Ein nicht genannter Autor bespricht den Organisationsentwurf für die Gymnasien Österreichs. Zunächst verweist der Rezensent auf mehrere Besprechungen des Entwurfs in anderen Zeitschriften, auf die er im Laufe seiner Rezension mehrfach kritisch Bezug nimmt. Grundsätzlich glaubt er zwar, dass nicht all diese Kritik am Entwurf berechtigt ist, gleichwohl regt er zahlreiche Veränderungen an und spart selbst nicht mit Kritik. Die Kritik wird vielfach aus der Sicht von Ungarn vorgebracht. So betont er mehrfach, dass auf die Situation dort gar nicht Rücksicht genommen wurde. Außerdem kritisiert der Autor, dass der Reformplan ohne Mitwirkung der Lehrer und Schulen gleichsam oktroyiert worden sei. Kritik wird außerdem am Fachlehrersystem geübt, das besonders im Untergymnasium schädlich sei. Ausführlich kritisiert er die Tatsache, dass sich alle Lehrer, auch wenn sie kirchlichen Schulen unterrichten, den staatlichen Anforderungen für Lehrer unterwerfen müssen: So wie es dem Staat zustehe, eigene Gymnasien für die Zwecke des Staates zu führen, so müsse es erlaubt sein, dass die Kirche Gymnasien für ihre Zwecke führe. Schließlich äußert er sich skeptisch über den doppelten Zweck des Untergymnasiums: dieses soll einerseits wissenschaftlich sein und damit auf das Obergymnasium vorbereiten und gleichzeitig für breite Volksmassen offenstehen. Aus seiner Sicht kann das Untergymnasium aber nicht beides leisten. Daher wäre es sinnvoll, nur wenige, wissenschaftlich ausgerichtete Gymnasien zu eröffnen und stattdessen eine größere Anzahl an Realschulen zu errichten. Was die Unterrichtsfreiheit betrifft, so sollte es den katholischen Gymnasien in Ungarn gestattet sein, ungarische Kirchengeschichte, Liturgik und Symbolik in den Unterricht einzuführen, wobei hierzu eine Kürzung des Faches der Weltgeschichte erforderlich wäre. Erfreut zeigt sich der Verfasser über den pädagogischen Wert des Entwurfes, der auch die sittliche Bildung und Erziehung der Jugend berücksichtige. Der Verfasser zeigt sich am Ende jedoch überzeugt davon, dass die bereits gemachten Erfahrungen in den reformierten Gymnasien sowie die Stellungnahmen der Gymnasiallehrer zur Reform eine Modifikation des Entwurfes herbeiführen werden.
Recension des Entwurfes der Organisation der Gymnasien und Realschulen in Oesterreich (Religio Nr. 52–55, 1851)
Der vorliegende Unterrichtsplan, nach welchem unsere Gymnasien organisirt wurden
und werden, entging der Aufmerksamkeit der deutschen pädagogischen Litteratur
nicht. In Mützells‘ Zeitschrift für Gymnasialwesen IV, 1. Heft, S. 442; Scheibert‘s Pädagogische Revue von Mager
24, Bd. 1, S. 13–473; Jacob’s Gymnasialzeitschrift V, 2, S. 106–1224; Kapff’s
Pädagogische Vierteljahresschrift VI, 1, S. 1–44; Prof. Wiese5, Heydemann6
und namentlich Schöppner’s Der neue österreichische Schulplan für die Gymnasien
und Realschulen, Regensburg 1850, 172 S.7
und anderen pädagogischen Blättern und Zeitschriften wurde derselbe theils
allgemein, theils im Einzelnen einer strengen Kritik unterzogen. Wir stimmen
zwar dem berüchtigten Wiener Pamphletisten
(Gespräche der römischen und griechischen Klassiker mit dem österreichischen
Kultus- und Unterrichtsminister, Wien 1849) nicht bei und können auch das
Urtheil von Dr. Merz (Blicke auf unsere
Schulen, Regensburg 1850)8 nicht unbedingt
unterschreiben, wonach er ausruft: „Wehe dem Volke, welches man nach demselben
dressiren wird“, doch sind wir der Meinung, daß rücksichtlich der
vaterländischen Schulen und Interessen im besagten Plane manches zu ändern und
verbessern sei, damit er die gehörigen Früchte trage.
