Josef Kwieciński teilt einem unbekannten Empfänger seine Überlegungen über den Zweck des Schulwesens und den Organisationsentwurf für Gymnasien mit. Im Zentrum seiner Überlegungen steht der Staat und das Verhältnis des einzelnen Bürgers zu diesem. Der Staat, als höchstes Gut, muss aus Kwiecińskis Sicht alles tun, um seine Bürger so zu erziehen, dass sie für den Staat von höchstem Nutzen sind. Die Volkserziehung muss daher ein wesentliches Interesse des Staates sein. Dabei darf er auch mit Zwang vorgehen, vor allem soll er die Bildung und Erziehung der Staatsbürger nicht den Kirchen überlassen. Kwieciński ist der Ansicht, dass in Österreich, gerade im Bereich der Elementarschulen, der katholischen Kirche zu großer Einfluss gewährt werde. Anschließend geht er ausführlich auf die Frage nach konfessionell organisierten Schulen ein. Kwieciński ist dabei der Ansicht, dass solche Schulen die Ausnahme sein sollten, weil die konfessionelle Trennung nur die Zersplitterung des Staates fördere. Außerdem ist es seiner Meinung nach erforderlich, dass kirchliche Schulen staatlich überwacht werden. Kwieciński geht dann auf die Finanzierung des Schulsystems ein und spricht sich dafür aus, dass dem Klerus die Verwaltung der Religionsfonde entzogen werde und deren Mittel durch den Staat verwaltet und zur Finanzierung der Schulen benützt werden sollten. Die Inhalte der Volkserziehung sollten vollkommen nach dem Zweck ausgerichtet werden, die Menschen zu guten Staatsbürger zu bilden. Hierzu ist seiner Ansicht nach das beste Mittel der Anschauungsunterricht. Im Bezug auf die Gymnasien betont Kwieciński die wichtige Rolle der Psychologie und die Hinführung zum "Wahren, Guten und Schönen". Des Weiteren sollten die körperliche Erziehung und die gymnastischen Übungen in den Gymnasien eingeführt werden. Was die Unterrichtssprache betrifft, so ist Kwieciński der Meinung, dass in der Volksschule keine andere als die Muttersprache unterrichtet werden sollte. Anschließend sollten die Schüler, egal welcher Nationalität, neben ihrer Muttersprache verpflichtend Deutsch lernen. Abschließend betont Kwieciński die wichtige Rolle des Unterrichtsministeriums als Vermittler zwischen den verschiedenen Nationalitäten und Konfessionen der Monarchie.
Durch Ihre gütige Aufforderung, Ihnen verehrtester Freund, meine Ansichten über
Volkserziehung und dgl., auch allenfalls etwas über den ministeriellen
Organisationsentwurf für Gymnasien mitzutheilen, haben Sie mich auf Fragen des
staatlichen Lebens und Wirkens aufmerksam gemacht, die ich nie ins Einzelne
verfolgt, sondern nur immer in ihren allgemeinem Verhältnissen zur politischen
Staatseinrichtung in meinen Betrachtungen berührt habe und die mir so weit
geläufig sind, als sie mit meiner Philosophie und Staatswissenschaft
Berührungspunkte biethen. Die große Literatur in und außer
Deutschland in diesem Fache ist mir so gut wie ganz
unbekannt, die Verordnungen des Unterrichtsministeriums sowie der Organisationsentwurf sind mir
aus theilweiser gelegentlicher Lesung nur dunkel erinnerlich. Wäre mein Geist
von Thätigkeit anderer Art frei und mir eine längere Zeit zur Verarbeitung einer
so großen Idee gegönnt: dann würde auch die Mittheilung eine vollendetere, Ihrer
Aufmerksamkeit werthere Gestalt erhalten haben, aber so bei der Eingenommenheit
meines Kopfes von anderen Betrachtungen und der Frist von einigen Tagen, die ich
dieser Mittheilung widmen kann, muß ich auf die freundschaftliche Nachsicht
Anspruch machen. Nur jene Punkte will ich berühren, die ich als Angelpunkte der
Volkserziehung und besonders in Östreich
betrachte und deren Einfluß ich in dem Verfahren der obersten
Erziehungsbehörde, obwohl diese in ihren Verordnungen und
Anstalten die erleuchtesten Grundsätze und die liberalsten Ansichten an den Tag
legt, vermisse oder zu vorherrschend erblicke, woraus Sie sich, wie ich hoffe,
überzeugen werden, wie hoch und schwierig ich die Aufgabe unserer obersten
Erziehungsleitung, des Unterrichtsministeriums anschlage, und worin ich die
Wahrscheinlichkeit zur wenigstens theilweisen Lösung ersehe.
