Leopold Pebal, Professor der Chemie an der Universität Lemberg, beschwert sich über die fortlaufenden Schikanen und Beleidigungen von Seiten einiger seiner Kollegen. Pebal wurde vor zwei Jahren nach Lemberg versetzt. Seither werde er regelmäßig schikaniert, besonders von seinem Kollegen Anton Wacholz. Auch die mehrfachen Beschwerden an das Ministerium hatten bisher nichts geändert. Pebal überlegt daher, um seine Entlassung anzusuchen, sollte sich seine Situation nicht verbessern. Pebal schildert in der Folge einige Vorkommnisse zur Verdeutlichung seiner Lage. Außerdem beschwert sich Pebal über die nachlässige Arbeit der Universitätskanzlei in Lemberg. Pebal äußert sich schließlich kritisch zum Fortschritt bei der Umsetzung der Reform an den Universitäten. Aus seiner Sicht werde die Reform vor allem durch unfähige und unwillige Professoren verhindert. Kritisch ins Gericht geht Pebal auch mit den Rektoren und Dekanen der Universitäten. Pebal bittet, den Inhalt des Briefes dem Minister bekannt zu machen.
Hochverehrter Herr Ministerialrath!
In den zwei Jahren meines Aufenthaltes in Lemberg habe ich, abgesehen von meinem Verhältnis zum Ministerium, dessen
Humanität ich dankbarst anerkenne, und zu meinen Studenten, über die ich mich
durchaus nicht beklagen kann, fast nur Widerwärtigkeiten erfahren.
Sie
werden es mir erlassen, Ihnen all das schmutzige Treiben von Leuten, die sich
Professoren nennen, wiederholt zu schildern. Ich habe mich bis jetzt im
wesentlichen auf meine Vertheidigung beschränkt und zwar deshalb, weil bei den
Schurkereien Leute im Vordergrunde standen, von denen ich wußte, daß nicht
eigentlich Schlechtigkeit die Leiterin ihrer Handlungen war, daß sie vielmehr
vermöge ihrer außerordentlichen Beschränktheit nur als Werkzeuge eines wahrhaft
schlechten Individuums mißbraucht wurden, das ich gar wohl kannte, dem ich aber
nicht beizukommen vermochte.
Die Entscheidungen des Ministeriums über
meine Beschwerden würden wohl geeignet gewesen sein, sonst ehrenhafte und nur
aus Unüberlegtheit oder Leidenschaft verirrte Leute zur Vernunft zu bringen,
namentlich wenn diese Entscheidungen unverstümmelt zur Kenntnis des
Professorencollegiums gekommen wären; bei diesen Leuten haben sie ihren Zweck
verfehlt, denn während Willkühr, Perfidie und Demoralisation ungehindert ihren
Fortgang nehmen, unterschlägt man, was nicht in den Kram paßt, setzt gemessenen
Befehlen des Ministeriums einfach passiven Widerstand entgegen, ja die
Gemeinheit geht soweit, daß man selbst einen Laboratoriumsdiener zu chicaniren
anfängt.
Ich habe Ihnen schon einmal erklärt, daß ich mich mit den Leuten
nicht mehr herumstreiten werde. Meine Haut ist nicht dick genug, daß ich alldem
mit Gleichmuth zusehen könnte. Die beständige Aufregung macht mich zu jeder
ernsten Beschäftigung unfähig und so sehe ich denn meinen Untergang vor Augen,
wenn keine Änderung eintritt. Ich bin daher ganz entschlossen, entweder dem
Skandal mit einem Schlage ein Ende zu machen oder, sofern mir dies nicht
gelingen sollte, mir bei Zeiten eine neue Existenz zu gründen.
