Der Historiker Julius Ficker informiert Leo Thun, vom Minister selbst
dazu aufgefordert, über das laufende Habilitationsverfahren von Alphons
Huber. Zunächst betont Ficker, dass er die Ansicht Thuns teile, wonach
für das Fach Österreichische Geschichte eine eigene Habilitation
erforderlich sei. Daher hatte Huber diese auch angestrebt. Ficker ist
aber nicht damit einverstanden, dass nur der jeweilige Fachprofessor
über die Habilitation entscheide, wie es Heinrich Glax für die
Habilitation Hubers im Fach Österreichische Geschichte forderte, und
nicht das Professorenkollegium. Glax hatte eine Habilitation mit dem
Argument abgelehnt, aus dem von Huber vorgelegten Programm gehe nicht
hervor, ob er auch befähigt sei, die beabsichtigen Vorlesungen auch
tatsächlich und vollumfänglich abzuhalten. Ficker sieht darin eine
willkürliche Auslegung der Habilitationsordnung durch Glax und weist
darauf hin, dass, sollte das Beispiel Schule machen, fortan alle
Kandidaten der Willkür des jeweiligen Fachprofessors ausgeliefert seien.
Ficker empfiehlt insgesamt, das Gesetz dahingehend abzuändern, dass
fortan nur mehr die Habiliation für ein Fach möglich sei.
Im zweiten
Teil des Briefes äußert sich Ficker zu den Gerüchten, er werde nach
München berufen. Ficker versichert Thun, dass er selbst keine Schritte
in diese Richtung unternommen habe. Ficker erklärt zwar, dass ein
solcher Ruf sehr ehrenhaft wäre und er in München trotz seiner
politischen und kirchlichen Gesinnung keine Einschränkungen erfahren
würde, dennoch fühle er sich in Innsbruck wohl und denke daher nicht
daran, aus Innsbruck fortzugehen. Sollte aber tatsächlich ein Ruf an ihn
erfolgen, würde er Thun darüber informieren. Ficker betont zudem
neuerlich, einen Ruf nach Wien, wie ihn Thun mehrfach ins Spiel gebracht
hatte, nicht annehmen zu wollen.
Abschließend äußert sich Ficker zur
politischen Haltung der Studenten in Innsbruck. Dabei zerstreut er die
Sorgen Thuns, dass sich Irreligiosität und gefährliche politische
Strömungen innerhalb der Studentenschaft breitmachten. Ficker verweist
auch auf seine Absicht, einen akademischen Leseverein zur Stärkung der
politischen Gesinnung der Studenten zu gründen. Nicht abgeneigt zeigt
sich Ficker auch gegenüber der Gründung von Verbindungen oder
Burschenschaften.
Eure Excellenz!
Das gnädige Schreiben Eurer Excellenz vom 31. Aug.1 kam mir
durch gütige Vermittlung des Herrn von
Erhardt erst verspätet zu, da es mir auf der Reise nachgeschickt
wurde. Da Eure Excellenz in demselben selbst auf das Wünschenswerthe mündlicher
Besprechung hinwiesen, so erwog ich sogleich die Frage, wie es zu ermöglichen
sei, nach Wien zu reisen, um die gewünschten Auskünfte
mündlich zu geben. Da es aber einerseits für meine erkrankte Mutter zu hart
gewesen wäre, wenn ich, kaum angekommen, sie sogleich wieder verlassen hätte,
andererseits der Druck und die Vollendung einer größeren Arbeit, welche mich den
größten Theil der Ferien zu Innsbruck festhielt, es mir
durchaus nöthig machen, noch vor Ende des Monats wenigstens auf einige Tage nach
Innsbruck zurückzukehren, so zeigte sich das für
jetzt nicht wohl ausführbar. Indem ich nur zunächst schriftlich antworte,
erlaube ich mir zu bemerken, daß, wenn Eure Excellenz auf weitere mündliche
Auskunft Werth legen sollten, es nur bedarf, mir Hochderen Wunsch nach
Innsbruck melden zu lassen, worauf ich mich
berechtigt halten dürfte, mich bezüglich der am 4. Okt. beginnenden
rechtshistorischen Prüfungen zu entschuldigen und eventuell den Beginn meiner
Vorlesungen um ein oder anderen Tag zu verzögern; kann ich mich dazu ohne
weiteres nicht berechtigt halten, so würde doch weder das eine noch das andere
eine irgend erhebliche Störung verursachen. In diesem Falle würde ich mich in
der ersten Woche des Oktober Eurer Excellenz zu Wien
vorstellen; ich bemerke noch ausdrücklich, daß um diese Zeit Eure Excellenz mir
dadurch keine lästige Verpflichtung auferlegen würden und ich es nur bedaure,
nicht augenblicklich dem angedeuteten Wunsche entsprechen zu können.
