Der Historiker Julius Ficker erteilt – wie von Thun gewünscht – Auskunft über Gottfried Muys. Ficker kennt Muys aus der gemeinsamen Studienzeit in Bonn. Schon damals galt Muys als talentiert und zu Höherem berufen, allerdings hat sich Muys dann der Erforschung der alten Völker zugewandt und sich dabei mehrfach zu gewagten Hypothesen hinreißen lassen. Außerdem, so erzählt man sich, sei Muys sehr von sich eingenommen. Mehrfach wurden Arbeiten von ihm negativ besprochen, besonders hervorzuheben ist dabei eine anonyme Rezension in der Katholischen Literaturzeitung. Zudem war Muys nie Kandidat für den katholischen Lehrstuhl der Geschichte in Bonn, obschon man dort verzweifelt einen Kandidaten gesucht hatte. Ficker verweist Thun daher an Joseph Aschbach, der Muys persönlich kennt. Was die anonyme Warnung vor Muys betrifft, die Thun erhalten, räumt Ficker ein, dass er auf Grund der Handschrift eine Vermutung hegt, wer der Schreiber dieser Warnung sein könnte: nämlich ein protestantischer Dozent, den Ficker kennt. Ficker traut diesem allerdings nicht zu, aus reiner Gehässigkeit zu einem solchem Mittel gegriffen zu haben. Er will sich über die Handschrift allerdings noch genauere Kenntnisse verschaffen, um seine Vermutung zu prüfen. Daher möchte er den Namen des Dozenten zum jetzigen Zeitpunkt nicht nennen. Schließlich bietet Ficker dem Minister auch an, sich bei Karl Simrock und Joseph Floß in Bonn über Muys zu erkundigen. Im zweiten Teil des Briefes berichtet Ficker von einer Angelegenheit, die in Innsbruck einiges Aufsehen erregt hat. In der jüngsten Ausgabe der Gymnasialzeitschrift bezichtigt Alfred Lange Professor Tobias Wildauer nämlich des Plagiats bei seiner Ausgabe des platonischen Dialoges des Protagoras. Bei dem plagiierten Werk soll es sich um eine ähnliche Ausgabe des Protagoras von Eduard Jahn handeln. Ficker versichert Thun jedoch, dass die Anschuldigungen haltlos sind, da er das Manuskript Wildauers mehrfach gesehen habe und er Wildauer sogar beraten hatte, als während der Druckphase seines Werkes jenes von Jahn erschien. Außerdem hat er zur Sicherheit die Manuskripte Wildauers noch einmal überprüft. Dennoch befürchtet Ficker, dass die Anschuldigungen negative Auswirkungen auf eine mögliche Berufung Wildauers an die Innsbrucker Universität haben könnten. Ficker bittet daher den Minister, den Verdächtigungen keinen Glauben zu schenken und um eine möglichst baldige Entscheidung über die Lehrkanzel in Innsbruck, zumal das Provisorium für alle Beteiligten, besonders für Wildauer, ein unangenehmer Zustand sei. Zuletzt bedankt sich Ficker für die Berufung von Karl Schenkl.
Innsbruck 1858 Juni 15
Eure Excellenz!
Von Eurer Excellenz in Deren gnädigem Schreiben vom 9. dieses Monats
1
zu einer Äußerung über den Dr. Muys
aufgefordert, sehe ich mich leider nicht im Stande, genügende Auskunft geben zu
können, nehme aber keinen Anstand, das Wenige, was ich hier weiß, mitzutheilen,
so sehr ich auch wünschen würde, in der Lage zu sein, entschiedener zu seinen
Gunsten sprechen zu können.
Die Voraussetzung Eurer Excellenz, daß ich bei
früherer Gelegenheit den Dr. Muys
empfohlen, dürfte unzweifelhaft auf einer Verwechselung des Empfohlenen oder des
Empfehlenden beruhen; ich bin einmal durch einen gemeinsamen Bekannten darum
angegangen, mochte aber bei nur oberflächlicher Bekanntschaft die
Verantwortlichkeit nicht übernehmen.