Um die obigen
Behauptungen und meinen Entschluß zu rechtfertigen, werden Sie mir erlauben,
einige Thatsachen anzuführen. Zu Ostern im vergangenen Jahre erhielt das
Professorencollegium vom Ministerium den Befehl, wegen einiger Herstellungen im
Laboratorium sofort eine Commission abzuhalten. Ich ersuchte Glowacki dreimal persönlich die
Commissionsglieder zusammenzurufen. Der Baubeamte erschien endlich, sonst
niemand. Ich hielt es nun für nöthig, auf meiner Huth zu sein und stellte mein
Ersuchen schriftlich an das Professorencollegium. In der letzten Sitzung im
vergangenen Semester kam die Sache wieder zur Sprache und ich erklärte mich
jederzeit zur Commission bereit. Es geschah nichts und ich reiste ab. Bald nach
Beginn dieses Semesters machte ich wieder eine Eingabe. Wacholz gab mir zur Antwort, an dem
Nichtzustandekommen der Commission sei ich allein schuld, weil ich Tag und
Stunde der Commission nicht angegeben habe. Dazu hatte ich keine Veranlassung,
denn erstens war das nicht meine Sache, zweitens hat man mich nicht aufgefordert
und drittens konnte ich es nicht, weil ich nicht wußte, wer der Commission
beigezogen werden würde. Ich schrieb dies Wacholz und erklärte mich wiederholt jederzeit bereit und
ersuchte ihn, mir nur etwas früher mitzutheilen, wenn die Commission kommen
würde. Wacholz gab mir keine Antwort.
Endlich schrieb ich ihm noch einen Brief und drohte ihm mit der Anzeige. Darauf
kam die Commission endlich am 7. December zu Stande, aber in einer Form, welche
uns nicht erlaubt, einen Antrag Namens der Commission zu stellen, weil das
Professorencollegium als solches nicht vertreten war. Wacholz wird freilich sagen, auch daran sei
ich schuld, denn ich hatte ihm bloß jene Leute namhaft gemacht, deren Interessen
durch meine Anträge berührt wurden. War es an mir, den oder die Vertreter des
Professorencollegiums zu bestimmen?
Ich hatte längst beantragt, daß man mir
zu Arbeiten, bei welchen Feuersgefahr oder Gefahr für die Gesundheit zu fürchten
ist, ein unbenütztes und selbst unbenützbares Plätzchen im botanischen Garten
einräumen möge. Das Ministerium stellte die dagegen erhobenen Bedenken und
Schwierigkeiten als unbegründet dar, wie ich seinerzeit in
Wien erfahren habe. Hätte ich dies nicht in
Wien gehört, so würde ich niemals davon Kenntnis
erhalten haben, denn die Stelle war in der mir zugestellten Abschrift des
Ministerialerlasses gänzlich unterdrückt. Dafür beeilte man sich, ganz ohne
Rücksicht auf meine schwebenden Ansprüche, das Plätzchen mit Steinen zu
verbarrikadiren, angeblich um Algenpflanzen dahinzusetzen, da doch neben Raum
genug dazu vorhanden ist. Ich ließ mich dadurch nicht stören und stellte in der
Commission den Antrag von neuem. Obschon nur Lobarzewcki gar keinen vernünftigen Grund angeben konnte,
erklärte er doch, den Platz nicht abtreten zu können. Auf unsere Vorstellung,
daß er doch einen Grund angeben müsse, versprach Lobarzewcki, er werde binnen wenigen
Tagen seine Äußerung schriftlich abgeben. Nur ist seither mehr als ein Monat
verstrichen und trotz zweimaligen Mahnens konnte ich die versprochene Äußerung
nicht bekommen.
Ein Pharmaceut wird für meine Vorlesungen ordnungsmäßig
inscribirt. Nachdem er den größten Theil des Semesters hindurch meinen
Unterricht genossen, läßt ihn der Decan Glowacki gegen meinen Protest eigenmächtig löschen. Ich
beschwere mich darüber und trete meine Forderung zu Gunsten der
Laboratoriumsdotation ab. Das Professorencollegium fragt sich beim Ministerium an, ob
ein Pharmaceut des 1. Jahrganges auch Chemie hören dürfe. Das Ministerium
entscheidet im Sinne meiner Forderung. Ich frage mich nun amtlich an, ob die
Quästur den Auftrag erhalten habe, das rückständige Collegiengeld zu Gunsten der
Laboratoriumsdotation einzuheben und Wacholz erwiedert mir, es sei dazu keine amtliche Veranlassung
vorhanden. Das Ministerium ertheilt dem Professorencollegium für dieses Gebahren
einen Verweis. Das Professorencollegium erfährt aber keine Silbe davon. Ein
Mitglied des Professorencollegiums (nicht ich) verlangt in der Sitzung Einsicht
in das betreffende Actenstück und Wacholz weist ihm ein mit der Unterschrift des Wacholz versehenes Papier vor, indem er
behauptet, nichts anderes bekommen zu haben. Ich verlange amtlich Einsicht in
die Originale von 2 meine Lehrkanzel betreffenden Actenstücken. Wacholz giebt keine Antwort. Nach einiger
Zeit schicke ich den Diener zu ihm und lasse fragen, ob ich vielleicht die
Actenstücke beheben könne. Wacholz läßt
mir sagen, er werde sie nicht herausgeben. Ich ersuche nur um eine Erledigung
meiner Eingabe. Mehrere Collegen verlangen in der Sitzung, daß mir W[acholz] Antwort gebe. Wacholz erklärt, er sei Vorstand des
Professorencollegiums, er werde sich nichts vorschreiben lassen und werde meine
amtliche Eingabe nicht beantworten; wenn ich etwas wünschte, so hätte ich mich
persönlich an ihn zu wenden. Wozu brauchen wir noch ein Professorencollegium,
wozu Sitzungen? Wir sind ja unmündige Schulknaben!
