Fürstbischof Heinrich Förster wendet sich erneut in der Angelegenheit des
Teschener Gymnasiums an Leo Thun. Er teilt dem Minister mit, dass die
Anschuldigungen genauestens geprüft worden seien. Dabei konnte
festgestellt werden, dass die Verdächtigungen bis auf zwei Ausnahmen
unwahr seien. Die Anschuldigungen gegen Johannes Kapinus und Joseph
Paduch würden allerdings leider zutreffen. Paduch wurde bereits zur
Resignation aufgefordert, er versucht sich jedoch noch dagegen zu
sträuben. Förster glaubt, dass Paduch sicher auch bei Thun vorstellig
werden wird. Als den anonymen Schreiber will Förster den Lehrer Florian
Lukas identifiziert haben. Dieser und andere weltliche Lehrer wollten
damit offenbar ihre geistlichen Kollegen diffamieren. Trotz der
weitgehenden Klärung des Falls glaubt Förster, dass es am besten wäre,
das Gymnasium den Jesuiten anzuvertrauen. Schließlich warnt Förster den
Minister noch vor zwei Lehrern, Künzer und Hartwig, die sich um Stellen
in Österreich bewerben möchten. Diese seien aber weder in
wissenschaftlicher noch moralischer Hinsicht dafür geeignet.
Im
beigelegten Brief von Philipp Gabriel erklärt dieser alle
Anschuldigungen gegen ihn als Verleumdung des Lehrers Florian Lukas.
Dieser wolle nämlich alle geistlichen Lehrer vom Gymnasium vertreiben.
Er sieht darin eine Fortsetzung der antireligiösen Strömungen des Jahres
1848 und einen Angriff auf die katholische Kirche insgesamt. In der
Folge versucht er, die Anschuldigungen gegen ihn und andere geistliche
Lehrer zu entkräften.
Der Brief ist gemeinsam mit weiteren Briefen, die dieselbe Thematik
betreffen, abgelegt:
Heinrich Förster an Leo Thun. Schloss Johannesberg, 10. September
1855.
Andreas Wilhelm an Leo Thun. Krakau, 15. September
1855.
Andreas Wilhelm an Rudolph Kink. Krakau, 15. September 1855
.
Heinrich Förster an Leo Thun. Breslau, 4. November 1855.
Beilage: Philipp Gabriel an Heinrich Förster. Teschen, 4. Oktober 1855. Als Beilage zu diesem Brief von Gabriel sind wiederum einige Schriftproben von Florian Lukas beigelegt.1
Hochgebietender Herr Minister,
Hochgeborener Graf,
Gnädigster Herr!
Ich würde fürchten müssen, recht unbescheiden zu erscheinen, wenn ich schon
wieder mit meinen Angelegenheiten mich in den Kreis Euer Excellenz vielfacher
Sorgen dränge, hätten mir Hochdieselben nicht genügend bewiesen, mit welcher
gewissenhaften Treue auch diesem Theile Euer Excellenz weiter Verwaltung Ihre
Aufmerksamkeit zugewendet ist.
Eine mit aller Genauigkeit geführte
Untersuchung in Anklagesachen des bewußten anonymen Schreibens,2 welches zurückzusenden ich mir ergebenst gestatte, hat
unzweifelhaft dargethan, daß bis auf zwei Persönlichkeiten, die darin
beschimpften Männer, unter denen sich sehr würdige Priester befinden, in der
schmählichsten Weise verläumdet worden sind.
Die beiden mit Wahrheit
angegriffenen Persönlichkeiten sind Kapinus, dessen Untersuchungssache Euer Excellenz bekannt ist;
und Paduch, der Fürstbischöfliche
Commissarius in Teschen. Dieser Unglücksmann, der sich
außerdem gar nicht für die wichtige Stellung in Teschen,
am allerwenigsten für die eines Curators des Gymnasiums daselbst qualifizirt,
ist sonst ein fleißiger und bisher in seinem Rufe unbescholtener Mann. Vor etwa
12 Jahren hat er sich in einer schwachen Stunde mit einem verschmitzten
Frauenzimmer, die es darauf angelegt hat, vergessen, ist seit dieser Zeit von
ihr auf das unerhörteste ausgesogen worden – bis endlich die Sache zur
förmlichen Öffentlichkeit gekommen ist. Ich habe ihm angekündigt, daß er das
Commissariat niederlegen und sein Benefizium resigniren müsse. Der Mann ist in
förmlicher Verzweiflung und thut alle Schritte, sich dort zu erhalten.
Wahrscheinlich wird er auch bei Euer Excellenz vortreten, mir mindestens ist
mein Vorgehen in dieser Sache gegen Paduch bereits als unerhörte Härte ausgelegt worden.
Von
Gabriel läßt sich nichts
erweisen. Die ihm näher stehen, auch gewissenhafte unparteiische Priester, wie
Dr. Wache, können in seinem Verhältnisse
zu der verfolgten Wirthin etwas Anstößiges nicht finden. So weit indeß ist
sicher, daß seine Haltung priesterlicher sein könnte und daß es klug wäre, wenn
er die vielbesprochene Haushälterin längst entlassen hätte – wie ich ihm auch
sehr ernst und nachdrücklich insinuirt habe. Wie er selber die Sache ansieht,
wollen Euer Excellenz aus seinem beiliegenden Schreiben an mich gütigst
entnehmen , in welchen zugleich durch die angeschlossenen Schriften
unzweifelhaft – wie mir scheint – dargethan wird, daß der Schreiber das anonymen
Briefes der Lehrer Lukas am Gymnasium
in Teschen ist; wie sich denn überhaupt immer sicherer
herausstellt, daß das ganze Pasquil- und anonyme Briefschreiben und alle
Intriguen gegen Dr. Gabriel und die
geistlichen Lehrer von den weltlichen Lehrern unterhalten werden.