Wir studirten gleichzeitig zu Bonn und Muys galt damals für einen sehr fähigen und kenntnisreichen
Studirenden, von welchem Bedeutendes zu erwarten stehe. Eine sehr bedeutende
Gelehrsamkeit dürfte ihm in keinem Falle abzusprechen sein. Doch will ich Euer
Excellenz ganz offen schreiben, was mich etwa bedenklich gemacht hätte, ihn zu
empfehlen. Muys hat seine Thätigkeit
ganz vorzugsweise der Urgeschichte der alten Völker zugewandt, einem Felde, wo
der Boden so schwankend, daß der gründlichste Forscher Gefahr läuft, über der
fortwährenden Nöthigung zu Hypothesen greifen zu müssen, den Sinn für besonnene
und methodische Forschung zu verlieren. Dazu kommt, daß Muys, wie mir mehrfach gesagt wurde, wie
seine Arbeiten zeigen und auch in den Besprechungen derselben tadelnd bemerkt
wurde, eine überaus hohe Meinung von sich hat, welche ihn um so eher zu gewagten
Behauptungen und unbilliger Behandlung anderer verdienter Forscher treibt. Das
mag zum Theil auch der Grund der vom Anonymus hervorgehobenen und nicht in
Abrede zu stellenden Thatsachen sein, daß die öffentlichen Beurtheilungen seiner
Schriften nicht gerade sehr günstig waren, und zwar auch in Blättern, wo
wenigstens sein Katholicismus kein Vorurtheil begründen konnte, z.B. in der
katholischen Litteraturzeitung 1856 Nr. 44. Auch ist mir der Umstand
aufgefallen, daß bei den Vorschlägen über die Besetzung der katholischen
Geschichtsprofessur sein Name nie genannt wurde, obwohl, wie mir genauer bekannt
ist, die Facultät in Verlegenheit um vorzuschlagende Kandidaten war. Jedenfalls
wird der Herr Prof. Aschbach, welcher
ihn genauer kennt, über seine Tauglichkeit zum Lehrer in wissenschaftlicher
Beziehung ein ungleich sichereres Urtheil haben, als solche, welche lediglich
auf seine gedruckten Arbeiten hingewiesen sind.
Was die andern, ihm vom
Anonymus gemachten Vorwürfe betrifft, so weiß ich darüber nichts zu sagen. Es
tritt hier ein Umstand ein, welchen zu berühren ich lange zweifelhaft war, da
ich mich sehr leicht irren kann, und dieser Irrthum ungünstig für Muys sein könnte. Ich glaube nämlich, obwohl
ich über ein Hauptmoment, die Handschrift nämlich, ungewiß bin, den Anonymus zu
kennen. Ist meine Vermuthung richtig, so ist derselbe ein protestantischer
Dozent eines ganz andern Faches, welcher in keiner Beziehung Rival des Muys sein könnte. Ob etwa persönliche
Spannung bestehen möchte, weiß ich nicht; sollte es sein, so wäre ich überzeugt,
daß er doch schwerlich deßhalb zu solchen Mitteln greifen möchte. Auf die
Vermuthung, er dürfe der Schreiber sein, (welche sich mir durch mehrere
Kleinigkeiten zu bestätigen schien) brachte mich zunächst der Umstand, daß ich
vor fast zwei Jahren mich längere Zeit mit ihm über österreichische
Unterrichtsverhältnisse unterhielt, welche er mit Interesse zu verfolgen schien;
bei seinem raschen, voreiligen Wesen, übrigens durchaus ehrenwerten Character
könnte ich mir sehr wohl denken, daß er zu einem solchen Mittel griff in der
Ansicht, den österreichischen Unterrichtsverhältnissen dadurch einen Dienst zu
erweisen. Wäre meine Vermuthung gegründet, so möchte ich freilich der Warnung
einiges Gewicht beilegen. Es würde mir nicht schwer sein, mir in einiger Zeit,
ohne irgend den Zweck anzudeuten, die betreffende Handschrift und damit
Gewißheit zu verschaffen, falls Eure Excellenz es wünschen sollten; doch würde
ich gerade in diesem Falle mehr noch, als jetzt, darum bitten dürfen, den Namen
zu verschweigen, da die Sache ihm vielleicht schaden könnte.
