Regest

Der Bischof von Limburg, Peter Josef Blum, empfiehlt dem Wiener Erzbischof einen gewissen Alois Boczek, den Überbringer dieses Schreibens. Dieser stammt aus Mähren und war bis zu seiner Wahl in die Frankfurter Paulskirche im Jahr 1848 österreichischer Beamter. Er gehörte dort zunächst der demokratischen Linken an, wandte sich jedoch rasch von dieser ab. Dennoch blieb er auch nach den Septemberunruhen in Frankfurt und verlor dadurch seinen Posten in Österreich. Seither war er als Redakteur der konservativen Nassauischen Allgemeinen Zeitung tätig und hat diese umsichtig geleitet und dabei stets im Sinne Österreichs und der Kirche agiert. Nun wurde Boczek jedoch des Herzogtums Nassau verwiesen und ist auf der Suche nach einer neuen Stelle. Er bittet daher Erzbischof Rauscher, sich des Mannes anzunehmen und ihm bei der Suche nach einem neuen Posten in Österreich behilflich zu sein.

Anmerkungen zum Dokument

Schlagworte

Edierter Text

Hochwürdigster Herr Fürsterzbischof,
Gnädigster Herr!

Euer Fürsterzbischöflichen Gnaden persönlich bekannt zu sein, habe ich zwar nicht die Ehre; gleichwohl glaube ich, gestützt auf Hochdero bekannte warme Theilnahme an den Geschicken der Kirche in diesen Gegenden und Ihre vielbewährte menschenfreundliche Gesinnung, Hochihrem gnädigsten Wohlwollen den Überbringer dieses, Herrn Dr. A[lois] Boczek ganz ergebenst empfehlen zu dürfen.
Derselbe ist österreichischer Unterthan und stand früher im kaiserlichen Staatsdienste, bis er als Parlamentsglied 1848 nach Frankfurt kam, in welcher Eigenschaft er zwar anfangs unter den damaligen berückenden Einflüssen sich zu den Tendenzen der sogenannten Linken bekannte, aber schon zur Zeit des Septemberaufstandes correctern Gesinnungen sich öffnete und fortan zu der großdeutschen Partei sich hielt. Irriges Ehrgefühl verleitete ihn dazu, trotz der Abberufung der kaiserlichen Regierung in Frankfurt zu bleiben, wodurch er seinen Posten einbüßte und in die Lage gerieth, sich fernerhin seinen Lebensunterhalt als Literat verdienen zu müssen. Dies brachte ihn nach Nassau, wo er seit mehrern Jahren das einzige conservative Blatt des Herzogthums, die Nassauische Allgemeine Zeitung, redigirte und zwar im besten Geiste. Entschieden österreichisch gesinnt, kämpfte er seinerzeit in diesem Blatte auf das Nachdrückliste für die Zolleinigung, welche eine mächtige Partei hierzuland wie anderwärts heftig anfeindete. Als dann später der Kirchenstreit ausbrach, nahm er sich mit aller Entschiedenheit, jedoch stets in der rücksichtsvollsten Weise des gebeugten Rechts der Kirche an. Es war dies umso wichtiger für uns nassauische Katholiken, als wir uns täglich den giftigsten Angriffen der im Lande erscheinenden radicalen Blätter und des benachbarten Frankfurter Journals ausgesetzt fanden. Ohne die verdienstlichen Bestrebungen des Herrn Dr. Boczek würde während des noch nicht beigelegten Kirchenconflictes die Stimme des Rechtes und der Wahrheit im Herzogthume ganz unvertreten gewesen sein. Die Leiter der kirchenfeindlichen Partei haben dies auch sehr wohl erkannt und seit langem einen heftigen Haß auf Dr. Boczek und die von ihm redigirte Nassauische Allgemeine Zeitung geworfen, der Art, daß über dieses Blatt nach mehrern vorangegangenen Maßregelungen zuletzt trotz der gesetzlich bestehenden Preßfreiheit eine förmliche Polizeicensur verhängt wurde, um zu verhüten, daß sich dasselbe