Der Jurist Josephat Zielonacki bittet Leo Thun um eine Professur an einer österreichischen Universität. Zielonacki hatte aus politischen Gründen seine Professur in Krakau verloren. Er ist jedoch der Ansicht, dass seine Entlassung erst nach einer offiziellen Untersuchung und einem daraus resultierenden Urteil hätte erfolgen dürfen, weil er bereits eine definitive Anstellung besaß. Daraufhin führt er mehrere Gründe an, welche seine Anstellung als eine definitive kennzeichneten: So sei in seinem Anstellungsdekret sowie in den Briefen des mit ihm damals verhandelnden Ministerialrates Eduard Tomaschek nie von einer provisorischen Anstellung die Rede gewesen. Auch habe ihn das Ministerium für Kultus und Unterricht nicht darauf aufmerksam gemacht, dass Professoren in Österreich zunächst für drei Probejahre angestellt würden und innerhalb dieses Zeitraums ohne Grund entlassen werden können. In diesem Falle hätte Zielonacki nämlich die Professur in Krakau abgelehnt. Schließlich schildert Zielonacki die Notlage, in welche ihn die Entlassung geführt hat: Er habe derzeit keine Einkommen, außerdem habe er durch den Eintritt in den österrichischen Staatsdienst seine preußische Staatsbürgerschaft und damit auch die Chance auf eine Anstellung in Preußen verloren; zudem sei sein Ruf ruiniert. Zielonacki bittet Thun dann eindringlich um Hilfe und hofft, dass Thun sich moralisch verpflichtet fühle, ihm in dieser schwierigen Situation beizustehen. Zielonacki nennt auch einige Personen, die für ihn bürgen können.
Hochgeborener Herr Graf.
Hochzuverehrender Herr Minister,
Excellenz!
Da ich mir meine Wiederanstellung im Kaiserstaate Oesterreich
nur dann als möglich denke, wenn das hohe k.k. Ministerium des
Unterrichts den betreffenden Antrag an Seine k.k. Apostolische Majestät von dem
Gesichtspunkte aus stellen würde, daß die hohe k.k. Regierung im Momente meiner
Amtsenthebung eine moralische – weil gerichtlich nicht erzwingbare – Pflicht
übernommen hat, mich entweder im Genuße des vollen Gehalts zu belassen, wie dies
beim Professor Hanusch in
Prag der Fall war, oder mich an einer anderen k.k.
Universität als definitiven Professor anzustellen, und da es mir unbekannt ist,
ob das hohe k.k.
Unterrichtsministerium den genannten Antrag gerade in der obigen
Art an Seine k.k. Apostolische Majestät
zu stellen geneigt sein wird, so habe ich den Enschluß gefaßt, mich unmittelbar
an Seine k.k. Apostolische Majestät im
Wege der Gnade zu wenden mit der demüthigsten Bitte, Seine k.k. Majestät mögen mich an einer
anderen Universität definitiv anzustellen geruhen, falls meine Wiederanstellung
in Krakau unstatthaft sein sollte.
Zur Begründung der obigen Bitte habe ich mich darauf berufen, daß ich nicht
provisorisch, sondern definitiv angestellt war und somit nach dem
österreichischen Gesetze, namentlich nach dem Gesetze vom Jahre 1849, ein
Anrecht erworben habe, meines Amtes nicht anders als nach eingeleiteter
Untersuchung und nach erfolgtem Urtheil enthoben zu werden.
Als Beweis für
die Behauptung, daß meine Anstellung eine definitive war, führe ich folgende
Gründe an:
1. Daß weder in meinem Anstellungsdecrete noch auch in den
Briefen des Ministerialrathes Herrn Dr.
Tomaschek, der, wie ich annehmen muß, im Auftrage des hohen
k.k.