Glaubte ich
demnach einige Bedenken Eurer Excellenz nicht verschweigen zu dürfen, so ergibt
sich doch, daß ich durchaus nicht in der Lage bin, irgend ein bestimmteres
Urtheil für oder gegen abgeben zu können. Für diesen Fall deuteten Eure
Excellenz auf die Meinung zuverlässiger Gewährsmänner hin. Als solche möchte ich
etwa vorzugsweise bezeichnen den Prof. Dr.
Simrock und den Prof. Dr.
Floss zu Bonn; beide
sind Katholiken und werden gewiß, mit der trostlosen Lage katholischer
unbemittelter Docenten an preußischen Universitäten vertraut, nicht ohne die
besten Gründe etwas mittheilen, was der Berufung eines solchen schaden könnte;
andererseits glaube ich zu beiden das volle Vertrauen haben zu können, daß sie
wissentlich keinen Ungeeigneten empfehlen werden; eine Befragung beider, sei es
auch nur durch die Bitte an den einen, auch die Meinung des andern einzuholen,
würde ich vorziehen, da, so weit ich die Verhältnisse kenne, vielleicht der eine
oder andere über diesen oder jenen Punkt nicht unterrichtet sein könnte. Ich
dachte wohl daran, mich dort unmittelbar zu erkundigen; aber das gnädige
Schreiben Eurer Excellenz ließ mich doch ungewiß, ob ich das thuen dürfe, da ich
mir immerhin Gründe denken könnte, welche es Hochderselben wünschenswerth
erscheinen lassen könnten, eine solche Erkundigung überhaupt nicht oder doch
nicht durch mich einziehen zu lassen? Sollte es aber den Absichten Eurer
Excellenz entsprechen, daß ich mich weiter erkundige, was sich ohne Berührung
des nächsten Sachverhaltes sehr wohl thuen ließe, so würde ich eine bezügliche
gnädige Weisung bestens auszuführen bestrebt sein.
Eure Excellenz werden es verzeihen, wenn ich es wage, eine andere Angelegenheit
zu berühren. Schon seit einigen Tagen überlegte ich, ob ich es mir erlauben
dürfe, darüber zu schreiben; die sich durch das gnädige Schreiben ergebende
Nothwendigkeit ohnehin an Eure Excellenz schreiben zu müssen, erschien mir als
ein Wink, meine Bedenken zu beseitigen.
Das letzte Heft der
Gymnasialzeitschrift enthielt eine Recension der Ausgabe des Protagoras des
Dr. Wildauer
2 , welche hier bei allen, welche mit der Sachlage irgend
vertraut waren, den lebhaftesten Unwillen erregte. Was die wissenschaftlichen
Ausstellungen betrifft, so habe ich kein genügendes Urtheil darüber; ich hörte
nur einen vorzugsweise kompetenten Kollegen äußern, daß ihm auch dieser Theil
der Recension nicht billig scheine und weiß, daß namhafte Gelehrte, wie z.B.
