nichterwägung der speziellen Verhältnisse von
Wissenschaftsmännern und im Falle einer Gleichbehandlung derselben mit andern
Staatsdienern, ein so trauriges, daß es mir als ein unmögliches
erscheint, so lange Euere Excellenz hierüber zu verfügen
haben.
Schließlich wage ich ehrfurchtsvoll anzudeuten, mit welcher
Freude und Ergebenheit ich jeder von Euerer Excellenz mir aufgetragenen
Thätigkeit zu dero Diensten mich unterziehen würde, aus Dankbarkeit und
ehrfurchtsvollster persönlicher Verehrung Euerer Excellenz.
Ein so
aufrichtig ergebener und doch offener Mensch wie ich kann Manches in
unmittelbarerer Weise zur Kenntnis Euerer Excellenz bringen, als dies gewöhnlich
zu geschehen pflegt.
Bei der Nothwendigkeit, beim Beginnen des Schuljahres
zu meiner Lehrkanzel zurückzukehren, harre ich noch ehrfurchtsvoll drei Tage
nach Abgabe dieser Schriftstücke in Wien den
allenfalsigen Befehlen Euerer Excellenz, die mich in der Redaktion der Wiener
medicinischen Wochenschrift (Herrengasse, Stadt) treffen können.
Sei es mir
gnädigst von Euerer Excellenz vergönnt, mich auch nach meiner Abreise, von
Pest aus, wenn es Noth thäte, unmittelbar an Euere Excellenz schriftlich wenden zu dürfen und dann
einmal auch eine, speziell mein Lehrfach betreffende und in wissenschaftlicher
Beziehung sehr zu bedauernde hohe Verfügung zur Sprache
bringen zu dürfen.
Euerer Excellenz
ehrfurchtsvoll ergebener
Prof. Dr. Brühl
Wien, am 26. September 1860
A. Wünschenswerther Inhalt einer an den akademischen Universitätssenat zu Pest zu erlassenden Verfügung bezüglich der ungarischen Lehrsprache
1. Dem akademischen Senate zu Pest
werde eine Antwort ertheilt; das finde jedesfalls vor Beginn des neuen Schuljahres 1860/61 statt. Sollte
diese Antwort nicht bis zum gewöhnlichen Eröffnungstermin (1. Oktober)
ermöglicht werden können, so wäre dieser, ohne irgend eine
weitere Motivirung im bezüglichen Erlasse, bis 1. November
hinauszuschieben. Schon dieser Verschub dürfte zur Besänftigung vieler eben
herrschenden Aufregung bezüglich der Lehrsprache wesentlich
beitragen.
2. Die Antwort möge beginnen mit einem, der durch den Senat geschehenen Überschreitung
seines Wirkungskreises, an Strenge entsprechenden Verweise. Den rothen Faden desselben bilde der entschiedene
Ausspruch.
Daß der Wechsel der Unterrichtssprache einer Universität oder
auch nur die Zulassung einer alle Fächer umfassenden zweiten neben der jetzt
üblichen ein so tiefgreifender Vorgang sei und ein so innig mit den obersten
politischen Institutionen eines Landes zusammenhängender, daß selbst ein auf
Grundlage völlig übereinstimmender Fakultätsvoten (– was doch in Pest nicht geschehen ist –) beruhender
Antrag eines akademischen Senates hierüber gestellt, ohne von der Regierung
ausgehender Aufforderung hierzu, als gleich ungesetzmäßig wie inkompetent,
auf das Schärfste gerügt werden müsse. Der akademische Senat zu Pest habe durch diesen Schritt,
mittelst welchem er sich zum Organe einer Bitte gemacht habe, die allenfalls
von den Vertretern einer ganzen Provinz an den Stufen des allerhöchsten
Thrones niedergelegt werden dürfe, bewiesen, daß er weder seine wahre
Aufgabe kenne noch die Gränzen dessen, was er
dürfe.