Alle andern
Begriffserklärungen des Wortes und Dinges Staat übergehend, fasse ich bloß die
Erklärung aus dem Zwecke des Staates, insofern er diesen Namen verdient, also
des Rechtsstaates, hier ins Auge, und als solcher ist dieser
das einzige Mittel, in welchem die Gesellschaft und jedes ihrer Mitglieder ihr
höchstes irdisches Gut zu verwirklichen und den Himmel hienieden erreichen kann.
Ohne die Anstalt des Staates ist die Erreichung dieses Zweckes für den Einzelnen
wie für die ganze Gesellschaft nicht gesichert, ja nicht recht denkbar. Der
Staat ist eine so heilige Anstalt, als heilig das höchste Gut des Menschen ist,
weil sich selbst eine überirdische Glückseligkeit ohne das harmonische irdische
Leben nicht erreichbar denken läßt. Die Staatsglieder werden nur soweit den
Staat lieben, seine einträchtliche Existenz sichern und schützen, soweit ihre
Kenntnis und Liebe von ihrem höchsten Gute reicht, und sie die Überzeugung
gewinnen, daß nur der Staat das einzige Mittel sei der gewissen Erreichung
dessen, was sie anstreben sollen, und in der Regel, wenn auch auf irrigen
Bahnen, anstreben. Hieraus ergiebt sich, daß die Staats[an]gehörigen Wissende,
Unterrichte[te], Erzogene sein müssen und sollen, um die Existenz und
Prosperität des Staates zu verbürgen und nicht durch Indolenz oder Fehlgriffe zu
vereiteln. Dieses von seinen Mitgliedern zu verlangen, dieses von jedem
Zurechnungsfähigen, und nur ein solcher kann als Staatsmitglied betrachtet
werden, ist der Staat berechtigt also auch verpflichtet, so heilig verpflichtet,
als heilig der Staatszweck ist. Dieses als unbezweifelbar angenommen, gelangt
man zu der Schlußfolgerung: der Staat ist berechtigt, ist verpflichtet, alle
Mittel in Bewegung zu setzen und in Anspruch zu nehmen, seine Mitglieder dazu zu
zwingen, daß das Wissen von dem höchsten Gute des Menschen im Staate immer mehr
erkannt und die Erreichung desselben durch die Erwerbung von materiellen und
moralischen Mitteln auf dem Wege der Erziehung dem Volke gesichert werde. Der
Staat hat das Zwangsrecht der Erziehung, der Erreichung der dazu erforderlichen
Mittel. Aus diesem Standpunkte ist auch auf das Gemeinde- und Kircheneigenthum
und den so oft besprochenen Schulzwang herabzusehen, dessen Aufhebung wie in
Galizien keine guten Folgen gehabt, und der vielmehr so
allgemein als möglich eingeführt werden sollte.
Der Staat begegnet in seinem
Berufe der Volkserziehung ähnlichen Strebungen der Religion oder eigentlich der
verschiedenen religiösen Sekten, die den Menschen durch die Macht des Glaubens
sittlich und dadurch glücklich oder eigentlich glückselig zu machen sich
bemühen. Dem Staate kann es nur willkommen, nur förderlich sein, wenn eine
solche aus dem Innern des Staatsbürgers gleichsam in den Staat hineingebrachte,
weil im Einzelnen gegründete Macht, sich an seine Absichten und Zwecke
anschließt. Gäbe es ein religiöses System mit den Grundsätzen des Rechtsstaates
ganz im Einklange stehend, wie man das z. B. vom reinen Christenthum annimmt,
wäre die Religion nicht ein inneres, persönliches Eigenthum und also der
Willkühr des Individuums anheimfallend, nach seiner Wesenheit durchaus nicht
erzwingbar, wäre das reine Christenthum nicht bloßes Ideal und Idee, nur durch
die verschiedenen christlichen Glaubensspaltungen zur Erscheinung kommend: so
könnte wohl ein solches System aber nur anscheinend und vorübergehend zur
Staatsreligion und zum Staatserziehungsinstitut werden, anscheinend und
vorübergehend, weil der Mangel der Erzwingbarkeit es illusorisch machen würde.