Möge Gott
helfen und Eurer Excellenz treue Sorgfalt. Die Übergabe des Gymnasiums an die
Jesuiten muß ich auch jetzt noch für das beste Mittel erachten.
Schließlich
wollen mir Euer Excellenz noch die ergebenste Bemerkung gestatten, daß wenn
Dr. Künzer aus Breslau und ein
gewisser Lehrer Hartwig aus
Schlesien sich wegen Aufnahme an einem Gymnasium in
Östreich bei Euer Excellenz melden
sollten, dieselben am besten sofort abzuweisen wären. Weder ihre
wissenschaftliche noch sittliche Führung macht sie empfehlenswerth.
Indem
ich Gott bitte, daß Er Euer Excellenz in seinem Allerheiligsten Schutze erhalte
und bewahre, verharre ich mit der Gesinnung der treusten und herzlichsten
Verehrung
Euer Excellenz gehorsamster Diener
Heinrich
Fürstbischof v. Breslau
Schloß Johannesberg, den 11. Oktober 1855
Hochwürdigster Fürstbischof!
Gnädigster Herr!
Gestern wurde mir von dem Hochwürdigen Fürstbischöflichen Generalvicar im strengsten Vertrauen der
unerhörte Innhalt eines anonymen Schreibens an
Euere Fürstbischöfliche Gnaden bekannt gegeben. Dieses Schreiben hat
Lukas zum Verfasser, welches
aus dem Zusammentreffen aller Umstände hervorgeht. Um die Handschrift zu
erkennen lege ich einiges von derselben bei. Diese teuflische Bosheit wütet
gegen mich seit meinem Hiersein, weil man alle katholischen Priester vom
Gymnasium vertreiben will. Es ist dieses complotartige Unternehmen der
fortgesetzte Kampf der Irreligiosität vor 1848, welcher den
Fürstbischöflichen Comissär und Sobetcki erhängen wollte, der sich mit Kossuth verband und den Aufruhr offen
predigte, in den Oktobertagen bewaffnet nach Wien zog
– aber zurückgeworfen wurde.
Ich stehe im Augenblicke zu sehr unter dem
Einfluße einer heftigen Nervenerschütterung, um die Ursachen dieser
Irreligiosität constatiert niederzuschreiben und Euer Fürstbischöflichen
Gnaden zu übergeben und berichte nur rücksichtlich des Stiftes, daß es bei
25 Knaben und Jünglingen aus Reinlichkeitsrücksichten, der Haushaltung und
Einkaufes, einer erfahrenen Pflegerinn bedurfte. Die genannte Frau ist 45
Jahre alt, kinderlos und lebt von ihrem Jahreseinkommen von 360 fcm. Sie ist
unbescholten, opferwillig und genügsam. Die Personen des Haushaltes wohnen
unten, die Vorsteher des Conviktes mit den Zöglingen im obern Teile des
Hauses. Jedes Zusammenkommen bei der getroffenen Regelung ist beseitiget.
Prof. Danel und Sobetzky werden mein Verhalten als
Vorstand einer Erziehungsanstalt eidlich angeben und das k.k. Landesgericht
als Obercuratelsbehörde darüber aussagen können. Ich mache, da ich der Ehre
und dem Zwecke alles zu bieten im Stande bin, unterm heutigen Tag, die
Anzeige an das k.k. Kreisgericht, daß vom 1. Jänner 1856 die Verrechnung und
Besorgung der Verköstigung mir abgenommen und ämtlich eingeleitet werde. Daß
dieser Vorgang zum Schaden der Anstalt sein wird, ist sicher, da wol Niemand
uneigennütziger wirken könnte und wirken wird, als derjenige, der sich für
das erhabene Ziel opfert. Diesem ungezügelten Streben die Kirche Gottes zu
untergraben, indem die Priester derselben bei der Achillesferse des
katholischen Clerus gefasst werden, ist schauderhaft. Auf diese Weise kann
der größte Teil der Geistlichkeit an den Pranger gebracht und das
entschiedene Wirken deßelben – welches nicht berührt wird – aufgehoben
werden.
Gott wird sein Werk schützen und mir Kraft geben die Wahrheit
zum Heile der Kirche auszusprechen.
Obgleich ich bis jetzt wie ein
Eremit gelebt habe, beschäftigt von früh bis Abend mit meiner Aufgabe am
Gymnasium und im Convikte, so werde ich und will ich, um die Beweisführung
gegen die Irreligiösen zu vollenden, noch abgesonderter leben. Wenn
Lukas nicht
versetzt wird, wird auch dann noch keine Ruhe sein. Man fürchtet
schon jetzt das Übergewicht der kath. Richtung, für welche fast alle Schüler
und alle besseren Eltern gewonnen sind; durch 2 Jahre ist kein Abiturient
bei der Maturitätsprüfung gefallen; das spricht doch wol für die Leistung
des Gymnasiums?
Gott stärke und erleuchte mich!
Verzeihen der
Hochwürdigste Fürstbischof meinem flüchtigen Schreiben, welches unter den
bittersten Gefühlen geschrieben ist. Verlassen Uns der Hochwürdigste
Fürstbischof nicht, es ist der Vorfall ein Hauptangriff auf den
Katholicismus, bei welchem die antikatholische Partei des katholischen
Lehrkörpers so wie die Protestanten beteiliget sind.
Mit dem Ausdrucke
der tiefsten Ehrfurcht zeichnet sich
Euer Fürstbischöflichen Gnaden tief ergebenster
Dr. Gabriel
Teschen am 4. Oktober 1855