Eure
Excellenz fordern mich auf, mich über die Habilitationsangelegenheit des
Dr. Huber mit voller Aufrichtigkeit
zu äußern und ich nehme daher keinen Anstand, das auch bezüglich derjenigen
Punkte zu thuen, über welche meine eigene unmaßgebliche Meinung sich von der
Eurer Excellenz entfernt.
Mit dem Grundsatze, daß zum Lesen des
Obligatkollegs über österreichische Geschichte eine besondere Habilitation
nöthig sei, bin ich durchaus einverstanden, wir gingen auch von vornherein von
dieser Ansicht aus, indem Dr. Huber
sich allen Habilitationsleistungen doppelt unterzog. Wir legen weiter keinerlei
entscheidenden Werth darauf, daß Dr.
Huber zum Lesen des Obligatkollegs wirklich berechtigt werde. Dem
Geschichtspunkte, daß es wünschenswerth ist, wenn ein junger Gelehrter, welcher
sich vorzugsweise mit österreichischer Geschichte beschäftigt, Gelegenheit
findet, seine bezüglichen Kenntnisse auch auf dem Katheder zu verwerthen, ist
vollkommen Rechnung getragen, wenn ihm nach der Ansicht Eurer Excellenz kraft
seiner Habilitation für allgemeine Geschichte gestattet ist, Spezialkollegien
über österreichische Geschichte zu lesen. Der pekuniäre Gesichtspunkt würde im
allgemeinen allerdings für den mittellosen Privatdozenten schwerer ins Gewicht
fallen als für den besoldeten Professor; im gegebenen Falle ist er
untergeordnet, da ich hoffe, daß die gnädige Unterstützung von 400 fl, welche im
verflossenen Jahre dem Dr. Huber
gewährt wurde, ihm auch für das kommende auf mein bereits geschehenes
Einschreiten bewilligt werden dürften und da ich auch für den Fall, daß das
hohe
Ministerium dazu nicht in der Lage sein sollte, Einleitung
getroffen habe, daß ihm aus Privatmitteln eine entsprechende Unterstützung
gewährt werden wird. Auch würde der Dr.
Huber selbst, wenn ihm die Wahl gestellt wäre zwischen
allgemeiner und österreichischer Geschichte, sich unbedingt für die erstere
entschieden haben.
So durchaus einverstanden ich demnach mit der von Eurer
Excellenz in Aussicht gestellten Entscheidung des Einzelfalles sein kann, eben
so bestimmt sind meine Bedenken gegen den als Motiv für die Nichtbestätigung für
österreichische Geschichte hervorgehobenen Grundsatz, daß für eine Habilitation
die Zustimmung des Fachprofessors unumgänglich sei. Gerade dieser Gesichtspunkt
war es, welcher die Fakultät dazu bewog, den Fall in nochmalige Anregung zu
bringen, da seine Entscheidung bei jedem folgenden Fall maßgebend sein kann; und
ich fühle mich verpflichtet meine Meinung offen dahin auszusprechen, daß dieser
Grundsatz den bezüglichen bestehenden Verordnungen fremd ist und daß sein
Festhalten für die Zukunft jede gedeihliche Entwicklung des Privatdozententhums,
welches mir gerade für die österreichischen Verhältnisse von größter Wichtigkeit
zu sein scheint, unmöglich machen würde; es scheint mir ferner, daß gerade im
vorliegenden Falle das von dem dissertirenden Fachprofessor vorgebrachte Motiv
den deutlichen Bestimmungen des Gesetzes so zuwiderläuft, daß im Falle der
Billigung seines Vorgehens damit jener Grundsatz in einer Schärfe hingestellt
wäre, welche für andere Fachprofessoren in Folgefällen die bedenklichste
Versuchung bieten würde.