Östreich wegen des Bekenntnisses der
Dynastie und der Mehrheit der Staatsgehörigen für einen christlichen und
specifisch christkatholischen Staat zu halten, ist aus obigen Grunde und auch
deswegen nicht zulässig, weil es dem Staate nicht recht zukommt, sich mit der
Classifizirung der Begriffsunterschiede der Religionsbekenntnisse über die
allgemeine Zulässigkeit hinaus derselben als Gemeinschaften zum Genusse des
Staatslebens zu befassen oder gar die Staatsgehörigen und besonders nach dem
äußeren und veränderlichen Scheine ihrer religiösen Zugehörigkeit zu beurtheilen
und abzuzählen. Östreich sei ein
Rechtsstaat und seine Bewohner brave Staatsbürger! Die Staatsregierung hat einen
gerechten Grundsatz dadurch ausgesprochen, daß sie die persönliche
Religionsansicht und häusliche Religionsübung ganz freigiebt, den Glauben, das
Lehramt und die Ausübung der Gewissensdisciplin der aufgenommenen Kirchen durch
nichts stört, und die öffentliche Berechtigung entstehender1 Sekten von ihrer Bewilligung abhängig macht,
weil das Bestehen einer Religionsgenossenschaft selbst schon etwas Äußeres ist
und Handlungen bedingt, die dem Staatszwecke nicht gleichgültig sein, sondern
oft mit demselben feindlich zusammenstoßen können. Aber dieses alles wird für
die Bildung und Sittlichkeit wird es nicht genügen [sic!], wenn der Staat das
gesetzliche Bestehen von auftauchenden Sekten auch dann hindern wollte, wenn ihr
Bekenntnis mit den Staatsgrundsätzen nicht im Widerspruch erschiene, weil man
dem Disidenten zumuthen würde, sich an die schon bestehenden anzuschließen, und
diese können ihm vielleicht keine zusagen. Auch bin ich der Meinung, daß dem
Staate von daher keine Gefahr bevorstehe und daß alle Meinungsverschiedenheiten,
selbst die Ausgeburten des Socialismus und des unsinnigen Communismus, sich
durch fortschreitende Volkbildung endlich in dem wahren Verständnis des
sittlichen Staates versöhnen und ausgleichen werden.
Ganz unrecht hat aber
der Staat, wenn die Bildung und Erziehung eines Theiles oder des ganzen Volkes
bei einer oder mehrerer Sekten gelassen wird. Der Staat darf die Erfüllung
seiner heiligsten Pflicht, seiner Hauptaufgabe nicht der Discretion einer
Partheiung, eines besonderen Kirchenthums überlassen, sich dadurch seiner
Berechtigung begeben, also auch die Verantwortlichkeit dafür unmöglich machen,
sollten auch die Lehrsätze eines solchen im stärksten Einklange mit dem
Staatsgrundgesetze erscheinen. Der Staat, über jeder Partheiung auf den
unwandelbaren Grundlagen des Rechtes als höchste Sittlichkeitsanstalt die
erhabenste Stufe auf Erden einnehmend, übersieht alle Religionsunterschiede, wie
weit dieselben in die Erscheinung tretend mit seinen Zwecken nicht collidiren
und vermeidet jeder Nothwendig[keit] sich auf ihre Hülfe stützen zu müssen:
deshalb erzieht er seinen Bürger mit Vermeidung jeder Controverse selbst, wird
nie den Unterricht der jungen Staatsbürger der vorherrschenden Leitung einer
Kirche überlassen und sich um die Erziehung der Kinder anderer Kirchen wenig
oder gar nicht bekümmern, d. h. wird die Elementarschulen nie bei der Kirche
lassen, ohne wenigstens ihre Leitung in seiner Hand zu behalten, was aber schon
gefährlich ist, denn gerade das kindliche Alter ist am empfänglichsten, gerade
die allermeisten Staatsbürger müssen sich mit der Bildung der Elementarschule
begnügen. Mir aber scheint es, daß der katholischen Priesterschaft ein zu großer
Einfluß bei der Bildung des Unterrichts der katholischen Jugend gegeben, der
Unterricht der Jugend anderer Kirchen beinahe ganz übersehen sei, daß höhere
Lehranstalten z. B. Gymnasien als Confessionsschulen erhalten oder in solche
verwandelt werden, wenn nur die Sekte die Dotirung übernimmt. Ist es dem
Staatszwecke ganz entsprechend, daß der Staat durch die Befähigung von
Privatlehren auch die elterliche und häusliche Erziehung überwacht, weil alle
Staatsgehörigen sein Eigenthum sind, und es nie gleichgültig sein kann, wie die
kleinen Staatsbürger zur Erreichung ihrer Bestimmung und der des Staatszweckes
herangebildet werden: so ist es umso mehr recht, daß der Staat die Oberleitung
der Confessionsschulen, wo sie etwa bestehen müßten, führe und nicht erlaube,
daß solche Confessionsschulen bestehen, worin die zarte, unzurechnungsfähige
Jugend, bevor dieselbe nach den allgemeinen, vom Staate angeordneten Verfahren
der öffentlichen Erziehung zum selbstständigen Urtheil herangebildet ist, für
