Schulrat Andreas Wilhelm berichtet über die Situation am Gymnasium in
Teschen. Zunächst bestätigt er, dass die im beigelegten anonymen
Schreiben geschilderten Zustände am Teschener Gymnasium der Wahrheit
entsprechen. Er hat dies auch dem Unterrichtsminister bereits
mitgeteilt, allerdings hat er Thun verschwiegen, dass der Ruf des
Klerus' in Teschen seit Jahren sehr schlecht sei. Eine Aufklärung
diverser Verbrechen von Priestern sei dort nie erfolgt. Eine Ursache,
warum der Zustand sich in der Vergangenheit weiter verschlimmerte, war
die Milde und Gutgläubigkeit des verstorbenen Bischofs Diepenbrock.
Wilhelm empfiehlt daher, mehr Laien für den Lehrberuf zu gewinnen. In
der Folge berichtet er von seinen übrigen Amtsgeschäften und äußert sich
zufrieden darüber. Besonders hebt er eine neue Disziplinarvorschrift für
den Krakauer Schulbezirk hervor, die er entworfen hat und die aus seiner
Sicht eine Verbesserung der Disziplin ermöglichen wird.
In der
Beilage schildert ein anonymer Schreiber die Situation am Teschener
Gymnasium. Er prangert insbesondere die Sittenlosigkeit des Direktors
an, der trotz seines geistlichen Standes seit Jahren mit einer Frau
zusammenlebe. Ebenso würden andere geistliche Lehrer Beziehungen zu
Frauen unterhalten. Dies alles sei öffentlich bekannt, werde aber vom
bischöflichen Kommissar wohlwollend ignoriert.
Der Brief ist gemeinsam mit weiteren Briefen, die dieselbe Thematik
betreffen, abgelegt:
Heinrich Förster an Leo Thun. Schloss Johannesberg, 10. September
1855.
Andreas Wilhelm an Leo Thun. Krakau, 15. September
1855.
Heinrich Förster an Leo Thun. Schloss Johannesberg, 11. Oktober
1855.
Heinrich Förster an Leo Thun. Breslau, 4. November 1855.
Beilage: Anonymes Schreiben aus Teschen, in dem die Situation am dortigen Gymnasium geschildert wird.
Hochverehrter Herr und Freund!
Ich stelle das anonyme Schreiben über die
Verhältnisse in Teschen zurück und muß leider den Inhalt
desselben bestätigen; wie ich dies auch Seiner Excellenz
heute berichtet
1habe. Was ich jedoch in dem Schreiben an
Seine Excellenz zu sagen mich
scheute, erlaube ich mir hier beizufügen.
Die Teschner Geistlichkeit hat
seit lange nicht den besten Ruf. Von dem vor einigen Jahren verstorbenen
Generalvicar Oppolski nennt man
noch heute ein mehr als äquivokes Sprichwort, das derselbe öffentlich im Munde
geführt haben soll. Der jetzige Generalvicar Helm, ein sehr achtbarer Biedermann, aber ohne Kraft zur
Selbstständigkeit, daher geleitet von Andern, schrieb im Jahre 1848 an einen
Deputierten in Frankfurt, er möge für Aufhebung des
Cölibates alles aufbieten; denn nur durch Bewilligung der Ehe sei es möglich,
diesen Stand aus der tiefen moralischen Versunkenheit zu retten.
Man
erzählt noch über andere Individuen in Teschen manches,
das ich übergehe. Nur zwei – ich bitte um Entschuldigung für den Ausdruck –
Scheusale muß ich nennen, die beiden Potiorek, die in Teschen altbekannten
Päderasten. Der eine, gewesener Hauptschuldirector, starb vor einem Jahre; ob
der andre, ebenfalls Priester, noch lebt, weiß ich nicht; nur so viel kann ich
sagen, daß er vor einem Jahre durch schamlos unzüchtige Reden öffentlich
Ärgernis gab, und daß er vor mehreren Jahren in Friedeck
[Frýdek] in Correction war und während der Correction sein Verbrechen forttrieb.
Das ist die geistliche Aufsicht.