In einem Falle, wo Widerspruch von vornherein in
Aussicht gestellt war, suchte die Fakultät sich natürlich möglichst genau an die
über die Habilitation bestehende Verordnung zu halten. Diese spricht aber
überall nur von einer Entscheidung durch die Fakultät, der Fachprofessor wird
gar nicht erwähnt, es heißt nur einmal bezüglich des Kolloquium, daß die
Fakultät Fachmänner zur Abhaltung desselben bezeichne. Ich habe nie anders
gedacht, als daß diese Bestimmungen, wie sie sich, so viel ich weiß, an allen
deutschen Universitäten finden, ausdrücklich so gefaßt sind, um die Entscheidung
nicht in die Hände eines Fachprofessors zu legen; bin ich über die Vorgänge bei
meiner eigenen Habilitation richtig unterrichtet, so wurde auch bei dieser der
Widerspruch eines mir abgeneigten Fachprofessors bezüglich der Ausdehnung der
Facultas docendi durch die Fakultät beseitigt. Die fast unvermeidliche
Befangenheit des Fachprofessors braucht gar nicht einmal auf dem pekuniären
Gesichtspunkt der Kollegiengelder zu beruhen; sie motivirt sich in den meisten
Fällen schon dadurch, daß der Professor auch vom Geldpunkte abgesehen die
Zahl der Schüler nicht gern sich mindern sieht, daß die Konkurrenz einer jungen
rührigern Zunft ihn selbst zu erhöheter Anstrengung treibt, daß darin eine
Kontrolle für die eigenen Leistungen geboten ist und was dergleichen
Gesichtspunkte mehr sind. Ich glaube auch, daß die Anschauung Eurer Excellenz,
mit der Hebung der wissenschaftlichen Zustände im allgemeinen würde das Übel
sich verlieren, eine zu optimistische sein dürfte; so weit mir die Zustände auch
der nichtösterreichischen deutschen Universitäten bekannt sind, würde es überall
mehr als bedenklich sein, die Habilitation von der Zustimmung des Fachprofessors
abhängig zu machen. Die Entscheidung durch ein Gesammtkollegium wird in dieser
Richtung ungleich stärkere Garantien bieten, obwohl ich eine Fakultät nennen
könnte, in welcher lange Jahre hindurch die Mitglieder über Abweisung jedes
Kandidaten von vornherein einverstanden gewesen zu sein scheinen.
Was die
wissenschaftliche Seite der Habilitation betrifft, so
liegt es in der Natur der Sache, daß die Fakultät sich bei dieser vorzugsweise
an das Gutachten des Fachprofessors halten wird, so lange ihr dieses
unpartheiisch scheint. Ist letzteres nicht der Fall, so werden ihr doch selten
die Mittel zu anderweitiger genügender Prüfung abgehen; es werden sich fast
immer einzelne andere Fakultätsmitglieder finden, welche gleichfalls zu einem
Urtheile befähigt sind, das Kolloquium kann möglicherweise auch dem weniger
Eingeweihten zeigen, daß der Geprüfte dem Prüfenden überlegen sei und was
dergleichen Anhaltspunkte mehr sind. Stellt sich in solcher Weise eine
abweichende Meinung der Fakultät und des Fachprofessors heraus, so dürfte das
mindestens für das hohe
Ministerium ein erwünschter Fingerzeig sein, die Gutachten des
letztern und die Arbeiten des Kandidaten einer anderweitigen wissenschaftlichen
Prüfung unterziehen zu lassen.
Im vorliegenden Falle handelte es sich nun
aber gar nicht um einen solchen, jedenfalls bedenklichern, wissenschaftlichen
Konflikt zwischen der Fakultät und dem Fachprofessor. Das Gesetz verlangt vier
wissenschaftliche Leistungen: Habilitationsschrift, Programm, Kolloquium und
Probevorlesung, die Gutachten des Prof. Glax über alle vier sind theils ganz entschieden günstig, theils
wenigstens so anerkennend, daß ein wissenschaftliches Motiv für die Abweisung
daraus nicht entnommen werden kann. Es ist richtig, daß Prof. Glax trotzdem unerwarteter Weise nicht
zustimmte; und wenn Eure Excellenz meinen, ich sei von der Anschauung
ausgegangen, er habe schließlich zugestimmt, so ist mir nicht bewußt, welche
Stelle meiner Äußerungen dazu Anlaß gegeben haben könnte; ich muß mich
undeutlich ausgedrückt haben, habe vielleicht sagen wollen, daß er auf mein
Schreiben hin jeden Widerstand aufzugeben schien, weshalb uns sein
dissertirendes Votum überraschte. Der Kernpunkt der Frage scheint aber darin zu
liegen, daß dieses Votum sich nicht auf eine abweichende Meinung über den
wissenschaftlichen Werth der Leistungen bezog, sondern, wie sich aus den Akten
ergibt, auf eine abweichende Auslegung des Gesetzes oder
eigentlich bestimmter auf eine über das Gesetz hinausgehende
Forderung, welcher die Fakultät zuzustimmen sich gar nicht hätte
berechtigt halten können. Es handelt sich um das Programm.
