Der Jurist Ernst von Moy de Sons nennt – von Leo Thun aufgefordert – mehrere Kandidaten für die Professur der Allgemeinen Geschichte an der Universität Innsbruck. Insbesondere empfiehlt er den Orientalisten Gottfried Muys sowie die beiden Historiker von der Bonner Universität Joseph Aschbach und Julius Ficker. Er empfiehlt aber auch drei junge Geistliche aus der näheren Umgebung, und zwar Johann Zwerger, Franz Bole und Joseph Wolf. Bei den beiden ersten Kandidaten stützt sich Moy auf das Urteil von Joseph Fessler, den er für sehr zuverlässig hält. Er nennt als vierten Kandidaten den Görres-Schüler Michael Strodl, den er jedoch auf Grund seines hitzigen Wesens nicht uneingeschränkt empfehlen könne. Sollte die Wahl nicht auf Muys fallen, so würde Moy einem der Geistlichen den Vorzug geben. Schließlich spricht Moy neuerlich den schlechten Zustand der Innsbrucker Universitätsbibliothek an. Er glaubt, dass die dürftig ausgestattete Bibliothek ein wesentliches Hindernis sei, die wissenschaftliche Qualität an der Universität Innsbruck zu steigern, und hofft auf eine Verbesserung in naher Zukunft.
Mit eigenhändigen Anmerkungen Thuns.
Verweis auf A3 XXI D162.
Euer Exzellenz
haben mich vor einiger Zeit durch Herrn von Heufler auffordern lassen, für die Professur der
Geschichte an hiesiger
Universität einen Vorschlag zu machen. So sehr ich das mir dadurch
bewiesene Vertrauen zu schätzen weiß, eben so sehr fühle ich die Schwierigkeit,
demselben würdig zu entsprechen. Ich habe daher erst von verschiedenen Seiten
Erkundigungen einziehen wollen, bevor ich es wagte, an Euer Exzellenz über
diesen Gegenstand zu schreiben. Mein erstes Augenmerk war natürlich dahin
gerichtet, ob es nicht möglich wäre, einen schon erprobten Historiker von
anerkanntem Rufe für unsere Hochschule zu gewinnen. Da bieten sich nun drei
Namen dar, die mehr oder minder unsere Anstalt zieren würden, das sind:
Professor Aschbach in Bonn, bekannt durch seine Geschichte der
Westgothen, der Grafen von Wertheim, des Kaisers Sigismund etc.; dann
Privatdocent Dr. Ficker in Bonn, der über Erzbischof Reinhold von
Köln, Kaiser Heinrich VI., die Münstersche Chronik geschrieben hat und schon für
Gratz im Vorschlag gewesen seyn
soll; endlich Dr. Meis [sic!, richtig Muys]1, ein Freund Oscars von
Redwitz, Verfasser einer Preisschrift über altassyrische
Geschichte, die ebenso viel Talent als Gelehrsamkeit, besonders auch in den
orientalischen Sprachen beurkundet. Dr.
Meis dürfte an Gabe geistreicher Auffassung die beiden
Vorgenannten übertreffen, die sich mehr als fleißige Sammler empfehlen, und
daher den Vorzug verdienen. Er befindet sich, so viel ich gehört, gegenwärtig in
Wien bei Baron
Redwitz, und Euer Exzellenz können sich daher leicht selbst
überzeugen, ob er für den fraglichen Posten passend und zu gewinnen
wäre.
Sollte eine derlei Acquisition für Innsbruck nicht zu realisiren seyn,
so müßte ein Talent im Lande gesucht und herangebildet werden. In diesem Falle
dürften folgende drei Individuen der Aufmerksamkeit Eurer Exzellenz besonders zu
empfehlen seyn:
1) N. Zwerger, ein
junger Priester der Trientiner Diöcese, der
jetzt in Trient das 4. Jahr Theologie studirt und in
Brixen, wo er früher 2 Jahre zubrachte, schöne
Elaborate über Kirchengeschichte geliefert hat. Er empfiehlt sich durch einen
ruhigen, besonnenen Charakter, Zuverlässigkeit und eine verständige, echt
katholische Auffassung.
