Der Beamte und Historiker Rudolf Kink informiert den Minister, dass er eine Versetzung nach Venedig anstrebt. Der Statthalter in Venedig, Graf Bissingen, hat ihm die dortige Stelle des Unterrichtsreferenten angeboten. Kink gesteht allerdings, dass er lieber nach Wien in das Unterrichtsministerium zurückkehren möchte, jedoch sei sein vorrangiger Wunsch, Triest zu verlassen. Kink bittet Thun daher, seine Versetzung nach Venedig bzw. eine eventuelle spätere Rückkehr nach Wien zu unterstützen.
Euere Exzellenz!
Bei meiner Rückkehr nach Triest wurde ich auf der
Durchreise durch Venedig von dem Herrn
Statthalter Grafen von Bissingen
aufgefordert, mich zu erklären, ob ich die Unterrichtsreferentenstelle in Venedig an Martelli’s
statt übernehmen wolle.
Obgleich nun mein Wunsch nicht nach Venedig
und überhaupt nach Italien, sondern wie Euer
Exzellenz wohl bekannt ist, auf die baldmögliche Rückkehr nach Wien
gerichtet ist und obgleich ich wohl weiß, daß mit dieser Stelle, welche eine
genaue Personalkenntnis und ein taktvolles Vorgehen erheischt, mancherlei
Schwierigkeiten, besonders für den Anfang, verknüpft sind, so überwog doch die
Betrachtung, daß mein Wirkungskreis in Triest mir je länger je
weniger zusagen kann. Das Volksschulwesen ist in den Händen des Schulrathes Laukotsky sehr gut aufgehoben;
die Gymnasien geben, einzelne Ausnahmen abgerechnet, den Referenten wenig zu
schaffen. Auch die nautische Akademie ist, wie ich mich täglich mehr überzeuge,
bei Littrow – einzelne
Übereilungen und Ausschreitungen abgerechnet – in sehr guten Händen; sie wird
gewiß in Kurzem überraschende Forstschritte zeigen. Ich bin Herrn von Littrow das Zeugnis schuldig. Daß
diese Fortschritte kommen, dazu kann ebenfalls wieder der Referent nur sehr
mäßig beitragen. In wissenschaftlicher Hinsicht kann ich hier nicht nur selbst
nichts thun, sondern auch nicht einmal irgendwo oder auf irgend Jemand Einfluß
nehmen. Beides, hoffe ich, kann sich in Venedig günstiger gestalten.
Ich gab
daher dem Herrn Statthalter meine Einwilligung und erhielt die Nachricht, daß
sein Vorschlag sogleich und ohne die Genehmigung der von Martelli eingereichten Pensionirung erst
abzuwarten, schon ablief.
Da ich nun bei meinem letzten Aufenthalte in Wien Eurer Exzellenz die Bitte um die Übersetzung zur
niederösterreichischen Statthalterei vorbrachte, so halte ich mich verpflichtet,
von dem obigen Vorgange die Anzeige zu machen, damit es nicht den Anschein habe,
als ob ich bei zweierlei Thüren zugleich habe anklopfen wollen. Dies ist
wahrlich nicht der Fall, ich kann vielmehr beifügen, daß, wenn die Übersetzung
nach Wien möglich wäre, ich
dieselbe jedenfalls jener nach Venedig vorziehen würde.
Überdies hatten Eure Exzellenz selbst einmal den Wunsch, nach Venedig
überzutreten, rücksichtlich meiner ausgesprochen.
Ich darf mir daher wohl
erlauben, auch für diesen Fall um Euer Exzellenz gnädige Unterstützung zu bitten
und hiebei auch die schon einmal gestellte Bitte zu wiederholen, daß Eure
Exzellenz mich nicht für immer in Italien lassen und dort
vergessen mögen.
In tiefer Verehrung
Eurer Exzellenz
gehorsamster Diener
Rudolf
Kink
Triest, 18. Juli 1858