Mein Laboratoriumsdiener
überreicht ungefähr am 10. December vorigen Jahres beim Decanate nach 2 Jahren
wieder ein Gesuch an die Statthalterei um eine Unterstützung, wie solche den
Dienern der Universität und sonstigen Amtsdienern alljährlich bewilligt wird. Da
ich mit dem Manne außerordentlich zufrieden bin und die Dürftigkeit eines
Menschen, der eine Frau und 2 Kinder zu ernähren hat mit einem Gehalte von 250
fl, wohl außer Zweifel ist, versprach ich ihm natürlich, daß ich sein Gesuch
nach Kräften unterstützen werde. Ich warte längere Zeit, bekomme aber das Gesuch
nicht zu Gesichte. Endlich erkundigt sich der Diener in der Decanatskanzlei nach
dem Schicksal seines Gesuches. Der Schreiber theilt ihm mit, Wacholz hätte gesagt, das Gesuch werde nicht
mir, sondern Lipinski zum Referat
gegeben werden. Es konnte nur damit bloß beabsichtigt sein, mich um meine
Autorität dem Diener gegenüber zu bringen; aus dem Umstande jedoch, daß das
Gesuch bis heute, das ist nach mehr als einem Monat, an die Statthalterei nicht
abgegangen ist, schließe ich, daß man den Haß gegen mich auch
auf meinen ganz unschuldigen Diener überträgt und ihn um die Unterstützung
bringen will. Da nämlich die Zeit um Neujahr es ist, wo die Diener mit
Unterstützungen bedacht zu werden pflegen, so dürften die dazu bewilligten
Gelder vertheilt werden und der arme Mensch wird dabei wohl leer ausgehen. Diese
unsägliche Gemeinheit war es vorzüglich, welche diesen Brief
veranlaßte.
Schließlich kann ich nicht unerwähnt lassen, wie es in der
Universitätskanzlei zugeht. Abgesehen davon, daß die Geschäfte mit einer
beispiellosen Nachlässigkeit geführt werden, daß die Statthalterei jeden Bericht
usw. mit Geboten und Schrauben herauspressen muß und dadurch Anlaß zu Reibungen
und Einmischungen gegeben wird, daß um nur ein Beispiel anzuführen, der
Lectionscatalog in diesem Semester zum ersten Male seit 5 Semestern bald nach Beginn des Studienjahres gedruckt wurde, sonst aber
immer wenigstens erst in der Mitte, einmal sogar erst am Schluß des betreffenden Semesters, benützt der provisorische Sekretär
und Quästor die Kanzlei als Werbebureau für seinen Compagnon Wacholz. Fragen Sie gefälligst den Sohn des Reichsrathes Herrn von Plener. Der
kam in die Quästur und wollte die Vorlesungen von Meys [Muys] belegen. Der Quästor aber wollte ihn
durchaus bestimmen, bei Wacholz zu
hören. Wenn man das nur bei einem so unabhängigen Menschen versucht, wie es der
junge Plener ist, so kann man sich
leicht denken, wie oft das mit Erfolg an dummen Jungen prakticirt wird, die
nicht aus der Schule schwätzen. Ja die Herrn Professoren selbst verschmähen es
nicht, die Studenten gegen uns aufzuwiegeln. So kam neulich ein Schüler von mir
mit Lipinski zusammen. Als L[ipinski] hörte, daß es ein Schüler von
mir sei, fieng er ohne Veranlassung an, mich hinunter zu machen. Er kam aber an
den unrechten; denn der junge Mann sagte L[ipinski] ordentlich die Wahrheit, so daß Letzterer etwas
verlegen weggieng.