besondere religiöse Kirchen- und Körperschaftszwecke gleichsam gefangen genommen
wird, woraus für die Betheiligten, so oft Getäuschten und für die Gesellschaft
Nachtheil entstehen muß. Die Vollendung eines bestimmten Lebensalters und eines
bestimmten Kreises der Erziehung in den allgemeinen Staatsunterrichtsanstalten
müßten als Bedingung des Eintrittes des Minderjährigen in eine zu religiösen
Zwecken bestimmte Confessionsanstalt mit strenger Daraufhaltung vorgeschrieben
werden. Großjährigen Staatsbürgern hätte man natürlich in der Wahl eines im
Staate berechtigten Standes nichts vorzuschreiben, es ist aber zu bedauern, daß
bei dem Erlasse der ganz gerechten und freisinnigen Gesetze der freien Ausübung
des Lehramts und der Kirchendisciplin der katholischen Kirche auf die Stimme des
östreichischen Reichstags in Kremsier wegen Aufhebung der
weltlichen Verbindlichkeit der Kirchengelübde nicht Rücksicht genommen wurde,
wonach eine verfehlte Standeswahl durch freiwilligen Austritt schwer
ausgeglichen und nicht gestattet wurde, daß sich der weltliche Arm zur
Verhaftung ohne Richter und Urtheil unglücklicher Priester herleihe, die sich
ihrem Stande durch Übertritt zu entziehen beabsichtigen. Der Kirche soll nicht
erlaubt sein, ein Mitglied unter welchem Vorwande immer gefänglich einzuziehen,
auch die angeblich freiwillige Stellung zur Rekolektionshaft sollte vor ihrem
Eintritte von einer bürgerlichen Behörde als freiwillig constatirt werden.
Äußere Macht ist nur bei der Staatsgewalt, die Kirche kann nur aus sich
ausschließen und aufs Gewissen einwirken, was mehr ist, ist vom
Unrecht.
Anstalten wie Gymnasien, von denen zu wünschen ist, daß durch
dieselben die Staatsbürger schon in der Jugend durch das Band gemeinschaftlich
genossener Bildung und Sodalitaet zu brüderlich einträchtlicher Anstrebung des
höchsten Wohles Östreichs vereint werden,
soll man nie Confessionsanstalten werden lassen, wie es leider die katholische
Priesterschaft schon durchgesetzt hat, um sich von ihrer gespenstrigen Furcht zu
befreien, die sie vor der echten Aufklärung und bürgerlichen Einigkeit hegt, und
gegen welche sie ungescheut predigt und spitzfindelt. Die auf Gymnasien
gepflegten Wissenschaften enthalten außer der Religionslehre nichts den
Confessionen feindliches. Die Religionslehre kann nach Confessionen gesondert
vorgetragen werden. Die Dotirungsmittel, um deren eitlen Preis solche
Concessionen erschlichen und ertrotzt werden, kommen doch zuletzt vom Volke und
nicht von dem Clerus, sie werden durch die Sonderung nur zersplittert und dem
Staatswohlen nicht, wohl aber dem Fanatismus gedient. Die Unterrichtsbehörde
sollte alle Transactionen zu solchen Bewilligungen vermeiden; alle wohl
denkenden Staatsbürger würden nur dankbar sein und die nöthigen Mittel noch
williger liefern als jetzt der collectirend bettelnden Geistlichkeit (da wo
dieses Mittel der Dotirung angewendet wurde), der so mancher nur aus falscher
Scham den Beitrag nicht abgeschlagen, weil er wenn auch dunkel die menschen- und
staatsfeindlichen Tendenzen des modernen Pharisäerthums ahnete, und nur oft geht
die klare Kenntnis oder Entschiedenheit des Charakters ab, um ihm offen entgegen
zu treten.
Der Mangel an materiellen Mitteln ist zwar eines der ersten und
wichtigsten Hindernisse des Aufkommens und Blühens des Volksunterrichts und
hauptsächlich, so lange als ein Volk noch in Roheit versunken, sein höchstes Gut
seine, schönste Zierde, wahre und sittliche Bildung nicht erkannt hat; mit der
Steigerung und Ausbreitung der Bildung im Volke wird auch die Bereitwilligkeit,
die Regierung für die Volksbildung zu unterstützen, sich gewiß steigern. Das
gesammte Östreich befindet sich im ganzen
auf einer sehr günstigen Mittelstufe der Volksbildung; noch einige
Thätigkeitsentwicklung, die Anwendung des Bildungszwangrechts auch gegen die
entlasteten oder doch sehr erleichterten Staatsgehörigen und Gemeinden: und
Östreich erhebt sich auf eine glänzende
Stufe europäischer Volksbildung. Auch müßte einer billigen Berücksichtigung
unterzogen werden das Verhältnis mancher Ortsgemeinden, welche bis jetzt
gehalten sind, eine Schule höhern Ranges aus eigenen Mitteln zu dotiren, die
eigentlich Bezirksschule ist wie z. B. die vierten Klassen, die durch Dotirung
aus den Mitteln eines ganzen Bezirks, den Gemeinden nicht so lästig würden und
einen höheren Aufschwung erreichen könnten.