3. Diesem in der schroffsten Form abzufassenden Verweise
folge, unter Hervorhebung, daß ein hohes Ministerium Gnade für Recht ergehen
lassen wolle, die Hinweisung nach, wie eine dem Wortlaute der Bitte des
Senates entsprechende Antwort eigentlich nur so zu lauten
hätte:
Da die ehrfurchtsvolle Bitte gestellt worden ist, daß an der
Pester Universität fortan
alle Fächer auch in der ungarischen Sprache vorgetragen werden sollen, so
ist hierauf zu bedeuten, daß es kein Gesetz gibt, welches den Vortrag irgend
eines Faches in irgend einer der herrschenden Landessprachen an irgend einer
Universität verbiehte, daß für die Berechtigung hierzu nur die für jede
andere Habilitation erforderlichen Schritte zu leisten sind, und daß
demgemäß eigentlich die Bitte des Pester Senates eine mäßige sei. Als Beleg
für diesen Ausspruch wäre einfach der Lektionskatalog für 1857, 1858, 1859
anzuführen, der zeigt, daß wenigstens in der medicinischen und filosofischen
Fakultät, schon seit Jahren eine große ja die Mehrzahl der Fächer in
deutscher und ungarischer Sprache docirt werden.1 Das hohe Ministerium hätte
also eigentlich nur der weiteren Habilitation von Docenten in ungarischer
Sprache entgegen zu sehen.
4. Dieser völlig fachgemäßen und berechtigten
Zurückführung der Pester Senatsbitte auf ihren wahren Standpunkt möge aber
in Anbetracht der nicht zu verkennenden herrschenden Landesstimmung und der
dringenden Forderung des Augenblickes der Ausspruch nachfolgen, daß das hohe
Ministerium bei seinem Wunsche, jeder einigermaßen vernünftig berechtigten
Forderung des Nationalitätsprinzipes gerecht zu werden, Folgendes zu
beschließen für gut finde:
a. Die Zulassung von Lehrern aller wichtigeren Universitätsfächer auch in ungarischer
Sprache ist vorläufig, bis zur Feststellung bestimmter Regulative in dieser
Beziehung, gestattet.2
b. Die Regierung ist nicht
abgeneigt, den provisorisch nur zu bestellenden Lehrern bestimmte, ja bei
ihrer Ernennung zu bestimmende Gehalte zu Theil werden zu lassen.
c.
Diesen Lehrern steht das Recht, bei strengen Prüfungen zu interveniren, in
gleicher Anzahl mit den Lehrern von obligaten Fächern in deutscher Sprache
zu.3
d. Bei der
Anstellung von Lehrern, welcher Fächer immer in ungarischer Sprache, müsse
streng jener Vorgang eingehalten werden, der bei der Verantwortlichkeit der
Unterrichtsbehörde für den Bildungszustand der Universität, überhaupt bei
der Wahl und Ernennung von Universitätslehrern in der österreichischen
Monarchie üblich sei. Ohne völlig beruhigende Überzeugung über die
wissenschaftliche Qualifikation des zu ernennenden Lehrers könne unter
keinen Umständen und aus keinem irgend welchem Grunde die Anstellung
desselben statt finden. Die Kenntnis der ungarischen Sprache allein sei,
selbstverständlich, nicht als der Maßstab anzusehen, nach dem ein an einer
Universität funktionirender Lehrer zu messen sei.
e. Bei Ernennung jener
Lehrer, welche demonstrative Fächer vertreten, wird in
jedem einzelnen Falle mit Berücksichtigung eines vom akademischen Senate in
Einverständnis mit dem Professor des betreffenden Faches in deutscher
Sprache hierüber abzugebenden Vorschlages speziell bestimmt werden, woher
und wie das entsprechende Demonstrationsmateriale für den zu ernennenden
Lehrer herbeizuschaffen sei.
f. Um die sub a. ausgesprochene Bewilligung
baldigst ins Leben treten zu lassen, wird der akademische Senat angewiesen,
auf Grundlage von Fakultätsvoten zu basirende Vorschläge
anher zu unterbreiten über Besetzung folgender Lehrfächer in ungarischer
Sprache:
α. An der juridischen Fakultät jener sämmtlicher bei den
Staatsprüfungen obligaten Gegenstände, insoweit sie nicht dermalen schon
durch Professoren vertreten sind, welche in deutscher und ungarischer
Sprache lesen können.
