Joseph Alexander Helfert an Leo Thun
Wien, 29. September 1853
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Regest

Unterstaatssekretär Joseph Alexander Helfert bittet den Minister um Auskunft in einigen Angelegenheiten und informiert ihn über die Situation im Ministerium. Zunächst bittet er Thun, möglichst rasch zu entscheiden, wie in der Frage der Rezension von Vaclav Tomeks Buch vorzugehen sei. Er befürchtet nämlich, dass Thun seinen Vorschlag und die bisher getroffenen Vorkehrungen nicht gut heiße. Hinsichtlich der Vertretung für einen Prüfer in der Kommission für die Realschulen vertritt Helfert die Ansicht, dass ein solcher Posten nur von einem Fachmann bekleidet werden könne. Deshalb schlägt er die Professoren Albert Jäger und Joseph Aschbach vor. Überdies informiert Helfert Thun, dass der leitende Redakteur der Oberpostamtszeitung ihm versprochen habe, in Zukunft auf Kritik an den Reformen des Unterrichtswesens und die Maßnahmen des Ministeriums zu verzichten. Umgekehrt versicherte Helfert dem Redakteur, nicht gegen die Zeitung, wohl aber gegen deren Korrespondenten Georg Emanuel Haas mit rechtlichen Schritten vorgehen zu wollen.

Anmerkungen zum Dokument

Verweis auf A3 XXI D232.

Verweis auf A3 XXI D233.

Verweis auf A3 XXI D227.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DBC2-3

Schlagworte

Edierter Text

Euer Exzellenz!

Ich möchte recht sehr bitten, mir in Sachen der Gymnasialzeitschrift die verheißene Weisung möglichst bald zukommen zu lassen. Ich muß aus dem Stillschweigen Eurer Exzellenz bald fürchten, daß ich keine Genehmigung der von mir getroffenen Maßregeln hoffen darf, was mich bei dem Umstande, als ich, wie ich glaube, mit allem Grunde wie mit aller Schonung (nämlich nach vorhergehabter fruchtloser mündlicher Vorstellung und ohne die Sache in die Acten zu nehmen) gegen die Redaction vorgegangen bin, für jeden künftigen Fall, wo ich die Interessen des Ministeriums zu verfechten mich veranlaßt fände, sehr beirren und einschüchtern müßte. Ich erlaube mir daher die Bitte, mich geneigtest aus diesem Zweifel ehebaldigst reißen zu wollen, indem ich nur noch beifüge, daß das später von mir eingesandte Concept einer Antikritik von Tomek selbst eine Bestimmung hatte, die es jetzt in unveränderter Form nicht wird erfüllen können, daher ich es mehr nur zur Beurtheilung des einzuhaltenden Gedankenganges überhaupt geschickt habe.
Was Kinks Lamento und Bitte pcto. Prüfungscommissärstelle für Realschulen betrifft, so findet solches Feil, mit dem ich darüber sprach, vollkommen begründet. Nach seiner Ansicht könne man füglich die gehörige Verteilung dieses Postens nur von einem Professor verlangen, dessen Pflicht und Beruf es ist mit der Literatur der Wissenschaft in ganzem Umfange auf gleicher Höhe zu stehen; ein Specialist, was jeder andere, der nicht Professor immer mehr oder weniger sei, könne nicht ausreichen und laufe Gefahr und müsse fürchten, sich vor dem gewiß häufig mit der neuesten Literatur vertrauten Candidaten eine unangenehme Blöße zu geben. Es wären daher, nach Feils Ansicht, für diese Stelle nur zwei Männer in Beachtung zu ziehen: nämlich – da Prof. Kaiser nicht in Anschlag zu bringen und wegen seiner bei jeder Gelegenheit unverhohlen geäußerten antiministeriellen Gesinnung nicht würdig ist – Prof. Jäger und Aschbach. Da mir aber Jäger vielseitig beschäftigt ist, Aschbach aber wohl vorerst einer Orientirung in den hiesigen Verhältnissen bedürfen wird, so wäre vielleicht, wie ich mir unvorgreiflich vorzuschlagen erlaube, ein derartiges Arrangement zu treffen, daß Jäger vorläufig durch den ersten Curs die Verpflichtung übernähme (er wird jetzt durch Aschbachs Eintritt ohnedies in etwas erleichtert), vom zweiten Semester an aber Aschbach definitiv als Prüfungscommissär eintrete.
In der Bibel steht geschrieben: Es ist mehr Freude im Himmelreich über einen Sünder, der Buße thut, denn über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. Dieser Tage war Schönherr, Redacteur der Oberpostamtszeitung (beiläufig gesagt, wegen des Unger betreffenden Artikels hat das Preßcomité bereits Schritte gethan) bei mir, zerknirscht und gefügig; bei seiner Anwesenheit aus Anlaß des Katholikenvereines habe er sich in vielem eines bessern belehrt, die Dinge aus anderem Auge anzusehen gewöhnt; er sehe ein, sein Correspondent sei zu weit gegangen; über Ungers Antiredaction sei er erst hier besser aufgeklärt worden; er habe bereits nach Augsburg geschrieben, daß in seiner Abwesenheit nichts aufgenommen werde; er sei willens überhaupt jetzt bis zur Festsetzung des Definitivums über österreichische Schul- und Studiensachen nichts mehr einrücken zu lassen, dagegen gerne bereit, jede vom Ministerium ihm zukommende Aufklärung und Notiz aufzunehmen usw. Gegen dieses Versprechen gab ich ihm hinwiederum die Versicherung einstweilen jeden gegen die Zeitung (nicht gegen Dr. Haas) zu richtenden Schritt zu unterlassen, was ich umso leichter thun konnte, als mir inzwischen Nachrichten von der bei der O. Polizeibehörde diesfalls herrschenden Stimmung zugekommen waren.
Ich bitte Eure Exzellenz um gütige Entschuldigung für das im Eingange meines Schreibens Gesagte. Aber ich fange an kleinmüthig zu werden; seit mir erst heute wieder ein aus nächster Nähe über mich gefälltes Urtheil zugetragen wurde, wozu ich, des aufrichtigsten Wollens und Strebens mir bewußt, nicht den entferntesten Anlaß gegeben habe und was ich, wenn Euer Exzellenz es wünschen sollten, nicht ermangeln werde mündlich zur geneigten Kenntnis zu bringen.
Genehmigen Eure Exzellenz den Ausdruck der ergebensten Hochachtung und Verehrung

Ihres

gehorsamsten
Helfert

Wien, am 29. September 1853