Als die Räthe der
Krone ihre volksbeglückenden Ideen der Schulangelegenheit zuwandten, um durch
Verbesserung der Schule den Wohlstand und die geistige Aufklärung des Volkes zu
heben, mußten sie da nicht die Fragen stellen: Werden wir wohl Schulen, die
unserer freien Disposition unterworfen sind, haben, um darin den Plan
auszuführen? Werden wir Lehrer, Bücher und Hülfsmittel zur Erhaltung der Lehrer
und Herbeischaffung der Mittel nöthige Quellen haben? Sind die aus dem
plötzlichen Aufgeben des alten Systemes folgenden üblen Folgen nicht etwa in
Betracht zu ziehen? Es ist zwar schon auf der ersten Seite die Garantie
ausgesprochen, „daß der Schulplan mit Benützung der von allen Gymnasien und
höheren Lehranstalten eingegangenen Urtheile und Vorschläge ausgearbeitet
worden“, doch steht es uns frei zu bezweifeln, daß unsere vaterländischen
Gymnasien ebenfalls vorläufig befragt wurden – und sind selbe auch um Rath
gefragt worden, als die Reorganisation in Folge allhöchsten Befehls bereits an
der Schwelle stand, so sind ihre Rathschläge gewiß zu spät gekommen, wie die
vielseitig eingetretenen Verwicklungen beweisen. Es sind demnach unsere
Gymnasien trotz des angestrengten Eifers unserer Lehrer im Zustande des „Gehen
lassen“. Die allgemein gefaßten Worte Schöppners verdienen Berücksichtigung: „Ich kann nicht umhin
solche Lehrpläne, welche nicht sowohl aus einer gewißen freien, natürlichen
Entwicklung der Schule selbst hervorgehen, als von der obersten Schulbehörde auf
einmal für ganze Länder und Provinzen entworfen und gleichsam oktroyrt werden,
mit einem gewißen Mißtrauen zu betrachten.“ Kein Wunder, daß unsere Professoren
anfangs gegen diesen Plan eine gewiße Kälte fühlten und bezeugten, die später,
als sie mit dem Entwurfe näher bekannt wurden, wachsen mußte, denn kann es wohl
für den eifrigen Schulmann etwas Niederschlagenderes geben, als wenn die
vaterländischen Schulen nach einem Plane organisirt werden, worin vom geliebten
ungarischen Vaterlande, dessen Sprache und
Litteratur mit keiner Sylbe Erwähnung geschieht, welcher die äußere und
materielle Stellung der Lehrer kaum oberflächlich berührt, über den bisherigen
mit möglichst bitteren Farben geschilderten Zustand der Schulen so schonungslos
den Stab bricht. Dazu noch die fortwährende Verläumdung unserer deutschen
Presse, daß wir keine fähigen Lehrer haben!
Der Entwurf zerfällt in drei
Theile: Vorbemerkungen, Plan und Anweisungen. Unter den Vorbemerkungen nehmen
vorzüglich zwei unsere Aufmerksamkeit in Anspruch: die geistige Ökonomie des
Gymnasiums und die Lehrmethode. In diesem Lehrsysteme findet sich kein
allgemeines und Hauptlehrfach vor: nicht die klassischen Sprachen, noch die
Mathesie und Naturwissenschaften weder ein anderes Studium hat ein Übergewicht,
sondern der ganze Plan ist auf das gegenseitige Zusammenwirken der gesammten
Lehrgegenstände basirt und erwartet hieraus den nöthigen Erfolg (S. 8). Wir
haben dem nichts beizufügen: Alles hängt von der Ausführung, der Lehrfähigkeit
und dem Vortrage ab. Es gereicht uns zur wahren Freude zu sehen, daß in dem
Plane die sittliche Bildung der Jugend und die mit dem Unterrichte einhergehende
Erziehung gehörig berücksichtigt wird; wir hätten dennoch gewünscht, wenn ein
pädagogischer Grundsatz aufgestellt worden wäre als Mittelpunkt des ganzen
Organismus. Auch sind wir darüber nicht im Reinen, inwiefern die Staatsgymnasien
gemeinsame Anstalten sein werden, doch hierüber später, wenn der Staat wirklich
eigene Gymnasien haben wird, denn bis jetzt hat er keine, ausgenommen, wenn man
das den Katholiken in Preßburg entzogene
so nennen will.