Die östreichische
Staatsverwaltung benützt vielleicht und wahrscheinlich zur Volksbildung einen
Theil des sogenannten katholischen Religionsfondes, und die katholische
Priesterparthei beutet diesen Umstand aus, um sich einen überwiegenden Einfluß
bei der Erziehung der katholischen Jugend zu sichern, deswegen stimmt sie oft
die der Regierung als Schreckensruf zugedachte Losung: „Die Kirche ist frei“ an.
Dieser häufig wiederholte Drohungsruf, begleitet von der nie gesparten
Anpreisung der Verdienste dieser Priesterschaft, wie auch höchstwahrscheinlich
dynastisch religiöse Verhältnisse haben bei uns die Bemühungen des Unterrichtsministeriums bis nun gelähmt auf dem Wege der
kräftigen Übernahme der Leitung der Volksschule. Allerdings ist die katholische
Priesterparthei, und nur dieser hat man bisher gestattet die christkatholische
Kirchengemeinschaft zu repräsentiren, eine moralische Macht, ein Auftreten gegen
ihre weltliche Herrschaft erfordert bei weniger gebildeten Völkern große
Vorsicht; aber einerseits ist es hauptsächlichst die Regierung, welche diese
Macht auffallend begünstigt, und anderseits ist auch nur eine kräftige Leitung
und Verbreitung der Aufklärung das geeigneteste Mittel, um diese Macht auf das
Gebieth zu beschränken, welches ihr gerechterweise gebührt und wobei von ihrer
Erhabenheit nichts verloren gienge. Der göttliche Stifter der christlichen
Glaubenslehre hat in dem Satze: „Mein Reich ist nicht von dieser Erde“ eine
Wahrheit über die Stellung der Kirche zum Staate und in demselben so bündig
ausgesprochen, wie es keinem philosophischen Rechtslehrer besser gelingen
könnte. Nach diesem Axiom für Kirche und Staat gültig kann aber die Freiheit der
Kirche den Staat nie schrecken und nur so verstanden werden, daß die
Glaubenslehre ganz frei sei, wenn sie die irdische Macht, den Staat nicht
angreift, daß aber dieselbe ihre Freiheit auf die willkürliche Gebahrung mit
Gütern dieser Erde nicht ausdehnen darf, ohne ihrer himmlischen Natur Eintracht
zu thun. Nun ist aber das Kirchengut ein irdisches Gut, auf jeden Fall aber
Eigenthum der sämmtlichen Gläubigen der christkatholischen Kirche, auf keinen
Fall des Clerus allein, würde es ausgeliefert, so wäre es nur in die Hände der
sämmtlichen katholischen Kirchenmitglieder zu geben und von diesen als
Gesellschaft unter Oberleitung der Regierung zu verwalten, dann aber wie von
jedem Eigenthum der entfallende Beitrag zu den allgemeinen Unterrichtsanstalten
zu liefern; und in einem solchen Falle könnte man nur an Unterrichtsmitteln
gewinnen, denn die Gläubigen werden dieses Vermögen nicht sparen, um ihre Lasten
zu erleichtern. Eine solche Maßregel, wenn nur ihre Ausführung Privatrücksichten
nicht hinderten, wäre so leicht als möglich auszuführen und würde in
Deutschland mehr Sympathie für Östreich erwecken, als das Zollanschlußprojekt des
Handelsministers, denn Deutschland fühlt es richtig und tief,
daß mit Östreich, so lange dasselbe mit dem
auf despotisch-aristokratischen Grundlagen stehenden katholischen Kirchenthume
in partheiischer Bevorzugung verkehrt, kein auf echte Liberalitaet gestützter
Bund für das Vaterland der Reformation zu hoffen sei, da ja die katholische
Priesterkaste nirgends daraus einen Hehl macht, wie sie gegen die Früchte der
Vernunft, nach ihrem Ausdruck der falschen Aufklärung, zu Felde zieht. Und wo
giebt es die Freiheit ohne Vernunft; Vernunft, Aufklärung, Glück ohne Freiheit.
Auf keinen Fall soll auch der Schein der Bundesgenossenschaft mit den Gegnern
der Aufklärung das Ansehen und die Liebe einer Staatslenkung trüben.
