János Simor an Leo Thun
Rom, 7. Dezember 1854
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Regest

János Simor berichtet Leo Thun von einigen Ereignissen in Rom. Zunächst spricht Simor seine Vermutung aus, dass der Domherr Johann Danielik wohl nicht mehr nach Rom reisen werde, da Kardinal Ján Scitovský bereits seine Abreise plane. In der Folge geht er auf die Rolle des Kardinals bei den Konkordatsverhandlungen ein. Simor betont dabei, dass Scitovský nach Einfluss strebe und sich nach außen als einflussreich gebärde. In Wirklichkeit, so glaubt Simor, hätten allerdings einige Kardinäle bereits erkannt, dass Scitovský für Auskünfte in Fragen des Konkordats nicht die beste Ansprechperson sei. Simor glaubt aber, dass Scitovský nicht als Feind des Konkordats anzusehen sei. In der Folge beschreibt und charakterisiert Simor den Dekan der Rota, Pietro Silvestri. Er schildert diesen als einen der reichsten Kirchenmänner in Rom. Silvestri genieße allgemein hohes Ansehen, stehe der konservativen Partei nahe, allein das Vertrauen des Papstes habe er nicht. Daher wurde sein Aufstieg in der Kurie gebremst. Seine Ernennung zum Kardinal soll erst in einigen Jahren erfolgen. Allerdings bestünde die Möglichkeit, dass der Kaiser ihn für das Amt des Kronkardinals vorschlägt. Dann müsste man aber einen geeigneten Nachfolger aus Österreich für seinen Posten in der Rota finden und dotieren. Simor möchte dieses Amt nicht übernehmen. Schließlich verweist er noch einmal auf die Aussagen aus seinem letzten Brief zur Dotierung der Kirche Santa Maria dell'Anima. Zuletzt berichtet er die Ankunft von Paul Marie Djunkovsky und des Olmützer Domherrn Lichnovsky. In seinem nächsten Brief will Simor dann die für den kommenden Tag geplante Feier der Dogmatisierung der Immaculata schildern.

Anmerkungen zum Dokument

Unter der Signatur A3 XXI D296 sind weitere sieben Briefe und Berichte Simors abgelegt:
János Simor an Leo Thun. Rom, 11. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 14. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 17. November 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 1. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 12. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 15. Dezember 1854.
János Simor an Leo Thun. Rom, 23. Dezember 1854.

Dem Brief sind die ersten beiden Seiten des Giornale di Roma, Nr. 277 vom 5. Dezember 1854 beigelegt, die eine Liste mit den in Rom anwesenden Kardinälen und Bischöfen enthalten.1

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DA79-8

Schlagworte

Edierter Text

Euere Excellenz!