In Betreff der Methode ist statt der Klassen- die
modificirte Fachmethode angeordnet worden. Diese Methode ist in der Geschichte
des österreichischen Unterrichtes nicht neu, der „Entwurf zur Einrichtung der
Gymnasien in den k.k. Erblanden vom Jahre 1775“ ist auf dieselbe basirt. (siehe:
Freundschaftliche Briefe an den Herrn von S…t. über den Entwurf, 1776, S.
131–208)9 Wir wollen
hierorts die gewichtigen und gründlich motivirten Einwürfe gegen das starre
Fachsystem nicht wiederholen, welche auch in der „Religio“ (Jahrgang 1846 II,
Nr. 33) ausführlich und überzeugend besprochen wurden, und indem wir die Räthe
der Regierung auf diese Aufsätze aufmerksam machen, wollen wir nur das
ungeschminkte Urtheil zwei neuerer Schulmänner anführen: Kurtmann, dessen Name in der Pädagogie
gefeiert wird, schreibt: „Da jeder Lehrer nichts als sein Fach kennt, so
betrachtet er es natürlicher Weise als das einzig wichtige im Kreise der
Wissenschaften und plagt die armen Schüler mit Einzelheiten, welche den
Fachgelehrten wohl interessant, für die allgemeine Bildung aber ganz nutzlos
sind.“ (Die Schule und das Leben, eine gekrönte Preisschrift 1847, S. 19)10. Die andere Authorität, auf
welche wir uns berufen, ist Graf
Piccolomini in seinem Werke „Über Erziehung und Unterricht im
Pensionate zu Freiburg in der Schweiz“. (siehe: Bemerkungen über die Mängel der
österreichischen Gymnasialeinrichtung und Vorschläge zur Verbesserung derselben
1848. Mit einer Rechtfertigungsbeilage, Linz 1849)11 Wir müßten das Fachsystem nur im Obergymnasium
entschuldigen und vertheidigen; im Untergymnasium halten wir es für schädlich,
weil auf dem Unterricht und Erziehung schlecht einwirkend. Dasselbe muß von dem
im „Entwurfe“ angenommenen modificirten Fachsysteme gesagt werden. Dieses System
wird unseres Wissens nur in zwei Staaten angewendet – in Würtemberg und Naßau. Der gesammte preußische Lehrstand hat sich wiederholt
zweifelnd darüber ausgesprochen. Oder soll man den Klassenlehrer als Vermittler
für die kleinere Jugend annehmen, der alles andere, nur nicht ein Erzieher der
ihm anvertrauten Jugend ist? Wir berufen uns auf das Schultagebuch: Auf wie
viele Schüler hat er aneifernd eingewirkt? Wie viele hat er von der Trägheit,
Sittenlosigkeit, Unaufmerksamkeit und Undisciplinarität geheilt? Die Aufgabe der
Klassenlehrer ist „den Einheitspunkt für die seiner speciellen Obhut anvertraute
Klasse in wissenschaftlicher und disciplinärer Hinsicht zu bilden“.
In Folge
dessen ist er mit Geschäften so übermäßig überhäuft, daß er, namentlich wenn ihm
noch dazu der Vortrag irgend eines Faches zugewiesen wird, seinem Amte unmöglich
entsprechen kann und hiedurch wird der Erfolg und die Blüthe der Schule – um
gelinde zu sprechen – sehr gefährdet. Wir wiederholen es: Das Fachsystem ist
schädlich für das Untergymnasium. So viel über die Vorbemerkungen.
