Rudolf Apponyi, österreichischer Gesandter in München, teilt Leo Thun die Informationen mit, die er über Karl Halm in Erfahrung bringen konnte: Halm genieße einen ausgezeichneten Ruf als Philologe und sei derzeit Rektor am Maximiliansgymnasium in München. Halm sei außerdem Katholik, jedoch scheint er seinen Glauben mit wenig Eifer zu praktizieren. Obschon Halm ein Freund von Friedrich Wilhelm Thiersch sei, habe man bisher keine schlechten Worte über Österreich aus seinem Mund vernommen – allerdings auch keine positiven. Apponyi charakterisiert Halm daher als halbherzigen Katholiken und Österreicher. Ob das für eine Berufung nach Österreich ausreiche, stellt Apponyi dem Ermessen von Thun anheim. Für weitere Auskünfte steht Apponyi zur Verfügung.
Lieber Thun!
Von einem kurzen Landaufenthalt zurückgekehrt, beeile ich mich Dir über Dr.
H[alm] aus gewissenhafter
verlässlicher Quelle geschöpfte Auskünfte mitzutheilen. Er gilt hier für einen
ausgezeichneten Philologen, der zugleich viele Verbindungen in
Deutschland mit Gelehrten seines Fachs unterhält. Als
Rektor seines Gymnasiums
genießt er den besten Ruf. Hinsichtlich seiner religiösen Richtung soll er
allerdings ein Katholik von blaßer Färbung seyn, doch erzieht er seine Familie
und überwacht die katholische Tendenz seiner Lehranstalt insoweit, als es die
äußere Form erfordert. Von einem katholisch-religiösen Eifer soll jedoch kaum
die Rede seyn.
In wissenschaftlicher Beziehung und in seiner übrigen Haltung
gehört er zu den Schützlingen und Freunden Thierschs. Wenn er auch keine
besondere Abneigung gegen Oestreich hat, so ist meinem
Gewährsmanne, der ihn aus langjährigem Umgang kennt, auch nie eine besondere
Sympathie für uns bemerkbar geworden.
Mein Eindruck von dieser Schilderung
ist, daß Dr. H[alm] ein lauer
Katholik und ein lauer Oestreicher ist. Ob aber diese Mängel für eine Professur
classischer Philologie gerade sehr sichtbar wären, muß Deinem weisen Ermessen
überlassen bleiben.
Indem ich Dich bitte bei jeder vorkommenden Gelegenheit
über mich als alten Freund zu verfügen, erneuere ich Dir den Ausdruck meiner
aufrichtigsten Ergebenheit
Rudolf Appony