Friedrich Wilhelm Reden an Leo Thun
o. O. [Wien], o. D. [28. November 1857] 1
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Regest

Der Statistiker Friedrich Wilhelm Reden übersendet Leo Thun – wie von diesem gewünscht – eine Zusammenstellung der Budgets und der Finanzierungsquellen einiger deutscher Universitäten. Reden sagt, dass die Kompilation der Daten anhand der vorhandenen statistischen Sammlungen grundsätzlich kein großes Problem darstellte. Allerdings hatte Thun eine Darstellung der Finanzierung analog zu Österreich verlangt, was vielfach eine Neuberechnung erforderlich machte. Reden betont daher, dass er zwar ernstlich versucht habe, eine möglichst genaue Anpassung vorzunehmen, er weist jedoch darauf hin, dass eine absolute Vergleichbarkeit nicht in allen Punkten möglich sei bzw. Tücken berge. Reden betont außerdem, dass die Ausgaben für die Universitäten in den letzten beiden Jahrzehnten in allen deutschen Ländern stark angestiegen seien, um dem Fortschritt der Wissenschaft gerecht zu werden. Er gibt daher zu Bedenken, dass ein Zögern in diesem wissenschaftlichen Wettkampf einen enormen Rückstand Österreichs zur Folge hätte.
Es folgt dann eine Zusammenstellung der Finanzierung der Universitäten in den Königreichen Preußen, Bayern, Württemberg und Hannover. Dabei geht er sowohl auf die Gesamtausgaben der jeweiligen Staaten für die Universitäten als auch auf die Ausgaben für die einzelnen Universitäten ein. Hierbei unterscheidet er zwischen öffentlichen und eigenen Mitteln der Universitäten. Teilweise weist er auch die Verwendung der Mittel an den Universitäten aus.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Euer Excellenz

haben eine Zusammenstellung der Dotationen deutscher Universitäten, aus meinen statistisch-volkswirthschaftlichen Sammlungen bearbeitet, verlangt.
Die Aufgabe war an und für sich keineswegs schwierig, weil in meiner Bibliothek und den zugehörigen Mappen alles überhaupt darüber vorhandene Material sich findet. Allein ein unübersteigliches Hindernis genauer Vollführung des Auftrages bildete die Vorschrift: daß dabei die Ausgabeneintheilung der österreichischen Universitäten zum Grunde gelegt werden solle. Um dieses zu bewerkstelligen, mußten die Rechnungen jeder deutschen Universität gänzlich umgearbeitet werden, denn jetzt ist, hinsichtlich vieler Einzelheiten, gar keine statistische Vergleichbarkeit vorhanden. Auch die betreffenden fremden Regierungen oder selbst die Universitätsverwaltungen würden (ohne ganz neue Bearbeitung der Rechnungen) die Ausweise nicht in der Form des österreichischen Etats liefern können.
Unter diesen Umständen und da der Zweck meiner Arbeit mir nicht bekannt ist – blieb nichts Anderes übrig, als: die Darstellung bei jeder einzelnen Universität nach dem vorhandenen Stoffe einzurichten. Über einzelne Hülfsanstalten lassen sich allerdings noch mehr Einzelangaben machen, z.B. über die Bibliotheken; hinsichtlich welcher Herr Sektionsrath Ritter von Häufler (auf geäußerten Wunsch) eine besondere Zusammenstellung empfing. Auch in Beziehung auf die Personalausgaben (jedoch nicht nach Fakultäten geschieden), auf den Honorarbetrag usw. Beispielsweise die Honorareinnahme betrug (im Durchschnitt der letzten Jahre) für einen Studenten in einem Halbjahre, in:
Berlin 33 ½ fl. rhein.
Bonn 31 " "
Göttingen 29 ½ " "
Breslau 26 ½ " "
Halle 22 " "
Marburg 21 ½ " "
Tübingen 17 ½ " "
Würzburg 16 ½ " "
München 12 ½ " "
Wer aus eigener Anschauung die einzelnen Universitäten kennt, dem können auch die Ursachen (zum Theil Mißbräuche) dieser großen Abweichungen nicht verborgen bleiben.
Ein anderes Hindernis der Vergleichbarkeit ist die Unvollständigkeit sogar der Gesamtsummen. Wenn ich annehmen dürfte, daß in den österreichischen Ausweisen alle Ausgaben jeder Art für Universitätszwecke – (ohne Rücksicht auf die eigenthümliche Quelle, aus welcher die Einnahme fließt und ohne Rücksicht auf den formellen Zusammenhang des Gegenstandes der Ausgabe) – enthalten sind, so mußte ich ehrerbietigst anheim geben bei den anzustellenden Vergleichungen mit großer Vorsicht zu verfahren. Denn, wie aus den nachfolgenden Angaben bei den einzelnen Universitäten erhellt, die Endsumme stellt gewöhnlich die vollständige Verwendung für Universitätszwecke nicht dar. Entweder die Honorare gehen nicht durch die Rechnung oder die besonderen Einnahmen (beziehungsweise Ausgaben) einzelner Zweige fehlen oder einzelne Hülfsanstalten werden aus ganz fremdartigen Fonds erhalten usw. Hieraus ergiebt sich leider, daß die Universitätsstatistik von dem wünschenswerthen Ziele, des der Vergleichbarkeit, noch weit entfernt ist.
Noch eine allgemeine Bemerkung; die Ausgaben für alle deutschen Universitäten sind, in den beiden letzten Jahrzehnten vorzüglich, bedeutend angewachsen und noch im fortwährendem Steigen begriffen. Die nothwendigen Ursachen daran liegen in der Entwicklung und Erweiterung fast aller Zweige des Wissens. Daraus entsprang die Nothwendigkeit neuer und besserer Hülfsanstalten, vermehrter und besser bezahlter Lehrkräfte.
Wer in diesem wissenschaftlichen Wettkampf zögert oder gar zurück bleibt, dem würde es schwer werden nachzukommen, wenn der Schaden sichtbar geworden ist.

