János Simor berichtet Leo Thun von einigen Ereignissen in Rom. Zunächst spricht Simor seine Vermutung aus, dass der Domherr Johann Danielik wohl nicht mehr nach Rom reisen werde, da Kardinal Ján Scitovský bereits seine Abreise plane. In der Folge geht er auf die Rolle des Kardinals bei den Konkordatsverhandlungen ein. Simor betont dabei, dass Scitovský nach Einfluss strebe und sich nach außen als einflussreich gebärde. In Wirklichkeit, so glaubt Simor, hätten allerdings einige Kardinäle bereits erkannt, dass Scitovský für Auskünfte in Fragen des Konkordats nicht die beste Ansprechperson sei. Simor glaubt aber, dass Scitovský nicht als Feind des Konkordats anzusehen sei. In der Folge beschreibt und charakterisiert Simor den Dekan der Rota, Pietro Silvestri. Er schildert diesen als einen der reichsten Kirchenmänner in Rom. Silvestri genieße allgemein hohes Ansehen, stehe der konservativen Partei nahe, allein das Vertrauen des Papstes habe er nicht. Daher wurde sein Aufstieg in der Kurie gebremst. Seine Ernennung zum Kardinal soll erst in einigen Jahren erfolgen. Allerdings bestünde die Möglichkeit, dass der Kaiser ihn für das Amt des Kronkardinals vorschlägt. Dann müsste man aber einen geeigneten Nachfolger aus Österreich für seinen Posten in der Rota finden und dotieren. Simor möchte dieses Amt nicht übernehmen. Schließlich verweist er noch einmal auf die Aussagen aus seinem letzten Brief zur Dotierung der Kirche Santa Maria dell'Anima. Zuletzt berichtet er die Ankunft von Paul Marie Djunkovsky und des Olmützer Domherrn Lichnovsky. In seinem nächsten Brief will Simor dann die für den kommenden Tag geplante Feier der Dogmatisierung der Immaculata schildern.
Unter der Signatur A3 XXI D296 sind weitere sieben Briefe und Berichte
Simors abgelegt:
János Simor an Leo Thun. Rom, 11. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 14. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 17. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 1. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 12. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 15. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 23. Dezember 1854.
Dem Brief sind die ersten beiden Seiten des Giornale di Roma, Nr. 277 vom 5. Dezember 1854 beigelegt, die eine Liste mit den in Rom anwesenden Kardinälen und Bischöfen enthalten.1
Euere Excellenz!
Ich beeile mich das mir erst gestern in den Abendstunden zugestellte gnädige
Schreiben Euerer Excellenz vom 23. November zu beantworten. Domherr D[anielik] wird, sollte er auch den
Paß erhalten, nicht mehr nach Rom kommen. Über
Aufforderung des Kardinals wollte er nur mit diesem oder höchstens nur während
dessen Anwesenheit in Rom die Reise antreten. Da der
Kardinal bereits Anstalten trifft
zu seiner Rückreise, welche er den 26. dieses anzutreten und in
Gran [Esztergom] den 5. Jänner einzutreffen gedenkt,
um am folgenden hohen Festtage eine großartige kirchliche Feierlichkeit abhalten
zu können, und da hievon der Domherr
D. schon unterrichtet ist, so glaube ich mich nicht zu irren,
wenn ich behaupte, er habe die Absicht hieher zu reisen bereits ganz aufgegeben.
D. liebt die Bequemlichkeit viel
mehr, als daß er sich in dieser Jahreszeit zu einer so weiten Reise entschließen
könnte. Wollte er aber dennoch nach Rom kommen, so wäre
ihm der Paß nicht zu verweigern, er würde und könnte auch nicht mehr so viel
schaden als in der ersten Zeit, wo man noch den Kardinal nicht gekannt hat. Ich bin übrigens noch immer der
Ansicht, daß es sehr zweckmäßig war, seine Reise mit dem Kardinal zu verbinden und so von diesem einen
Hetzer und einen Anhaltspunkt fern zu halten, dessen sich schwache Menschen
bedürfen. An dem Domherrn Schirgl hat
der Kardinal einen solchen nicht,
vielmehr muß ich zur Steuer der Wahrheit bezeugen, daß die Ansichten des
Kardinals über das Concordat von diesem Domherrn durchaus nicht getheilt werden.