Das Gesetz, so weit ich mich auf den Wortlaut desselben besinne, verlangt ein
Programm, woraus sich ergibt, welche Vorlesungen der Kandidat halten will und in
welcher Art und Weise er sie zu behandeln gedenkt. Dieser deutlichen Forderung
hat der Kandidat auch nach dem Gutachten des Prof. Glax unzweifelhaft entsprochen. Gegen das vorliegende Programm
hatte doch Prof. Glax nichts
einzuwenden; aber er erklärte, daß ihm ein Programm nicht genüge, aus welchem
er nur ersehe, wie der Kandidat den Gegenstand behandeln wolle, nicht aber ob er
ihn genügend so behandeln könne. Die Akten ergeben aufs bestimmteste, daß diese
Forderung, welche aber so unvereinbar ist mit dem einfachen Sinne des Wortes
Programm, als sie der Angabe des Gesetzes über den Inhalt desselben
widerspricht, das Einzige war, auf das Prof. Glax schließlich seine abweichende Meinung stützte. War das aber
der Fall, so handelte es sich gar nicht um irgend ein wissenschaftliches Moment,
sondern lediglich um die richtige Auslegung und Anwendung des Gesetzes, über
welche unzweifelhaft der Chemiker oder Philosoph ein ebenso gewichtiges Urtheil
abgeben konnte als der Historiker. Sollte nun selbst in einem solchen Falle, wo
der Begriff des Fachprofessors gar nicht mehr in Frage kommt, die Stimme dieses
schwerer wiegen als die der gesammten übrigen Fakultät, so würde die Theilnahme
der letztern an jeder Habilitation nur eine ganz leere Form sein; und wird ein
Vorwand, wie der vom Prof. Glax
gebrauchte, in der höhern Instanz ausdrücklich anerkannt, so wird in der Folge
jeder Kandidat dem guten Willen des Fachprofessors ganz preisgegeben sein.
Dieses prinzipielle Moment vor allem war es, was die Fakultät im Interesse
unseres ganzen Universitätslebens bewog, die Angelegenheit nochmals in Anregung
zu bringen. Die Entscheidung ist für uns um so wichtiger, als wahrscheinlich in
nächster Zeit ein Habilitationsakt bevorsteht, bei welchem sich sehr leicht ganz
entsprechende Fragen aufwerfen könnten.
Wie nun auch die hohe Entscheidung
erfolgen mag, die Fakultät wird durch die abermalige Anregung dem, was sie für
ihre Pflicht hielt, genügt haben und Eure Excellenz können versichert sein, daß
auch der ehrfurchtsvoll Gefertigte sich zu bescheiden weiß und gern anerkennt,
daß er als Diener eines größern Ganzen dem Streben, subjektive Ansichten zur
Geltung zu bringen, auch dann bestimmte Gränzen zu setzen hat, wenn er von der
Richtigkeit derselben noch so sehr überzeugt ist. Es dürfte ihm auch wohl kaum
mehr anstehen, anzudeuten, wie seiner subjektiven Meinung nach die Sache zu
entscheiden wäre, wagt er es dennoch und geht er damit zu weit, so mögen Eure
Excellenz es verzeihen im Hinblicke darauf, daß Eure Excellenz selbst durch das
unverdiente Vertrauen, welche Hochdieselbe ihm bei dieser wie so mancher andern
Gelegenheit erwies, ihn dazu verleitet haben.
Bei einer solchen Formulirung
kann ich von meinen Bedenken gegen die schroffe Scheidung von allgemeiner und
österreichischer Geschichte absehen; ich sprach sie mehr mit Rücksicht auf
zukünftige Fälle aus. Ebenso lege ich aus den angeführten Gründen keinen Werth
darauf, daß der Dr. Huber wirklich
berechtigt werde, das Obligatkolleg über österreichische Geschichte zu lesen;
und wird das aus irgend einem Grunde verhindert, so dürfte doch den Wünschen des
Prof. Glax durchaus Genüge geschehen
sein. Dagegen würde ich nach meinem subjektiven Standpunkte nur davon ausgehen
können, daß die Entscheidung nach den bestehenden Verordnungen und im Interesse
einer ungehinderten Entwicklung des Privatdozententhums nur davon ausgehen
dürfte, daß der Kandidat auch bezüglich der österreichischen Geschichte den
Forderungen des Gesetzes genügt habe, woraus sich dann die prinzipielle
Anschauung ergeben würde, daß dem Fachprofessor kein unbedingtes Veto gegen die
Habilitation zustehe.