Thiersch zu München, sich sehr beifällig über die
Arbeit äußerten. Über einen andern Theil der Besprechung, gerade den, über
welchen man hier entrüstet ist, dürften augenblicklich wenige in der Lage sein,
sich ein sichereres Urtheil bilden zu können, als es mir verschiedene Umstände
gestatten. Es wird dem Dr. W[ildauer]
nämlich vorgeworfen, er habe von der früher erschienenen Arbeit eines Schülers
des Herrn Prof. Bonitz, des Dr. Jahn
3, den
wesentlichsten Nutzen gezogen, sei diesem seinem Vorgänger zum Danke
verpflichtet gewesen, habe diesen Dank nicht allein unterlassen, sondern durch
eine gelegentliche Bemerkung, sein Manuscript sei im Mai 1856 vollendet gewesen,
absichtlich eine solche Benutzung läugnen wollen, d. h. er wird nicht allein des
verschwiegenen Plagiats geziehen, was vielleicht nur seinen wissenschaftlichen
Ruf treffen würde, sondern einer absichtlichen Unredlichkeit, wodurch die
Ehrenhaftigkeit seines Charakters aufs bestimmteste in Abrede gestellt
erscheinen muß. Bei der allgemeinen Achtung, deren sich der Dr. W[ildauer] gerade in dieser Beziehung
hier erfreut, ist die Wirkung, welche der Angriff hier hervorbrachte, doppelt
begreiflich.
Sich gegen diesen Angriff auf dem Felde, wo er geschah, zu
vertheidigen, dürfte Ehrenpflicht für Dr.
W[ildauer] sein; und zufälligerweise stehen ihm die Mittel zur
schlagendsten Rechtfertigung so genügend zu Gebote, daß es mir ganz und gar
unbegreiflich ist, wie eine solche Behauptung gewagt werden konnte. Ich würde
auch nicht den mindesten Grund haben, die Sache hier zu erwähnen, wenn ich nicht
befürchten müßte, sie könne einen nachtheiligen Einfluß auf seine etwaige
Ernennung zum Professor ausüben. Der Eindruck einer so zuversichtlich
hingestellten Behauptung wird durch die genügendste spätere Rechtfertigung nicht
ganz verwischt werden können; es sind einige Momente da, welche für den
Augenblick jene Behauptung einigermaßen zu stützen scheinen; hat irgend Jemand
ein Interesse daran, die Ernennung W[ildauer]'s zu hindern oder zu verzögern, so ist hier eine
Handhabe geboten; und vielleicht gerade die Nothwendigkeit, sich gegen einen
durch nichts provocirten Angriff vertheidigen zu müssen, könnte ihm manche
abgeneigt machen, welche auf seine Zukunft einwirken könnten. Diese Umstände,
verbunden mit der Überzeugung, wie werthvoll für unsere Universität die Ernennung
W[ildauer]'s sein würde, werden
es entschuldigen, wenn ich mich verpflichtet halte, mich an maßgebender Stelle
schon jetzt über den Vorfall zu äußern; ein Schritt, welcher mir nur deßhalb
peinlich ist, weil er als Anklage des Recensenten aufgefaßt werden könnte,
während er nur einen Kollegen gegen üble Folgen eines ganz unverschuldeten
Ereignisses zu schützen sucht.