Einige der einflußreicheren Kardinäle wissen übrigens bereits, daß die Auskünfte
ihres ungarischen Collegen nicht ganz verläßlich sind und mir gelang es bei
zweien diese Vorstellung über ihn festzustellen, ohne ihm sonst nahe zu treten,
vielmehr ließ ich seinem Eifer und seiner Opferwilligkeit Gerechtigkeit
wiederfahren. Dass er mit mir, seit wir in Rom sind, über
das Condordat nie spricht, ja dieses Wort gar nicht erwähnt, brauche ich nicht
erst zu bemerken. Der Kardinal schreibt
eigenhändig ein Diarium über seinen Aufenthalt in Rom und
schickt es bogenweise nach Gran, um daselbst ins
ungarische übersetzt zu werden. An seinen Clerus hat er einen Hirtenbrief von
hieraus erlassen über seine Ankunft und seinen Empfang durch den Heiligen Vater, welcher an ihn gleich in der
ersten, dann in der zweiten und ebenso auch in der dritten Audienz über sehr
wichtige Gegenstände gesprochen und an ihn hierüber „singulares quaestiones“
gestellt haben soll. Wenn er ein Gegner des Concordats ist, so ist er meiner
Ansicht nach ein nicht zu befürchtender, daher so ziemlich unschuldiger Gegner.
Was den Monsignor Silvestri
anbelangt, so hält man ihn hier für den am reichlichsten dotirten Prälaten, weil
er mehrere einträgliche Ämter bekleidet. Er ist nemlich Decanno der S. Rota,
dann Vicepoenitentiarius des Papstes, endlich erster Domherr an der Basilica
Lateranensis, welche bekanntlich die erste Kirche Roms und der katholischen Welt ist. Er wird allgemein in seinem
jährlichen Einkommen auf 10–12.000 Scudi geschätzt, er steht folglich viel
besser als die meisten Kardinäle. Er genießt hier des besten Rufes und gehört zu
der conservativen Parthei, zu welcher er sich auch im Jahre 1848 bekannt hat.
Bei dem Heiligen Vater soll er in keiner
Gunst stehen, weil er ein Liebling des verstorbenen
Papstes war und weil er von seinen politischen Gesinnungen nie
ein Geheimnis machte. Als das Patriarchat von Venedig
durch den Tod des Kardinals Monico
erledigt wurde, glaubte man in Rom allgemein, Monsignor Silvestri und kein anderer werde
Patriarch. Als Decan der Rota hat er nemlich den Rang eines Erzbischofs, hätte
daher auf die gedachte Würde und Pfründe Anspruch machen können. Auf ein Bisthum
wird er kaum sich transferiren lassen und so kann sein Posten nur durch die
Beförderung zum Kardinal erledigt werden. Obschon er aber einen sogenannten
Posto Cardinalizio einnimmt, so kann er doch vor 3–4 Jahren auf die
Kardinalwürde keinen Anspruch machen und es hängt auch nach Verlauf dieser Zeit
vom Papste ab, ihn auf diese Würde zu befördern, wenn es dem Heiligen Vater nicht gefällt ihn zu befördern, so
kann er auch noch 10 Jahre, ja lebenslänglich diesen Posten bekleiden – ein
Decano di S. Rota kann nur, aber er muß eben kein Kardinal werden. Der Papst
wird motu proprio den Silvestri vor
3–4 Jahren nicht zum Kardinal machen, so sagen die Wohlunterrichteten – es ist
jedoch sehr wahrscheinlich, daß er ihn zum Kardinal, d. h. zum Kronkardinal
ernennen würde, wenn ihn Seine Majestät der
Kaiser als solchen verlangt und auch dotirt. Dieses alles muß
übrigens der Graf
Esterházy besser wissen. Aber auch noch ein anderer Weg könnte
eingeschlagen werden. Auch die Republik Venedig hat das
Recht gehabt, einen Uditore de Rota zu ernennen, wie wäre es, wenn man versuchen
wollte dieses unstreitig von Österreich
ererbte Recht der Republik geltend zu machen und anstatt des einen 2 Uditori zu
ernennen? Ich bin zwar nicht dafür, denn das würde mit Auslagen verbunden sein
und es hieße „entia sine necessitate multiplicare“. Ich glaubte jedoch auch
dieses allerdings im Wege der Diplomatie zu versuchende Auskunftsmittel
anzuzeigen. Wenn die Beförderung des Silvestri zum Kronkardinal verlangt werden sollte, so wäre es
vielleicht angezeigt ihn hievon früher zu verständigen. Nur müßte für diesen
Fall sein Nachfolger mit vieler Sorgfalt ausgesucht werden. Es ist Euerer
Excellenz bekannt, daß ich zu einem solchen bestimmt war, ich muß jedoch Euerer
Excellenz erklären, daß ich die Eigenschaften für diesen Posten nicht besitze
und ich werde in Wien die Ehre haben diese meine
Behauptung mit richtigen Gründen zu belegen. Ich empfehle den in meinem letzten
Briefe hinsichtlich des Rectorats der Kirche dell’Anima gestellten Antrag umso mehr, da es zu meiner
Kenntnis gekommen ist, daß die hier weilenden deutschen Bischöfe bezüglich
dieser deutschen Stiftung und deren Regelung an den Präses der Sagra Visita
Kardinal Brunelli ein Memorandum
überreichen wollen. Sie wollen zwar dem Protectoratsrechte Österreichs keinen Abbruch thun, allein mit dem
Protectorate müssen auch wesentliche auf die Leitung des Institutes Bezug
habende Rechte verbunden sein. Der Herr Erzbischof von Wien wird übrigens schon darüber wachen, daß das
„Memorandum“ nicht zu unserem Nachtheile ausfällt. Morgen also ist der Tag, an
welchem der Heilige Vater selbst die
dogmatische Entscheidung über den Glauben der Kirche hinsichtlich der
unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes verkündigen wird. Nach dem
Pontificalamte wird er ein Bild der Heiligen Jungfrau krönen (die Krone kostete
7.000 scudi). Abends wird die S. Peterskirche auswärts vorzüglich die „Cupula“
wie auch die Stadt festlich beleuchtet werden. Am 9. wird ein großes
Consistorium abgehalten, an welchem alle Kardinäle, Erz- und Bischöfe
theilnehmen worden. Alle hier weilenden Erz- und Bischöfe sind pro Episcopis
solio pontificio assistentibus declarirt worden. Am 10., d. h. am 2.
