Der Jurist Johann Friedrich Schulte übermittelt dem Minister den ersten Band seines jüngsten Werks und bittet ihn, einige eigens bezeichnete Abschnitte zu lesen. Schulte hofft, das Kirchenrecht damit auf dieselbe Ebene wie andere rechtswissenschaftliche Disziplinen gehoben und damit auch Anerkennung für diese Disziplin gewonnen zu haben. Er ist zwar überzeugt, dass er sich mit dem Werk nicht nur Freunde machen wird, aber für die Sache Gottes und des Kaisers will er sich bereitwillig opfern. Anschließend bittet er den Minister um Verständnis dafür, dass er den besprochenen Vorschlag für die Einrichtung eines juridischen Seminars vorerst nicht einreichen werde, da er zunächst die Ergebnisse der Staatsprüfungen abwarten möchte und sich außerdem mit seinen Kollegen besprechen will. Schließlich informiert Schulte den Minister in einigen Personalfragen. Zunächst erbittet er für seinen Schüler Cychař ein Reisestipendium. Schulte legt dem Brief außerdem ein Schreiben des Privatdozenten Gottfried Muys bei. Dieser wäre bereit, eine Stelle an einer österreichischen Universität anzunehmen.
Hochgeborner Herr Graf!
Besonders Hochzuverehrender Herr
Cultusminister!
Euer Excellenz
nehme ich mir die Freiheit, anbei ein Exemplar meines so eben erschienenen
„Systemes des allgemeinen katholischen Kirchenrechts“ ganz ergebenst mit dem
Bemerken zu überreichen, daß die 2. Abtheilung spätestens bis 15. Juli wird im
Drucke vollendet sein, und ich mir alsdann erlauben werde, da beide nur einen
starken Band bilden, das Ganze in schönerer Form Hochdemselben vorzulegen. Euer
Excellenz würden mich glücklich machen, wenn Dieselben – falls Dero Zeit das
gestattet – die Vorrede, Einleitung von S. 79 an, den II. Abschnitt von S. 430
an, lesen möchten. Ich glaube mir schmeicheln zu dürfen, mich unermüdet bestrebt
zu haben, das Kirchenrecht als Wissenschaft jeder der übrigen
Rechtsdisciplinen ebenbürtig gemacht zu haben; dasjenige Verhältnis zwischen
Kirche und Staat aufgestellt zu haben, welches wohl allein fähig ist, einen
wahren Frieden, nicht eine scheinbare Ruhe, herzustellen. Mein innigster Wunsch
geht nur dahin: daß man diese meine Berufswissenschaft wirklich als Wissenschaft
betreibe, juristisch behandele, daß auch ich in weiteren Kreisen wirke; daß ich
vielleicht Manchem nicht nach seinem Kopfe rede, glaube ich gerne, zumal wo es
sich darum handelt, offen anzuerkennen, daß wir jetzt nicht mehr in der Zeit vor
800 Jahren stehen, daß auch der Staat seine Rechte hat. Ich
hoffe aber fest, daß das innere Bewußtsein: für Gottes und des
Kaisers Rechte zu streiten, auch jeden Angriff leicht ertragen lassen
wird, ich bin überzeugt, daß Euer Excellenz meine Objectivität anerkennen
werden.
Ich würde den besprochenen Vorschlag für ein juristisches Seminar
schon jetzt einreichen, bitte aber Euer Excellenz aus zwei Gründen damit bis
nach den Herbstferien anstehen zu wollen. Einmal möchte ich nämlich mich erst
persönlich überzeugen in der rechtshistorischen
Staatsprüfung, welche Richtung bei den Studierenden die allgemeinere ist, bis
wohin die Kenntnisse der Mehrzahl gehen; sodann komme ich im Herbste mit mehren
ausländischen Professoren von Bedeutung zusammen, mit welchen ich mich noch
bereden möchte. Die Sache kann, da es augenblicklich nicht drängt, hierdurch nur
sehr gewinnen.
Der Candidat Cychař, von
dem Euer Excellenz bei Hochdero Hiersein gesprochen wurde, hat bereits (vom 5.
November 1855 anfangend) drei Rigorosen (aus den Gegenständen des 2., 3., 4.)
cum applausu zurückgelegt und wird das 4. mit Dispens im
Juli machen, gleich nach den Ferien promoviren und nach Berlin gehen, um sich für die
Habilitation vorzubereiten. Nach der mündlichen gnädigen Bemerkung Euer
Excellenz werde ich ein Gesuch desselben um ein Reisestipendium Hochdemselben
einzuschicken mir unterthänigst erlauben.
Gestatten Hochdieselben gnädigst,
daß ich anliegendes Schreiben1 des Dr. phil.
Muys, Privatdozent der Geschichte in Bonn, an mich nebst dessen Beilagen Euer
Excellenz überreiche. Nach Allem, was ich von Dr.
Muys, besonders von Dr.
Pauly, gehört habe, ist derselbe in jeder Beziehung ein
vortrefflicher junger Mann, charactervoll, sittenrein, durchaus gut gesinnt in
politischer Beziehung, durch und durch religiös, von ungeheurem sprachlichem und
historischem Wissen. Über seine Leistungen will ich mir kein Urtheil erlauben.
Bei dieser Sachlage bin ich so frei, Euer Excellenz diese Mittheilungen und
Vorlagen zu machen, falls Hochdieselben dessen Acquisition irgendwie für
zweckmäßig erachten sollten. Nach den mündlichen Mittheilungen von Dr. Pauly ist derselbe in guten
Vermögensverhältnissen, würde aber auf eine größere Universität als
Extraordinar, auf eine kleinere als Ordinarius mit einer das gewöhnliche Ausmaaß
nicht überschreitenden Besoldung gehen; die Aussichten desselben in Preußen sind um so bessere, als man demselben
durchaus wohl will. Nehmen Euer Excellenz diese Notizen gnädigst als den Wunsch
hin, Hochderselben nach Kräften zu dienen.
Geruhen Euer Excellenz
entgegenzunehmen die Versicherung der größten Hochachtung und Verehrung, mit
denen zeichnet
Hochgeborner Herr Wirklicher Geheimer Rath und
Staatsminister
Euer Excellenz
gehorsamster Diener
Dr. Schulte
Prag, den 2. Juni 1856