Der Statthalter von Tirol, Cajetan Bissingen, kommt der Bitte Thuns nach, ihm einige Informationen über Karl Georg Wächters Verhalten im Jahr 1848 zu verschaffen. Bissingen schreibt, dass er Wächter in der Württembergischen Abgeordnetenkammer kennengelernt habe, dessen Präsident jener war. Wächter war stets regierungsfreundlich, wenngleich er nicht jede Maßnahme der Regierung billigte. Daher genoss er sowohl bei Hof als auch beim Volk hohes Ansehen. Als dann im Jahr 1848 die Opposition – besonders jene von Professoren und Gelehrten – stärker wurde, verdächtigte man Wächter der Servilität. Gleichzeitig fiel er bei Hof in Ungnade, so dass er seine Staatsämter niederlegte und wieder auf seine Professur zurückgekehrte. Ob er tatsächlich, wie das Gerücht besagt, das Amt eines Ministers anstrebte, kann Bissingen nicht sagen. Als Professor habe er jedoch Großes geleistet, als Politiker konnte er nicht immer seine feste Haltung bewahren. Auch in der Frankfurter Paulskirche habe er sich jedoch als entschieden konservativ gezeigt. Bissingen würde eine Berufung von Wächter nach Österreich daher begrüßen. Zuletzt versichert Bissingen dem Minister, dass er sich der Angelegenheit von Karl Dantscher in Innsbruck nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub annehmen werde.
Hochgeborner Graf!
Eurer Exzellenz vertrauliche Frage wegen Wächters Benehmen im Jahre 1848 beehre ich mich in folgendem zu
beantworten.
Wächter war
damals, und zwar schon seit mehreren Jahren, Praesident der Würtemberg'schen
Abgeordnetenkammer und hatte sich auch als solcher einen Ruf erworben. Als
Mitglied dieser Kammer hatte ich Gelegenheit, ihn näher kennen zu lernen und ich
bewunderte mit Vielen seine Gabe der Leitung, insbesondere die ihm ganz eigene
Gabe, die schwierigsten verwickelsten Debaten mit großem Scharfsinne in wenigen
ganz einfachen Fragepunkten zur Entscheidung zu bringen. Er war stets
regierungsfreundlich gesinnt (im eigentlichen Sinne des Wortes, aber nicht in
jenem, als ob er mit einzelnen Regierungsmaßregeln sich immer und unbedingt
einverstanden erklärt und gerade mit allen Regierungsorganen sympathisirt
hätte). Sein eminenter Geist, sein tiefes Wissen, seine gefälligen Formen
machten ihn in allen Kreisen der Gesellschaft beliebt und auch bei Hof war er
stets sehr gerne gesehen.
Das Jahr 1848 konnte den Praesidenten einer Kammer
nicht unberührt lassen. Die nun immer weiter und weiter gehende
Oppositionspartei, die auch in Würtemberg so manche Gelehrte und Professoren
zählte, verdächtigte ihn der Servilitaet, während gerade die nähere Stellung zu
seinen eigentlichen Berufscollegen, mit denen er theilweise auf
freundschaftlichem Fuße stand, so wie seine nun etwas schwankende Haltung als
Kammerpraesident ihm die Gunst des Hofes entzog, wenigstens schien es, daß der
Hof damals ihn nicht mehr mit der frühern Auszeichnung beehrte, ihm nicht mehr
das frühere Vertrauen schenkte.
Wenn die Wahl eines andern
Kammerpraesidenten im Jahre 1848 wohl in der Natur der Sache lag, so mag die
veränderte Stellung zum Hofe Wächter, dessen Ehrgeitz durch eine mehr hervorragende soziale
Stellung geschmeichelt sein mochte, ihn wesentlich zum Austritte aus dem
Staatsdienste (als Kanzler der Universität
Tübingen) veranlaßt haben.
Zunächst schien nach dem damaligen
Gerüchte Wächters Betheiligung an
den Vorverhandlungen über den Wechsel des Ministeriums die Ungnade bei Hofe ihm
zugezogen zu haben. Er sei damals vom Prinzen Friedrich ins Vertrauen gezogen worden und das Publikum
verdächtigte ihn selbst des Strebens nach einem Portefeuille. Was an diesem
Gerede, deren gerade in jener bewegten Zeit so viele waren, Wahres gewesen, weiß
ich nicht, aber allgemein war die Ansicht, er habe am klügsten gethan, wieder
ganz zur Professur rückzukehren, in welcher er Ausgezeichnetes geleistet habe
und Ausgezeichnetes leisten werde, während er in einer politischen Stellung wie
jene eines Kammerpraesidenten des Jahres 1848 offenbar nicht die gehörige
Festigkeit in seiner ganzen Haltung beobachtete.
Deßhalb lassen sich aber
seine politischen Ansichten und Grundsätze nicht in Verdacht ziehen, was er denn
auch als Mitglied des Fünfziger Ausschußes in Frankfurt,
wo er entschieden zur conservativen Partei, <wenn gleich auch er eine
deutsche Einheit damals gewünscht haben mag,>1 gehörte, bewährte. Uebrigens soll sich später
auch das Verhältniß Wächters zum
Würtembergischen Hofe wieder ausgeglichen haben.
Ich könnte Wächters Acquisition in den beiden
bezeichneten Fächern für Oesterreich nur
eine glückliche nennen. Er ist eine Autorität, ein Mann von ehrenhaftem
Charakter und loyalen Ansichten. Als praktischer Staatsmann wäre er weniger am
Platze.
Nachweise für diese Notizen wüßte ich keine anzudeuten als die
gedruckten Würtemberg'schen Kammerverhandlungen incl. des Jahres 1848.
Wie
ich vom Urlaube zurückgekehrt sein werde, werde ich mir Dantschers Lokalitäten Desiderium ganz
besonders angelegen sein lassen.
Genehmigen Ew. Exzellenz die Versicherung
meiner ausgezeichneten Hochachtung.
Eurer Exzellenz
ergebenster
Bißingen
Schramberg in Würtemberg, 22. September 1854