I. Königreich Preußen

Nach dem Etat der Unterrichtsverwaltung für 1857 beträgt der Staatszuschuß der preußischen Universitäten und der katholisch-theologischen Akademie in Münster, 476249 Thaler Konv. Außer dem Staatszuschuße beziehen die Lehranstalten aus eigenem Erwerbe, aus dem Ertrage ihres Vermögens und aus andern Fonds die Summe von 270405 Thlr. Die eigene Einnahme und der Staatszuschuß vertheilen sich auf die verschiedenen Universitäten in folgender Weise:
Staatszuschuß Eigene Einnahme
Berlin ___ 153.965 ___ 7.278
Bonn ___ 104.400 ___ 4.700
Breslau ___ 79.968 ___ 10.632
Halle ___ 55.445 ___ 34.613
Königsberg ___ 79.721 ___ 3.949
Greifswald ___ 1.200 ___ 67.360
Akademie Münster ___ 1.250 ___ 13.872
Zusammen ___ 475.949 ___ 142.404
Hierzu:
Aussterbegehalt 300
Eigene Einnahmen der
der [sic!] Institute, Sammlungen,
Stiftungen 128.001
Gesamtsumme 476.249 ___ 270.405
(Budgetbericht II Kammer N. 3. Drucksachen 152 S. 12). Nach Absatz jener 128001 Thlr., deren Angehörigkeit für die einzelnen Universitäten und Institute leider nicht spezifizirt ist, vertheilen die noch bleibenden 618353 Thlr. auf die Spezialetats der Ausgaben sich wie folgt:

Bezeichnung der Universitäten Kosten der akademischen Disziplin und Verwaltung Besoldung der Professoren und Lehrer laut Anlage Für Institute, Sammlungen und für den Universitätsgottesdienst Für Konviktorien, Prämien, Unterstützungen und Stiftungen für Studirende Baukosten, Abgaben und Lasten Zugewiesene Besoldungen und Gehaltszulagen innerhalb der [?] und Unterstützungen Summe
1. Berlin 9.681 81.300 *400 56.598 350 2.000 19.914 161.243
2. Bonn 7.614 61.500 28.823 3.300 4.589 3.274 109.100
3. Breslau 7.364 44.639 25.137 4.426 3.500 5.534 90.600
4. Halle 6.870 42.999 22.952 8.006 3.460 5.771 90.058
5. Königsberg 5.648 34.885 25.784 8.434 2.600 6.319 83.670
6. Greifsfeld [sic! richtig Greifswald] 4.140 *1457 34.335 19.734 3.726 5.168 68.560
7. Münster (theologische und philosophische Fakultät) 310 9.750 4.117 500 445 15.122
Zusammen 43.084 309.808 183.145 28.742 16.149 37.425 618.353