irgendwie über die Kirchenfrage ausspreche. Die betreffenden protestantischen Ministerialbeamten wußten nämlich wohl, daß eine solche Verfügung das Blatt zugrunde richten und damit dem Herrn Boczek seine Existenz in Frage stellen würde. Dies ist nun auch, und zwar in der brutalsten Weise geschehen, indem das Ministerium soeben den Herrn Dr. Boczek des Landes verwiesen hat, weil derselbe in diesen Tagen in seinem Blatte jene bekannten Nachrichten über eine zu hoffende Ausgleichung in Baden und Hessen hatte nachdrucken lassen, welche andere Blätter längst zuvor gebracht hatten! Und das geschieht zur nämlichen Zeit, wo das officielle Regierungsorgan, das allgemeine Intelligenzblatt des Herzogthums, welches alle Behörden und Gemeinden des Landes halten und bezahlen müssen, Artikel zur Verherrlichung eines zur Reformationszeit besonders kirchenfeindlich gewesenen nassauischen Dynasten bringt, in welchem Luther, der lüderliche Ulrich von Hutten und der beutelustige Vertreter des Faustrechtes, Franz von Sickingen, für die größten Männer der deutschen Nation erklärt werden!
Dr. Boczek ist nun durch den Ausweisungsbefehl in eine ganz trostlose Lage versetzt, da er seine Existenz einbüßt und seine Familie vorerst in Wiesbaden einen getrennten Haushalt fortführen lassen muß. Er will sich dieser Tage nach Wien begeben und versuchen, ob er vielleicht dort oder überhaupt in seinem großen Vaterlande mit Gottes Hülfe sich wieder eine Existenz begründen könne. Dies wird ihm aber nur gelingen, wenn einflußreiche Persönlichkeiten sich seiner mildherzig annehmen und seinen Bestrebungen ihre Protection angedeihen lassen. Auf seine Bitte geschieht es, daß ich in wohlverdienter Würdigung der preiswürdigen Gesinnungstüchtigkeit, mit welcher er den kirchlichen Interessen auf jede Gefahr hin zu dienen bestrebt war, Euer Fürsterzbischöfliche Gnaden um Hochihre werthvolle Theilnahme für den hartheimgesuchten Mann auf das Angelegentlichste bitte. Hochihre gewichtige Fürsprache wird es wohl am ehesten erreichen, daß derselbe vielleicht wieder in den Staatsdienst aufgenommen wird, in welchem er seinem allergnädigsten Kaiser und Herrn gewiß treu und eifrig zu dienen bemühet sein würde oder aber sonst durch angemessene literarische Beschäftigung sein Unterkommen findet. Übrigens bin ich weit davon entfernt, mir über die Art der Bethätigung Hochihrer gnädigsten Theilnahme eine weitere Andeutung erlauben zu wollen; mir genügt es, meinen Clienten Euer Fürsterzbischöflichen Gnaden zu hochgeneigter Huld empfohlen zu haben und zu wissen, daß Hochdieselben allen Bedrängten nach dem Antriebe Ihres edeln Herzens gerne so viel als möglich beistehen, namentlich wenn sie, wie Dr. Boczek, wegen unserer heiligen Religion verfolgt werden.
Ich bitte Euer Fürsterzbischöflich Gnaden sehr um nachsichtige Beurtheilung der Freiheit, welche ich mir in Anbetracht der Umstände nehmen zu dürfen geglaubt habe, und ergreife mit besonderm Vergnügen diese Veranlassung Hochdenselben die innige Verehrung auszudrücken, welche ich, durch Ihre ansprechenden schriftstellerischen Leistungen schon längst zu Ihnen hingezogen, in ausgezeichnetem Maße gegen Euer Fürsterzbischöfliche Gnaden fühle und mit welcher ich zu zeichnen die Ehre habe

Euer Fürsterzbischöflichen Gnaden
ganz gehorsamster Diener
Peter Joseph, Bischof von Limburg

Limburg an der Lahn im Herzogthum Nassau, den 23. August 1854