Ernst Moy de Sons an Leo Thun
Innsbruck, 1. Februar 1852
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Regest

Der Jurist Ernst von Moy de Sons nennt – von Leo Thun aufgefordert – mehrere Kandidaten für die Professur der Allgemeinen Geschichte an der Universität Innsbruck. Insbesondere empfiehlt er den Orientalisten Gottfried Muys sowie die beiden Historiker von der Bonner Universität Joseph Aschbach und Julius Ficker. Er empfiehlt aber auch drei junge Geistliche aus der näheren Umgebung, und zwar Johann Zwerger, Franz Bole und Joseph Wolf. Bei den beiden ersten Kandidaten stützt sich Moy auf das Urteil von Joseph Fessler, den er für sehr zuverlässig hält. Er nennt als vierten Kandidaten den Görres-Schüler Michael Strodl, den er jedoch auf Grund seines hitzigen Wesens nicht uneingeschränkt empfehlen könne. Sollte die Wahl nicht auf Muys fallen, so würde Moy einem der Geistlichen den Vorzug geben. Schließlich spricht Moy neuerlich den schlechten Zustand der Innsbrucker Universitätsbibliothek an. Er glaubt, dass die dürftig ausgestattete Bibliothek ein wesentliches Hindernis sei, die wissenschaftliche Qualität an der Universität Innsbruck zu steigern, und hofft auf eine Verbesserung in naher Zukunft.

Anmerkungen zum Dokument

Mit eigenhändigen Anmerkungen Thuns.

Verweis auf A3 XXI D162.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DB1A-2