(Konnte
unsre Regierung mit Recht wegen des Lehramts und der Kirchendisciplin mit den
Repräsentanten dieser Authoritäten in der katholischen Kirche, den
Apostelnachfolgern, den Kirchenfürsten verhandeln; so wäre sie doch nicht
berechtigt die Sache des Kirchenguts mit der Geistlichkeit allein oder gar mit
dem Papste abzuthun, nur die gesetzgebende Reichsversammlung ist zu solcher
Erledigung berufen, welche gewiß auch in naher oder fernerer Zeit die
sämmtlichen Klöster und religiösen Corporationen aufzuheben beantragen wird. Es
wäre zu wünschen, daß ein solcher, der Vermehrung der Volkserziehungsmittel
günstiger Antrag, die allerhöchste Sanction erhalte, während nie darauf
einzurathen wäre, daß die Regierung hierin vor Reifung der Volksstimme von
selbst etwas mehr veranlasse, als darauf zu sehen, daß die bestehenden Klöster
keine Zwingburgen seien, und daß ein jüngst aufgehobener Orden, gerecht mit
seinem letzten Eigenthume abgefunden, nicht mehr in Östreich auftrete, und die
der Volksbildung, der öffentlichen Sittlichkeit und dem Ansehen wie der
Wirksamkeit der Ortsseelsorge nicht förderlichen, sondern nachtheiligen
Missionspredigten unterbleiben.)
Was den Inhalt der Volkserziehung
anbelangt, glaube ich nicht erst bemerken zu müssen, daß derselbe nach meiner
Ansicht, die naturgemäße Entwicklung der Verstandes- und Gemüthsanlagen im
Menschen bewirken soll, deren Ausbildung das Staats- und Bürgerwohl bedingt,
weil ich das Streben der Regierung, nach den von mir bekannten Verordnungen,
dieser Bestimmung ganz entsprechend finde, und also eine Aufzählung von dazu
dienenden Mitteln nur eitle Wiederholung wäre. Die Anschauungsunterrichtsmethode
ist das hiezu geeigneteste Mittel, weil es dem natürlichen Entwicklungsgange
aller Anlagen im Menschen entspricht, aber zur Ausführung einer solchen sind
Lehrer von tieferen psychologischen Kenntnissen erforderlich, als man solche für
den Augenblick aufzutreiben vermag; deswegen würde ich die Aufmerksamkeit der
Leitungsbehörden des Volksunterrichts auf folgende Umstände lenken: Erstens
sollten Kinder in den Elementarklassen auch außer den Kleinkinderbewahranstalten
– und diese soll der Staat besonders befördern und unterstützen – nicht wie
Fachschüler mit langwierigem Sitzen und ermüdendem Vortrag von gar abgezogenen
Regeln abgespannt und in der natürlichen Wißbegierde fürs Lernen abspänstig
gemacht werden. Abwechslung im Unterrichte, zeitweise Bewegung dazwischen, und
deshalb geräumigere, nicht überfüllte Schulstuben sind erforderlich. Mit dem
Vortrage eines bestimmten Religionscatechismus dürfte vor einem gewissen Alter
nicht begonnen werden, auch sollten die Kinder vor einem bestimmten Alter z. B.
14 Jahren von der Schule aus nicht dazu angeführt werden, bestimmte religiöse
Mysterien, deren ihr Verständnis und ihre Unschuld noch nicht bedarf,
mitzumachen, oder gleich Mönchen täglich die Kirche zu besuchen und alle
Begräbnisse, meistens auf Verdienst des Lehrers, zu begleiten, weil dieses alles
die kleine Jugend beirrt, das bessere Gefühl abstumpft und nicht geeignet ist,
Charaktere heranzubilden, auf welche das Gemeinwohl bauen könnte. In den Genuß
der religiösen Mysterien wird das Kind noch genug zeitig gelangen, die Zeit des
täglichen Kirchenganges kann in der Schule nützlicher und andächtiger zugebracht
und die Kirche an Sonn- und Feiertagen mit besserem Erfolge und bleibenderer
Erbauung besucht werden. So kleinlich solche Sachen manchem Staatsmanne
erscheinen mögen, so bedeutend ist ihr Einfluß auf die Erziehung und den
Charakter der Völker.
Zu solcher Behandlung der Kinder sind aber auch als
Erzieher tüchtige Lehrer nöthig; zur Heranbildung solcher ist aber die
Vollendung der jetzigen vierten Klasse und des Präparandenkurses nicht
hinreichend; Lehrerseminare, die in andern Staaten wie in Preußen mit großen Kosten unterhalten werden, haben
am Ende aus ihren Zöglingen, wenn diese nicht mit besonderer Begabung
hineinkamen, keine besonderen Kirchenlichter geliefert, die außer Fähigkeit in
der Musik von den privatim herangebildeten und auf dem Wege der Schulprax[is]
gereiften Lehrern Vorzüge bewiesen hätten. Der östreichische Lehrerstand selbst
hat ohne das Dasein solcher Seminare ausgezeichnete Volksschullehrer
aufzuweisen.