Der Zweck
des Gymnasiums ist (§ 1) die höhere allgemeine Bildung der Jugend vorzüglich in
der Kenntnis der alten klassischen Sprachen und deren Litteratur, so daß selbe
zur Universität vorbereitet werde. § 2. Gymnasium kann nur eine solche
Schulanstalt genannt werden, die alle in diesem Organisationsplane enthaltenen
wesentlichen Eigenschaften besitzt. § 3. Mit Genehmigung des Reichsministeriums
kann jedermann ein Gymnasium eröffnen. Man sollte demnach glauben, bei uns
bestehe vollständige Lehrfreiheit! Das wäre aber eine Täuschung. Wie viel
Beschränkungen, Bedingnisse und Hemmnisse sind nicht in dem Plane enthalten? Der
§ 103 ist ein greller Widerspruch mit der Lehrfreiheit und ungerecht gegen die
Privatlehranstalten; nach diesem § dürfen in solchen Gymnasien, die keine
Staatsanstalten sind, nur jene Individuen als Lehrer und Direktoren angestellt
werden, die hinsichtlich ihrer Befähigung auch in einem Staatsinstitute
verwendet werden können; und auf diese Fallaeie wird das angemaßte Recht
gegründet, einen jeden, der in einem öffentlichen, wenn auch nicht
Staatsgymnasium angestellt wird, einem vorläufigen Rigorosum zu unterziehen. Wir
erinnern uns hiebei der deutschen Grundrechte vom 28. Mai 1840 [sic! 27.
Dezember 1848]12, die hinsichtlich des Unterrichtes also lauten: „§ 24.
Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen, zu leiten und an solchen
Unterricht zu ertheilen, steht jedem Deutschen frei, wenn er seine Befähigung
der betreffenden Staatsbehörde nachgewiesen hat.“ Die oktroyrte preußische
Verfassung13 verordnet § 19. „Unterricht zu ertheilen und
Unterrichtsanstalten zu gründen steht jedem frei, wenn er seine sittliche,
wissenschaftliche und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden
nachgewiesen hat.“ Ähnliche Verordnungen gelten auch in
Mecklenburg, Oldenburg,
Anhalt-Bernburg. In Ungarn bestehen bis
jetzt keine Staatsgymnasien. Die vorhandenen sind (ausgenommen die Schulen der
akatholischen Konfessionsangehörigen) katholisch-kirchliche Institute, welche
dem § 12. b. zufolge größtentheils als öffentliche Gymnasien vom Ministerium anerkannt
worden sind. Wir fragen nur: Worauf gründet sich die Forderung, daß die
geistlichen oder weltlichen Professoren der katholischen Gymnasien von der
Regierung wie Lehramtscandidaten zur Staatsprüfung verpflichtet werden? Bietet
der Umstand keine genügende Garantie, daß die katholischen Schulen nach dem vom
Unterrichtsministerium für das ganze Reich vorgeschriebenen Lehrsysteme
organisirt worden sind? Wenn es wahr ist, daß der Staat in seinen eigenen und
allen öffentlichen Unterrichtsanstalten für seine Zwecke erziehen und lehren
will, kann man es der Kirche verbieten, daß sie in ihren eigenen katholischen
Schulen ebenfalls für ihre eigenen Zwecke erziehe? Inwiefern ist der Staat –
hinsichtlich der Schule – eine größere Authorität als die Kirche, daß er ihre
Kandidaten vor seine Schranken berufe? Es versteht sich von selbst, daß die
Kirche in ihren Anstalten nur solche Lehrer anstellen kann, die den Willen und
die Fähigkeiten besitzen, nach dem von der Regierung erlassenen Plane zu
unterrichten. Unsere Meinung geht dahin, daß wenn schon die Kandidaten eine
Prüfung bestehen müssen, diese vor den Vorgesetzten des betreffenden Ordens mit
Wissen und nach Verordnung des Ordinariates, nebst allenfallsiger Zuziehung
eines Regierungscommissärs geschehe. So verstehen wir die Parität und das
unantastbare Eigenthumsrecht der Kirche. Nach § 4 besteht das Gymnasium aus 8
Klassen, deren jede ein Jahr lang dauert. Dieser Anordnung stimmen wir bei, nur