Ich beeile mich das mir erst gestern in den Abendstunden zugestellte gnädige Schreiben Euerer Excellenz vom 23. November zu beantworten. Domherr D[anielik] wird, sollte er auch den Paß erhalten, nicht mehr nach Rom kommen. Über Aufforderung des Kardinals wollte er nur mit diesem oder höchstens nur während dessen Anwesenheit in Rom die Reise antreten. Da der Kardinal bereits Anstalten trifft zu seiner Rückreise, welche er den 26. dieses anzutreten und in Gran [Esztergom] den 5. Jänner einzutreffen gedenkt, um am folgenden hohen Festtage eine großartige kirchliche Feierlichkeit abhalten zu können, und da hievon der Domherr D. schon unterrichtet ist, so glaube ich mich nicht zu irren, wenn ich behaupte, er habe die Absicht hieher zu reisen bereits ganz aufgegeben. D. liebt die Bequemlichkeit viel mehr, als daß er sich in dieser Jahreszeit zu einer so weiten Reise entschließen könnte. Wollte er aber dennoch nach Rom kommen, so wäre ihm der Paß nicht zu verweigern, er würde und könnte auch nicht mehr so viel schaden als in der ersten Zeit, wo man noch den Kardinal nicht gekannt hat. Ich bin übrigens noch immer der Ansicht, daß es sehr zweckmäßig war, seine Reise mit dem Kardinal zu verbinden und so von diesem einen Hetzer und einen Anhaltspunkt fern zu halten, dessen sich schwache Menschen bedürfen. An dem Domherrn Schirgl hat der Kardinal einen solchen nicht, vielmehr muß ich zur Steuer der Wahrheit bezeugen, daß die Ansichten des Kardinals über das Concordat von diesem Domherrn durchaus nicht getheilt werden. Einige der einflußreicheren Kardinäle wissen übrigens bereits, daß die Auskünfte ihres ungarischen Collegen nicht ganz verläßlich sind und mir gelang es bei zweien diese Vorstellung über ihn festzustellen, ohne ihm sonst nahe zu treten, vielmehr ließ ich seinem Eifer und seiner Opferwilligkeit Gerechtigkeit wiederfahren. Dass er mit mir, seit wir in Rom sind, über das Condordat nie spricht, ja dieses Wort gar nicht erwähnt, brauche ich nicht erst zu bemerken. Der Kardinal schreibt eigenhändig ein Diarium über seinen Aufenthalt in Rom und schickt es bogenweise nach Gran, um daselbst ins ungarische übersetzt zu werden. An seinen Clerus hat er einen Hirtenbrief von hieraus erlassen über seine Ankunft und seinen Empfang durch den Heiligen Vater, welcher an ihn gleich in der ersten, dann in der zweiten und ebenso auch in der dritten Audienz über sehr wichtige Gegenstände gesprochen und an ihn hierüber „singulares quaestiones“ gestellt haben soll. Wenn er ein Gegner des Concordats ist, so ist er meiner Ansicht nach ein nicht zu befürchtender, daher so ziemlich unschuldiger Gegner. Was den Monsignor Silvestri anbelangt, so hält man ihn hier für den am reichlichsten dotirten Prälaten, weil er mehrere einträgliche Ämter bekleidet. Er ist nemlich Decanno der S. Rota, dann Vicepoenitentiarius des Papstes, endlich erster Domherr an der Basilica Lateranensis, welche bekanntlich die erste Kirche Roms und der katholischen Welt ist. Er wird allgemein in seinem jährlichen Einkommen auf 10–12.000 Scudi geschätzt, er steht folglich viel besser als die meisten Kardinäle. Er genießt hier des besten Rufes und gehört zu der conservativen Parthei, zu welcher er sich auch im Jahre 1848 bekannt hat. Bei dem Heiligen Vater soll er in keiner Gunst stehen, weil er ein Liebling des verstorbenen Papstes war und weil er von seinen politischen Gesinnungen nie ein Geheimnis machte. Als das Patriarchat von Venedig durch den Tod des Kardinals Monico erledigt wurde, glaubte man in Rom allgemein, Monsignor Silvestri und kein anderer werde Patriarch. Als Decan der Rota hat er nemlich den Rang eines Erzbischofs, hätte daher auf die gedachte Würde und Pfründe Anspruch machen können. Auf ein Bisthum wird er kaum sich transferiren lassen und so kann sein Posten nur durch die Beförderung zum Kardinal erledigt werden. Obschon er aber einen sogenannten Posto Cardinalizio einnimmt, so kann er doch vor 3–4 Jahren auf die Kardinalwürde keinen Anspruch machen und es hängt auch nach Verlauf dieser Zeit vom Papste ab, ihn auf diese Würde zu befördern, wenn es dem Heiligen Vater nicht gefällt ihn zu befördern, so kann er auch noch 10 Jahre, ja lebenslänglich diesen Posten bekleiden – ein Decano di S. Rota kann nur, aber er muß eben kein Kardinal werden. Der Papst wird motu proprio den Silvestri vor 3–4 Jahren nicht zum Kardinal machen, so sagen die Wohlunterrichteten – es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß er ihn zum Kardinal, d. h. zum Kronkardinal ernennen würde, wenn ihn Seine Majestät der Kaiser als solchen verlangt und auch dotirt. Dieses alles muß übrigens der Graf Esterházy besser wissen. Aber auch noch ein anderer Weg könnte eingeschlagen werden. Auch die Republik Venedig hat das Recht gehabt, einen Uditore de Rota zu ernennen, wie wäre es, wenn man versuchen wollte dieses unstreitig von Österreich ererbte