Die einfachste Lösung in diesem Sinne wäre eine hohe
Entscheidung, daß der Kandidat in beiden Fächern den Forderungen entsprochen
habe, daß aber für beide zugleich die Facultas nicht ertheilt werden könne, daß
er sich demnach für eins von beiden Fächern entscheiden möge. In diesem Falle
könnte ich mich dafür verbürgen, daß Dr.
Huber sich für allgemeine Geschichte entscheiden wird. Gegen
solche Entscheidung würde freilich das Bedenken obwalten, daß sie sich der
frühern hohen Entscheidung nicht genau anschließt.
Eine der frühern sich
möglichst genau anschließenden Entscheidung wäre dagegen aber folgende: das
hohe
Ministerium hält an seiner frühern Entscheidung fest, weil beide
Fächer unvereinbar sind und bei dem bestimmt betonten Bedürfnisse nach
eingehenden Vorlesungen über alte Geschichte im Interesse der Universität dem
Fache der allgemeinen Geschichte der im gegebenen Falle der Vorzug zu geben ist;
auf die mit Rücksicht auf die Behandlung ähnlicher Fälle gestellte Anfrage der
Fakultät erklärt das hohe
Ministerium, daß ein Bedenken gegen das Majoritätsurtheil der
Fakultät, insbesondere auch gegen die Auffassung der das Programm betreffenden
Gesetzesstelle nicht vorliege und die Bestätigung der Habilitation für
österreichische Geschichte hätte erfolgen können, wenn im gegebenen Falle nicht
der angeführte Grund für eine andere Entscheidung maßgebend gewesen
wäre.
Nach den Andeutungen, welche Eure Excellenz mir zu geben geruhten,
darf ich freilich kaum hoffen, daß eine solche oder ähnliche Entscheidung
erfolgen dürfte und bitte deshalb nochmals um Entschuldigung, wenn ich es wagte,
meine Ansicht in solcher Weise zu formuliren.
Eure Excellenz erwähnen weiter die Eventualität einer Berufung nach München. Mir selbst ist darüber Genaueres nicht bekannt geworden; nur wurde vor einiger Zeit versichert, es herrsche höchsten Orts zu München die Geneigtheit mich dorthin zu berufen; doch ist es mir sehr zweifelhaft, ob es wirklich dazu kommen dürfte. Ich gestehe offen, daß, wenn ich Innsbruck verlassen sollte, München der Ort wäre, nach welchem ich mich mit Vorliebe wenden würde; schon deshalb, weil ich dort nach meinen politischen und kirchlichen Gesinnungen in meiner Wirksamkeit zwar nicht unangefochten, was ich nicht scheue, aber auch nicht isolirt stehen würde. Ließ mich der Gedanke an eventuelle Wendungen meiner Stellung zum Prof. Glax oder auch daran, daß wir zu unserm Bedauern Eure Excellenz als Chef verlieren könnten, wohl gelegentlich erwägen, wo ich mich außer Innsbruck hinwenden könnte, so lag mir am nächsten, wenn nicht an eine Anstellung, doch an eine Wirksamkeit zu München zu denken. Dennoch kann ich Eure Excellenz versichern, daß ich nicht den geringsten Schritt that, auf eine Berufung dorthin einzuwirken, daß ich bei längerm Aufenthalte zu München um Ostern absichtlich manches vermied, was sich dahin hätte deuten lassen. Eine Berufung kann allerdings erwünscht sein, auch wenn sie nicht angenommen wird; aber ich möchte mich nicht dazu verstehen, so lange ich nicht entschlossen wäre, sie wirklich anzunehmen, auf eine solche hinzuwirken, dazu wäre ich aber in keiner Weise bestimmt entschlossen, da ich mich im allgemeinen in meinem Wirkungskreis zu Innsbruck ganz befriedigt fühle; es würde sich auch darum handeln, was für ein Wirkungskreis mir zu München geboten würde, andererseits, ob Eure Excellenz nicht in der Lage wären, mir einige Vergünstigungen, welche mir meine Stellung in Innsbruck noch werther machen würden, zu gewähren; falls mir eine Berufung Anlaß geben sollte, darum zu bitten. Doch ist mir das Eintreten dieses Falles so zweifelhaft, daß es vorläufig Eurer Excellenz genügen dürfte, wenn ich versichere, daß ich keine Schritte thuen werde, um die Berufung herbeizuführen, daß, wenn an mich Anträge gelangen sollten, ich keinerlei Verpflichtung eingehen werde, ohne vorher mit Eurer Excellenz Rücksprache genommen zu haben, daß mich endlich nur ganz überwiegende Beweggründe bestimmen könnten, eintretenden Falles eine den Wünschen Eurer Excellenz entgegengehende Schlußentscheidung zu fassen und es mich besonders freuen würde, in solchem Falle durch ein Anschließen an die Wünsche Eurer Excellenz zeigen zu können, wie sehr ich das Vertrauen, mit welchem Hochdieselben mich so vielfach beehren, zu schätzen weiß. Deuten Eure Excellenz auf die Möglichkeit einer Beförderung nach Wien hin, so weiß ich auch diesen Beweis des hohen Vertrauens dankbarst anzuerkennen, aber nach meiner jetzigen Beurtheilung der Sachlage glaube ich doch, ohne auf die Gründe einzugehen, andeuten zu sollen, daß eine solche Beförderung weder meinen Wünschen entsprechen dürfte noch auch den günstigen Erfolg haben dürfte, welchen sich Eure Excellenz vielleicht davon versprechen.