Unterrichtsministerium mit mir verhandelte, von einer
provisorischen Anstellung die Rede ist, was, wenn das hohe Ministerium mich
provisorisch anzustellen willens war, nothwendig hätte geschehen müssen, indem
ich auf contractmäßigem Wege vom Auslande her berufen wurde. Das hohe k.k. Ministerium des
Unterrichts hat dies selbst dadurch thatsächlich anerkannt, daß
Hochdasselbe mich durch den Ministerialrath Herrn Dr. Tomaschek anfragen ließ, ob ich mich
mit dem gewöhnlichen Gehalte eines Universitätsprofessors begnüge, ob mir das
Gesetz bekannt sei, wonach Universitätsprofessoren im Kaiserstaate
Oesterreich zu der Categorie der Beamten gehören und als
solche Seiner Majestät dem Kaiser den Diensteid zu leisten haben und bei
dergleichen Acten die gegenseitigen Vertragspunkte selbstverstandenermaßen klar
und ausdrücklich ausgesprochen werden müssen;
2. Daß meine Anstellung nach
den Rechtsbegriffen aller civilisirten Staaten nur unter der Bedingung als eine
provisorische gelten könnte, wenn das hohe k.k. Ministerium des
Unterrichts mich darauf aufmerksam gemacht hätte, daß im
Kaiserstaate Oesterreich das Gesetz gilt, wonach
Universitätsprofessoren anfänglich auf drei Probejahre angestellt werden und
somit während des genannten Zeitraumes ohne allen Grund, wenn sie der hohen k.k.
Regierung nicht mehr conveniren, des Amtes enthoben werden können, indem ich als
damaliger preußischer Unterthan die Pflicht, das genannte administrative
österreichische Gesetz zu kennen, nicht hatte. Hätte das hohe k.k. Ministerium mir
erklärt, daß Hochdasselbe mich nur unter der Bedingung als Universitätsprofessor
anstellen werde, wenn ich mich dem gedachten Gesetze unterwerfe und eine
provisorische Anstellung annehme, so hätte ich die Professur in Krakau abgelehnt, da ich nahe Aussicht
hatte auf Erlangung einer definitiven Professur an der Breslauer Universität und mich somit in
solchen Verhältnissen befand, daß die Annahme eines provisorischen Amtes meine
Lage nicht gebessert, sondern verschlimmert hätte;
3. Daß das hohe k.k. Ministerium des
Unterrichts selbst thatsächlich anerkannt hat, daß meine
Anstellung eine definitive war, indem Hochdasselbe der k.k. Landesfilialcasse in
Krakau die amtliche Weisung zugehen ließ, die
Carenztage von meinem Gehalte sofort abzuziehen, welche nach den k.k.
österreichischen Gesetzen von dem Gehalte eines provisorischen Beamten nicht
abgezogen werden darf;
4. Daß der Einwand unstatthaft ist: die Befreiung von
dem Gesetze über die drei Probejahre sei eine Begünstigung und ich dürfe keine
Begünstigungen, keine Ausnahmsgesetze für mich in Anspruch nehmen, da meine
Ernennung von Seiner k.k. Apostolischen
Majestät selbst ausgegangen ist und Seine Majestät, als unser gnädigster Kaiser und Herr,
Begünstigungen aller Art zu ertheilen, die volle Macht hat, überdies auch von
diesem allerhöchsten Rechte bei Berufung ausländischer Gelehrten wirklich
Gebrauch gemacht, indem einige von ihnen unter weit günstigeren Bedingungen als
ich im Kaiserstaate Oesterreich angestellt wurden.
Dies
sind die Rechtspunkte, welche für mich mit solcher Evidenz, mit solcher
unumstößlichen Kraft sprechen, daß meine Amtsenthebung jedem rechtlich Gesinnten
als eine sehr große Unbill erscheinen muß, als eine Unbill, die sein
Rechtsgefühl auf eine arge Weise verletzt.
Daher habe ich auch die
Überzeugung, daß Seine k.k. Apostolische
Majestät mich nur aus Mißverständnis des Amtes enthoben; da es
eine Majestätsbeleidigung wäre anzunehmen, daß Seine Apostolische Majestät der Kaiser, dessen Rechtsgefühl und
religiöse Gesinnung weltbekannt sind, willens gewesen wäre, an meiner Person
einen Act der Willkühr und Gewalt auszuführen.
Noch den Punkt wage ich
ehrfurchtsvoll hervorzuheben, daß die Amtsenthebung meine ganze materielle
Existenz vernichtet hat, indem ich nur ein unbedeutendes Vermögen besitze und
keine Aussicht habe im Königreiche Preußen
angestellt zu werden, da man meine Amtsenthebung nach den dortigen Begriffen
beurtheilen und mich somit, indem im Königreiche Preußen definitive Beamten aufgrund eines bloßen Zweifels über
die Gesinnungstüchtigkeit nicht abgesetzt werden, irgendeiner politisch
strafbaren Handlung beschuldigen wird. Meine Lage ist dadurch noch peinlicher
geworden, daß ich die Staatsbürgerschaft im Königreiche Preußen verloren habe und um deren Ertheilung – so hat meinen
Collegen Malecki der Oberpräsident von
Posen beschieden – in der nämlichen Art bitten muß,
als wäre ich früher ein preußischer Unterthan gewesen. Unter diesen Umständen
ist mithin meine Wiederaufnahme in den preußischen Staat sehr
fraglich.