Die Erweiterung der vierten Klasse um einen Jahrgang mit
Vortrag über Psychologie, Logik, Erziehungskunde, Landwirthschaft und dgl. und
Unterstützung aus Staatsmitteln tüchtiger Schüler, die sich zu Lehrern
heranzubilden versprechen, eine erträgliche Existenz für den anfangenden Lehrer
und die sichere Aussicht auf gewisse Beförderung bei würdiger Verwendung und
Aufführung werden uns ganz sicher mit guten Volkslehrern versorgen. Schulräthe
auf angemessene Bezirke und Lehrervereine werden das Fehlende ergänzen; ist doch
ein großer Theil Östreichs bei der
bisherigen fehlerhaften Beschaffenheit des Lehrer- und Volksschulwesens gewiß in
der Volksbildung und dem moralischen Charakter auf einer so soliden Stufe, wie
in irgendeinem noch so gelobten Staate: unsre Hoffnung für die Zukunft ist durch
die Vergangenheit gerechtfertigt und begründet, wir können mit freudigem Herzen
ausrufen: Vorwärts unser Östreich über
alles, wenn du willst!
Die Gymnasien als eigentliche Gelehrtenpflanzschulen,
die Horde der höheren Region der Volksbildung, also eigentliche
Humanitätsschulen, sind vom Ministerium aufs
sorgfältigste bedacht. Der Gymnasialzögling als zukünftige Säule und Priester
der Humanität im Staate, kann nicht zeitig genug bekannt gemacht werden mit der
Erkenntnis des Schönen, das ist des Wahren und Guten, wie es durch seine
Erscheinung im Einzelnen auf unser Erkennen oder Anschauen einwirkend zum
Schönen wird und durch Anklang an sein Verwandtes, Reinmenschliches uns
beglückend erwärmt, er kann nicht zeitig genug inne werden, daß die Humanität
und Verwandlung des Menschen zum Kunstwerk der eigenen Thätigkeit in seiner
innersten Einzelheit in sich selbst sei, also die letzte Vollendung menschlichen
Wesens durch habituell gewordenen Cultus des Schönen. Deshalb wäre das Studium
des Alterthums, seiner Sprachen und Sprachformen und der übrigen Gelehrsamkeit
unfruchtbar und eitler Tand, wenn nicht der Geist der Humanität, des Schönen dem
Zögling gleichsam damit aufgedrungen würde. Dieses wird aber nicht erreicht,
wenn erst im 7. und 8. Gymnasiallehrjahre und ohne Vorbereitung auf die
philosophischen Studien gegriffen wird; es wäre nicht zu früh schon in der 4.
Klasse, ihn in das psychologische Studium, in sich selbst einzuführen und diesen
Unterricht mit geringer Aufbürdung und Erklärung bei entsprechender Lesung von
Beispielen bis in die 6. Klasse fortzuführen. Der Schüler würde schon mit der
Kenntnis des Ichs in die Wissenschaft dieses Ichs, die Philosophie im siebten
Jahre übergehen, anstatt wie jetzt unvorbereitet ein ganz fremdes Gebieth
betreten zu müssen. Große Schwierigkeiten würden so unbemerkt überwunden, und
das ganze Studium erst recht furchtbar gemacht. Geschickten Lehrern, wie sie am
Gymnasium bestehen, wäre die Durchführung ein Leichtes, ein angemessenes
Lehrbuch, mit Anweisung des Lehrers wie weit in jeder Klasse vorzutragen, zu
verlegen könnte auch nicht schwer werden.
Sehr wünschenswerth ist es, daß
die körperliche Erziehung der Schuljugend und die gymnastischen Übungen bald in
Anwendung kommen, wie solche schon früher vom Unterrichtsministerium in seinem Programm versprochen
wurden.
Noch erübrigt über die Sprache des Volksunterricht das zu bemerken,
daß es wohl Tyrannei wäre, den Elementarschüler in einer andern als der
Muttersprache unterrichten zu wollen, es wäre auch zwecklos; da aber Östreich in diplomatischer wie in staatlicher
Beziehung nur als vorwiegend deutscher Staat betrachtet werden muß, weil selbst
die slavischen Idiome, die noch am stärksten vertreten sind, nur durch das
Mittel der deutschen Sprache sich verständigen, und diese Sprache in Östreich, außer Italien, am
meisten verwendet und verbreitet ist, auch leicht von allen Nationen erlernt
wird: so wird es billig und wohlthätig sein, Schüler, die den Bau ihrer
Muttersprache schon grammatisch erlernt haben, in die Kenntnis der deutschen
Sprache einzuführen. Schüler der 3. Normalklasse und darüber sollten ohne
Unterschied der Nationalitaet neben ihrer Muttersprache das Deutsche
pflichtmäßig lernen, weil es so das östreichische Staatswohl erheischt, daß
jeder Gebildete, zur Vertretung des Staatsinteresses Berufene diese beiden
Sprachen inne haben und dadurch die Communication erleichtern, bis vielleicht in
glücklicherer Zukunft das Sprachbabel, dessen Erlernung so viel Zeit dem wahren
Bildungsunterrichte raubt, sich nach Beilegung der
Nationalitäts-Alleinseligmachungstheorie, weniger groß erscheinen wird, was nur
durch strenge Durchführung obiger Schulmaßregel möglich ist.
