Der Historiker Julius Ficker teilt Leo Thun mit, dass er den angekündigten Ruf an die Universität Bonn erhalten habe. Er gesteht, dass er nicht abgeneigt sei, den Ruf anzunehmen, allerdings möchte er vorher eine Stellungnahme Thuns dazu einholen. Ficker würde zwar gern in Innsbruck bleiben, aber er und seine Freunde befürchten, dass bei seiner Ablehnung die Professur einem Protestanten übertragen werde. Zudem habe seine Mutter mehrfach den Wunsch geäußert, er möge in die Heimat zurückkehren. Ficker betont, dass er Innsbruck nur schweren Herzens verlassen würde, zumal er noch wenig Zeit hatte, das in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. Er bittet Thun daher nochmals um Verständnis für seine Situation. Ficker versichert Thun außerdem, dass er sich weiterhin – nötigenfalls auch aus der Ferne – am Aufbau der österreichischen Geschichtswissenschaft beteiligen wolle.
Eh. Konzept von Julius Ficker.
Die zahlreichen abgekürzten Worte im Konzept wurden stillschweigend aufgelöst.
Innsbruck, 54. Mai 1.
Euer Exzellenz
Beeile ich mich mitzutheilen, daß mir durch Vermittlung meines Schwagers heute aus dem preußischen
Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten die Anfrage zukam, ob
ich bereit sei, eine ordentliche Professur zu Bonn mit 900 Thaler Gehalt zu übernehmen und ich zugleich
umgehend um Antwort ersucht wurde.
Nach bestem Erwägen und im Hinblicke auf
das Schreiben das ich unter dem 28. vorigen Monats1 Euer
Exzellenz zu schicken mir erlaubte, glaubte ich antworten zu müssen, daß ich
zwar im allgemeinen nicht abgeneigt sei, auf jenes Anerbieten einzugehen, daß es
mir aber nicht möglich sei, ein dahin gehendes Versprechen abzugeben, ohne die
gnädige Rückäußerung Euer Exzellenz für meine zu machende Mittheilung abgewartet
zu haben. Meine ganze Lage ist nun wohl derart, daß ich trotz meines Wunsches,
in Innsbruck und Österreich zu bleiben, ein Ablehnen jenes Anerbietens kaum zu
rechtfertigen wüsste. Zu dem, was ich darüber in meinem früheren Schreiben zu
sagen mir erlaubte, kommt noch eine mir gleichzeitig zugegangene dringende Bitte
meiner Mutter, die
abzuschlagen ich mich nur schwer entschließen dürfte. Es kommt dazu weiter die
begründete Aussicht, daß falls ich ablehne, jene Professur in einer meinen
Freunden und Gesinnungsgenossen in der Heimath
wenig zusagender Weise besetzt werden möchte. Auch die mir gemachten
Anerbietungen gaben mir keinen Grund zum Ablehnen. Denn so wenig ich gerade in
diesem Fall meine Annehmung oder Ablehnung von der Höhe des mir angebotenen
Gehaltes hätte abhängig machen mögen, so bestimmt war ich doch entschlossen, die
Stelle abzulehnen, wenn sie[sic!] mir, – wie ich Grund hatte zu glauben –
Bedingungen geboten wären, die hinter den mir hier gewordenen irgendwie
zurückblieben, da ich darin eine Missachtung meiner jetzigen Stellung zu
erblicken befugt gewesen wäre.
Mit so schwerem Herzen ich nun aus diesem
Lande scheiden müsste, wo ich mit so vielem Wohlwollen aufgenommen bin, wo ich
leider nur so kurze Zeit und diese durch längere Abwesenheit unterbrochen mich
bestreben durfte, dem in mir gesetzten Zutrauen nach Kräften zu entsprechen, so
bleibt mir doch wohl nichts übrig, als gehorsamst anzufragen, ob von Seiten Euer
Exzellenz nichts im Wege stehe, daß ich mich bindend bereit erkläre, die
Professur zu Bonn zu übernehmen, und
ob ich im Falle des Abschlusses der Verhandlungen einer gnädigen Entlassung aus
dem österreichischen Staatsdienste entgegensehen dürfte.
Nur schwer würde
ich mich entschloßen haben können, in dieser Weise auf den in Euer Exzellenz
gnädigem Schreiben vom 4. vorigen Monats2
ausgedrückten Wunsch zu antworten, wenn ich nicht glaubte hoffen zu dürfen, daß
Euer Exzellenz meinen Gründen Ihre Anerkennung nicht versagen werden, und wenn
ich nicht bereits damals, als ich aus Gelegenheit meiner Berufung nach Innsbruck die Ehre einer persönlichen
Unterredung mit Euer Exzellenz hatte, auf d. besonderen [?] die mich nach an die
Bonner Universität knüpfen und
die Eventualitäten, die eine baldigen Vakanz der Stelle des Herrn Prof. Aschbach für mich mit sich bringen
könnte, hinzuweisen mir erlaubt hätte.
Sollte sich nun die Sache so
gestalten, daß ich wirklich meine Professur zu Innsbruck aufgeben müsste, so
würde es wenigstens bei den in Österreich angeknüpften
Verbindungen und dem theilweise[?] geänderten Gange meiner Studien mein
eifrigstes Bestreben sein, auch ferner an dem so erfreulichen Aufblühen der
historischen Wissenschaften in Österreich in so weit
teilzunehmen, als mir solches aus der Ferne durch schriftstellerische Thätigkeit
noch möglich sein würde.
Sollte dagegen bei meiner Ablehnung der
augenblicklich festen Zusage das preußische Ministerium seine Anerbietung
zurückziehen oder selbst sich im Laufe der Verhandlung Umstände ergeben, die
mich berechtigen, die Stelle abzulehnen, so würde ich Euer Exzellenz, insofern
ich mich deren Wohlwollens und Zutrauens noch zu erfreuen hätte, bitten, mich in
meiner bisherigen Stellung zu bestätigen, in der ich das zufriedenste Jahr
meines Lebens verlebte und die aufzugeben mich nur Pflichtgefühl bestimmen
könnte.
Einer gnädigen Rückäußerung harrend