* für Pensionen

Die nichtvertheilbaren 128.001 Thlr. dürften den Ausgabekapiteln 3 und 4 zufallen.
Zahl und Besoldungen der Professoren und Lehrer sind in einer Unteranlage jenes Budgetsberichts nachgewiesen.
Über die Einnahmen und Ausgaben der einzelnen Institute, Hülfsanstalten usw., scheinen in neuester Zeit gar keine Aufstellungen gemacht oder veröffentlicht zu sein, weil sonst ohne Zweifel von Rönne in seiner vortrefflichen Darstellung der höheren Schulen und Universitäten des preußischen Staats (Berlin 1855) 2 davon Mittheilung gemacht haben würde. Auch dürften in meinen Sammlungen die entsprechenden Nachweise sich finden, wenn sie überhaupt vorhanden wären. Ältere Nachrichten aus den Rechnungen solcher Institute finden sich allerdings, z.B. in: Dieterici, Geschichtliche und statistische Nachrichten über die Universitäten im preußischen Staate (Berlin 1836)3 und in: Koch, Die preußischen Universitäten (Berlin 1839)4. Daraus könnte ich zwar die entsprechenden Mittheilungen machen, bemerke jedoch, daß sie jetzt nur noch geschichtlichen Werth haben, weil namentlich die Einnahmen und Ausgaben jener Institute eine bedeutende Erhöhung erfuhren.
Sonstige noch etwa erforderliche Einzelheiten finden sich in meiner Finanzstatistik des preußischen Staats (Berlin 1856 Seite 478 ff.)5. Das Staatshandbuch für 1857 (welches ich auf Erfordern vorlegen kann) enthält Einzelheiten über das Personal der Gegenwart.

II. Königreich Bayern

Bei dem gänzlichen Mangel neuer selbstständiger Schriften über die Universitäten oder auch nur über das Unterrichtswesen in Bayern bilden die Budgetverhandlungen die einzige zuverlässige Quelle für die finanziellen Verhältnisse der Universitäten. Obgleich man nun glauben sollte, daß schon in den sehr langen (6jährigen) Budgetperioden eine dringende Aufforderung liege, sowohl bei der Aufstellung als bei den Untersuchungen der Voranschläge, auf alle wichtige Einzelheiten einzugehen, ist dieses doch keineswegs der Fall. Die ministeriellen Vorlagen sind sehr summarisch gehalten und auch die Berichte der Budgetkommission gehen auf Einzelheiten nur dann ein, wenn eine Erhöhung der Etatsumme beantragt wird. Allein selbst in solchen Fällen werden rechtfertigende Spezialnachweisungen den Kammern weder vorgelegt noch auch von denselben verlangt, wie solches auch leider hinsichtlich der Universitäten nicht geschehen ist, als im Jahre 1855 deren Zuschüsse um jährlich 40.000 fl. erhöht wurden.
Der Zuschuß der Staatskasse an die Landesuniversitäten war für 1. Jahr der VI. Finanzperiode von 1851/5 auf 112760 fl. beantragt (meine Finanzstatistik von Bayern von S. 75); er wurde aber später auf 132760 fl. erhöht.
Nach dem Etat der VII (die Jahre 1855–61 umfassenden) Finanzperiode stellen die Staatszuschüsse sich wie folgt (in fl. rhein.):
Fundationsmäßige [?] Besondere budgetmäßige Zuschüsse
1. München – 57.400
2. Erlangen 44.466 36.000
3. Würzburg 8.000 32.000
Zusammen 52.466 125.400
177.866
Ungeachtet dieser Erhöhungen und obgleich schon im Jahre 1851 auch die Übernahme von Pensionen und Alimentationen im Betrage von jährlich 23.043 fl auf die allgemeine Pensionsamortisationskasse beschlossen wurde, entsprechen doch die Einnahmen der bayerischen Universitäten deren jetzigem Ausgabebedarfe noch keineswegs.
Sonstige Ziffern liegen nicht vor und auch von den sonstigen kurzen Erörterungen ist nur noch hervorzuheben, daß (außer bei München) wenig eigenes fruchttragendes Vermögen vorhanden seyn soll. Das Personal ergiebt sich aus dem Staatshandbuche.