Ein anderes Beispiel geistlicher Strenge
kann ich bei dieser Gelegenheit nicht übergehen. Vor vier Jahren kam von dem
Stadtvorstande in Bennisch [Horní Benešov] ein Gesuch an
die Landesschulbehörde um Entfernung des dortigen Katecheten, der 15jährige
Mädchen auf sein Zimmer kommen ließ und sich mit ihnen einsperrte, um sie, wie
er sagte, genauer in der Religion zu unterrichten. Alles war schriftlich
nachgewiesen, die feurigsten Correspondenzen, freilich von „Liebe in Christo“
beigeschlossen. Das Consistorium, dem wir die Sache zuschickten, gab dieselbe an
den Dechant in Freudenthal [Bruntál], dieser an den
Pfarrer in Bennisch, der nachmittags nie nüchtern ist.
Der Pfarrer berichtete gut, der Dechant ihm nach, das Consistorium gab uns gar
keine Antwort; und der Kaplan blieb in Bennisch und trieb
sein Unwesen fort. Die Stadt war in großer Aufregung. Zum Glück entführte dieser
Kaplan bald darauf ein Mädchen, und zwar mit den Pferden des Pfarrers. Man
setzte ihm nach und holte ihn zurück; dabei hatte er die Pferde des Pfarrers zu
Grunde gerichtet, und hierüber aufgebracht trat der Pfarrer gegen ihn auf. Nun
wurde er nach Römerstadt versetzt; kam aber von dort noch zur Nachtzeit herüber
auf Bestellungen in einem Walde, bis mehrere Bürger von Bennisch öffentlich
verlauten ließen, daß sie ihm auflauern würden. Nun erst hatte die Sache ein
Ende.
Der selige Cardinal
glaubte jedem Geistlichen aufs Wort. Diesem Vertrauen verdankte das katholische
Gymnasium in Teschen eine schwere Verläumdung durch den
Director Krauß. Auch von Gabriel habe ich keine bessere Meinung. Als
einmal (was öfters geschah) an der Wand im Gymnasialgebäude über ihn und jene
Lehrer, welche sich zu Hausinstructoren im Cselesta’schen Convicte verwenden
ließen, etwas aufgeschrieben war; sprach er aufgebracht vor dem Lehrkörper, er
werde sich an den Bischof wenden, da er von Troppau keine
Unterstützung zu erwarten habe. Er meint es mit dem Gymnasium nicht redlich; nur
seine Person ausgezeichnet und bewundert zu sehen, ist sein Streben. Er wäre an
ein Gymnasium zu versetzen, das nicht specifisch-katholisch, ich meine, direct
einem evangelischen gegenüber gestellt ist.
Von Klostergeistlichen, welche
an Gymnasien angestellt waren, hat man überhaupt schon manche bedauerliche
Beispiele. Ich habe davon zwei erlebt, von meinen Vorgängern in
Tarnow und in Troppau.
Die
Jugend schaut zu, durchblickt alles und schweigt. Das Publicum thut dasselbe;
denn es weiß, daß jeder Versuch, gegen ein solches Beispiel aufzutreten, selbst
mit den unwiderlegbarsten Beweisen, nur auf das Haupt des Klägers zurückfallen
würde.
Die Lehren der Geistlichen hatten, das kann ich aus meiner Erfahrung
als Schüler und Lehrer sagen, seit je weit weniger Gewicht als die aus dem Munde
eines weltlichen; denn der Geistliche sprach ja, so drängte sichs auf, pro domo.
Darum dringe ich bei jeder Gelegenheit auf die gewißenhafteste Pflichterfüllung
durch Lehre und Beispiel; was um so notwendiger ist, je weniger die Beispiele
der Geistlichen entsprechen.
Ich komme nun zu meinen Amtsverhältnissen. Der
Geschäftsgang geht ohne Hemmnis, bis auf die in der schwerfälligen Einrichtung
der Registratur liegenden Hemmnisse. Vor kurzem wurde ich mit allerlei
distrahierenden rein ökonomischen Stücken gemartert, namentlich Bausachen,
Mietzins und dergleichen. Ich mußte Tage verlieren mit Suchen und Nachfragen. Da
bot sich eine gute Gelegenheit, bei welcher Gelegenheit mir der Referent
zusicherte, künftig mit derlei Dingen mich zu verschonen; ich erbot mich
dagegen, die Reiseparticularien zu übernehmen, auch wegen der schnelleren
Erledigung.