können wir mit der Theilung des Gymnasiums in ein Ober- und Untergymnasium nicht
einverstanden sein. Die Ursache der Theilung gibt der Entwurf in folgendem an:
„Die Scheidung ist eine äußere Stütze für die Verschiedenheit der Behandlung;
die Gliederung in Ober- und Untergymnasium unterscheidet die Bildungsstufe des
eigentlichen Knaben und des heranreifenden Jünglings.“ „Das Untergymnasium
bereitet die Schüler für das Obere vor und befähigt selbe zu einer relativ
vollständigen Bildung, indem es die Wissenschaften in vorherrschend populärer
Weise und praktischer Richtung vorträgt.“
Gegen eine solche Eintheilung des
Gymnasiums als einer wissenschaftlichen und nicht Fachanstalt äußert sich
vorzüglich Steffenhagen (Reform
der deutschen Gymnasien, S. 88)14, wir aber wollen nur doppeltes bemerken: Ist die
verschiedene Behandlung derselben Gegenstände in einer und derselben Anstalt
möglich, namentlich wenn im Ober- und Untergymnasium derselbe Lehrer docirt? Wir
glauben, die richtige Behandlung eines jeden Faches bestehe in der Klarheit des
Vortrages und in der praktischen Anwendung desselben. Ferner sind wir nicht im
Stande uns innerhalb dieser Schranken eine klare Vorstellung über den Beruf des
Untergymnasiums zu verschaffen. Ein Lehrinstitut, das streng wissenschaftlich
und zugleich populär sein soll, wird keinen der beiden Ansprüche befriedigen;
das Untergymnasium kann nicht genügend populär sein, weil es die Forderungen des
Obergymnasiums, für welches es die Schüler vorbereitet, berücksichtigen soll; es
wird aber auch nicht genug wissenschaftlich sein können, weil seine Schritte von
der Furcht vor der Unpopularität gehemmt werden. Wir wünschten, es wäre
ausgesprochen worden, die Gymnasien seien streng wissenschaftliche Anstalten.
Vielleicht wären in diesem Falle 10–16 gut organisirte Gymnasien mit 8 Klassen
im Stande gewesen die wissenschaftlichen Forderungen zu befriedigen und das
Vaterland hätte dabei den unberechenbaren Nutzen, daß an vielen Orten statt
Untergymnasien Realschulen gegründet würden, die mit wenig Kosten zu Fachschulen
oder sogenannten bürgerlichen Gymnasien umgestaltet werden könnten. Wir stimmen
in dieser Hinsicht mit Deinhard überein: „Der Zweck der höheren Schulen wird nur darin
bestehen können, wissenschaftliche Bildung in der Jugend zu erzeugen, zum
Unterschied von den Volksschulen, welche der Jugend die Elementarbildung zu
vermitteln haben.“ (Zeitschrift für Gymnasialwesen, III, 8–9, S. 720)15 Wir erinnern uns hier unwillkürlich der Magerischen Real- oder Bürgerschulen zu 6.
Klassen, welche bereits in mehreren Städten Deutschlands eingeführt sind (siehe: Einige Gedanken über
pädagogische Schulseminare. Von J[ohann] Leutbecher, Erlangen 1850).16
Die Artikel 17–58 führen den
eigentlichen Unterrichtsplan vor. Wir schreiben in kein ausschließlich
pädagogisches Blatt, es kann deshalb unsere Aufgabe nicht sein, die diesfälligen
Anordnungen des Entwurfs einzeln zu beurhteilen. Es ist unsere Überzeugung, daß
die diesjährigen Erfahrungen und in Folge deren durch die Professoren an das
Ministerium
wiederholt eingereichten Bemerkungen, Rathschläge und Berichte jenen Plan in
sehr vielem modificiren werden. Wir beschränken uns auf Weniges. Das erste, was
wir fordern, ist der möglichst vollkommenste Vortrag der ungarischen Sprache und
Litteratur. Wenn in dem ungarischen Vaterlande
in den Sälen der ungarischen Gymnasien die ungarische Sprache und Litteratur
nicht wiederhallt, werden selbe gewiß des Besuches unwerth befunden werden.