β. An der medicinischen Fakultät ein Lehrer für
die dermalen von Prof. Seidel in deutscher Sprache vertretenen Fächer
γ.
An der filosofischen Fakultät für die Lehrkanzeln der Philosophie, Chemie,
Mineralogie, Zoologie
g. In der theologischen Fakultät hat die der Würde
und dem Inhalte der Gegenstände allein entsprechende lateinische Sprache in
aller Unverkürztheit als Lehrsprache auch weiterhin
zu gelten.
h. Sämmtliche der deutschen und ungarischen Sprache gleich
mächtigen, schon dermalen bestellten Universitätslehrer aller Fakultäten
haben, bis auf weitere Verfügung, fortan ihre ordentlichen Vorträge in
beiden Sprachen, der ungarischen und deutschen, zu halten, ohne hierfür eine
Gehaltserhöhung oder Remuneration beanspruchen zu dürfen.
i. Jeder zu
einem Doktorate oder Magisterien (strengen Prüfungen) oder zur Staatsprüfung
sich meldende Candidat hat eine gleiche Anzahl von in
deutscher und ungarischer Sprache gehörten Fächern auszuweisen, bei welchen
Nachweisen dem Gesetze genügt ist, wenn auch dieselben Gegenstände in
deutscher und ungarischer Sprache ausgewiesen werden. Der Nachweis
sämtlicher nur in deutscher Sprache gehörten Gegenstände der betreffenden
strengen Prüfung schließt von der Zulässigkeit zur strengen Prüfung nicht
aus; wohl aber der Nachweis von sämmtlichen nur in ungarischer Sprache
gehörten Fachgegenstände.
k. Bei jeder strengen Prüfung, welchen Namen
sie immer führe, ist die Hälfte der Zahl der zu prüfenden Gegenstände in deutscher, die andere Hälfte in ungarischer Sprache zu fordern, wobei es dem Candidaten unbenommen
bleibt, auch aus sämmtlichen Gegenständen der strengen Prüfung in deutscher
Sprache zu antworten. Die Wahl der Gegenstände in der einen oder andern
Sprache bleibt dem Candidaten überlassen, der bei der Meldung zur strengen
Prüfung seine Bestimmung hierüber abzugeben hat.
l. Bei
Besetzungsvorschlägen vakanter Lehrstellen an der Universität Pest ist in Zukunft
strenge daran zu halten, daß die berücksichtigten Kandidaten der deutschen
und ungarischen Sprache gleich mächtig und für beide gleich vortragsbefähigt
sind.
m. Die Sitzungen der Professorenkollegien und des akademischen
Senates sind auch fortan in deutscher Sprache abzuhalten,
ebenso die betreffenden Protokolle sämtlich in deutscher
Sprache abzufassen. Hingegen sollen am schwarzen Brette zu veröffentlichende
Mittheilungen in deutscher Sprache, wenn sie deutsche Lehrgegenstände, in
ungarischer, wenn sie ungarische, und in beiden Sprachen abgefaßt sein, wenn
sie allgemeine Universitätsangelegenheiten betreffen.
B. Darstellung einiger Fakte und leitender Gedanken, welche für die Begründung des im Schriftstücke A Unterbreiteten maßgebend sind, und Anführung einiger Verfügungen, die sich aus A als Konsequenzen ergeben würden.
1. Der Einwand, die ungarische Sprache weder durch ihre litterärischen
Leistungen noch durch ihren Wortschatz zur Lehrsprache einer Universität
berechtigt, kann, so wahr er theilweise ist, in den gegenwärtigen Umständen
nicht geltend gemacht werden. Um so weniger, als man (die Magyaren) stetig
darauf hinweiset, daß jede Sprache ihren möglichen Bildungsgrad erst und nur
dann erlangen könne, wenn alle Wissenschaften in ihr vertreten sind.
2.