Ich bin in der Lage aufs entschiedenste
versichern zu können, daß der schwere gegen W[ildauer] erhobene Vorwurf durchaus ungerechtfertigt ist; ich
bin bereit, diese Behauptung wo auch immer und gegen wen auch immer aufs
unumwundenste zu vertreten. Ich würde das wenigstens hier nicht so entschieden
auszusprechen wagen, wenn ich mich dabei nur auf meine subjective Überzeugung
von der Ehrenhaftigkeit W[ildauer]'s
stützen könnte; ich kann es deßhalb so unumwunden jedem gegenüber behaupten,
weil ich sehe, daß der vollständigste Beweis einer solchen Behauptung geführt
werden kann. W[ildauer] besitzt noch
fast sämmtliche Vorarbeiten und Manuscripte. Das letzte derselben, welches
später unmittelbar in die Druckerei gegeben wurde, hatte Prof. Schenach Eurer Excellenz schon einige
Zeit vor dem Erscheinen der Arbeit von Jahn übersandt. Als es gedruckt wurde, kannte W[ildauer]
Jahn’s Arbeit, welche inzwischen
erschienen, eine Kenntnis, welche sich auch z.B. darin zeigt, daß er in seinen
Anmerkungen einige ihm irrig scheinende Angaben Jahns stillschweigend widerlegt. Absichtlich jedoch vermied er
es, sich von Jahns Arbeiten irgend etwas
anzueignen, was ihn hätte zu einer dankbaren Erwähnung verpflichten können;
hätte er Jahn nennen wollen, so hätte er
die Drucklegung seiner Schrift insbesondere durch die Hervorhebung der Mängel
jener andern begründen müssen; ich selbst konnte ihm damals nur rathen, einem
solchen Tadel durch Nichtnennung auszuweichen. Um trotzdem die Selbstständigkeit
seiner Arbeit anzudeuten, hätte er sich darauf berufen können, dieselbe sei vor
dem Erscheinen der andern bereits in den Händen Eurer Excellenz gewesen; so
sicher das gewesen, so unpassend hätte das andererseits scheinen müssen; und wir
waren der Ansicht, daß eine andere gelegentliche Notiz, seine Arbeit sei früher
vollendet gewesen, ihn gegen jede Behauptung, er habe ein Plagiat begangen,
schützen würde, wenn nicht die überzeugendsten Beweise, was nicht möglich,
beigebracht werden könnten. Darin haben wir uns getäuscht.
Allerdings gibt
der Umstand, daß das vollendete Manuscript schon früher in
Wien war, noch keinen Beweis, daß es nicht später
nach Jahn geändert sei. Für mich und
andere Freunde W[ildauer]'s konnte
allerdings seine Versicherung, daß das nicht der Fall gewesen sei, vollkommen
genügen. Es lag uns aber daran, uns zu vergewissern, daß es auch möglich sein
werde, einen jeden Dritten zu überzeugen, und uns dadurch zugleich in den Stand
zu setzen, eine bestimmte Erklärung für ihn abgeben zu können. Für diesen Zweck
sind die ursprünglichen Manuscripte W[ildauer]'s, von welchen wir wissen, daß sie vor dem Erscheinen
der Arbeit Jahns vorhanden waren, mit
dieser und dem Abdrucke der Arbeit W[ildauer]'s genau verglichen, mit besonderer Beachtung aller
Stellen, welche in den Manuscripten als Zusätze erscheinen, nirgends hat sich
etwas gefunden, was die Behauptungen des Recensenten rechtfertigen könnte, da es
natürlich, was auch der ganze Ton der Recension nicht gestattet, lächerlich
wäre, anzunehmen, derselbe wolle seine Vorwürfe darauf gründen, daß W[ildauer]
Jahns Buch gekannt habe. Ja noch mehr; es
wurde zu diesen Vergleichungen die etwas später als W[ildauer]'s Arbeit herausgegebene Ausgabe
des Protagoras von einem bewährten Gelehrten, dem Prof. Sauppe
4, hinzugezogen; und zu unserer Überraschung
ergab sich das auch sonst für W[ildauer]'s Arbeit gewiß nicht ungünstige Resultat, daß, obwohl
bei den Arbeiten von Sauppe und
Wildauer eine gegenseitige
Benützung gar nicht möglich war, beide in den wichtigsten Punkten eine wirklich
auffallende Übereinstimmung zeigen, so daß dagegen die Verwandtschaft der
Arbeiten Jahns und Wildauers, wie sie hie und da derselbe
Gegenstand, derselbe Zweck, die Benützung derselben Hülfsmittel herbeiführen
mußte, ganz zurücktritt, sodaß es uns immer unbegreiflicher erschien, wie ein
Recensent hoffen konnte, den Vorwurf des Plagiats irgendwie begründen zu können.