Mit tiefem Bedauern habe ich die Bemerkungen Eurer Excellenz über die Klagen
gelesen, welche Hochderselben über die Innsbrucker Studenten zu Ohren gekommen sind. Ich stehe keinen
Augenblick an, und zwar nicht blos mit Berufung auf die Aufrichtigkeit, zu
welcher ich mich jeder Privatanfrage Eurer Excellenz gegenüber verpflichtet
fühlen muß, sondern mit ausdrücklicher Berufung auf meine Amtsverpflichtungen,
zu erklären, daß meiner subjektiven, aber wohlerwogenen
Ansicht nach, der Geist der Innsbrucker
Studirenden im allgemeinen nicht allein zu Tadel keinen Anlaß gibt, sondern
meiner Meinung nach der Staat sich glücklich schätzen könnte, wenn an allen
Universitäten ein entsprechender Geist herrschte. Daß die Nachrichten Eurer
Excellenz aus zuverlässiger Quelle zukamen, will ich damit nicht bezweifeln. Das
Urtheil wird hier durch die subjektiven Ansichten außerordentlich beeinflußt
sein; man kann verschiedener Ansicht sein über den Geist, welcher bei den
Studirenden herrschen sollte; man kann selbst bei übereinstimmender Ansicht
darüber einzelne Äußerungen studentischen Lebens ganz verschieden beurtheilen;
entgegenstehende subjektive Ansichten können daher hier bei größter
Aufrichtigkeit von beiden Seiten sehr wohl bestehen. Ich trage aber zugleich
doch auch kein Bedenken, darauf hinzuweisen, daß unsere Studenten aus Anlässen,
bei welchen ich ihr Vorgehen großentheils nur billigen konnte, manchen
Anfeindungen ausgesetzt waren und dies doch sehr wohl erklären würde, wenn
Eurer Excellenz manche ungegründete oder entstellte Nachricht zugekommen
wäre.
Worauf sich eine Klage über Entschwinden des religiösen Sinnes gründen
sollte, wüßte ich wirklich nicht abzusehen. Äußerlich würde sich das doch durch
Vernachlässigung der religiösen Pflichten zeigen müssen; ich glaube aber
überzeugt sein zu dürfen, daß der Bruchtheil der Studirenden, welcher diese
verabsäumt, so klein ist, daß er gegen die entsprechenden Verhältnisse anderer
Universitäten, so weit mir diese bekannt sind, gar nicht in Betracht kommt. Ich
habe mich noch, ohne den Anlaß anzudeuten, bei einem von hier gebürtigen, mir
befreundeten Innsbrucker Studirenden
ausdrücklich nach Umständen erkundet, welche eine Klage über Irreligiosität
begründen könnten, auch er wußte mir nichts anzuführen. In den ersten Jahren
meines Aufenthalts schienen allerdings von einem bestimmten Kreise aus
materialistische Ansichten auch in die Studentenschaft überzugreifen und ich
erinnere mich, damals diesen Punkt mehrfach mit Kollegen besprochen zu haben,
jetzt ist jener Kreis längst gelöst, ich wüßte von ähnlichen Einflüssen nichts
zu sagen. Es können Umstände vorliegen, welche mir nicht bekannt sind; nach dem
mir Bekannten möchte ich eher eine Hebung des religiösen Sinnes annehmen.