Statistische unbefangene Erfahrungen bezüglich der
Kenntnis der deutschen Sprache unter der Pester Universitätsjugend gewonnen
durch fortwährenden Verkehr mit ihnen in Colloquien und im Laboratorium
ergaben für die Hörer der medicinischen und philosophischen Fakultäten in den zwei Jahren 1859 und
1860:
5–6 % so unkundig der deutschen Sprache, daß sie keinem deutschen
Lehrer folgen können,
10–12 % mit ähnlicher Nichtkenntnis der
ungarischen Sprache (dieses % wird immer kleiner),
die übrige Zahl,
80–82 %, weiß so viel deutsch, daß sie mehr weniger folgen kann;
hiervon
50–60 % entschieden ungarisch viel besser als deutsch wissend,
etwa 20 %
drücken sich in beiden Sprachen gleich gut aus.
3. Durch die hohe
Verfügung vom Jahr 1859 bezüglich der Unterrichtssprache an den Gymnasien steht in gewisser Aussicht, daß die Nichtkenntnis der
deutschen Sprache von Jahr zu Jahr in einem solchen Verhältnisse zunehmen
werde, wie es von den Magyaren beabsichtigt wird. Nämlich in einem solchen,
welches das Verständnis deutscher Vorträge als faktische Unmöglichkeit für
alle oder doch die meisten Studenten wird erscheinen lassen. Die in den
Maturitätsprüfungen anbefohlene Strenge bezüglich des Ausweises deutscher
Sprachkenntnis läßt sich praktisch nicht in jedem Grade geltend machen, der
allein Beruhigung und Sicherheit über den betreffenden Wissenszustand der
Schüler verschaffen könnte.
4. Eine unbefangene Erwägung der in 2.
angegebenen statistischen Verhältnisse und der aus 3. sich ergebenden
Sachlage läßt die Zulassung der ungarischen Sprache als Universitätssprache
unabweisbar nothwendig, wenigstens für die nächste Zeit, erscheinen. Für die
nächste Zeit nämlich, in welcher sich eine nicht zu
unterschätzende und alle Bevölkerungsschichten ergriffen habende
allgemeine Begeisterung für die sogenannte allgemeine Muttersprache geltend
gemacht hat; ein Begeisterungstaumel, der einen entschiedenen Widerstand
gegen seine Forderungen nur unter Bedingungen als möglich
erscheinen läßt, welche, wie es scheint, im Augenblicke von einer hohen
Regierung nicht erfüllt werden können.
5. Alle Einwände gegen die
ungarische Lehrsprache, welche sich um das Schicksal der Wissenschaft und
des deutschen Standpunktes und Einflusses an der Pester Universität drehen, welche, mit
einem Worte, das kulturhistorische Moment der Frage in den Vordergrund
stellen, dürfen, so wahr sie sind, aus praktischen
Rücksichten dermalen nicht leiten.
6. Denn es steht
in leider nur zu sicherer Aussicht, daß ein Festhalten der deutschen Sprache
als alleinige Lehrsprache der Pester
Universität schon vor der Hand einen passiven Widerstand
erzeugen wird, der im Nichtbesuchen der deutschen Vorlesungen, ja vielleicht
im Unterlassen aller Inskriptionen bei deutschen Lehrern seinen Ausdruck
finden wird. Grad dieses Widerstandes und Zeit seines völligen Eintreffens
lassen sich auf Wochen oder Monate wohl nicht bestimmen; doch kann, wenn
nicht Sachgemäßes verfügt wird, schon die allernächste
Zeit hierüber Erfahrungen bringen, deren selbst nur Einmaliges
Geschehen das Ansehen der Regierung außerordentlich schwächen werde. Der
Verlust des Schuljahres, wegen Nichtbestättigung der nachlässigen
Frequentation oder mangelnder einzelner Inskriptionen, kann hierbei nicht als drohender Hintergrund für die ungarischen
Studenten geltend gemacht werden, da die Eltern dieser Studenten den wilden,
unvernünftigen Fanatismus ihrer Kinder theilen und Vorgänge unterstützen,
welche anderswo Eltern geradezu mißbilligen oder verbiethen.