Leicht könnte ich noch weitere Belege zur Rechtfertigung W[ildauer]'s hinzufügen, wenn ich diese
peinlichen Mittheilungen nicht möglichst auf das beschränken möchte, was für den
einzigen Zweck derselben genügen dürfte. Dieser Zweck ist lediglich, Eure
Excellenz ganz gehorsamst zu bitten, doch keinerlei Gewicht darauf zu legen,
wenn diese Vorwürfe etwa gegen eine Ernennung W[ildauer]'s geltend gemacht werden sollten. Es würde weder in
meinem Wunsche noch vielleicht im Interesse W[ildauer]'s liegen, wenn Eure Excellenz davon irgend andern
Gebrauch machen wollten; sollten aber aus irgend welchem Grunde Eure Excellenz
geneigt sein, weitere Erkundigungen einzuziehen, so füge ich ausdrücklich hinzu,
daß ich keinerlei Interesse habe, ungenannt zu bleiben, daß ich jederzeit bereit
bin, sowohl den Umstand, daß ich schrieb, als das, was ich schrieb, jedem
Dritten gegenüber zu vertreten; nur unter dieser Voraussetzung glaube ich es vor
mir selbst verantworten zu können, derartige Mittheilungen, welche Dritten
schaden könnten, an Eure Excellenz zu richten.
In wie weit Eure Excellenz
überhaupt geneigt sein dürften, eine Ernennung des Dr. Wildauer zu beantragen, kann ich
freilich nicht beurtheilen. Sollten Hochdieselben überhaupt dazu entschlossen
sein, so glaube ich vielleicht andeuten zu dürfen, daß eine möglichst baldige
Erledigung im Interesse W[ildauer]'s,
wie der Fakultät, sehr zu wünschen wäre. Das Provisorium hat etwas
außerordentlich Drückendes für ihn, lähmt ihn in seinen Bestrebungen; anfangs
mit Lust und Liebe seinem Berufe hingegeben, wird ihm derselbe jetzt fortwährend
durch den Gedanken verbittert, er werde sich vielleicht doch zum Gymnasium und
zur Philologie zurückwenden müssen, in welchem Falle er natürlich nur wünschen
könnte, seinem frühern Wirkungskreise nicht so lange entzogen zu sein, daß es
neuer Mühen bedürfte, sich in denselben wieder einzuleben. Mit einem Eifer,
welcher mich für seine Gesundheit fürchten machte, hat er gethan, was in seinen
Kräften stand, neben der Ausarbeitung seiner Vorlesungen noch mehrere Aufsätze
geschrieben, welche freilich bisher nur theilweise zum Druck zu befördern waren,
welche aber gewiß ein nächstes Urtheil über seine Befähigung rechtfertigen
dürften; in seinen Vorlesungen erfreut er sich des ungetheiltesten Beifalls. Für jetzt mehr zu leisten, würde nicht im Bereiche der
Möglichkeit liegen; genügt das bis jetzt Geleistete nicht, seine Stellung zu
einer sichern zu machen, so glaubt er für lange Zeit die Hoffnung aufgeben zu
müssen. Dazu nun ein Angriff, welcher so ganz ungerechtfertigt und ganz
unprovocirt gegen ihn erfolgte, ihn so empfindlich treffen mußte; – Eure
Excellenz werden es gewiß verzeihen, wenn ich unter solchen Umständen mich auf
die Gefahr hin, mir den Schein unberufener Einmischung zuzuziehen, ein Wort zu
seinen Gunsten glaubte sprechen zu dürfen.
Schließlich glaube ich es mir
gewiß zugleich im Namen aller derjenigen, welche hier Gelegenheit hatten, die
trefflichen kollegialen Eigenschaften des Prof. Dr.
Schenkl und die große Sorge, welche er der Ausbildung der
Studirenden zuwendet, kennen zu lernen, mir erlauben zu dürfen, Euer Excellenz
den aufrichtigsten Dank für diese abermalige, durch seine Ernennung unserer
Hochschule erwiesene Fürsorge ganz ehrfurchtsvoll auszusprechen.
Mit größter
Hochachtung und Ergebenheit
Eurer Excellenz
ganz gehorsamster
Dr. Ficker