Zweitens fordern wir, daß in unseren katholischen kirchlichen Gymnasien, obwohl
selbe dem Entwurfe gemäß organisirt und als öffentliche Unterrichtsanstalten
anerkannt sind, von den untersten Klassen angefangen, die allgemeine und
specielle ungarische Kirchengeschichte, die Liturgik, Symbolik und andere für
einen jeden Katholiken wichtige Gegenstände gelehrt werden. Unsere dritte
Forderung bezieht sich auf die bis zur Kleinlichkeit speciellen Anweisungen,
welche für die Professoren erlassen worden sind. Die Bemerkung von Scheibert ist treffend: „Bedarf
der österreichische Lehrstand solcher Vorschriften, so nützen dieselben nichts:
denn er wird doch nicht darnach unterrichten können; wenn derselbe aber in ihrem
Sinn unterrichten kann, dann bedarf er wieder nicht solcher
Ministerialvorschriften.“ (S. 83) Zur Rechtfertigung dieser Ansicht brauchen wir
nur auf die lächerliche Verordnung hinzuweisen, wonach die Qualität des Papiers,
das die Schüler zum Abschreiben ihrer Aufgabe zu gebrauchen haben, von der
Bestimmung des Lehrers abhängig gemacht ist. § 52 bespricht die Vertheilung der
Lehrstunden, § 53 die Ferientage. Die Lehrstunden, obwohl vermehrt, entsprechen
den Forderungen des Lehrsystems doch nicht. Bei uns Katholiken müßte – sollen
die Lehrstunden auf Kosten der Lehrer und Schüler, was nicht rathsam ist, nicht
vermehrt werden – die Weltgeschichte abgekürzt und die so gewonnene Zeit zum
Vortrage der Kirchengeschichte verwendet werden. In Betreff der Ferien berufen
wir uns auf Kurtman, der in seinem
Werke „Die Schule und das Leben“ sagt: „Den Kindern, welche die Schulferienzeit
im Müßiggange verbringen, ist sie wahres Gift. Nicht bloß die Ferienzeit selbst
ist verloren, denn sie wird meistens nicht einmal direkt im Interesse der
Gesundheit verwendet, sondern die Nachwehen verderben oft noch die ganze nächste
Schulwoche. In früheren Zeiten milderte sich all dieser Nachtheil durch die
Häuslichkeit der Eltern. Die Ferien sind nicht bloß Freibriefe für den
Müßiggang, sondern für tausend sonst verbotenen Unregelmäßigkeiten und Genüsse.
Machet alle Mittwoche zu Ferientagen, wenigstens zu Excursionstagen, ich habe
nichts dawider, machet am Ende jeden Monats 3 Tage Ferien, es ist nicht
unbillig; aber treibt die Jugend nicht vorsätzlich in den Müßiggang und die
Gesetzlosigkeit hinein.“ (S. 28–29) Nach § 56 besteht die Unterrichtsfreiheit
darin, daß „am Privatgymnasium eine Abweichung von dem allgemeinen Lehrplan
innerhalb der bezeichneten Grenzen wohl stattfinden kann.“ Es fragt sich, ob
unsere katholischen Gymnasien zu Privatlehranstalten herab[ge]würdigt werden
sollen, wenn die Kirche zur Erreichung ihrer eigenen Zwecke in ihren eigenen
Lehranstalten die Kirchengeschichte, Liturgik und andere katholische Fächer
vortragen läßt? Die Bedeutung dieses § ist für uns höchstwichtig. In unserem
Vaterlande sind die meisten Gymnasien katholisch kirchliche Gymnasien. Es ist
unmöglich, daß die Regierung unsere Gymnasien, wenn in ihnen jene Gegenstände
gelehrt werden, als Privatschulen betrachte: Sie würde dadurch in Konflict
gerathen mit den katholischen Interessen und unsere Anstalten gleichsam
verstoßen, die wir mit Bereitwilligkeit zur Erzweckung der Absichten des Staates
geöffnet haben. Anlangend das Lehrgeld, so liegt auf dessen Berechtigung und
Verwendung viel Dunkelheit. Wir wollen die Zweckmäßigkeit dieser Verordnung