Zu Anfange dieses Monates rettete ich durch Zufall und festes
Auftreten das Rzeszower Gymnasium vor Zerrüttung und die Landesregierung vor
Compromittierung. Der Rzeszower Kreisvorsteher hatte über einen Bericht des
Kreisarztes, daß in den meisten Dörfern des Kreises die Cholera noch herrsche
(in der Stadt aber erloschen sei), angetragen: den Anfang des Schuljahres auf
den 15. October zu verlegen. Der Erlaß, daß die Schulen am 1. October anzufangen
haben, war von dem Hofrate (in Abwesenheit Seiner Excellenz) schon approbiert;
zufällig erfuhr ich davon. Ich gieng zum Hofrate, machte aufmerksam daß, wenn es
schon dabei bliebe, obwol die Schulen am 1. September eröffnet sein mußten (es
war am 2. September), die Anzeige nebst meinen Gegengründen an das hohe
Ministerium zu erstatten sei. Es wurde endlich beschlossen, nach
Rzeszow zu telegraphieren: wie der Stand der Cholera
sei, wie viele Schüler beisammen seien. Den andern Tag kam, wie befohlen war,
die Antwort. Ich siegte.
In der Sitzung am 13. dieses Monates habe ich
meinen Entwurf eines Disciplinargesetzes für die Gymnasien des Krakauer
Verwaltungsgebietes vorgetragen. Da wir keinen Fond zur Bestreitung der
Druckkosten haben, wird, so wurde vom Hofrate angeordnet, das Disciplinargesetz
in diesen Tagen dem hohen Ministerium mit der Bitte um Vorschuß und Veranlassung
des Druckes in der Ärarialdruckerei vorgelegt werden. Ich schmeichle mir, nicht
daß es vollkommen sei, aber daß darin die Mängel der bisher erschienenen
Disciplinarvorschiften vermieden sein dürften.
Die schriftlichen Geschäfte
für Schlesien führe ich, als wenn ich in
Troppau wäre; wodurch viel Zeit und Schreiberei
erspart wird. Was die Ernennung eines Volksschulinspectors betrifft, sollte
nicht ein Schulmann in Böhmen sich finden? Ohnehin dürfte die
Kenntnis des Böhmischen für denselben notwendiger sein als die des Polnischen,
weil man das Böhmische im ganzen slavischen Schlesien versteht, nicht so das
Polnische.
Man hat von hieraus, im Auftrage Seiner Excellenz des Herrn Präsidenten, um meine
Enthebung von den schlesischen Volksschulen angesucht; dies geschah aber nicht
etwa auf meinen Wunsch, vielmehr gegen denselben; denn ich bemerkte, daß das
hohe Ministerium von selbst nicht säumen werde, die Stelle in
Schlesien zu besetzen, wenn der geeignete Mann gefunden
sein werde.
Ich geharre mit dem Ausdruck der vollkommensten Hochachtung
Eurer Hochwolgeboren ergebenster Diener
Andr. Wilhelm
Krakau den 15. September 1855
Euer Excellenz!
Hochgeborner Graf!
Im Vertrauen auf Hochderselben allseitig bewährten Sinn für alles Gute, Wahre
und Schöne glauben wir es wagen zu dürfen, nachstehendes der hohen
Berücksichtigung Euer Excellenz vorzulegen:
So zufrieden die katholische
Bevölkerung Teschens war, als im Jahre
1850/51 das hiesige katholische Gymnasium zu einem Obergymnasium erhoben
wurde, so mißmutig sind jetzt manche Ältern [sic!], die in der Lage sind,
ihre Kinder gerade dieser Lehranstalt anvertrauen zu müssen. Denn indem wir
gerne zugestehen, daß es im Lehrkörper dieser Anstalt einige ehrenhafte
Individuen gibt, die nach jeder Richtung hin der studierenden Jugend als
nachahmungswürdige Muster vorleuchten; so gibt es dennoch wiederum andere,
über deren moralische Haltung im Publikum eine ungünstige Meinung Grund
gewonnen hat. Hieher gehört zuerst der provisorische Direktor Gabriel. Bald nach seinem Eintreffen
aus Brünn im Jahre 1851/52 kam ihm ein Frauenzimmer
nach, die er als eine verwandte Witwe ausgab und als seine Vertraute
behandelte. Auf einmal aber wurde es in Teschen bekannt, daß jene Person
ihren Gatten, einen bejahrten Beamten, namens Sniehota – er starb erst mit Ende des Jahres 1853 in
Brünn – verlassen und dem kräftigeren Augustiner,
mit dem sie schon in Brünn lange in gutem
Einvernehmen war, nachgezogen ist.