2) Professor
Bole in Feldkirch, geweiht 1848, als
Geschichtslehrer approbirt 1851, von dem Professor Feßler in Brixen mir schreibt,
daß sein Talent zwar bedeutend sey, er (Feßler) aber in ihn nicht so viel Zutrauen wie in Zwerger setzen würde. Ich halte Feßlers Urtheil für verlässig, sowohl seines
Verstandes als seiner Redlichkeit und kirchlichen Gesinnung wegen.
3)
Joseph Wolf, jetzt Kaplan,
vielmehr Pfarrvicar in Löffingen im
Schwarzwald, von unserem Fürstbischof
dahin abgegeben auf Ersuchen des Erzbischofs von
Freiburg, Verfasser der Artikel über Josephinismus, ein junger
Mann, der einen regen Forschungstrieb mit einem glücklichen Darstellungstalent
und vortrefflicher Gesinnung verbindet, aber ein etwas schroffes und hitziges
Wesen hat, das ihm unter dem Klerus viele Gegner bereitet.
Außer den
Genannten hat sich mir noch einer dargeboten, der durch Talent, Kenntnisse und
kirchliche Gesinnung Empfehlung verdient. Dr.
Strodl aus Mittenwald in
Bayern, Priester, ein eifriger Schüler von Görres; allein ich nehme Anstand ihn zu
empfehlen, weil er durch sein krankhaft hitziges Wesen oft in seinen Ausdrücken
über die Schranken der Mäßigung und selbst des Anstands hinausgerissen wird.
Übrigens compromittire ich in dieser Beziehung auch das Urtheil meines Freundes
Phillips. Sollte auf einen
jüngeren Mann die Wahl fallen und nicht Dr.
Meis genommen werden können, so schiene mir Herr Zwerger den Vorzug zu verdienen, obwohl ich
dem talentvollen Wolf eine
Verwendung im Lehrfache wohl wünschen möchte. Zwerger könnte vorläufig als Supplent gebraucht werden.
Das
Schlimme bei der Ergreifung eines solchen Auskunftsmittels ist aber, daß einem
jungen Historiker außer den Quellen der Landesgeschichte hier gar keine
Hilfsmittel zur Ausbildung in seinem Fache zu Gebote stehen. Hiemit komme ich
auf meine alte Klage über die hiesige sogenannte Bibliothek zurück. So lange
diese in ihrem dermaligen Zustande verbleibt, ist aus Innsbruck eine wissenschaftliche
Anstalt zu machen rein unmöglich. Es ist dieses unläugbar sehr niederschlagend,
zumal wenn man nicht reich genug ist, um sich selber zu helfen. Selbst für die
Ausarbeitung meiner Rechtsphilosophie finde ich hier so gut wie gar kein
Material und werde mir wohl auch einmal einen Urlaub nach München erbitten müssen, ohne übrigens wie
Phillips meinen Gehalt daran
geben zu können. Umso mehr werden es, hoffe ich, Euer Exzellenz entschuldigen,
daß ich mich nicht entschließen kann, neben Schuler und Schennach
[sic!] als dritter Docent der Rechtsphilosophie aufzutreten.
Es ist übrigens
schade, daß es hier an den wissenschaftlichen Hilfsmitteln so sehr gebricht;
denn größere Empfänglichkeit habe ich bei der Jugend noch nirgend
gefunden.
Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck der tiefsten Verehrung,
womit ich verharre
Hochdero
unterthänigster Diener
Moy
Innsbruck, 1. Februar 1852
<Geschichte:
Ficker
, die Abhandlung über Erzbischof
Reinhold ist nach Phillipps [sic!]
Urtheil wirklich ausgezeichnet.
Dr. Meis
, erst 22 Jahre alt, nach Ph[illips] Äußerung, der ihn hier
kennenzulernen Gelegenheit hatte, allerdings ungewöhnlich unterrichtet, hat aber
eine außerordentliche Meinung von sich und ist ein unumgänglicher Mensch. Muß
sich jedenfalls erst auswachsen.
Dr. Strodl
, Ph[illips] könnte zu ihm nicht rathen, ebenso wenig zu den
Tyrolern, die ohne alle Schule sind.
dazu
Hennes
,
Gymnasiallehrer in Mainz>2