Karl August Reisach an Leo Thun
Rom, 24. Mai 1859
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Regest

Kardinal Karl August Reisach wendet sich mit der Bitte an Leo Thun, die Ernennung eines neuen Rektors für die Kirche Santa Maria dell' Anima in Rom zu beschleunigen. Auf Drängen von Kardinal Othmar Rauscher habe er, als Protektor der Kirche, bereits einen Personalvorschlag gemacht. Er merkt aber an, dass er dabei keine Rücksicht auf Österreicher nehmen konnte, weil er den österreichischen Klerus nicht kenne. Der von ihm vorgeschlagene, aber nicht genannte Kandidat besitze alle notwendigen Eigenschaften. In diesem Zusammenhang äußert sich Kardinal Reisach auch über das problematische Verhältnis von Protektor und Rektor der Kirche. Er hofft jedoch, dass ihm sein Vorschlag nicht verübelt werde, da er nur im Interesse der Anima handelte.

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Euer Exzellenz!1

Werden mir erlauben, daß ich als Protector des deutschen Hospitiums St. Maria de Anima mich mit der Bitte an HochSie wende, die Ernennung des neuen Rectors so viel möglich zu beschleunigen. Euer Exzellenz werden wohl von Seiner Eminenz Herrn Kardinal Rauscher vernommen haben, daß ich auf sein Begehren einen Personalvorschlag gemacht habe, bei welchem ich freilich keine Rücksicht auf geborene Östreicher nehmen konnte, weil ich auch nicht die geringste Kenntnis von dem östreichischen Clerus habe. Ich ließ mich dabei einzig von der Überzeugung bestimmen, daß der von mir Benannte alle jene Eigenschaften besitzt, welche mir für die Stelle nothwendig scheinen, und es mir, der ich ihn vollkommen kenne, erleichtern würde, für das Gedeih der ganz neu zu gründenden Anstalt mein Möglichstes zu thun. Bei den hiesigen Verhältnissen hängt dieses Gedeihen hauptsächlich davon ab, daß zwischen den Obern der Anstalt ein vollkommenes Einverständnis in Ansichten und Handeln bestehe und gegenseitiges Vertrauen stattfinde. Die Stellung eines Protectors wird nicht nur eine höchst schwierige, sondern gar leicht eine hemmende oder schädliche, wenn er sich nicht ganz auf die Person verlaßen kann, welcher die unmittelbare Leitung der Anstalt übertragen ist. Deshalb wird man es mir nicht verübeln, daß ich bezüglich des ersten Rectors des unter mir zu einem neuen Leben zu erweckenden Institutes meine Wünsche ausgesprochen habe und dabei meiner persönlichen Kenntnis von den Eigenschaften einer Person gefolgt bin, welche mir so lange Jahre nahe stand, in deren kluges, thätiges im höchsten Grade uneigennütziges und allein das Wohl der ihr anvertrauten Anstalt verfolgendes Wirken mich selbst in meiner bischöflichen Thätigkeit auf’s kräftigste unterstützt hat. Ich bin weit entfernt zu glauben, daß sich in dem so zahlreichen Clerus von Oestreich nicht Männer finden, welche dieselben Eigenschaften besitzen. Ich kenne sie nicht und werde daher auch keineswegs fordern können, daß man nur auf meinen Wunsch Rücksicht nehme. Einer so erleuchteten Regierung aber, welche gerade bezüglich der Anima gezeigt hat, daß sie allein das Wohl der Kirche in dem gesammten Deutschland ein Auge habe, glaubte ich ungescheut einen Vorschlag machen zu können, durch dessen Berücksichtigung jeder Schein entfernt würde, als sollte die Anima nur blos östreichisches Institut sein. Seit langen Jahren mit den römischen und den deutschen Verhältnissen aus eigener Erfahrung vertraut glaube ich die Eigenschaften wohl ermessen zu können, welche der zu ernennende Rector besitzen muß; ich glaubte sie in der von mir benannten Person vereinigt zu finden und deshalb habe ich dieselbe vorgeschlagen.
Es drängte mich, Euer Exzellenz mit aller Offenheit den Sachverhalt darzulegen und HochSie zu versichern, daß ich mit vollkommenem Vertrauen in die Weisheit Seiner kaiserlichen Majestät und seiner Rathgeber einer Entscheidung entgegensehe.
Genehmigen Euer Exzellenz die Versicherung der ausgezeichnetsten Hochachtung, mit der ich die Ehre habe mich zu nennen

Euer Exzellenz

ganz ergebenster
K. A. Kard. v. Reisach

Rom, den 24. Mai 1859