So geht es hier zu, so mit Variationen, nur in etwas
geringerem Maße, an den übrigen österreichischen Universitäten und so muß es
kommen, wenn Leute als Universitätslehrer angestellt werden, die ihren Beruf
hierzu durch gar nichts dargethan haben, es wäre denn, man wollte eine Reihe von
Jahren, am Lyceum oder Gymnasium zugebracht, als einen Beweis der Befähigung
ansehen. Wer bereitet dem Ministerium mehr Verlegenheiten als gerade diese Leute, welche
der Herzensgüte des Herrn
Ministers ihre Stelle zu verdanken haben? Wer giebt den Feinden
des Thunschen Programms die Waffen in die Hände und wer wird ihm noch das
bißchen Boden entziehen? Gerade diese Leute. Unfähig sich mit der Wissenschaft
zu beschäftigen, kümmert sich ein Theil um gar nichts, und das ist der bessere
Theil; ein anderer wieder fühlt den Beruf in sich, eine Rolle zu spielen und
beschäftiget sich damit, ihm wissenschaftlich überlegene Leute mit Intriguen zu
chikaniren. Um solche Helden scheret sich willig ein Häuflein von Schwachköpfen,
denen eine Gelegenheit stets willkommen ist, andere, namentlich Ausländer, die
sie besonders hassen, einen Beweis ihrer Existenz geben zu können. Leider
bevölkern solche Leute die österreichischen Universitäten dermaßen, daß sie fast
überall die Majorität bilden und die akademischen Würden fortlaufend unter sich
theilen. Die Folge ist, daß sich Rectoren und Decans um alles, nur um das nicht
kümmern, um das sie sich kümmern sollten. Ihre Leblosigkeit stellt die
Universitäten fortwährend bloß und die wahren Rectoren und Decans das sind die
Pedelle, Schreiber und Hausknechte. Wehe dem, der sich untersteht, solch einem
frechen Schuft einmal auf die Finger zu klopfen! Der Schreiber concipirt den
Verweis dafür gleich selber; um die Billigung durch den Senat darf er nicht
bange sein. Das Unterrichtssystem, wenn man es so nennen darf, vor 1848 steht in
so schroffen Gegensatze zum Programm des Ministers Thun, daß ich mich nur wundere, wie man
hoffen konnte, mit den alten Leuten das neue System durchzusetzen. Was sollen
die schönsten Ideen und die besten Gesetze, wenn man sie Leuten in die Hände
giebt, die sie nicht verstehen und nur zu mißbrauchen wissen? So ist denn auch
nach 10 Jahren fast nur noch der Schein übrig und der hängt
an der Persönlichkeit des Grafen
Thun. Was sollen noch all die Abrichtungsanstalten, die man in
Österreich Akademien nennt, wie
Rechtsakademien etc.? Hier fragt es sich, braucht der Staat willenlose Werkzeuge
oder braucht er Männer? Bedarf er letzterer nicht, so löse man die Universitäten
immer auf und verwendet sie wie Einpaukanstalten, man wird gar treffliche
Staatshandwerker oder besser noch Fabriksarbeiter erziehen. Dann stehen wir aber
auch mitten im alten System und das vielgepriesene „Neuösterreich“ ist eine
leere Phrase. Der größte Schatz, den Deutschland besitzt,
sind seine Universitäten und der Himmel bewahre uns vor einer zu großen
Einigkeit, denn dann können wir sicher sein, daß sie und mit ihnen die
Wissenschaft geknebelt werden.
Ich habe mich jetzt durch 2 Jahre abgemüht,
aus meiner Lehrkanzel eine Universitätskanzel zu machen. Das Ministerium hat in
liberalster Weise und nach Möglichkeit meinen Wünschen zu entsprechen gesucht.