Gegen das Zeugnis derjenigen, die meine politische Gesinnung
verdächtigt, bin ich imstande gewichtige Gegenzeugnisse zu stellen. Ich berufe
mich in dieser Beziehung auf die Meinungen des k.k. österreichischen
Kammerherrn, Herrn von Wielowiejski in
Krakau, des Decans und Professors, Herrn Dr. Fierich, des Professors Slawikowski, des Professors Koczynski, des ehemaligen politischen
Beamten, Herrn Karsznica in Podgórze bei
Krakau. Alle die genannten Herrn genießen, wie ich
glaube, das vollste Vertrauen der hohen k.k. Regierung. Dafür, daß mir jede
politische Propaganda fremd und verhaßt ist, bürgt übrigens meine ganze
Vergangenheit. Im Jahre 1846, in dem eine politische Bewegung im Großherzogthum
Posen, wo ich damals lebte, stattfand, stand ich auf
Seite der Ordnungsparthei, wie dies durch den Umstand am besten bekräftigt wird,
daß das hohe k. preußische Ministerium des Unterrichts nach gepflogenen
Verhandlungen mit den betreffenden Polizeibehörden mir gestattete, mich im Jahre
1847 als Privatdocent an der Breslauer
Universität zu habilitiren. Auch in dem Jahre 1848 habe ich mich
an den allgemein ausgebrochenen Unruhen in keiner Weise betheiligt, wie dies das
amtliche Zeugnis der k. preußischen Polizeibehörde beweiset, welches ich dem
Ministerialrathe Herrn Dr. Tomaszek
vor meiner Berufung zugeschickt habe. Auch dieser Umstand spricht für meine
jeder politischen Propaganda unzugängliche Gesinnungsrichtung, daß ich mich als
Pole an einer deutschen Universität habilitirt und in dem revolutionären Jahre
1848 ein wissenschaftliches Werk in deutscher Sprache geschrieben habe.
Die
Bitte, die ich nun Euer Excellenz ehrfurchtsvoll vorzulegen wage, indem ich an
Euer Excellenz Gewissen appellire, geht dahin: Euer Excellenz mögen meine an
Seine k.k. Majestät gestellte Bitte
gütigst befürworten, insbesondere aber allerhöchsten Orts officiell aussprechen,
daß meine Amtsenthebung mit den k.k. österreichischen Gesetzen nicht im
Einklange stehe, da ich nicht provisorisch, sondern definitiv angestellt
war.
Ich glaube entschieden an die Herrschaft des Rechts und der Gesetze in
dem mächtigen Kaiserstaate Oesterreich und eben weil ich
diesen Glauben habe, sehe ich meiner Wiederanstellung als definitiven Professor
mit der festesten Zuversicht, ja Gewißheit entgegen, indem ich mich gegen Euer
Excellenz schwer versündigen würde, wenn ich den Fall möglich denken sollte, von
Euer Excellenz aufgeopfert zu werden, nachdem ich auf Treu und Glauben dem Rufe
Euer Excellenz gefolgt bin, Euer Excellenz somit moralisch verpflichtet sind,
die Art meiner Berufung bei Seiner
Majestät selbst dann zu vertreten, wenn dies auch Euer Excellenz
persönliche Unannehmlichkeiten zuziehen sollte, Euer Excellenz sich auch der
genannten Pflicht als Ehrenmann nicht entziehen können.
Habe ich mich zu
offen geäußert, so bitte ich Euer Excellenz in tiefster Ehrfurcht um
hochgeneigteste Verzeihung; ich habe es nur darum gethan, weil ich die
Überzeugung habe, daß nur Offenheit meine Sache fördern kann und wird.
In
tiefster Ehrfurcht verbleibe ich
Euer Excellenz
allerunterthänigster Diener
Dr. Josephat von Zielonacki
Zurzeit wohnhaft
im Großherzogthume Posen auf dem Gute Chwalbogowo im Kreise Wreschen (per
Strzalkowo)
Chwalbogowo, den 22. Mai 1853