Der Staat
wendet wohl seine liebevolle Aufmerksamkeit zuerst der Erziehung der zarten,
empfänglichen Jugend zu; jede Verwaltung findet aber auch eine Menge
verwahrloster Staatsgehöriger vor, eine Menge vergessen das Erlernte, verfallen
in Unwissenheit und Fehler, und aller dieser Heil giebt der erziehende, der
sittliche Staat nicht auf, auch für diese hat er Anstalten und Mittel geistiger
Unterstützung in Bereitschaft, keine solche Anstalt soll außer dem Einflusse des
Unterrichtsministeriums stehen, wenn auch die Hauptverwaltung anderen
Ministerien zukäme. So wie überhaupt der Mensch und Staatsbürger nie aufhört zu
lernen und sich zu vervollkommnen: so bleibt er auch in allen Schichten und
Altersstufen unter der liebevollen Aufmerksamkeit des für Belehrung bemühten
Staates.
Der Wirkungskreis des Unterrichts- und
Cultusministeriums ist in einem an Bildung mehr potencirten Staate
sehr wichtig und erhaben und so weit, daß dessen Umfang im Allgemeinen schwer zu
bestimmen ist: er reicht so weit als es darum geht, den Staat durch
Wissenschaft, Kunst und Sittlichkeit zu befestigen, zu beglücken und so das
Reich Gottes auf Erden zu gründen.
Bedenkt man die Ausführbarkeit dieser nur
annähernd zu lösenden Aufgabe in unserm theuren Östreich, verschieden an Völkern, Volksschichten, Religionen,
Zungen und Tendenzen, weit ausgebreitet nach allen Strahlen der Windrose: da
erscheint die Aufgabe riesenhaft; erwägt man dabei das tragische Ende und
Erlöschen der kolosalen Staaten des Alterthums, die doch den Vortheil der
Transformations- und Assimilirungsmacht des erobernden Despotismus ungescheut
und mit viel Glück durchführten, während eine jetzige Regierung mit den
zänkischen Nationalitätchen so haicklich [sic!] umgehen muß: da wird’s um diese
Ausführbarkeit uns sehr wehmüthig.
Das eine wachende Auge im Mittelpunkte
des Staatsorganismus, dem diese ungeheure Aufgabe vorliegt, den Unterricht, die
Erziehung und Beglückung der Völker Östreichs zu leiten und zum höchsten Ziele zu führen, kann dieses
Ziel nur dann erreichen, wenn es ihm bald gelingt, in den beabsichtigten
Schulräthen, durch die Wahl an Wissen, Willen und Vaterlandsliebe erprobter
Männer, taugliche Werkzeuge, verläßliche Gehilfen zu erwerben. Durch solche Wahl
und durch unerbittliche Beseitigung des Unkrauts wird es gelingen, Östreich zu einem Sittlichkeits- zum wahren
christlichen Staat voller Ehren zu machen, welchen das tragische Ende der
Alterthumsstaaten nie bedrohen wird. Das wird geschehen, wenn es ernstlich
gewollt wird, es ist aber dazu rathsam und nöthig, daß schon jetzt das Unterrichtsministerium seine Thätigkeit durch Aufnahme der besten
Männer aller Confessionen und Kronländer verstärke, während dieses bis nun nicht
der Fall zu sein scheint.
Wer wie ich die Vergangenheit von 35 Jahren, die
Fortschritte in der Prosperitaet und Bildung Östreichs und besonders die günstige Klärung der Ansichten und
Tendenzen in allen Volksklassen seit 1848 aufmerksam, ohne Furcht und
unpartheiisch beobachtet hat, der kann getrost sich den schönsten Hoffnungen für
Östreichs Zukunft hingeben.
Das hier Mitgetheilte, lieber Freund, ist nicht neu und Millionen Mitbürgern bekannt; ich habe es niedergeschrieben, um meinem theuren Lehrer Rechenschaft zu legen von meinen Ansichten und Wünschen hinsichtlich der einen Staats- und Volksangelegenheit. Ihrem rücksichtslosen Urtheile sehe ich mit der Ruhe entgegen, mit welcher ein unbefangenes aufrichtiges Streben einem solchen entgegen sehen kann. Wollen Sie ein solches Urtheil sicher zukommen lassen
Ihrem Verehrer
Josef Kwieciński
Biala 2. October 1850