III. Königreich Württemberg

Über die Verhältnisse der württembergischen Landesuniversität Tübingen fehlt es nicht an vielseitigen und guten Nachrichten. (Beispielsweise sind zu nennen: Klüpfel, Geschichte und Beschreibung der Universität Tübingen 18496 und Mohl, Die pekuniären Bedürfnisse der Universität Tübingen 18337). Die nachfolgende Mittheilung dürfte deshalb das Wesentlichste von dem enthalten, was zu wissen verlangt wird, wenn auch nicht in der für die österreichischen Universitäten angewendeten Form.
Als Grundlage der jetzigen Einrichtungen ist das Gesetz von 3. April 1828 über die Fundirung der Landesuniversität zu betrachten. An dasselbe schließen sich die Normaletats und die betreffenden Abschnitte in den Budgetverhandlungen. Die Einkünfte der Universität fließen zunächst aus eigenem Vermögen (Grundeigenthum, Gefälle, Kapitalien), welches von der Finanzverwaltung lange Zeit hindurch in Pacht genommen ist. Wenn dieses nicht ausreicht (was von Anfang an der Fall war) muß die Staatskasse das Fehlende zuschießen. Allein außer diesen Summen, welche ich weiter unten mittheile, bestreitet der Staat: die Erfordernisse der beiden theologischen Seminare, den Unterhalt der Universitätsgebäude, so wie die Pensionen der Lehrer und Beamten, aus anderen Titeln des Budgets. Ferner ist getrennt vom Vermögen der Universität das (ansehnliche) Privatvermögen der einzelnen Fakultäten und Institute. Endlich verbleibt das in einer Etatsperiode nicht Verwendete, der Universität zu außerordentlichen Verbesserungen der wissenschaftlichen Sammlungen. Hieraus ergiebt sich, daß die auf dem Universitätsetat des Budgets erscheinende Summe nur einen Theil der wirklichen Verwendungen für diese Anstalt bildet, welche im Allgemeinen sehr ungünstig gestellt ist. Die Zahlung des Staats (theils als Pachtzins, theils als Zuschuß) betrug bis zum Jahre 1848 92.000 fl rhein.; im Jahresdurchschnitt der Finanzperiode 1855/8 hingegen ist sie 103.000 fl. Mit Einschluß der (ebenberührten) sonstigen Staatsbeiträge und der durch eigenthümliche Einnahmen einzelner Anstalten gedeckten Ausgaben scheint das Gesamterfordernis der Universität etwa 164.000 fl.
Die Vertheilung dieser Summe auf einzelne Ausgabszweige ist nicht gedruckt. Das Personal ergiebt sich aus dem Staatshandbuch und den Bekanntmachungen der Vorlesungen usw. im Regierungsblatt.

IV. Königreich Hannover

Göttingen ist vertragsmäßig zugleich Landesuniversität für Braunschweig und Nassau; jedoch empfängt die Universitätskasse aus diesen Staaten keine Zuschüsse, obgleich einzelne Lehrer dergleichen sich erfreuen. Die Universität ist ferner mit keinem Ertrag gebenden Vermögen von irgend einer Bedeutung ausgestattet, denn sie bezieht nur einen Pachtzins von jährlich 60 Thlr. für den Universitätsweinkeller, wozu für Freitischstellen usw. 1.531 Thlr. kommen, endlich noch Gerichtssporteln etwa 1.200 Thaler. Ihre Einnahmen kommen daher fast sämmtlich aus der General- und aus der Haupt-Klosterkasse; aus jener mit 40.699 Thaler, aus dieser mit 105.963 Thaler.
Die ordentlichen Gesamtausgaben beliefen sich im Jahre 1814 auf 77.000 Thlr.; 1830 auf 99.008 Thaler; 1840 auf 106.888 Thlr.; 1850 auf 125.156 Thlr.; 1856 auf 146.584 Thaler.
Diese bedeutende und rasche Kostensteigerung findet in der nothwendigen Schaffung neuer und Erweiterung der älteren Hülfsanstalten, sowie in der Verwahrung und besseren Belohnung der Lehrkräfte hinreichende Rechtfertigung, weil die wohlbegründeten Ansprüche der Gegenwart nicht unbefriedigt bleiben dürften. Außerdem sind und werden außerordentlich ansehnliche Verwendungen gemacht, z.B. für eine Aula über 60.000 Thlr., für das Ernst-August-Hospital gegen 100.000 Thlr.
Einzelne Ausgabentitel sind: Personalkosten mit Einschluß der Pensionen und Wartegelder 86.350 Thlr. (wozu die auf etwa 24.000 Thlr. zu berechnenden Kollegiengelder kommen, welche nicht durch die Universitätskasse gehen); Freitische 7.200 Thlr.; Sozietät der Wissenschaften 1.886 Thlr.; Bibliothek 12.471 Thlr., wovon 8.200 Thlr. auf Bücherankäufe (eine sehr nachahmenswerthe Dotation); Baukosten 3.000 Thlr.; Polizei 150 Thlr.; akademische Preise 400 Thlr.; medizinische und chirurgische Anstalten 15.000 Thlr.; Gärten und Herbarium 3.500 Thlr.; Theologisches Repetentenkollegium und Seminare 1050 Thlr.; chemisches Laboratorium 1.500 Thlr.; Sternwarte usw. 3.500 Thlr.; Thierheilanstalt 450 (Zuschuß) usw.
Aus dem Staatshandbuche ergiebt sich der Personalstand.