Vielleicht könnte man in dieser Beziehung hinweisen auf eine Abneigung der
Studirenden gegen die Professoren, welche vorzugsweise als Vertreter der
religiösen Richtung gelten, so der Pater Kobler, Baron Moy,
Kopetzky. Bei letzterm liegen die
Gründe lediglich in der Art seiner wissenschaftlichen Thätigkeit; auch bei den
andern bleibt ihre kirchliche Richtung ganz außer dem Spiel. B[aron] Moy hat sich im verflossenen
Jahre 1859 als Prorektor Rücksichtslosigkeiten gegen die Studirenden zu Schulden
kommen lassen; die daraus entsprungenen Differenzen wurden beigelegt, doch
schien die gegenseitige Abneigung sich nur allmählig zu verlieren. Die
Differenzen der Studirenden mit dem Pater Kobler gingen ebenfalls lediglich von der Stellung desselben als
Rektor aus; daß er dem bestverläumdeten Orden angehört, war darauf, so weit ich
irgend beurtheilen kann, ohne Einfluß; daß unberufene Korrespondenten das in
dieser Richtung ausbeuteten, war nicht Schuld der Studenten, diese haben sogar,
und zwar unaufgefordert, wie ich weiß, öffentlich dagegen protestirt. Auch
Gefertigter hat damals, so weit er konnte, den Rektor öffentlich in Schutz
genommen; er will aber auch nicht verhehlen, daß er und manche seiner Kollegen
es später vielfach bedauerten, daß die erste Wahl eines Rektors aus dem Orden
sich gerade auf den Genannten gelenkt hatte, welchem es gewiß nicht an gutem
Willen, aber unserer Ansicht nach an Geschick und billiger Rücksichtnahme
fehlte; es waren nicht blos die Studirenden, welche glaubten, in dieser Richtung
klagen zu dürfen. Darauf war aber ein etwaiger Gegensatz gegen den Orden
einflußlos, wie sich schon vielleicht daraus ergeben dürfte, daß bei der
diesjährigen Rektorswahl, bei welcher in Folge von Verhältnissen, welche mit den
hier angedeuteten nicht ganz außer Zusammenhang stehen, sehr lebhaft gegen Prof.
Maassen operirt wurde, drei von
den vier Wahlmännern des Ordens mit der vorzüglich durch die Philosophen
gebildeten Majorität stimmten, obwohl Pater Kobler die Minorität zu begünstigen schien.
Was die
Verbreitung der süddeutschen Zeitung und andrer schlechter Blätter (Frankfurter
Journal) betrifft, so ist es richtig, daß dieselben mehrfach in
Innsbruck aufliegen; das Publikum hat aber seine
Freude am Skandal. Daß die Studenten sie vorzugweise läsen, ist mir nicht
bekannt; in dem von den deutschen Studenten vorzugsweise besuchten Kaffeehause
liegt, so viel mein hiesiger Studirender weiß, die süddeutsche Zeitung gar nicht
auf; er selbst hat sie überhaupt nie in der Hand gehabt. Den Mißstand, daß
Professoren und Studirende ihre politische Lektüre zu
Innsbruck großentheils in Kaffeehäusern suchen
müssen, haben ich und mehrere meiner Kollegen längst ins Auge gefaßt und dachten
an Herstellung eines akademischen Lesevereins im Universitätsgebäude, wo sich
das mit ganz geringen Mitteln erreichen läßt; der Gefertigte, welcher in
Bonn als Studirender im Ausschuße
eines derartigen Instituts war, hat schon vor einem Jahre einen Studentenentwurf
gemacht; im verflossenen Studienjahre war die Sache nicht in Gang zu bringen,
ist aber jetzt wieder aufgefaßt und dürfte wohl bald eine Vorlage an das
hohe
Ministerium erfolgen, auf deren Genehmigung wir wohl von dem hier
besprochenen Gesichtspunkte aus ums so eher hoffen dürfen.