7. Das
nicht zu läugnende Faktum, daß bis jetzt die ungarischen Studenten,
wenigstens in der medicinischen und philosophischen Fakultät, gegenüber deutschen, von ihnen geachteter Lehrer das musterhafteste
Betragen beobachtet und bis zum Ende des Jahres fleißig ausgedauert haben,
darf nicht versichern, anzunehmen, daß dies auch fort so bleiben werde, wenn
entschieden die Forderung des Reges, wie sie es nennen, versagt wird. Die
Hörer der Jurisprudenz werden hierbei den Anfang machen und die übrigen
Fakultäten, unter dem Schilde der Vaterlandsliebe und Brüderlichkeit,
indiciren.
8. Ein vielleicht im ersten Augenblicke noch räthlich
erscheinendes, weiteres Abwarten dessen, was da kommen würde, wenn der
Status quo erhalten wird, muß daher von jedem Unbefangenen, der im Lande lebt, geradezu als gefährlich
bezeichnet werden, selbst wenn mächtige äußere Hülfe für
die Unterstützung der gewiß guten, aber national nicht entsprechenden
Absichten einer hohen Regierung geltend gemacht werden könnten.
9. Die
Möglichkeit, der Wissenschaft in deutscher Sprache in
Ungarn unter allen Umständen, d.i.
selbst im Falle eines ganz entschiedenen Föderativsystems (– was übrigens
Gott verhüthen möge –), eine Stellung an der Pester Universität zu erhalten, ist
nur durch eine zweckgemäße Koncession an die ungarische
Sprache gegeben.
10. Sie darf als zweckgemäß
bezeichnet werden, wenn sie einerseits die ungarische Sprache als
Lehrsprache für alle Lehrfächer aller Fakultäten (excepta theologica)
zuläßt, andererseits aber das deutsche, die Wissenschaft und das unitarische
Regierungsprinzip vertretende Element durch Verfügungen mit
aller Energie aufrecht hält, wie sie im Schriftstücke A sub 4. h.,
i., k., l., m. vorgelegt sind.
11. Bei einem Erlasse über Koncessionen
von Lehrern in ungarischer Sprache ist die in A sub 4. a. gebrauchte
Benennung „Lehrer“ ohne weitere Kategoriebestimmung eine für die Folge
wichtige Observanz.
12. Besetzung aller wichtigeren
Lehrgegenstände der juridischen Fakultät durch Lehrer in ungarischer Sprache muß als Knotenpunkt der
ganzen Verfügung bezeichnet werden aus oben über die Hörer der Jurisprudenz
angeführtem Grunde. In der Medizin und Philosophie wird
schon dermalen so viel in ungarischer Sprache gelehrt, daß Koncessionen in
dieser Beziehung nur Weniges zu dem nun Üblichen hinzufügen würden. Hingegen
nicht so ein juridisches Studium, in dem aus Staatsgründen bisher die
deutsche Sprache fast allein vertreten ist; also in einer Wissenschaft, die
durch die neuesten Verfügungen von Amtirung nach oben und unten in
ungarischer Sprache, gerade die allermeiste Berechtigung
zum Vertreten sein in ungarischer Lehrsprache zu enthalten scheint.
13.
Die durch die Einführung „paritätischer Lehrer“
erwachsende Kostenvermehrung des Universitätsbudgets
müßte, so lange als nur irgend möglich, mit aller Energie den Universitäts-
oder sonstigen Landesfonden aufgebürdet werden. Im äußersten Falle jedoch
wären, zur Aufrechthaltung des deutschen Wissenschaftselementes die
Staatsmittel nicht zu verweigern, da man ein so wichtiges
Unterstützungsmoment der Regierung aus eigentlich unerheblichen finanziellen
Rücksichten wohl nicht vernachlässigen soll und darf.