nicht bezweifeln, müssen aber die höchsten Dignitäten unserer Kirche auf den
unsere katholischen Gymnasien betreffenden Abschnitt des fraglichen Artikels
aufmerksam machen. „An den übrigen Gymnasien haben die Korporationen,
Gesellschaften oder Einzelpersonen, welche dieselben erhalten, zu bestimmen, ob
ein Schuldgeld und welches zu entrichten sei (§ 9); bei öffentlichen Gymnasien
dieser Art ist jedoch zur Festsetzung des Schulgeldes die Genehmigung des
Landesschulrathes erforderlich.“
Noch einige Bemerkungen über die
Schuldisciplin und die Lehrer. Wir wollen der Erfahrung nicht vorgreifen, die am
besten zeigen wird, ob bei diesem Systeme die Schule zugleich ein
Erziehungsinstitut werden kann; wir machen nur darauf aufmerksam, man soll die
Lehrer nicht herabwürdigen durch solche Befehle: „Als Gesetz muß es gelten, daß
körperliche Züchtigung überhaupt nur durch Lehrer, niemals durch Diener der
Schule und dgl. darf ausgeführt werden.“ (S. 57) Wir weisen diese Zumuthung
zurück und bitten unsere Lehrer, wenn sie schon körperliche Züchtigung anwenden
müssen, diese zur Aufrechterhaltung des göttlichen Ursprungs der Schul- und
Lehrauthorität nie selbst, sondern immer durch den Diener der Schule zu thun.
Treffend bemerkt Bormann: „Wo der Lehrer
oder der Erzieher sich selbst zum Büttel herabwürdigt, da mag er wohl klagen,
daß sein Amt ein schweres ist; aber es ist [es] nur, weil es aufgehört hat ein
Lehr- und Erziehungsamt zu sein.“ (Über Erziehung und Unterricht, Berlin
1847)17
Endlich in Bezug auf die Lehrer: Die § 98–107
sprechen ausführlich über die Art der Anstellung oder Entlassung der Lehrer,
aber deren äußere materielle Stellung wird mit keinem Worte bedacht.
Hier
verbreitet sich Recensent über die klägliche Stellung der Lehrer in materieller
Hinsicht und sucht die Gefahren und üblen Folgen dieses Umstandes zu beweisen,
er führt Kurtmanns Werke an: „Wenn
geistliche Schullehrer durch Vernachlässigung in die Reihen der Unzufriedenen
getrieben werden, dann vergiftet der Staat selbst seine besten Säfte.“ Gegen den
Antrag Arneths, man möge den
geistlichen Lehrern verhältnismäßig um 200 fl weniger Besoldung geben, bringt er
die Antwort Schöppners vor:
„Dergleichen Maßregeln, wo sie immer beliebt werden, gereichen der Staatskasse
zum Vortheile, nicht der Schule. Einmal kommt der Staat in Versuchung, die
geistlichen Lehramtskandidaten als die wohlfeileren zu bevorzugen, was für diese
selbst keine Ehre und für die Weltlichen ein Verdruß ist; sodann werden auch die
geistlichen Lehrer versucht ihre Schulstellen baldmöglichst mit anderweitigen
besseren Ämtern zu tauschen, wodurch natürlich mancher gute Lehrer der Schule
frühzeitig entzogen wird. Endlich liegt in jener Maßregel eine offenbare
Ungerechtigkeit, ja Ungereimtheit von Seite des Staates, dieweil sich solcher
Entzug von 200 Gulden nicht anders als eine Geldstrafe für den Cölibat
ausnimmt.“
Auf diese Klage macht die Redaktion der Religio folgende
Bemerkung: Alldies ist wahr, so nicht von Ordensgeistlichen die Rede
ist.
Von diesen fordert die Kirche mit Recht Aufopferung. Wir wünschen von
Herzen, daß die Orden reich und im Stande seien, ihre Mitglieder mit allem
Nöthigen zu versehen. So lange das Gelübde der Armuth besser gehalten wurde,
waren die Mönche gelehrter und gebildeter, gaben auch bessere Lehrer ab. Ist
demnach Hilfe nöthig, so gebe man sie dem Orden; hierin beruht die Garantie für
die Gegenwart und Zukunft.