Johann Friedrich Schulte an Leo Thun
Prag, 7. Oktober 1854
|

Regest

Der Jurist Johann Friedrich Schulte bedauert, dass er nicht schon vor seinem Amtsantritt an der Universität Prag bei Minister Thun vorstellig werden konnte. Er möchte dies in den Weihnachtsferien nachholen und den Minister in Wien besuchen. Seine Antrittsvorlesung hat er bereits gehalten, demnächst wird er sie dem Minister im Druck vorlegen können. Das Thema des Vortrages war der positive Einfluss des Kirchenrechts auf die Gestaltung des menschlichen Zusammenlebens.
Schulte wünscht dem Projekt zur Etablierung einer Waffenbruderschaft zum Schutz des Papstes viel Erfolg. Er glaubt, dass dies für die Sicherheit Italiens von großem Wert sein werde. Die Angelegenheit sollte aber vorerst besonders gegenüber Preußen geheim gehalten werden. Dort sei man nämlich feindlich gegenüber der katholischen Kirche gesinnt. Schulte bietet sich schließlich noch an, Thun über die Vorgänge im preußischem Kultusministerium zu informieren.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Hochgeborner Herr Graf!
Hochzuverehrender Herr Wirklicher Geheimrath und Staatsminister!

Der Wunsch Euer Excellenz mich vor dem Antritte meiner Lehrthätigkeit vorzustellen, um von Hochderselben noch etwaige gnädige Andeutungen zu empfangen, konnte leider wegen Kürze der Zeit nicht erfüllt werden, weshalb Euer Excellenz ich um gnädige Nachsicht und zugleich die Erlaubniß bitte, Weihnachten, wo zu einer Reise nach Wien auf 2 bis 3 Tage Zeit sein wird, Hochderselben mich vorstellen zu dürfen.
Euer Excellenz zeige ich ergebenst an, daß ich meine Antrittsvorlesung bereits gehalten habe. Die Rede selbst, „Ueber die historische und juristische Bedeutung der Wissenschaft des Kirchenrechtes“, zeigend, wie die Kirche nur durch ihr Recht die sociale, staatliche, internationale und rein rechtliche Gestalt der Welt neugeschaffen, welche hohe Bedeutung deren Recht auch jetzt noch habe, hoffe ich im Laufe des Semesters ausarbeiten, da frei vorgetragen, auch Euer Excellenz gedruckt vorlegen zu können.
Möge die von Euer Excellenz für das Project der Waffenbruderschaft bereits gewährte und noch verheißene gnädige Bemühung dies für die Sicherheit Italiens vielleicht sehr fruchttragende Institut zur Entstehung bringen. Ich beanstande, den Herrn Cardinal noch vor seiner Abreise von dem Schreiben des Herrn Bischofs von Münster zu unterrichten, weil Seine Eminenz gewiß zu sehr beschäftigt ist. Verzeihen Euer Excellenz gnädigst die Bemerkung, daß nach meinem Dafürhalten von der Sache in Berlin nichts verlauten dürfe. Ich schließe dies besonders daraus, daß man in Berlin jetzt gegen die Katholiken ein neues Netz spinnt, dagegen omni modo die Protestanten zu kräftigen sucht. Wenn Euer Excellenz wünschen und gnädigst erlauben, werde ich Hochderselben hierüber Mittheilungen machen, die aus dem Cultusministerium selbst kommen, deren Mittheilung an Hochdieselben mir aber freisteht. Auch dürfte es vielleicht Euer Excellenz interessant sein, den näheren Modus zu kennen, wie in Preussen jetzt die Patronats- und Bestätigungsverhältnisse geordnet sind, welcher auch noch geheim ist.
Verzeihen Euer Excellenz gnädigst meine Freiheit und genehmigen die Versicherung unbegrenzter Hochachtung, Verehrung und Dankbarkeit, mit der verharrt,

Hochgeborner Herr Graf!
Hochzuverehrender Herr Wirklicher Geheimer Rath und Staatsminister!
Euer Excellenz gehorsamster Diener
Dr. J. F. Schulte

Prag, den 7. October 1854