Friedrich Maassen an Leo Thun
Innsbruck, 4. Juli 1857
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Regest

Der Jurist Friedrich Maassen bittet Leo Thun um seine Versetzung nach Prag, falls – wie kolportiert wird – Josephat Zielonacki nach Lemberg versetzt werden sollte. Der maßgebliche Grund für diese Bitte ist die Unzufriedenheit mit seiner Stellung in Innsbruck. Außerdem würde er, falls er tatsächlich den Lehrstuhl Zielonackis erhalten sollte, zum Ordinarius befördert. Dies trüge wesentlich zur Verbesserung seiner Lage bei. Zur Untermauerung seiner Bitte erwähnt Maassen, dass demnächst eine längere Abhandlung von ihm in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaft erscheinen wird. Darin legt er einige Ergebnisse seiner Studien in verschiedenen Bibliotheken dar. Gerne würde er Thun bei seinem nächsten Aufenthalt in Wien einen Abdruck der Studie überreichen.

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Edierter Text

Eure Excellenz!

Der Professor Zielonacki in Prag bewirbt sich, wie ich erfahren habe, um seine Versetzung nach Lemberg. Für den Fall, daß Eure Excellenz geneigt sein sollten, diesem Gesuch zu willfahren, erlaube ich mir, die ehrerbietigste Bitte auszusprechen, daß Hochdieselben geruhen mögen, mich an die Stelle des Professors Zielonacki als Ordinarius nach Prag zu befördern.
Zu dieser Bitte bestimmt mich einmal der Wunsch, von Innsbruck überhaupt versetzt zu werden. Es besteht für mich gegenwärtig, nachdem ich durch einen zweijährigen Aufenthalt Gelegenheit gefunden habe, mir ein Urtheil über die hiesigen Verhältnisse zu bilden, kein Zweifel mehr, daß, soweit mein Entschluß in Frage kommt, meine Wirksamkeit als Professor der Innsbrucker Universität nur eine transitorische sein kann. Mein Streben muß sein, von hier fort zu kommen, nicht aber, hierzubleiben. Daß aber zweitens die Übertragung einer Prager Professur, auch dann wenn diese negative Rücksicht für mich ganz hinwegfiele, in jeder Beziehung eine beträchtliche Verbesserung involvirt, liegt ja sehr in der Natur der Verhältnisse, als daß Eure Excellenz ich mit einer Aufzählung der Gründe ermüden dürfte.
Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich den Zeitpunkt, in welchem möglicherweise durch die Versetzung meines Vorgängers in der hiesigen Professur eine Vacanz derselben Professur in Prag entsteht, einer Realisirung meines Wunsches für günstig halte.
Die philosophisch-historische Classe der k. Akademie der Wissenschaften in Wien hat die Aufnahme einer Abhandlung1 von mir in ihre Sitzungsberichte durch Beschluß vom 24. vorigen Monats genehmigt. Vielleicht würde es zur Unterstützung meiner ehrerbietigsten Bitte gereichen, wenn es mir schon jetzt möglich wäre, dieselbe Euer Excellenz gedruckt vorzulegen. Da aber die Sitzungsberichte der Akademie frühestens im zweiten Monat nach den betreffenden Sitzungen ausgegeben werden, so bin ich dazu leider gegenwärtig noch nicht im Stande. Die erwähnte Abhandlung ist das Ergebnis von Studien hiesiger, Münchner und Bamberger Handschriften. Sie ist nur ein Bruchstück einer größern Arbeit; da aber das Glück, das bei handschriftlichen Forschungen eine große Macht ist, mich begünstigt hat, und verschiedene für die juristische Literargeschichte wichtige Thatsachen, die bisher unbekannt waren, schon in dieser Abhandlung von mir mitgetheilt sind, so glaube ich mich der Hoffnung hingeben zu dürfen, daß bereits diese kleinere Arbeit der Beachtung der gelehrten Welt werth sein werde. Ich werde bei meinem in die nächsten Ferien fallenden Aufenthalt in Wien nicht verfehlen, Eure Excellenz um gnädigste Erlaubnis zu bitten, daß ich Hochdenselben ein Exemplar gehorsamst überreichen dürfe.
Geruhen Hochdieselben den Ausdruck der tiefsten Ehrerbietung huldvollst zu genehmigen, mit der ich beharre

Eurer Excellenz unterthänigster Diener
Dr. Maaßen

Innsbruck, den 4. Juli 1857