Ungeachtet diesem Augustiner und
provisorischen Direktor durch mündliche Mittheilungen und Pasquille bekannt
wurde, daß das Publikum von seinem Verhältnis mit jener Frau Kenntnis habe,
so lebt er dennoch bis jetzt im vertrauten Umgange mit ihr, ja er handelte
unbegreiflicher Weise noch so unüberlegt, daß er im Gespräche mit Anderen,
insbesondere mit dem hiesigen evangelischen Gymnasiallehrer Burkhard zu
dessen größtem Erstaunen über den Cölibat sich unumwunden dahin aussprach:
„Derselbe sei nur im Allgemeinen, des Prinzips wegen geboten, keineswegs
aber für den Einzelnen bindend.“
Das Beispiel des provisorischen
Direktors fand bald traurige Nachahmung. So mußte im Jahre 1852 auf
Veranlassung des Gymnasialinspektors der Nebenlehrer Janota, Weltpriester der Tarnower
Diözese, gegenwärtig am Krakauer
Gymnasium, seine hochschwangere Konkubine von Teschen
wegschaffen; so weiß man, daß der Katechet des Obergymnasiums, Bitta, Weltpriester der Olmützer
Erzdiözese, fürstbischöflicher Konsistorialrat der Breslauer Diözese und
Stiftspriester im Elisabethiner-Convente in Teschen, die Nonne Franziska in
sein Zimmer gelockt, dieselbe, als sie von der wachsamen Oberin
herausgefordert wurde, verläugnet, und sie dann erst herausgegeben hat, als
die Oberin drohend auftrat; so wurde, was dem hohen Ministerium des
Cultus und Unterrichts selbst wol bekannt ist, 1854 der
Supplent Kapinus, Weltpriester der Breslauer Diözese, des Ehebruches
angeklagt; so ist es bekannt, daß der Lehrer Danel, Weltpriester der Breslauer Diözese, lange Zeit mit
einer Feldwebelswitwe intimen Umgang pflegte und die Bekanntschaft mit ihr
auch jetzt noch unterhält, wiewol selbe nicht mehr in Teschen ist; endlich
weiß man auch noch, daß der Katechet des Untergymnasiums, Sobetzky, Weltpriester der Breslauer
Diözese, eine hiesige Ehefrau in Abwesenheit deren Gemals [sic!] zum großen
Ärgernis der übrigen Hausgenossen dieser Frau frequentirt.
Alle derlei
Skandale werden von dem eigentlichen religiös-sittlichen Wächter Teschens,
dem fürstbischöflichen Ordinariatskommissär des Teschner katholischen
Gymnasiums und Pfarrer Joseph
Paduch mit voller Sympathie übersehen, indem er selbst,
wiewol schon 68 Jahre alt, noch immer nicht mit Forderungen respective der
Paternität verschont bleibt, und zum Belege dessen erst vor nicht langer
Zeit einer seiner Kapläne, namens Michalek, der zur
Abwehrung einer derartigen Sustentationsforderung mit dem Stocke in der Hand
seinem Prinzipale im Pfarrgebäude behilflich sein zu können wähnte, dafür
von dem Postulanten arg gemißhandelt wurde.
Wie unerquicklich und
trostlos sind nicht derlei Ereignisse! Deshalb bitten wir hochachtungsvoll
um der Religion, der Sittlichkeit und des Wohles unserer Jugend willen, Euer
Excellenz wollen diesen Übelständen nach hohem Ermessen zu begegnen geruhen.
Wir sind hochachtungsvoll
Euer Excellenz und Hochgeboren
innigste Verehrer
Religions- und
Jugendfreunde