Adventsonntage ist die feierliche Einweihung der im Jahre 1823 abgebrannten,
aber bereits restaurirten großen Basilica S. Pauli außer den Mäuern der Stadt.
Den Haupttheil consecrirt der Heilige Vater, die übrigen Teile zu derselben Zeit
6 Kardinäle, unter welchen sich jene zu Prag und zu Gran
befinden. Erst nach diesen Feierlichkeiten wird eine gewisse Ruhe eintreten und
der Herr Wiener Erzbischof
Gelegenheit haben die Verhandlungen ernstlich zu betreiben.
Djunkovsky ist in
Rom, ich weiß es nur von den Geistlichen des
Kardinals von Gran, bei welchem er
sich bald nach seiner Ankunft eingefunden hat. Schon von
Wien wurde mir auch von 2 Seiten berichtet, daß er
über mich und meine Anwesenheit in Rom sehr ungehalten
ist, sonst weiß ich über sein hiesiges Wirken nichts Näheres. Auch wurde mir
berichtet, daß ihm manche Bischöfe Österreichs über die Bureaucratie sehr
geklagt und ihm fast unbedingtes Vertrauen geschenkt haben. Das heißt doch nicht
klug und redlich zu handeln, ein solcher commis voyageur macht sich wichtig mit
seinen Verbindungen in Rom, Paris
und London und die schwachen Leute lassen sich von ihm in
Schlepptau nehmen. Auch Monsignor Lichnovsky ist angekommen, es hat diesem Herrn viel Mühe
gekostet, um Monsignor, d. h. Cameriere papale zu werden. Der gegenwärtige
Erzbischof von Olmütz
hat ihn auf seinem Gewissen, welcher ihm das herrlichste Zeugniß ausstellte,
obschon er zu derselben Zeit erklärt haben soll, er hätte den Grafen Lichnovsky
nie zum Priester geweiht. Ich erlaube mir das erste Blatt des „Giornale di Roma“
beizulegen, es enthält das Verzeichnis der sämmtlichen hier anwesenden Prälaten,
nemlich der 54 Kardinäle, 1 Patriarchen, 42 Erzbischöfe und 92 Bischöfe. Gestern
las ich die heilige Messe bei St. Peter im Vaticano und wohnte dann der stillen
Messe des Heiligen Vaters bei, welche er vor den großen Reliquien celebrirte und
unter welcher er mehr als 400 Individuen (bloß Männern) die heilige Communion
darreichte. Ich opferte diese heilige Messe auf für meine Gönner und Freunde in
Wien, derer ich übrigens alle Tage eingedenk bin. Am
1. Adventsonntage hat der Papst mit allen Kardinälen, Bischöfen und seinem
Hofstaate dem von dem Münchner
Erzbischofe celebrirten Hochamte assistirt und dann das
hochwürdige Gut, nachdem es proceßionaliter in der Kirche herumgetragen hätte
zur öffentlichen 40 stündigen Anbetung ausgesetzt. Er fungirt mit
unbeschreiblicher Würde und Majestät und hat eine herrliche Stimme. Über den
Verlauf der nächsten Feierlichkeiten werde ich nicht ermangeln zu berichten.
Euere Excellenz wollen mich nur auch ferner Ihrer Huld und Gnade würdigen, der
ich die Ehre habe mit der tiefsten Verehrung zu verharren
Rom, den 7. Dezember 1854
Euerer Excellenz unterthänigst gehorsamster Diener
J. Simor