Soll mit dem
Vorwurfe des Lesens der Süddeutschen Zeitung zugleich gesagt sein, daß die
Studenten der Richtung derselben huldigten, so dürfte ihnen ein ungerechterer
Vorwurf kaum gemacht werden können, wäre es der Fall, so würde der Gefertigte
der letzte sein, sie zu vertheidigen, da er sich nirgends in so scharfem
Gegensatze weiß, als mit der durch jenes Blatt vertretenen Richtung. Eure
Excellenz wissen, daß sich im verflossenen Jahre in Tirol
vielfach eine vorzugsweise durch lokale Gesichtspunkte bedingte Mißstimmung
geltend machte; die Studentenschaft blieb davon unberührt; sie faßte sogleich
mit vollster Bestimmtheit die höhern Gesichtspunkte des Rechtes des Kaisers, der
Interessen des Gesammtstaates ins Auge; sie war bereit, jedes Opfer dafür zu
bringen. Daß diese Stimmung erhalten bleibe, scheint mir bei der besondern Lage
des Landes von der höchsten Wichtigkeit, ungleich mehr wegen des moralischen
Einflusses, als wegen der 200 willigen und rüstigen Streiter, welche die
Landesvertheidigung dadurch gewinnt; ich möchte dafür einstehen, daß sie
erhalten bleibt, wenn die Studenten sehen, daß man Vertrauen auf sie setzt,
während sie gegen nichts empfindlicher sind, als gegen mißtrauische Überwachung.
Manche Maßregeln des verflossenen Jahres, das Abnehmen der deutschen Farben von
ihrer Fahne, das Verbot des Tragens der Kompagniefarben, die Begünstigung der
Italiener bei der Stipendienvertheilung usw. haben, wie ich nicht läugnen will,
manche Mißstimmung erregt; ob mit Recht oder Unrecht kann ich nicht untersuchen;
aber die kernige und besonnene politische Gesinnung blieb davon gewiß unberührt,
es könnte sich höchstens um geringere Willigkeit handeln, für dieselbe
einzustehen, und wenige Zeichen des Vertrauens würden gewiß hinreichen, jeden
Rest zu beseitigen. Von den italienischen Studirenden rede ich dabei natürlich
nicht; für die Deutschen mußte es doppelt empfindlich sein, wenn das Betragen
dieser hie und da als Maßstab für die Gesinnung der Studenten überhaupt
anscheinend auch an höchster Stelle in Innsbruck geltend
gemacht wurde.
Was den Vorwurf burschenschaftlichen Kneipenlebens betrifft,
so dürfte da vorzüglich zwischen dem Gefertigten und den Berichterstattern Eurer
Excellenz von vornherein eine Verschiedenheit der Meinungen bestehen. Fünf Jahre
lang selbst Burschenschaften angehörend hatte ich genugsame Gelegenheit,
Vortheile und Nachtheile derselben kennen zu lernen und wäre in Übereinstimmung
mit mehreren meiner Kollegen durchaus der Ansicht, daß aus verschiedenen Gründen
zu Innsbruck, vielleicht aber auch nur zu
Innsbruck ein Verbindungsleben, welches gesetzlich
gebilligt, der Einwirkung der Professoren nicht entrückt wäre und mit den
Zwecken der Landesvertheidigung in nähere Beziehung träte, nicht allein nicht
nachtheilig, sondern in den verschiedensten Beziehungen vortheilhaft wirken
könnte. Das näher auszuführen gebricht es mir jetzt an Zeit und Ruhe; sollte ich
Eure Excellenz nicht persönlich sprechen und Hochdieselben nicht überhaupt den
Gedanken von vornherein ganz von der Hand weisen, so würde ich mir denn auch zu
zeigen suchen, daß die Versuche von Studirenden zur Gründung von Verbindungen
ohne ihr Verschulden länger fortgesetzt wurden, als vielleicht mit den
bestehenden Verordnungen vereinbar war; sei es in Folge eines Mißverständnisses,
sei es in Folge einer Sinnesänderung Seiner
kaiserlichen Hoheit, glaubte man, daß von dieser Seite das Tragen
der Kompagniebänder nicht mißbilligt werde, auf die erste bestimmte Weisung sind
dieselben augenblicklich abgelegt.
Indem ich es lebhaft bedauere, daß es mir
hier an Muße fehlte, das Schreiben Eurer Excellenz so schnell und wenigstens
bezüglich des letzten Punktes so ausführlich zu beantworten, als ich wünschte,
wiederhole ich mein Erbieten, von Innsbruck aus, wohin
ich bis zum 25. oder 26. dieses Monats zurückgekehrt zu sein denke, entweder
nach Wien zu kommen oder brieflich weitere Mittheilung zu
machen.
Mit größter Ehrerbietung und Ergebenheit
Eurer Excellenz
ganz gehorsamster
J. Ficker
Münster, 1860 Sept. 16.–20.