Recht der Republik geltend zu machen und anstatt des einen 2 Uditori zu ernennen? Ich bin zwar nicht dafür, denn das würde mit Auslagen verbunden sein und es hieße „entia sine necessitate multiplicare“. Ich glaubte jedoch auch dieses allerdings im Wege der Diplomatie zu versuchende Auskunftsmittel anzuzeigen. Wenn die Beförderung des Silvestri zum Kronkardinal verlangt werden sollte, so wäre es vielleicht angezeigt ihn hievon früher zu verständigen. Nur müßte für diesen Fall sein Nachfolger mit vieler Sorgfalt ausgesucht werden. Es ist Euerer Excellenz bekannt, daß ich zu einem solchen bestimmt war, ich muß jedoch Euerer Excellenz erklären, daß ich die Eigenschaften für diesen Posten nicht besitze und ich werde in Wien die Ehre haben diese meine Behauptung mit richtigen Gründen zu belegen. Ich empfehle den in meinem letzten Briefe hinsichtlich des Rectorats der Kirche dell’Anima gestellten Antrag umso mehr, da es zu meiner Kenntnis gekommen ist, daß die hier weilenden deutschen Bischöfe bezüglich dieser deutschen Stiftung und deren Regelung an den Präses der Sagra Visita Kardinal Brunelli ein Memorandum überreichen wollen. Sie wollen zwar dem Protectoratsrechte Österreichs keinen Abbruch thun, allein mit dem Protectorate müssen auch wesentliche auf die Leitung des Institutes Bezug habende Rechte verbunden sein. Der Herr Erzbischof von Wien wird übrigens schon darüber wachen, daß das „Memorandum“ nicht zu unserem Nachtheile ausfällt. Morgen also ist der Tag, an welchem der Heilige Vater selbst die dogmatische Entscheidung über den Glauben der Kirche hinsichtlich der unbefleckten Empfängnis der Mutter Gottes verkündigen wird. Nach dem Pontificalamte wird er ein Bild der Heiligen Jungfrau krönen (die Krone kostete 7.000 scudi). Abends wird die S. Peterskirche auswärts vorzüglich die „Cupula“ wie auch die Stadt festlich beleuchtet werden. Am 9. wird ein großes Consistorium abgehalten, an welchem alle Kardinäle, Erz- und Bischöfe theilnehmen worden. Alle hier weilenden Erz- und Bischöfe sind pro Episcopis solio pontificio assistentibus declarirt worden. Am 10., d. h. am 2. Adventsonntage ist die feierliche Einweihung der im Jahre 1823 abgebrannten, aber bereits restaurirten großen Basilica S. Pauli außer den Mäuern der Stadt. Den Haupttheil consecrirt der Heilige Vater, die übrigen Teile zu derselben Zeit 6 Kardinäle, unter welchen sich jene zu Prag und zu Gran befinden. Erst nach diesen Feierlichkeiten wird eine gewisse Ruhe eintreten und der Herr Wiener Erzbischof Gelegenheit haben die Verhandlungen ernstlich zu betreiben.
Djunkovsky ist in Rom, ich weiß es nur von den Geistlichen des Kardinals von Gran, bei welchem er sich bald nach seiner Ankunft eingefunden hat. Schon von Wien wurde mir auch von 2 Seiten berichtet, daß er über mich und meine Anwesenheit in Rom sehr ungehalten ist, sonst weiß ich über sein hiesiges Wirken nichts Näheres. Auch wurde mir berichtet, daß ihm manche Bischöfe Österreichs über die Bureaucratie sehr geklagt und ihm fast unbedingtes Vertrauen geschenkt haben. Das heißt doch nicht klug und redlich zu handeln, ein solcher commis voyageur macht sich wichtig mit seinen Verbindungen in Rom, Paris und London und die schwachen Leute lassen sich von ihm in Schlepptau nehmen. Auch Monsignor Lichnovsky ist angekommen, es hat diesem Herrn viel Mühe gekostet, um Monsignor, d. h. Cameriere papale zu werden. Der gegenwärtige Erzbischof von Olmütz hat ihn auf seinem Gewissen, welcher ihm das herrlichste Zeugniß ausstellte, obschon er zu derselben Zeit erklärt haben soll, er hätte den Grafen Lichnovsky nie zum Priester geweiht. Ich erlaube mir das erste Blatt des „Giornale di Roma“ beizulegen, es enthält das Verzeichnis der sämmtlichen hier anwesenden Prälaten, nemlich der 54 Kardinäle, 1 Patriarchen, 42 Erzbischöfe und 92 Bischöfe. Gestern las ich die heilige Messe bei St. Peter im Vaticano und wohnte dann der stillen Messe des Heiligen Vaters bei, welche er vor den großen Reliquien celebrirte und unter welcher er mehr als 400 Individuen (bloß Männern) die heilige Communion darreichte. Ich opferte diese heilige Messe auf für meine Gönner und Freunde in Wien, derer ich übrigens alle Tage eingedenk bin. Am 1. Adventsonntage hat der Papst mit allen Kardinälen, Bischöfen und seinem Hofstaate dem von dem Münchner Erzbischofe celebrirten Hochamte assistirt und dann das hochwürdige Gut, nachdem es proceßionaliter in der Kirche herumgetragen hätte zur öffentlichen 40 stündigen Anbetung ausgesetzt. Er fungirt mit unbeschreiblicher Würde und Majestät und hat eine herrliche Stimme. Über den Verlauf der nächsten Feierlichkeiten werde ich nicht ermangeln zu berichten. Euere Excellenz wollen mich nur auch ferner Ihrer Huld und Gnade würdigen, der ich die Ehre habe mit der tiefsten Verehrung zu verharren

Rom, den 7. Dezember 1854

Euerer Excellenz unterthänigst gehorsamster Diener
J. Simor