Julius Ficker an Leo Thun
Innsbruck, 1. Mai 1854
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Regest

Der Historiker Julius Ficker teilt Leo Thun mit, dass er den angekündigten Ruf an die Universität Bonn erhalten habe. Er gesteht, dass er nicht abgeneigt sei, den Ruf anzunehmen, allerdings möchte er vorher eine Stellungnahme Thuns dazu einholen. Ficker würde zwar gern in Innsbruck bleiben, aber er und seine Freunde befürchten, dass bei seiner Ablehnung die Professur einem Protestanten übertragen werde. Zudem habe seine Mutter mehrfach den Wunsch geäußert, er möge in die Heimat zurückkehren. Ficker betont, dass er Innsbruck nur schweren Herzens verlassen würde, zumal er noch wenig Zeit hatte, das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. Er bittet Thun daher nochmals um Verständnis für seine Situation. Ficker versichert Thun außerdem, dass er sich weiterhin – nötigenfalls auch aus der Ferne – am Aufbau der österreichischen Geschichtswissenschaft beteiligen wolle.

Anmerkungen zum Dokument

Eh. Konzept von Julius Ficker.

Die zahlreichen abgekürzten Worte im Konzept wurden stillschweigend aufgelöst.

http://hdl.handle.net/21.11115/0000-000B-DC43-2

Schlagworte

Edierter Text

Innsbruck, 54. Mai 1.

Euer Exzellenz

Beeile ich mich mitzutheilen, daß mir durch Vermittlung meines Schwagers heute aus dem preußischen Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten die Anfrage zukam, ob ich bereit sei, eine ordentliche Professur zu Bonn mit 900 Thaler Gehalt zu übernehmen und ich zugleich umgehend um Antwort ersucht wurde.
Nach bestem Erwägen und im Hinblicke auf das Schreiben das ich unter dem 28. vorigen Monats1 Euer Exzellenz zu schicken mir erlaubte, glaubte ich antworten zu müssen, daß ich zwar im allgemeinen nicht abgeneigt sei, auf jenes Anerbieten einzugehen, daß es mir aber nicht möglich sei, ein dahin gehendes Versprechen abzugeben, ohne die gnädige Rückäußerung Euer Exzellenz für meine zu machende Mittheilung abgewartet zu haben. Meine ganze Lage ist nun wohl derart, daß ich trotz meines Wunsches, in Innsbruck und Österreich zu bleiben, ein Ablehnen jenes Anerbietens kaum zu rechtfertigen wüsste. Zu dem, was ich darüber in meinem früheren Schreiben zu sagen mir erlaubte, kommt noch eine mir gleichzeitig zugegangene dringende Bitte meiner Mutter, die abzuschlagen ich mich nur schwer entschließen dürfte. Es kommt dazu weiter die begründete Aussicht, daß falls ich ablehne, jene Professur in einer meinen Freunden und Gesinnungsgenossen in der Heimath wenig zusagender Weise besetzt werden möchte. Auch die mir gemachten Anerbietungen gaben mir keinen Grund zum Ablehnen. Denn so wenig ich gerade in diesem Fall meine Annehmung oder Ablehnung von der Höhe des mir angebotenen Gehaltes hätte abhängig machen mögen, so bestimmt war ich doch entschlossen, die Stelle abzulehnen, wenn sie[sic!] mir, – wie ich Grund hatte zu glauben – Bedingungen geboten wären, die hinter den mir hier gewordenen irgendwie zurückblieben, da ich darin eine Missachtung meiner jetzigen Stellung zu erblicken befugt gewesen wäre.
Mit so schwerem Herzen ich nun aus diesem Lande scheiden müsste, wo ich mit so vielem Wohlwollen aufgenommen bin, wo ich leider nur so kurze Zeit und diese durch längere Abwesenheit unterbrochen mich bestreben durfte, dem in mir gesetzten Zutrauen nach Kräften zu entsprechen, so bleibt mir doch wohl nichts übrig, als gehorsamst anzufragen, ob von Seiten Euer Exzellenz nichts im Wege stehe, daß ich mich bindend bereit erkläre, die Professur zu Bonn zu übernehmen, und ob ich im Falle des Abschlusses der Verhandlungen einer gnädigen Entlassung aus dem österreichischen Staatsdienste entgegensehen dürfte.
Nur schwer würde ich mich entschloßen haben können, in dieser Weise auf den in Euer Exzellenz gnädigem Schreiben vom 4. vorigen Monats2 ausgedrückten Wunsch zu antworten, wenn ich nicht glaubte hoffen zu dürfen, daß Euer Exzellenz meinen Gründen Ihre Anerkennung nicht versagen werden, und wenn ich nicht bereits damals, als ich aus Gelegenheit meiner Berufung nach Innsbruck die Ehre einer persönlichen Unterredung mit Euer Exzellenz hatte, auf d. besonderen [?] die mich nach an die Bonner Universität knüpfen und die Eventualitäten, die eine baldigen Vakanz der Stelle des Herrn Prof. Aschbach für mich mit sich bringen könnte, hinzuweisen mir erlaubt hätte.
Sollte sich nun die Sache so gestalten, daß ich wirklich meine Professur zu Innsbruck aufgeben müsste, so würde es wenigstens bei den in Österreich angeknüpften Verbindungen und dem theilweise[?] geänderten Gange meiner Studien mein eifrigstes Bestreben sein, auch ferner an dem so erfreulichen Aufblühen der historischen Wissenschaften in Österreich in so weit teilzunehmen, als mir solches aus der Ferne durch schriftstellerische Thätigkeit noch möglich sein würde.
Sollte dagegen bei meiner Ablehnung der augenblicklich festen Zusage das preußische Ministerium seine Anerbietung zurückziehen oder selbst sich im Laufe der Verhandlung Umstände ergeben, die mich berechtigen, die Stelle abzulehnen, so würde ich Euer Exzellenz, insofern ich mich deren Wohlwollens und Zutrauens noch zu erfreuen hätte, bitten, mich in meiner bisherigen Stellung zu bestätigen, in der ich das zufriedenste Jahr meines Lebens verlebte und die aufzugeben mich nur Pflichtgefühl bestimmen könnte.

Einer gnädigen Rückäußerung harrend