Schlagworte

Edierter Text

Euer Exzellenz

haben mich vor einiger Zeit durch Herrn von Heufler auffordern lassen, für die Professur der Geschichte an hiesiger Universität einen Vorschlag zu machen. So sehr ich das mir dadurch bewiesene Vertrauen zu schätzen weiß, eben so sehr fühle ich die Schwierigkeit, demselben würdig zu entsprechen. Ich habe daher erst von verschiedenen Seiten Erkundigungen einziehen wollen, bevor ich es wagte, an Euer Exzellenz über diesen Gegenstand zu schreiben. Mein erstes Augenmerk war natürlich dahin gerichtet, ob es nicht möglich wäre, einen schon erprobten Historiker von anerkanntem Rufe für unsere Hochschule zu gewinnen. Da bieten sich nun drei Namen dar, die mehr oder minder unsere Anstalt zieren würden, das sind: Professor Aschbach in Bonn, bekannt durch seine Geschichte der Westgothen, der Grafen von Wertheim, des Kaisers Sigismund etc.; dann Privatdocent Dr. Ficker in Bonn, der über Erzbischof Reinhold von Köln, Kaiser Heinrich VI., die Münstersche Chronik geschrieben hat und schon für Gratz im Vorschlag gewesen seyn soll; endlich Dr. Meis [sic!, richtig Muys]1, ein Freund Oscars von Redwitz, Verfasser einer Preisschrift über altassyrische Geschichte, die ebenso viel Talent als Gelehrsamkeit, besonders auch in den orientalischen Sprachen beurkundet. Dr. Meis dürfte an Gabe geistreicher Auffassung die beiden Vorgenannten übertreffen, die sich mehr als fleißige Sammler empfehlen, und daher den Vorzug verdienen. Er befindet sich, so viel ich gehört, gegenwärtig in Wien bei Baron Redwitz, und Euer Exzellenz können sich daher leicht selbst überzeugen, ob er für den fraglichen Posten passend und zu gewinnen wäre.
Sollte eine derlei Acquisition für Innsbruck nicht zu realisiren seyn, so müßte ein Talent im Lande gesucht und herangebildet werden. In diesem Falle dürften folgende drei Individuen der Aufmerksamkeit Eurer Exzellenz besonders zu empfehlen seyn:
1) N. Zwerger, ein junger Priester der Trientiner Diöcese, der jetzt in Trient das 4. Jahr Theologie studirt und in Brixen, wo er früher 2 Jahre zubrachte, schöne Elaborate über Kirchengeschichte geliefert hat. Er empfiehlt sich durch einen ruhigen, besonnenen Charakter, Zuverlässigkeit und eine verständige, echt katholische Auffassung.
2) Professor Bole in Feldkirch, geweiht 1848, als Geschichtslehrer approbirt 1851, von dem Professor Feßler in Brixen mir schreibt, daß sein Talent zwar bedeutend sey, er (Feßler) aber in ihn nicht so viel Zutrauen wie in Zwerger setzen würde. Ich halte Feßlers Urtheil für verlässig, sowohl seines Verstandes als seiner Redlichkeit und kirchlichen Gesinnung wegen.
3) Joseph Wolf, jetzt Kaplan, vielmehr Pfarrvicar in Löffingen im Schwarzwald, von unserem Fürstbischof dahin abgegeben auf Ersuchen des Erzbischofs von Freiburg, Verfasser der Artikel über Josephinismus, ein junger Mann, der einen regen Forschungstrieb mit einem glücklichen Darstellungstalent und vortrefflicher Gesinnung verbindet, aber ein etwas schroffes und hitziges Wesen hat, das ihm unter dem Klerus viele Gegner bereitet.
Außer den Genannten hat sich mir noch einer dargeboten, der durch Talent, Kenntnisse und kirchliche Gesinnung Empfehlung verdient. Dr. Strodl aus Mittenwald in Bayern, Priester, ein eifriger Schüler von Görres; allein ich nehme Anstand ihn zu empfehlen, weil er durch sein krankhaft hitziges Wesen oft in seinen Ausdrücken über die Schranken der Mäßigung und selbst des Anstands hinausgerissen wird. Übrigens compromittire ich in dieser Beziehung auch das Urtheil meines Freundes Phillips. Sollte auf einen jüngeren Mann die Wahl fallen und nicht Dr. Meis genommen werden können, so schiene mir Herr Zwerger den Vorzug zu verdienen, obwohl ich dem talentvollen Wolf eine Verwendung im Lehrfache wohl wünschen möchte. Zwerger könnte vorläufig als Supplent gebraucht werden.
Das Schlimme bei der Ergreifung eines solchen Auskunftsmittels ist aber, daß einem jungen Historiker außer den Quellen der Landesgeschichte hier gar keine Hilfsmittel zur Ausbildung in seinem Fache zu Gebote stehen. Hiemit komme ich auf meine alte Klage über die hiesige sogenannte Bibliothek zurück. So lange diese in ihrem dermaligen Zustande verbleibt, ist aus Innsbruck eine wissenschaftliche Anstalt zu machen rein unmöglich. Es ist dieses unläugbar sehr niederschlagend, zumal wenn man nicht reich genug ist, um sich selber zu helfen. Selbst für die Ausarbeitung meiner Rechtsphilosophie finde ich hier so gut wie gar kein Material und werde mir wohl auch einmal einen Urlaub nach München erbitten müssen, ohne übrigens wie Phillips meinen Gehalt daran geben zu können. Umso mehr werden es, hoffe ich, Euer Exzellenz entschuldigen, daß ich mich nicht entschließen kann, neben Schuler und Schennach [sic!] als dritter Docent der Rechtsphilosophie aufzutreten.
Es ist übrigens schade, daß es hier an den wissenschaftlichen Hilfsmitteln so sehr gebricht; denn größere Empfänglichkeit habe ich bei der Jugend noch nirgend gefunden.
Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck der tiefsten Verehrung, womit ich verharre

Hochdero

unterthänigster Diener
Moy

Innsbruck, 1. Februar 1852

<Geschichte:
Ficker , die Abhandlung über Erzbischof Reinhold ist nach Phillipps [sic!] Urtheil wirklich ausgezeichnet.
Dr. Meis , erst 22 Jahre alt, nach Ph[illips] Äußerung, der ihn hier kennenzulernen Gelegenheit hatte, allerdings ungewöhnlich unterrichtet, hat aber eine außerordentliche Meinung von sich und ist ein unumgänglicher Mensch. Muß sich jedenfalls erst auswachsen.
Dr. Strodl , Ph[illips] könnte zu ihm nicht rathen, ebenso wenig zu den Tyrolern, die ohne alle Schule sind.
dazu Hennes , Gymnasiallehrer in Mainz>2