Der Dichter und designierte Professor an der Universität Wien Oskar Redwitz bittet Leo Thun um die Erhöhung seines Gehaltes. Redwitz hatte sich zunächst mit dem ihm angebotenen Gehalt von 1.000 Gulden zufrieden gegeben, weil er davon ausgegangen sei, man hätte damit ein gutes Auskommen in Österreich. Nun, da er die Lebenserhaltungskosten in Wien durch eigene Erfahrung kennt, müsse er jedoch mindestens um eine Verdoppelung seines Gehaltes bitten, um für sich und seine Familie ausreichend sorgen zu können. Außerdem bittet Redwitz Thun um Auskunft, wie die Abgeltung seiner Umzugskosten gehandhabt werde. Redwitz teilt Thun zudem mit, dass er – anknüpfend an ein Gespräch mit Thun – Allgemeine Literaturgeschichte und Ästhetik zu seinen Nominalfächern wählen möchte.
Hochgeborner Herr Graf!
Da nach Euerer Excellenz gütiger Versicherung in den nächsten Tagen schon die
Einleitung zu meiner Ernennung getroffen werden dürfte, so wage ich es in
ehrerbietigster Offenherzigkeit, die Euer Hochgeboren gewiß im ächten
Verständnis liebreich aufnehmen, Euerer Excellenz noch einige Momente
vorzutragen, auf die ich im Eifer der Rede, als ich die Ehre hatte von Euerer
Excellenz huldvollst [empfangen] zu werden, vergessen hatte, und die ich nun
Euerer Excellenz auf diesem Wege, um nicht nochmals stören zu müssen,
ehrfurchtsvollst mitzutheilen mir erlaube. Als Höchst Ihr Herr Bruder in
Frankfurt mir die Berufung gütigst mittheilte, in
welcher tausend Gulden Conventionsmünze als Besoldung ausgesprochen waren, da
erklärte ich mich damals für den Anfang mit einverstanden, als ich die
Verhältnisse Wiens nach denen in Bayern beurtheilte, und theilte diese Erklärung Höchst Ihrem Herrn Bruder auch
schriftlich mit, wogegen jedoch Herr
Graf mir zu erwiedern die Liebe hatte: „Ich möge mir doch vorher
bezüglich der Besoldung das Leben in Wien
etwas ansehen.“ In der kurzen Zeit meines hiesigen Aufenthalts bin ich nun aber
zu der Überzeugung gekommen, daß das Leben in Wien gerade
noch einmal soviel pecuniäre Mittel erfordert als in Baiern, und sonach ohne Zweifel die mir ausgesprochene Besoldung
kaum die Hälfte ist von dem, wie ich sie in Frankfurt mir
berechnet hatte. Euere Excellenz werden mich daher gewiß nicht der Übertreibung
zeihen, wenn ich die Gewißheit auszusprechen mir ehrerbietigst erlaube, daß auch
bei Verdoppelung des mir anfangs ausgesprochenen Gehaltes noch immer bedeutende
Opfer nothwendig sind, um hier ein auch nur sehr anspruchsloses Leben bestreiten
zu können.
Was die Kosten meines Umzugs betrifft, so weiß ich nicht, ob ich
eine genaue Berechnung einsenden soll, oder ob es dem hohen Ministerium
angenehmer sein dürfte, mir hiefür ein Pauschale huldvollst auszusprechen.
Endlich glaube ich Euere Excellenz im Hinblick auf meine mit Höchst Ihnen
gepflogene Unterredung nicht zu beleidigen, wenn ich mir die eherbietigste
Andeutung zu machen erlaube, wie mir allgemeine Litteraturgeschichte und
Ästhetik als Nominalfächer die angenehmsten wären.
Und so kann ich denn
Euere Excellenz nur aus ganzem vertrauensvollem Herzen bitten, mir diese sehr
unpoetischen Erklärungen verzeihen und den Dichter mit dem angehenden
Familienvater liebreich entschuldigen zu wollen.
Ich war so glücklich, von
Höchst Ihrem Herrn Bruder
mit so hochwollender Liebe beschenkt zu werden und habe der freudigsten Hoffnung
durch treues und gewissenhaftes Wirken, dem der liebe Gott seinen reichsten
Segen geben möge, auch Euerer Excellenz liebreiche Huld erwerben zu
dürfen.
So verharre ich in aufrichtigster Ehrerbietung
Euerer Excellenz
ganz gehorsamster
Dr. Oskar Frhr. v. Redwitz
Wien, 22. Dez. 1851