14. Da durch die
Einführung paritätischer Lehrer eine fast die Hälfte ihres
Einkommens betragende Erwerbsquelle der deutschen Professoren, jene
des Kollegiengeldes, in den nächsten Jahren wohl gänzlich oder größtentheils
versiegen wird, erscheint es nur billig, – bei der
Unmöglichkeit für diese Lehrer, von ihrem geringen Gehalte in einer so
theuren Stadt wie Pest leben zu können –, sie für diesen, nicht durch sie selbst verschuldeten
Verlust entsprechend schadlos zu halten. Diese Rücksicht
ist eine um so dringlichere, als durch wirkliche, wissenschaftliche
Thätigkeit nur das deutsche Element den ihm gebührenden und zugedachten
Platz an der Pester Universität
der nächsten Zeit einnehmen kann und eine solche Thätigkeit bei drückenden
Nahrungssorgen, wie sie das Aufhören der Kollegiengelder unfehlbar zur Folge
hätte, unmöglich würde.
15. Alle jene Einrichtungen, welche durch die
doppelte Besetzung praktischer oder mit Demonstrationen
verknüpfter Fächer nothwendig würden, mögen auf dem Wege erörtert und
erledigt werden, wie er in Schriftstück A sub 4. e. dargelegt ist. Der
ergebenste Schreiber dieser Zeilen, wohl bekannt mit allem hier
Einschlägigen in Pest, weiset noch ehrfurchtsvoll
darauf hin, daß er es sich zur größten Ehre schätzen würde, den Werth und
die Gültigkeit der einzelnen, hierüber gemachten Vorschläge des Senates
wahrheitsgemäß und unbefangen unmittelbar vor Euerer Excellenz zu
entwickeln.
16. In innigem Zusammenhange mit den
Konzessionen bezüglich der Lehrsprache an der Universität sind einschlägige
Anordnungen an Gymnasien und Realschulen Ungarns. Besonders bezüglich der letztern ist nicht außer
Acht zu lassen, daß, obschon durch Gemeindemittel an vielen Orten erhalten,
sie doch nicht der Autonomie der Gemeindegebahrung so weit untergeordnet
werden dürfen, daß diese Lehrsprache und Lehrordnung eigenmächtig abzuändern
befugt sei. Bei der dermalen in Ungarn herrschenden
Begriffsverirrung über Recht und Gesetz ist auf diesen Punkt mit Nachdruck
hinzuweisen.
17. Abgesehen von vielen andern hier nicht zu erörternden
Gründen für die, man kann wohl sagen, plötzlich in
solchen Ungestüme hervorgetretene sprachliche Strömung in
Ungarn (– vor einem Jahre war hiervon fast noch keine
Rede –) muß für die Einsicht eines hohen Unterrichtsministeriums in die wahre Sachlage, schließlich noch mit dem entschiedensten Nachdrucke, auf zwei hierbei den größten
und schädlichsten Einfluß übenden Momente hingewiesen werden:
a. auf die ungarische Akademie; der Ehrgeiz und die
unglaubliche Eitelkeit wissenschaftlich ganz und gar unberechtigter Menschen
scheute jede schon durch ihre bloße Existenz in der Nähe jener Leute, sie
gleichsam kontrollirende Rivalität (die deutschen Lehrer), und suchen durch
Vernichtung deutscher Lehre im Lande den Schauplatz zu untergraben, auf
welchem natürlich eine nicht wünschenswerthe Würdigung jener Akademiker vor
den Augen ihrer Jugend zum Vorschein kommen muß; und
b. auf die höchlichst zu bedauernde Wahl und Zusammensetzung des
dermaligen akademischen Senates zu Pest (mit wenigen Ausnahmen);
Der dermalige Senat ist
geradezu als ein solcher zu bezeichnen, dem die wissenschaftliche
Entwicklung gar nichts, die Geltendmachung des heimischen Elementes,
gleichgültig ob befähigt oder nicht, alles ist. Hierfür scheuet er kein
Mittel, keine Lüge, keine Sachverdrehung. Hierzu hat er Energie und hierzu wird er von der Akademie und den hinter dieser
stehenden Parteimännern fort und fort aufgereizt und ermuthiget.
Die Zusammensetzung dieses akademischen Senates möge ein
warnendes Beispiel für die Zukunft sein, auch nicht das geringste
der Bestättigungsrechte aus den Händen eines Ministeriums zu geben, das wie
alle Unbefangenen bezeugen müssen, wahres Recht energisch schützt und die
wirklich gute Sache vertritt, so lange als
möglich.