Dennoch muß ich Ihnen zu meinem Leidwesen mittheilen, daß ich binnen 4 Wochen
mein Entlassungsgesuch einreiche, wenn ich bis dahin nicht die Zusicherung habe,
daß sich unsere Facultätsverhältnisse wenigstens so weit ändern, daß ich vor
gemeinen Schurkereien und Beleidigungen geschützt bin. Die Gewähr dafür aber
sehe ich nur in der Entfernung von Wacholz und seines Compagnons des provisorischen Quästors
Kozma. Jedes andere Mittel ist
fruchtlos. Der erstere ist ein ungebildeter, leidenschaftlicher und
heuchlerischer Intrigant von Profession, der hier seit vielen Jahren sein
Unwesen treibt und im Vertrauen auf den Langmuth des Ministeriums immer frecher
wird. Der zweite ist eine elende Schreiberseele, wie man sie zu Duzenten in der
hiesigen corrumpirten Beamtenwelt findet. Ich wünsche gewiß niemanden Böses –
die beiden haben es aber hundertmal verdient, fortgeschickt zu werden. Ich würde
mich sehr gerne darauf beschränken, sie mit meiner Verachtung zu strafen, wenn
man es dabei nur aushalten könnte. Wird Wacholz entfernt, so wirkt das wie ein Donnerschlag auf die
übrigen und Sie sollen sehen, wie die feigen Schufte Ruhe geben werden.
Wenn
ich Sie zu einer Entscheidung dränge, so müssen Sie mir das verzeihen, denn ich
habe keine Zeit mehr zu verlieren. Muß ich unter diesen Verhältnissen Lemberg verlassen, so muß ich auch
Österreich verlassen. Bei der
Schwierigkeit als Österreicher in Deutschland anzukommen, muß
ich wenigstens bis zum Herbste Zeit haben, um mich umzusehen und die
Vorbereitungen zu meiner Habilitation zu treffen.
Sie können sich leicht
denken, daß es mir schwer fällt, meine Aussichten in Österreich zu opfern; aber auch abgesehen davon würde ich sehr
ungern weggehen, weil ich Zeit, Mühe und Ärger, die mich die Instandsetzung des
Laboratoriums gekostet hat, ungern verloren geben möchte, weil meine Anstalt
wirklich eine sehr schöne Zukunft vor sich hat und mir meine Schüler in der
nächsten Zeit schon große Ehre machen werden. Dennoch mag geschehen was da
geschehen will; – Mühe und Plage wird mich weniger herunter bringen als der
ohnmächtige Zorn in Lemberg.
Schließlich erlaube ich
mir Ihnen mitzutheilen, daß ich vor etwa 2 Monaten mein Gesuch um Bestätigung
und Ernennung zum ordentlichen Professor eingereicht habe. Haben Sie es wohl
bekommen? Daß mich zu diesem Schritte nicht die Aussicht auf eine Mehreinnahme
von 200 fl veranlaßte, mögen Sie mir glauben. Habe ich bis jetzt zugesetzt, so
wird es mich ein paar Jahre länger nicht unglücklich machen. Ich fand ihn nöthig
im Interesse meiner Lehrkanzel und gar nicht wegen meinen Studenten, denn die
sind schon viel zu vernünftig, sondern wegen meinen Collegen und den
Beamten.
In civilisirten Ländern kann der Privatdocent die erste Stelle in
der Gesellschaft und der ordentliche Professor, wenn er zehnmal Hofrath heißt,
die letzte einnehmen, wenn er nichts leistet. Hier und namentlich in meiner
Stellung hängt gar viel von Äußerlichkeiten ab. Sollten Sie geneigt sein, dies
für eine leere Phrase zu halten, so werden Sie sich vom Gegentheil überzeugen,
wenn ich Ihnen die Äußerung von Wacholz
in einer Sitzung des Professorencollegiums mittheile, die Chemie sei nichts als
ein Handwerk; dafür brauche man an einer Universität keine Lehrkanzel und dgl.
Ich hoffe daher zuversichtlich die Gewährung dieser billigen Bitte,
vorausgesetzt natürlich, daß mich das Ministerium überhaupt
zu halten wünscht.
Theilen Sie, ich bitte Sie, Herr Ministerialrath darum,
den wesentlichen Inhalt dieses Briefes Seiner Excellenz dem Herrn Minister mit und benachrichtigen Sie
mich, was Sie zu thun gedenken. Es genügen mir wenige Zeilen. Wie sich die Dinge
auch gestalten mögen, so wollen Sie die Versicherung hinnehmen, daß sich mit
wahrer Dankbarkeit und Hochachtung Ihrer stets erinnern wird
Euer Hochwohlgeboren
ergebenster
Prof. Leopold Pebal
Lemberg, am 16. Januar 1860